rubber sole
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Als Hypochonder hört man nicht nur permanent in sich hinein, man hört auch sonst das sprichwörtliche Gras wachsen. Statt für seine Hypersensibilität bewundert zu werden, wird solch ein Mensch häufig voreilig und unzutreffend als neurotischer Spinner abgetan. Allerdings gibt es darunter welche, deren stark ausgeprägte Sensorik anderen Menschen zunutze sein kann. Von denen bin ich einer. Im Laufe meiner Lebensjahrzehnte habe ich sie alle gehabt, alle die gängigen Krankheiten und Seuchen, sowie jene körperlichen Unwuchten, die gerade en vogue sind. Natürlich litt ich stets nur in meiner Einbildung, rein symptomatisch, denn laut ärztlicher Einschätzung bin ich kerngesund, körperlich jedenfalls.
Mein Leben sollte sich jedoch grundlegend ändern. Im Anschluss an eine Routineuntersuchung erhalte ich die Diagnose eines nicht heilbaren Tumors. Entsetzten macht sich in mir breit, und, fast genauso gravierend für mich war, dass dies der erste Krankheitszustand sein könnte, von dem ich vorab nichts gespürt hätte. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Aber statt in Verzweiflung, stürze ich mich lustbetont ins Leben, komplett ohne Symptome und auch sonst quicklebendig. Ich bringe es in dieser Lage fertig, den ärztlichen Befund ganz einfach auszublenden und beschließe, nicht zu leiden. Und dann kommt's. Nach einigen Wochen erhalte ich die Nachricht, dass die Ergebnisse der Untersuchung durch eine Verwechslung in der radiologischen Administration fälschlicherweise meinen Patientendaten zugeordnet wurden. Große Erleichterung bei mir. Allerdings bedeutet dies, irgendein bedauernswerter Mensch läuft seitdem mit dem irrigen Glauben durchs Leben, kerngesund zu sein, oder auch nicht mehr, weil er bereits an seinem Tumor gestorben ist. Dieser Aspekt bedrückt mich zutiefst, ich falle in eine Sinnkrise, in deren Verlauf ich irgendwann an mir feststelle, wochenlang keinerlei Krankheitssymptome mehr verspürt zu haben, sehr ungewöhnlich für mich. Ich bin offensichtlich durch einen Schrecken der besonderen Art geheilt worden, bin kein Hypochonder mehr, was noch ungewöhnlicher erscheint. Aber um welchen Preis? Das Schicksal des unglücklichen Menschen mit der Diagnose meines Originalzustands verfolgt mich massiv. In mir erwacht nun der dringliche Wunsch, anderen Menschen in gesundheitlichen Krisen beizustehen. Und so suche ich zu diesen Zweck Örtlichkeiten mit einer hohen Dichte an kranken Menschen auf.
Die folgenden Monate und Jahre sehen mich als vermeintlichen Patienten in Wartezimmern diverser Arztpraxen und Ambulanzen. Ich verbringe dort viele Stunden, ohne ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen, ich bin ja gesund. Außer meinem überwundenen Hypochonder-Status habe ich in diesen Situationen, oberflächlich betrachtet, nicht viel medizinisch Verwertbares aufzuweisen. Und so nähere ich mich, anfangs zögerlich, dann immer zielorientierter, den anderen dort Wartenden, besonders denen, die mit ihren Leiden erkennbar zu hadern scheinen, mit einem Anliegen der besonderen Art. Ich werde zu einem Patientenflüsterer, ein verständnisvoller Zeitgenosse, der sich seinen Klienten empathisch widmet. Ich bringe viel in meine Näherungen ein. All die verarbeiteten Erfahrungen mit Symptomen und Diagnosen aus meinem Leben in den Phasen diverser eingebildeter Leiden schaffen eine vertrauensvolle Gesprächsbasis. Ich erreiche auf diese Weise erstaunlich viele gesprächsoffene Menschen. Dies kommt gut an bei den meisten Kranken und Ratsuchenden, denn ich plaudere nicht einfach belanglos drauflos, sondern ich höre auch zu, und zwar anhaltend zugewandt, dabei immer sehr geduldig.
Auf die Dauer bleibt meine Beratungstätigkeit vom medizinischen Personal nicht unentdeckt, was zur Folge hat, dass mich einige von ihnen ihrer Räumlichkeiten verweisen; zusätzlich werde ich als Spinner verunglimpft. Diejenigen unter den Ärzten und Helfern, die meine Vorgehensweise genauer betrachten, stellen irgendwann erfreut fest, dass manch ihrer Patienten, also meinen Klienten, durch mein Einwirken vielfach Ängste genommen werden, sie weniger Nervosität zeigen, und anschließend viel entkrampfter und besser informiert in die Behandlung gehen. Ich weiß es genau, ich wurde anfänglich oftmals nur geduldet, blieb aber beharrlich bei meiner Mission. Und der Erfolg gibt mir recht, ich werde im Laufe der Zeit immer häufiger wertgeschätzt, mein Wirken als Patientenflüsterer hat einen nachhaltig positiven Einfluss auf die Stimmung in vielen Arztpraxen meiner Heimatstadt.
Mein Leben sollte sich jedoch grundlegend ändern. Im Anschluss an eine Routineuntersuchung erhalte ich die Diagnose eines nicht heilbaren Tumors. Entsetzten macht sich in mir breit, und, fast genauso gravierend für mich war, dass dies der erste Krankheitszustand sein könnte, von dem ich vorab nichts gespürt hätte. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Aber statt in Verzweiflung, stürze ich mich lustbetont ins Leben, komplett ohne Symptome und auch sonst quicklebendig. Ich bringe es in dieser Lage fertig, den ärztlichen Befund ganz einfach auszublenden und beschließe, nicht zu leiden. Und dann kommt's. Nach einigen Wochen erhalte ich die Nachricht, dass die Ergebnisse der Untersuchung durch eine Verwechslung in der radiologischen Administration fälschlicherweise meinen Patientendaten zugeordnet wurden. Große Erleichterung bei mir. Allerdings bedeutet dies, irgendein bedauernswerter Mensch läuft seitdem mit dem irrigen Glauben durchs Leben, kerngesund zu sein, oder auch nicht mehr, weil er bereits an seinem Tumor gestorben ist. Dieser Aspekt bedrückt mich zutiefst, ich falle in eine Sinnkrise, in deren Verlauf ich irgendwann an mir feststelle, wochenlang keinerlei Krankheitssymptome mehr verspürt zu haben, sehr ungewöhnlich für mich. Ich bin offensichtlich durch einen Schrecken der besonderen Art geheilt worden, bin kein Hypochonder mehr, was noch ungewöhnlicher erscheint. Aber um welchen Preis? Das Schicksal des unglücklichen Menschen mit der Diagnose meines Originalzustands verfolgt mich massiv. In mir erwacht nun der dringliche Wunsch, anderen Menschen in gesundheitlichen Krisen beizustehen. Und so suche ich zu diesen Zweck Örtlichkeiten mit einer hohen Dichte an kranken Menschen auf.
Die folgenden Monate und Jahre sehen mich als vermeintlichen Patienten in Wartezimmern diverser Arztpraxen und Ambulanzen. Ich verbringe dort viele Stunden, ohne ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen, ich bin ja gesund. Außer meinem überwundenen Hypochonder-Status habe ich in diesen Situationen, oberflächlich betrachtet, nicht viel medizinisch Verwertbares aufzuweisen. Und so nähere ich mich, anfangs zögerlich, dann immer zielorientierter, den anderen dort Wartenden, besonders denen, die mit ihren Leiden erkennbar zu hadern scheinen, mit einem Anliegen der besonderen Art. Ich werde zu einem Patientenflüsterer, ein verständnisvoller Zeitgenosse, der sich seinen Klienten empathisch widmet. Ich bringe viel in meine Näherungen ein. All die verarbeiteten Erfahrungen mit Symptomen und Diagnosen aus meinem Leben in den Phasen diverser eingebildeter Leiden schaffen eine vertrauensvolle Gesprächsbasis. Ich erreiche auf diese Weise erstaunlich viele gesprächsoffene Menschen. Dies kommt gut an bei den meisten Kranken und Ratsuchenden, denn ich plaudere nicht einfach belanglos drauflos, sondern ich höre auch zu, und zwar anhaltend zugewandt, dabei immer sehr geduldig.
Auf die Dauer bleibt meine Beratungstätigkeit vom medizinischen Personal nicht unentdeckt, was zur Folge hat, dass mich einige von ihnen ihrer Räumlichkeiten verweisen; zusätzlich werde ich als Spinner verunglimpft. Diejenigen unter den Ärzten und Helfern, die meine Vorgehensweise genauer betrachten, stellen irgendwann erfreut fest, dass manch ihrer Patienten, also meinen Klienten, durch mein Einwirken vielfach Ängste genommen werden, sie weniger Nervosität zeigen, und anschließend viel entkrampfter und besser informiert in die Behandlung gehen. Ich weiß es genau, ich wurde anfänglich oftmals nur geduldet, blieb aber beharrlich bei meiner Mission. Und der Erfolg gibt mir recht, ich werde im Laufe der Zeit immer häufiger wertgeschätzt, mein Wirken als Patientenflüsterer hat einen nachhaltig positiven Einfluss auf die Stimmung in vielen Arztpraxen meiner Heimatstadt.