Der Schatz

molly

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Der Schatz

Zufrieden schlummerte der Fuchs vor seinem Bau. Plötzlich hob er den Kopf und spitzte die Ohren. Spazierte da ein Pferd auf dem Waldweg? Der Fuchs schlich näher und sah einen Esel. Der ging ein paar Schritte in den Wald, grub ein Loch in den Boden. Er rief einen Namen und schrie kurz laut auf. Dann spuckte er in das Loch, scharrte es wieder zu und setzte sich zum Schluss noch drauf. Der Fuchs murmelte:

„Hat der eben ‘bricklebrit‘ gerufen?“ Er rückte näher und verstand noch zwei Worte, die der Esel sagte:

´Schatz und sicher!´ Danach stand er auf, und trabte davon.

Schon lange wünschte sich der Fuchs einen Schatz, und den holte er sich nun von einem Esel. Damit er den Schatz ohne Störung ausgraben konnte, musste er dem Chef des Waldes von dieser Goldgrube erzählen. Er lief los, noch bevor er zum Platz des Schatzes kam, stoppte ihn der Dachs.

„Was suchst du hier in meinem Revier?“

„Och, ich habe zu lange geschlafen und brauche Bewegung“, antwortete der Fuchs.

„Verschwinde, aber schnell“, brummte der Dachs.

„Du alter Grimbart“, fauchte der Fuchs und hastete weiter.

Er sprang über kleine Hügel und Büsche, bis er vor dem großen Hirsch stand.

Atemlos verbeugte er sich, holte tief Luft und sagte dann: „Weiser Platzhirsch mit dem größten Geweih, Herrscher unseres Waldviertels, der Esel hat einen Schatz vergraben. Erlaube mir, für uns beide das Gold herauszuholen.“

Der Hirsch betrachtete den Fuchs, der aufrecht vor ihm stand. „Was für ein starkes Tier, fast so groß wie ich“, murmelte er leise. Dann fragte er:

„Woher weißt du das?“

Ich habe es selbst gesehen, er hat ‚bricklebrit‘ gerufen und Gold gespuckt.“

„Der Esel aus dem Märchenbuch ist durch unseren Wald gekommen und hat einen Schatz vergraben? Den möchte ich sehen, wir graben ihn aus und mir gehört er. Ich bin der Platzhirsch.“

„Selbstverständlich.“ Der Fuchs verbeugte sich wieder und wusste genau, dass nicht der Hirsch, sondern er den Schatz bekam. Er würde ihn schnappen und damit in seinem Bau verschwinden. Da hinein konnte der Hirsch mit dem Geweih ihm nicht folgen. Zufrieden strebten nun beide zur Schatzgrube.

Das Eichhörnchen, das nahe beim Hirsch wohnte, hörte alles, was die beiden besprachen. Flugs sprang es von Baum zu Baum, bis ins Revier des Dachs. Dem erzählte es von diesem Treffen.

So sprach sich die Sache mit dem vergrabenen Schatz schnell herum und im Nu standen Rehe, Hasen und Wildschweine neben dem Dachs. Eichhörnchen saßen auf Bäumen und beobachteten den Platz, ebenso Buntspechte, Rotkehlchen, der Waldkauz und zwei Schwarzstörche. Die Waldmaus blieb in ihrem Versteck und spitze die Ohren.

Als Hirsch und Fuchs das fremde Revier betraten, stelle der Dachs sich ihnen in den Weg.

„Halt“, fauchte der Dachs, wagt es nicht, den Schatz auszugraben.“

„Ich bin der Stärkste hier, mir gehören alle Schätze in meinem Wald“, röhrte der Hirsch.

Da traten die Tiere vor und das Reh sagte:

„Gewiss, mächtiger Hirsch, wir schätzen dich, weil du stark, ehrlich und hilfsbereit bist.“

„Ja, wir bewundern dein großes Geweih und wissen, dass du niemals etwas nehmen wirst, das dir nicht gehört“, meinte der Hase.

„Du bist doch viel klüger als der Fuchs “, grunzte ein Schwein.

Der Dachs hielt sich die Ohren zu. Nein, solches Lob verdiente der Hirsch nicht. Der hob den Kopf mit dem schweren Geweih, sah zu den Vögeln hoch, dann betrachtete er die vielen Waldtiere.

„Ihr habt recht, ich brauche keinen Schatz, ihr Waldtiere seid mir wichtig.“ Er drehte sich um und sprang mit großen Schritten davon. Die Vögel zwitscherten vor Freude, der Schwarzstorch klatschte Beifall mit seinem langen Schnabel und die anderen Tiere begannen zu tanzen. Der Fuchs verließ wutschnaubend den Platz. Er verzog sich in seinem Bau und schlief ein. Dabei träumte er von dem Goldesel, und bellte laut in hohen Tönen. Davon wachte er auf und kroch aus seinem Bau. Draußen war es dunkel.

Vorsichtig schlich sich der Fuchs durch das Dachsrevier. Auf dem Waldweg angekommen, rannte er, ohne anzuhalten, zum Schlafplatze des Hirschs.

„Aufwachen, Platzhirsch, die Gelegenheit ist günstig.“

„Was hast du vor?“ erkundigte sich der Hirsch.

„Wir holen uns den Schatz, ich brauche deine Hilfe. Du wirst doch nicht auf die Waldtiere hören, du bist hier der Herrscher.“ „Stimmt, diese kleinen Nager, Rehe und Vögel haben mir nichts zu sagen. Reden wir nicht länger, holen wir den Schatz.“

Unterwegs sprachen sie kein Wort. Bald gelangten sie zum Schatzplatz. Kein Waldtier war zu sehen und auch die Vögel blieben still. Der Halbmond schien auf die Schatzstelle und der Hirsch schob eine Portion Moos zur Seite.

„Ich mache weiter, pass auf, ob jemand kommt“, befahl der Fuchs und begann zu graben. Als ein kleines Loch offen lag, langte der Fuchs mit seiner Pfote hinein und holte Erde heraus. Beim zweiten Mal jedoch schrie er laut auf. „Igitt, wie das stinkt, was ist denn hier passiert!“

„Wie eklig! Was für ein Gestank, ich mache mir meine Hufen nicht schmutzig“, röhrte der Hirsch. Er verließ sofort den Platz und beachtete den Fuchs nicht mehr.

„War das der Dachs? Nein, ich habe genau ´bricklebrit´, das Zauberwort gehört“, flüstere der Fuchs. Er lief zu Bach und säuberte seine Pfote, solange, bis sie nicht mehr schlecht roch. Die ersten Sonnenstrahlen zeigten sich schon, als er endlich in seinen Bau zurück ging. Dieser Schatz interessierte ihn nicht mehr. Niemals hätte er gedacht, dass ‚bricklebrit‘ so übel riechen würde.

*

Der Esel ahnte nichts von der Aufregung der Waldtiere. Ihm gefiel der Wald, doch er freute sich auf seine Wiesentiere. „Wo warst du denn so lange,“ fragte das Schaf und die Ziege meckerte: „Du bist nicht pünktlich.“

„Ja, entschuldigt bitte. Auf der Suche nach einer guten Weide, fand ich ein Feld mit Löwenzahn. Ich fraß so viel davon, dass ich Bauchschmerzen bekam.

Im Wald habe ich ein Loch gegraben, bricklebrit gerufen und die goldgelben Löwenzahnblumen ausgespuckt. Dann rumorte es wieder im Bauch und ich setzte mich auf mein wunderbares Waldklo.“

„Warum hast du bricklebrit gerufen“, erkundigte sich die Ziege.

„Nun, das Wort kennen alle Esel und jeder Esel denkt, dass er dann gut ausspucken kann. Die Geschichte von ´bricklebrit´ steht im Märchenbuch und heißt ´Tischlein deck dich.“

Hat es dir im Wald gefallen“? fragte das Schaf.

„Oh ja, der ist ein richtiger Schatz für die Tiere dort, mit Büschen, Bäumen, Moos und kleinen Pflanzen. Doch er ist sicher nicht für uns geeignet. Wir brauchen eine große Weide. Morgen führe ich euch zur Löwenzahnwiese.“

Die Wiesentiere legten sich hin. Bald schliefen alle und träumten von leckeren, goldgelben Löwenzahnblüten.

Ende

22.10.2025 M.Rieger
 
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