Der Ruf (Fantasy)

Der Ruf
Fantasy-Story
von Buk Tomm

Es ist nun an der Zeit, Ihnen meinen gleich folgenden
Bericht zur Kenntnis zu geben. Sie können davon
ausgehen, daß sich alles tatsächlich so abgespielt hat.
Obwohl Sie mit Sicherheit an einem bestimmten Punkt
sagen werden: "Das kann sich ja damals gar nicht
ereignet haben, weil...!" Warum es doch so gewesen sein
kann, werde ich Ihnen im Anschluß an meinen Bericht
erklären. Auch hoffe ich, daß Sie Verständnis dafür haben
werden, daß ich Ihnen nicht sagen darf, aus welcher

Quelle meine Informationen stammen! Lassen Sie mich
beginnen:


*******

Im Süden des Transhimalaya liegt der 6714 Meter hohe
heilige Berg Kailas, auf tibetanisch auch Kangrinpotsche
genannt. Er gilt als Symbol des Gottes Schiwa und ist ein
beliebtes Pilgerziel. Doch existiert auf diesem Berg ein
geheimes, versteckt liegendes Kloster, von dem nur die
wenigsten wissen. Dort fand das folgende Gespräch
zwischen Yamaprana - der sozusagen der Abt des Klosters
war - und seinem gelehrigsten Schüler Savitra statt:
"Savitra, wir müssen Ischwara, unseren höchsten Herren,

wir müssen Schiwa selbst nun zu uns rufen. Er soll sich
uns in menschlicher Gestalt zeigen, damit er die Kraft un-
serer Seelen erneuert, mit der wir dann auch andere auf
den Weg der Erkenntnis bringen können."
Minutenlang schwieg Savitra und sann über die Worte des
Meisters nach, bis er ihre Wahrheit in sich fühlte. Er
antwortete: "Wie, Meister, soll dies geschehen?" Und
Yamaprana sprach: "Rufe alle Mönche zur Meditation
herbei. Unserem gemeinsamen Ruf wird sich Schiwa nicht

verschließen können!" So erhob sich Savitra die Mönche
zu rufen.


*******

Berlin, den 5.1.1925. Viele Berliner machten sich an
diesem Wochenende, angesichts des milden
Winterwetters auf in die Tanzcafes. Auch das Café
"Schümer" in der Leopoldstrasse war an diesem Samstag
recht gut frequentiert. Es schien für die Besucher ein zwar
amüsanter, keineswegs aber ungewöhnlicher Abend
werden zu wollen.


*******

Die fünfzig Mönche des Klosters hatten sich bereits um
Yamaprana und Savitra im Meditationssaal versammelt.
Yamaprana sprach zu ihnen: "Laßt uns nun gemeinsam in
der Meditation den Ischwara rufen - Schiwa selbst, dessen
Tanz die Welt erhält! Auf daß wir erneut von ihm lernen
mögen!" Und die Mönche versanken in tiefstes Schweigen
und taten wie ihnen geheißen.


*******

Ein Teil seiner selbst war überwältigt von der Fremd-
artigkeit seiner Umgebung. Dennoch reagierte er instinktiv
richtig. Blitzartig nahm er wahr, daß sein plötzliches
Auftauchen unbemerkt geblieben war. Ein seltsamer Effekt,
der aber kurzfristig zunächst immer auftrat, wenn er er-
schien. Auch seine Gestalt und seine Kleidung waren, wie
immer, seiner Umgebung angepaßt. Eine Besonderheit
war die Anwesenheit von Parawati, seiner Gattin. Doch
auch dies fand seine Erklärung in den Erfordernissen des

Ortes seines Erscheinens. Denn auch die Menschen um
sie herum tanzten in Paaren. Was er noch nicht wußte,
war, daß das Ende der Tanzveranstaltung im Café
"Schümer" kurz bevorstand.


*******

Ein leichter Ruck ging durch die Körper der Mönche. Nach
einer Weile wand sich Savitra zu Yamaprana: "Meister, ich
fürchte wir haben einen Fehler gemacht." "Ja," antwortete
dieser, "Schiwa ist erschienen, doch nicht hier, nicht vor
unseren Augen!" "Was wird nun geschehen, Meister?",
frug Savitra. "Nun, Schiwa wird tanzen," erwiderte der Mei-
ster, "nach der in den alten Schriften genannten Zeit-
spanne wird er in seine Welt zurückkehren. Leider ohne
daß wir unsere Seelen kräftigen durften, durch den Anblick

seines Tanzes!" "Wo immer er auch erschienen sein mag,
niemand wird wohl den Tanz des Gottes zu stören wa-
gen!", fügte er hinzu.


*******

Die Kapelle war verstummt und der Geschäftsführer des
Cafés wandte sich an die noch Anwesenden: "Geehrte
Herrschaften, wir danken für Ihren Besuch! Leider müssen
wir jetzt schließen. Ich wünsche Ihnen einen guten Heim-
weg! Auf Wiedersehen." Er wand sich zur Seite: "Auch die
beiden Herrschaften, die dort immer noch, selbst ohne
Musik - ha, ha - dem Tanzvergnügen nachgehen, möchte
ich jetzt doch sehr bitten...!" Es erfolgte jedoch keine
Reaktion. Nur ein Satz, in einem seltsamen Singsang,

drang zu ihm herüber: "Noch ist die Zeit nicht um, die
verstreichen muß!" Einige der jungen Damen kicherten
nun und spöttische Bemerkungen wurden gemacht. Einem
der jungen Männer schien dies eine vortreffliche Ge-
legenheit seinem Mädchen zu imponieren. Er ging auf das
tanzende Paar zu und sagte: "Na, jetzt beruhigt Euch mal.
Hier ist für heute Feierabend, das seht Ihr doch!" Als keine
Reaktion erfolgte, setzte er hinzu: "He, ick sprech' mit Dir,
Männeken!" und berührte den Mann an der Schulter. Da

das Paar jedoch nicht aufhörte zu tanzen, wurde er nun
unabsichtlich, aber unsanft angerempelt. Das aber war ihm
zuviel! Er riß den Mann herum und schlug zu.


*******

"Was aber, Meister, würde geschehen, wenn doch jemand
Schiwas Tanz störte?", frug Savitra. Yamaprana aber
lächelte und sprach: "Gib Dir die Antwort selbst, Savitra!
Du weißt: SCHIWAS TANZ ERHÄLT DIE WELT!"


*******

Schiwas Natur war sicher göttlich, seine Inkarnation aber
durchaus menschlich! Durch den Schlag des jungen
Mannes gefällt, stürzte er schwer zu Boden und verlor die
Besinnung. Der Tanz hatte ein Ende!

Und die WELT versank im Nichts und verging...


*******

Soweit mein Bericht. Je nachdem WO und WANN Sie
sich befinden, mögen Sie nun einwenden, das Jahr 1925
sei doch schon längst vorbei und die Welt sei damals
eben nicht untergegangen. Nun, viel darf ich darüber nicht
sagen, aber Sie haben sicher schon von Parallelwelten
gehört, oder auch vom Kreislauf der Zeit, einem Kreislauf,
der ja nicht immer exakt denselben Durchmesser haben
muß! Und sicher gibt es auch dort wo SIE sich gerade
befinden, Mönche und Tanzcafes, oder etwas so

ähnliches. Vielleicht achten Sie bei Ihrem nächsten
Besuch, da oder dort, einmal auf ungewöhnliche
Vorkommnisse! Eigentlich darf ich Ihnen auch nicht
sagen, warum Sie meinen Bericht gerade JETZT in
Händen halten... Aber ich würde Ihnen empfehlen: Nutzen
Sie Ihre Zeit gut!!!


-ENDE-
 

Arathas

Mitglied
Shiva

Sollte Shiva nicht eine weibliche Göttin sein, die man zudem nicht Schiwa sondern eben Shiva schreibt?

Aber abgesehen davon ist die Geschichte gut, wenn ich auch die einleitenden und endenden Worte nicht so gut finde. Besser wäre es, wenn man gar nicht wüßte, wann das ganze stattfand/stattfinden wird... :)
 



 
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