Der Haka

Blarks

Mitglied
Der Haka

Es war zwölf Uhr mittags in Skid Row, Los Angeles. Die Sonne brannte heiss vom Himmel und es
wehte nur ab und zu eine sanfte Brise vom Meer her. Überall stank es nach Fäkalien. Den Menschen
hier war einfach alles egal. Solange sie nur Fetty hatten, wie Fentanyl auf der Straße genannt wurde.
Normalerweise hätte Jackson sich jetzt in seinem Loch verkrochen und die Nacht abgewartet, aber sein
Stoff war alle. Wenn er den Tag noch bis zur Nacht überstehen wollte, brauchte er dringend Fentanyl.
Aber sein Dealer gab ihm nichts mehr, nicht ohne frisches Geld. Also war Jackson auf Beutezug gegangen.

Tama Kauri war schwer angepisst. Sein Stamm hatte ihn den langen Weg von Maui hierhergeschickt und ihm
keine klare Aufgabe zugewiesen. Hätte er doch bloß sein dummes Maul gehalten. Seit einem Jahr hatte er immer
wieder denselben wiederkehrenden Traum. Von Zelten, Müllbergen und Menschen, die wie Schattenwesen dazwischen
umhergingen. In seinem Traum suchte er unentwegt nach irgendetwas, fand es aber nie. Obwohl irgendein leuchtendes
Ding, oder jemand permanent in der Nähe zu sein schien. Es waren keine Albträume. Aber die Maori sahen das als Zeichen
und so schickten sie ihn los. Und so lief er nun, nur mit Handgepäck, durch das schlimmste Viertel von Los Angeles.
Unbewaffnet und mit nur wenig Geld, aber mit einer Mission.

Jackson sah den Mann kommen. Ein Polynesier mit einer Reisetasche. Sah aus wie ein Tourist,
harmlos. Sonst war niemand auf der Straße, es war einfach zu heiss, zu stickig. Die Luft roch nach
verbranntem Plastik und anderem Müll. Warum machte man bei den Temperaturen noch ein Feuer?
Er griff noch einmal in die Hosentasche, das lange Springmesser war da und funktionierte. Es wurde
Zeit. Jackson fror und schwitzte gleichzeitig. Seine Hände zitterten nicht nur vor Aufregung, er war
außerdem voll auf kalten Entzug. Der Cold Turkey hatte ihn voll im Griff.

Dann stand Tama Kauri vor ihm, allein in einer schmalen Gasse. Ohne den Entzug wäre ihm das
seltsam vorgekommen, aber so? Jetzt oder nie! Jackson ging auf Tama Kauri zu und hielt sein langes
Messer ausgestreckt vor sich, fast so als wäre es ein Schutzschild.

GIB MIR DEIN ZEUG, ARSCHLOCH!!!“, brüllte er aus Leibeskräften,
in dieser Gegend würde niemand zu Hilfe kommen.

NA LOS AUF DEN BODEN DAMIT!!“, fauchte er nochmal mit Nachdruck.

Tama Kauri sah den Mann, und er sah die Angst und Verzweiflung in seinen Augen. Und er dachte an
seine Vision. Dieser Mann würde bald sterben, das war offensichtlich. Auf die eine oder andere Weise.
Aber war er die Mission?

Aus der Art, wie er das Messer hielt, schloss er messerscharf, daß er es ihm mit Leichtigkeit würde
abnehmen können. Aber wozu sich in Gefahr begeben?

Er stellte die Tasche langsam neben sich, als würde er sich demütig fügen. Doch dann richtete er sich
auf, streckte die Brust heraus, stampfte mit einem donnernden Schlag den Fuß auf den Asphalt und
plötzlich hallte ein Klang durch die schmale Gasse, roh und uralt.

„Ka mate, ka mate! Ka ora, ka ora!“

Seine Stimme grollte, während seine Hände mit wuchtigen Schlägen auf Brust und Oberschenkel krachten.
Die Augen rissen sich weit auf, die Zunge schnellte heraus, und das Echo seines Schreis schien die Mauern
selbst erbeben zu lassen.

Jackson wich zurück. Was zum Teufel war das denn?!? Spielte der Typ nur? Was war das für ein Geschrei?
Der Mann sah jetzt richtig stinksauer aus. Das Brüllen, Stampfen und Klatschen. Die Grimassen, die rausgestreckte
Zunge … Wer griff hier jetzt wen an? Der Typ war anscheinend vollkommen wahnsinnig!!

Vor Schreck ließ er das Messer fallen. Als Tama mit einer Grimasse und einem heiseren Schrei nachsetzte,
drehte er sich um und floh, stolpernd, panisch, als gälte es, einem Dämon zu entkommen.

Ein Moment der Stille. Nur Tamas schwerer Atem und das Rauschen der fernen Stadt waren zu hören.

Dann klatschte es. Langsam, gemessen, drei Paar Hände.

Auf der anderen Straßenseite lehnten drei amerikanische Indianer an einem Geländer.
Sie hatten das ganze Spektakel beobachtet, schweigend, mit verschränkten Armen.
Nun nickten sie einander zu, als Juroren, die sich über eine Wertung einig waren.

Erster: „Neun Komma acht.“
Zweiter: „Ja. Kriegstanz.“
Dritter (mit einem Lächeln): „Nicht schlecht. Bleibst du in der Stadt?“
 
Zuletzt bearbeitet:

Aniella

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Hallo @Blarks,

da hat Tama seine Mission also fast perfekt erfüllt. ;-)

Ein wenig überraschend für eine leere Gasse, erschienen mir die drei Zuschauer, aber wer weiß, ob sie nicht irgendwie magisch verborgen waren.

Formal sind einige kleine Schwächen enthalten:

Das Brüllen, sStampfen und kKlatschen. Die Grimassen, die rausgestreckte
Zunge(Leerzeichen einfügen)wWer griff hier jetzt wen an? Der Typ war anscheinend vollkommen Wwahnsinnig!!
GIB MIR DEIN ZEUG, ARSCHLOCH!!!(keine mehrfachen Satzzeichen)(Komma) brüllte er aus Leibeskräften,
in dieser Gegend würde niemand zu Hilfe kommen.

NA LOS AUF DEN BODEN DAMIT!!(nur ein Satzzeichen)(Komma) fauchte er nochmal mit Nachdruck.
Das erinnerte mich entfernt an Western, ich konnte mir die Szene gut vorstellen.

LG Aniella
 

Blarks

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Oh, vielen Dank für Deine konstruktive Kritik. Ja, die drei Indianer sind mir zum Schluss eingefallen, dachte das wäre ein krönender Abschluß.
Als mir die Idee kam, hatte ich nur der verdutzte Gesicht des Räubers vor Augen, wenn ihm einer mit'nem Haka kommt :)
Was gefällt Dir denn nicht an mehreren Satzzeichen? Ich finde, wenn man jemanden anbrüllt, verleiht das der Sache den nötigen Nachdruck.
Die anderen tipopfehler werde ich galeich mal korrigieren, danke für den Hinweis.
 

Aniella

Mitglied
Das ergibt sich aus den amtlichen Regelungen der deutschen Rechtschreibung des Dudens. In §69 wird erläutert, dass ein sogenannter Ganzsatz mit einem Satzzeichen abgeschlossen wird: Punkt, Fragezeichen, Ausrufezeichen.
Im Umkehrschluss ist es wenig sinnvoll, einen Satz mehrmals zu beenden. (Um es jetzt auf die Spitze zu treiben – Du hast nur ein Leben, das kannst Du nicht mehrfach beenden.) ;)
Durch das (eine) Ausrufezeichen kennzeichnest Du bereits die besondere Betonung. Außerdem hast Du noch mit fetten Großbuchstaben gearbeitet, worüber man sich auch streiten könnte, aber ich verstehe Deine Intention dahinter.

LG Aniella
 

Blarks

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Hmm.. nur ein Leben? Dann hast du mein Werk "Urians Zorn" noch nicht gelesen ;-)
Damit geht es auch bald weiter.

Amtliche Regelung §69? Vielleicht hast Du recht, aber davon habe ich noch nie gehört.
Das liegt sicher daran, daß meine Schulbildung 1988 endete und die Amtliche Regelung
der deutschen Rechtschreibung
gilt erst seit 1996.

Aber die gilt ja auch nur für Schulen, Verwaltung und Behörden. Da ich keines davon bin,
nehme ich mir die künstlerische Freiheit es anders zu machen.

.... und immerhin provoziert es eine Reaktion :) "Urians Zorn" war wohl so perfekt, da hat keiner was gesagt.
In das nächste Kapitel "Oma Rosas Grimoire" werde ich vielleicht wieder mehr Tipopfehler einbauen :)

Aber ehrlich .. ich freue mich wirklich sehr über Deine Hinweise, weil sie mich zum Nachdenken bringen.
Und zum schmunzeln, und zum Kopfschütteln. Danke sehr :)

Gruß
Jens
 



 
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