Der Fremde im Garten

molly

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Der Fremde im Garten

Eines Morgen wachten die Pfeffermännchen frühzeitig auf. Eilig deckten sie den Tisch, kochten Kaffee, holten Milch, Butter, Marmelade und Honig aus dem Schrank, schnitten Brot und setzten sich an den runden Tisch. Roto gähnte laut und sagte dann: "Heute gibt es viel Arbeit auf dem Bauernhof.“ Gelbert hielt den Kopf in die linke Hand gestützt. Mit dem Löffel in der rechten Hand rührte er in seiner Tasse. Er sagte: "Ich habe heute Nacht sehr schlecht geschlafen und kaum ein Auge zugetan, Grünter hat fürchterlich geschnarcht.“ Grüntert lachte laut. „Was ist denn da so lustig?" fragte Gelbert und verzog sein Gesicht. Grünter antwortete: „Ich bin heute Nacht aufgewacht und dachte, du würdest schnarchen! Aber jetzt lauft los, ich habe auch zu tun.“ Roto und Azuro wanderten fröhlich pfeifend zur Arbeit auf den Bauernhof. Gelbert trottete müde hinterher.
Grünter räumte den Tisch ab, er freute sich schon auf das Wochenende, wenn alle frei hatten und zusammen etwas unternehmen konnten. Aber heute, wenn er im Häuschen aufgeräumt hatte, wollte er ein Regal für die Schuhe schreinern.

Grünter nahm die Gießkanne und goss die Blumen am Fenster. Kurz schaute er in den Garten und da fiel ihm vor Schreck beinahe die Gießkanne aus der Hand. Im Salatbeet kniete ein fremder Mann. Er hatte pechschwarze und lockige Haare. Dieser fremde Kerl trampelte ihren schönen Garten nieder. Kurz entschlossen öffnete er die Haustüre, stürmte auf den Fremden los und rief: „Was suchst du in unserem Garten?" Der Fremde antwortete: „Etwas zu essen“, und kroch auf allen vieren weiter. Grünter stellte sich vor den Eindringling und versperrte ihm den Weg. "Du ruinierst unser schönes Gemüsebeet", schrie er. Nun erhob sich der Fremde endlich. Er klopfte den Schmutz von den Hosen und Händen und fragte verwundert: „Erlaubst du mir nicht, dass ich hier ein paar Möhren suche?" Grünter blickte den Fremden erschrocken an. So einen langen Kerl hatte er noch nie gesehen. Alles an ihm war riesig, die Augen und die Ohren, die Schultern, die Hände, die Beine und die Füße. „Weißt du überhaupt, wer ich bin“? fragte der Fremde und Grünter schüttelte nur den Kopf. Sein Herz klopfte wild und er wollte in das Häuschen zurück. Langsam, Schritt für Schritt und rückwärts, entfernte er sich von dem baumlangen Kerl. „Noch zwei Meter, dann bin ich gerettet", murmelte es. Doch da schnellte der lange Arm des Fremden vor und hielt Grünter fest. "Halt, hier geblieben", donnerte er mit tiefer Stimme. „Ich bin Willibald und wer bist du?“ fragte er. "Ich bin Grünter Pfeffermännchen und wohne hier mit Roto, Azoro und Gelbert zusammen.“

"Kennst du dich in dieser Gegend aus?" wollte Willibald wissen. „Ja, ja", stammelte Grünter. "Das trifft sich gut“, meinte Willibald, „ich suche nämlich einen Führer." „Ich dachte, du suchst etwas zum Essen“, sagte Grünter. „Stimmt genau, ich bin hungrig, weil ein böser Räuber meinen Salat, die Möhren und alle Beeren gestohlen hat. Hörst du, wie mein Magen knurrt?" Er presste Grünters Kopf an seinen Bauch. Wie das schmerzte! Tränen stiegen ihm in die Augen. „Lass mich los", schrie er und Willibald gab den Kopf frei. Aber er hielt den Zwerg noch immer an den Armen fest. Er sagte: "Ich suche einen Führer, der mich in den Wald zu diesem frechen Räuber bringt. Ich glaube, er heißt Kinobart oder so ähnlich." „Du meinst den Räuber Kunibert", antwortete Grünter, "keiner weiß, wo der haust."
Willibald knurrte: „Du hast gesagt, du kennst dich hier aus, also bringst du mich in den Räuberwald. Wenn du nicht gehorchst, reiße ich dir ein Haar nach dem anderen von deinem hübschen, kleinen Kopf“, und drohend wickelte er ein Haar von Grünter um seinen Zeigefinger. Grünter jammerte laut. Willibald fragte: "Na, führst du mich nun in den Räuberwald?"
Nie und nimmer würde Grünter mit diesem Grobian in den Wald gehen, aber Haare verlieren wollte er auch nicht. Vielleicht konnte er den Riesen überlisten. Er sagte: "Wenn ich mit dir gehe, muss ich meine Schuhe anziehen, in Hausschuhen kann ich dich nicht begleiten." Das sah Willibald ein und er ließ Grünter los. Der rannte wie der Blitz in das Häuschen, schlug die Türe zu und schob den Riegel davor. Einen Augenblick lehnte er sich gegen die Tür und schloss erleichtert die Augen. Dann stieg er mit zitternden Knien die Wendeltreppe hinauf in die Schlafkammer. Er öffnete das Fenster und blickte auf den Riesen, der geduldig im Hof wartete. Grünter rief: „Willibald, du Riesenschreck! Ich begleite dich nicht in den Räuberwald, du musst dir einen anderen Helfer suchen.“
„Das kannst du dir noch einmal überlegen, inzwischen will ich mich stärken", antwortete der Riese. Er ging zum Gemüsebeet zurück, kniete sich hinein und zog eine Mohrrübe heraus. Grünter schimpfte: „Mit deinen langen Beinen mähst du unseren Salat nieder, du machst alles kaputt.“
„Ich habe einen Riesenhunger und der Räuber hat mir alles gestohlen", sagte Willibald. "Und du raubst unser Gemüse und zerstörst unseren Garten, das ist genau so schlimm wie stehlen“ sagte Grünter. „Was soll ich denn tun? Wenn du eine gute Idee hast, wie ich satt werden kann, verlasse ich sofort den Garten", versprach Willibald.

Grünter schlug dem Riesen vor, ihm eine Bratwurst zu schenken. Willibald schmatzte genüsslich und verdrehte dabei seine Augen. „Die würde mir sehr schmecken", sagte er und stellte sich auf den Gartenweg. Grünter eilte in die Küche, holte eine Wurst aus dem Kühlschrank und stieg damit die Wendeltreppe hinauf. Er öffnete das Fenster, schwenkte die Wurst hin und her und rief: „Komm her, dann lasse ich die Wurst zu dir hinunterfallen." Willibald antwortete: „ich bin doch kein Hund, der nach der Wurst schnappt. Ich möchte in deiner Küche essen!“ Grünter grollte: „Bei dir piept es wohl. Ich lasse dich nicht herein, eben wolltest du mir noch die Haare ausreißen, hast du das schon vergessen?" „Ich werde dir kein einziges Haar mehr krümmen und ich gebe mein Riesenehrenwort, dass dir von mir kein Leid geschieht. Darauf kannst du dich verlassen", versprach Willibald, und legte seine große Hand auf sein Herz. „Du zwingst mich auch nicht mit dir den Räuber Kunibert zu suchen?" erkundigte sich Grünter. "Ich zwinge dich nicht ", versicherte der Riese mit tiefen Stimme. „Du bist schlau und klug, Grünter, vielleicht kannst du mir einen Rat geben, wie ich den Räuber Kunibert alleine finden kann. Oder willst du auch nicht über ihn sprechen?" Grünter überlegte einen Augenblick. Dann sagte er: „Ich werde dir alles erzählen, was ich über den Räuber Kunibert weiß, aber ich lasse dich nicht ins Haus." „Warum muss ich draußen bleiben? Hast du etwa noch immer Angst vor mir?" wollte der Riese wissen. Grünter schüttelte den Kopf. „Nein, nein, unsere Stühle sind zu klein für dich und außerdem habe ich gestern mein Häuschen frisch geputzt. Du hast schmutzige Schuhe:“ „Ich ziehe sie aus und setze mich auf den Boden", schlug Willibald vor und damit war Grünter einverstanden. „Stell deine Schuhe unter die Gartenbank", befahl er.

Willibald schnürte seine Riesenschuhe auf, streifte sie von den Füssen und stellte sie unter die Bank. „Grünter, bist du nun zufrieden“? fragte er und zog seine Zehen ein, die durch große Löcher aus den Socken herausschauten. Grünter lief die Wendeltreppe hinunter und öffnete die Haustür. Um nicht den Kopf am Türrahmen anzustoßen, bückte sich der Riese, trat ein und setzte sich auf den Boden. Grünter rief: „Ich hole für dein Essen einen Salat aus dem Garten", und stürmte hinaus. Willibald schaute sich in der Wohnküche um und was er sah, gefiel ihm. Er fand, dass die Zwerge ein gemütliches Stübchen hatten. Bald kam Grünter mit einem großen Salatkopf unterm Arm zurück. Zuerst schenkte er Willibald eine Tasse Milch ein. Dann stellte er die Pfanne auf den Herd, legte zwei Würste hinein und richtete den Salat. Der hungrige Riese schloss zufrieden die Augen. Der Duft der Bratwürste strich um seine Nase. Er schnupperte und lächelte dabei, so wohl hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Grünter stellte die Schüssel mit dem Salat und einen Laib Brot auf den Boden. Er legte dem Riesen die Würste auf den Teller und holte das große Messer, um Willibald einige Scheiben Brot abzuschneiden. Doch der Riese hielt den ganzen Brotlaib in der Hand und biss herzhaft hinein. Grünter schüttelte verwundert den Kopf. Zwei Tage brauchten die Zwerge, um so ein großes Brot zu essen. Er setzte sich zu Willibald und während der aß, erzählte Grünter, was sie mit dem Räuber Kunibert und seiner Frau Kunigunde erlebten hatten.

Endlich war der Riese satt. Er bedankte sich für das leckere Mittagessen. Dann sagte er: "Der Kunibert ist ja ein schlimmer Tunichtgut. Oh, wenn ich diesen Lümmel erwische, kann er was erleben. Am liebsten würde ich dich jetzt packen und mit dir auf Räubersuche gehen. Was meinst du dazu?" "Du hättest keine Freude daran", antwortete Grünter lächelnd. "Ich halte mein Versprechen“, sagte der Riese. „Ich bin viel stärker als du und hätte dich leicht zwingen können. Was hättest du dann gemacht?" fragte er. "Sicher bist du sehr stark und sehr groß. Doch vergiss nicht, dass du keine Schuhe an hast. Oder willst du Barfuß auf Räuberjagd in den Wald gehen?" fragte Grünter "Natürlich nicht", sagte Willibald gekränkt. "Ich brauche nur meine Schuhe unter der Gartenbank hervor holen und anziehen "Meinst du, das wäre so einfach?" wollte Grünter wissen. „Klar“, antwortete der Riese, "pass auf, ich zeige dir, wie schnell meine Füße wieder in den Schuhen stecken". Willibald stand auf, ging hinaus und blieb erschrocken vor der Gartenbank stehen. „Wo sind meine Schuhe", rief er. Grünter stand neben Willibald und grinste ihn an. " Ich habe sie versteckt, als ich den Salat holte! Da wusste ich noch nicht, dass du ein ehrenwerter Riese bist. „Donnerwetter", entfuhr es dem Riesen, "du denkst aber an alles." Er lachte schallend und wackelte dabei mit seinen Zehen. "Ich bin ein Riesendummkopf und du hast mich überlistet" sagte er und klatschte sich mit den Händen auf die Schenkel. „ Wollen wir Freunde sein?" Er streckte Grünter seine Pranke entgegen und der legte seine kleine Hand hinein. "Gut, ich will dein Freund sein. Erzähle mir doch, wo du wohnst und wie du lebst." Der Riese schüttelte den Kopf. "Sei mir nicht böse, ich möchte jetzt in den Wald gehen, vielleicht stöbere ich den Räuber Kunibert dort auf. Am Nachmittag komme ich zurück und erzähle dir alles." Grünter meinte: „Wie du willst, mein Freund. Um fünf Uhr wird heute Nachmittag gegessen und ich lade dich herzlich dazu ein. Dann lernst du auch Roto, Azuro und Gelbert kennen.“ „Gib mir bitte meine Schuhe wieder", verlangte Willibald. "Deine Schuhe sind sehr schwer, komm folge mir und hole deine Schuhe selbst", sagte Grünter und führte den Riesen zur großen Tanne. Willibald holte seine Schuhe unter den Zweigen hervor, schlüpfte hinein und verabschiedete sich von Grünter. Schon stand er auf der Straße, drehte sich noch einmal um und winkte. Grünter schrie ihm nach: „Sei vorsichtig und pass gut auf dich auf." Willibald nickte und lief mit Riesenschritten auf den Waldweg zu. „Wenn das nur gut geht", murmelte Grünter und ging in sein Stübchen. "So wie ich Willibald nun kenne, wird er heute Abend einen Riesenhunger haben. Ich muss zwei frische Brote backen und viele, sehr viele Kartoffeln für die Suppe schälen", dachte er und machte sich an die Arbeit. Danach setzte er sich in den Schaukelstuhl und schlief beim Zeitungslesen ein. Er hatte vergessen, dass er eigentlich etwas schreinern wollte.
Wisst ihr noch, was Grünter vergessen hat?

Wenn ihr das Rätsel gelöst habt, erfahrt ihr nochmal, was Grünter schreinern wollte.

Rätsel
Das kann in vielen Zimmern stehen,
du kannst darin auch mal Schuhe sehen.
Oder ein Würfelspiel und ein Märchenbuch,
ein Kuscheltier und ein buntes Tuch.

Ob hoch, ob niedrig, ob breit oder schmal,
es ist das? ɹǝƃɐl
©M. Rieger
 



 
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