Der Schatz, ab 5 Jahren

4,00 Stern(e) 1 Stimme

Schmolldrops

Mitglied
Der Schatz



Tief im Wald, dort wo die alte Eiche steht, lebte einmal ein junges Mädchen. Sie besaß nichts als das Kleid, welches sie trug und ernährte sich von den Früchten des Waldes. Sie war zufrieden, solange sie ein Dach über den Kopf hatte und der Wald sie ernährte, denn sie kannte es ja auch nicht anders.

Ihre Eltern waren sehr arm und als sie starben, hinterließen sie nur ein altes Häuschen und eine kleine Katze. Dieser Katze gehörte ihr ganzes Herz. Sie war für sie da, wenn sie sie brauchte und munterte sie mit ihren kecken Spielchen und ihrem wohligen Schnurren immer wieder auf. Manchmal blieb das Kätzchen auch weg und dann war das Mädchen sehr traurig, denn sie hatte Angst, sie könnte sie nie wieder sehen. Das Kätzchen aber kam immer zurück und brachte manchmal seltsame Dinge mit.



Einmal hatte sie eine große und wunderbar flauschige Feder mitgebracht. Das Mädchen fragte sich, wie wohl der Vogel aussehen mochte, der sie getragen hatte. Dann brachte sie ein besticktes Tüchlein mit. So einen feinen, weißen Stoff hatte sie noch nie gesehen. Er fühlte sich wunderbar auf ihrer Haut an und wenn sie die Augen schloss, stellte sie sich vor, sie hätte ein Kleid aus diesem Stoff an und tanzte. Eines Tages brachte das Kätzchen ein Ringlein mit. Es war aus purem Gold und mit funkelnden, blauen Steinen verziert. Er sah sehr kostbar aus. Da er so schön war, nahm sie ihn, streifte ihn über ihren Ringfinger und siehe da, der Ring passte wie angegossen. Sie sah das Kätzchen an, beugte sich zu ihm herunter und kraulte es. „Du kleiner Strauchdieb. Woher hast du ihn nur? Sicher ist derjenige sehr traurig und vermisst ihn schon. Wir werden ihn suchen und ihm den Ring zurückgeben.“ Beleidigt maunzte das Kätzchen.



„Los, du kleiner Strauchdieb, zeig mir den Weg!“ Forderte das Mädchen und lachte. Sie meinte es natürlich nicht böse und so gingen sie tiefer in den Wald hinein, das Kätzchen immer voran. Als sie schon weit gelaufen waren und es dunkel wurde, suchten sie sich einen geschützten Platz für die Nacht. Früh am nächsten Morgen, kurz bevor die Sonne aufging, weckte sie ein lautes Getöse. Hörner schallten durch die Luft und Pferdehufe donnerten durch den Wald. Sie erschrak gewaltig, denn solche großen Tiere hatte sie hier im Wald noch nie gesehen. Dann sah sie die Reiter und beruhigte sich wieder. Bunt gekleidete Männer saßen auf den Pferden und als sie deren Hüte sah, schmunzelte sie sogar. So sahen also die Vögel aus, die solche großen Federn trugen. Sie sah zum Kätzchen, welches überhaupt keine Angst zu haben schien. Es sind wohl gute Menschen, dachte sich das Mädchen und so trat sie fest entschlossen aus dem Dickicht hervor.



Einer der Männer bemerkte sie sofort. Er hielt sein Pferd an und stieg ab. Er gefiel ihr gut und das Mädchen bemerkte, dass sie errötete, als er sie ansah. Bevor sie etwas sagen konnte, hatte er den Ring entdeckt. Er nahm ihre Hand und mit einem Lächeln sagte er: „Der Ring gehört mir und ich hatte nie geglaubt ihn wieder zu sehen. Schon gar nicht an der Hand eines schönen Mädchens. Ich möchte ihn dir schenken und dich mit auf mein Schloss nehmen, wenn du es auch möchtest.“ Der junge Mann war kein geringerer als der Prinz dieses Landes. Fasziniert von seinen schönen Augen, nickte sie und bat nur darum, dass auch ihr Kätzchen mitdürfe. Sie ließ sich von ihm auf sein Pferd führen und hatte auch gar keine Angst mehr davor, denn sie hatte das Gefühl, dass er sie vor allem beschützen würde. Der Prinz ritt mit ihr zum Schloss und das Kätzchen lief wieder voran.



Als sie im Schloss ankamen, ließ er das Mädchen baden und in kostbare Kleider hüllen. Dann nahm er sie bei der Hand, um ihr alles zu zeigen. Sie unterhielten sich prächtig, lachten und scherzten miteinander und ehe die Sonne unterging, hatten sie sich in einander verliebt. Der Prinz suchte schon länger nach einer Braut für sich und da ihm das Mädchen so gut gefiel, fragte er, ob sie seine Frau, und somit auch die zukünftige Königin dieses Landes, werden wollte. Soviel Glück konnte das Mädchen gar nicht fassen und mit Tränen der Freude in den Augen, sagte sie, ja. Es war eine wunderschöne Hochzeit, auf der viel getanzt wurde und das ganze Volk feierte mit ihrem neuen König und seiner schönen Königin.



Viele Wochen vergingen und alle waren zufrieden. Die kleine Katze schlief auf samtigen Kissen, trank aus goldenen Schüsseln warme Milch, wurde von jedem liebkost und gestreichelt und bekam viele kostbare Spielsachen geschenkt. Alle Schlossbewohner hatten sie gern, beobachteten sie mit Vergnügen beim Spielen und sie verstand es immer wieder mit ihren Neckereien die Menschen zu unterhalten.



Ein Jahr verging und nach einigen Monaten konnte man sehen, dass die junge Königin guter Hoffnung war. Das ganze Land freute sich und das Königspaar bekam eine hübsche Tochter. Ihr Haar war wie gesponnenes Gold, ihre Augen blau wie das Meer und ihre Wangen wie Rosenblätter. Sie liebten ihre Tochter über alles und herzten und küssten sie den ganzen Tag. Jeder im Schloss wollte nur noch die Prinzessin sehen und mit ihr spielen.



Darüber vergaßen sie ganz die kleine Katze, die überhaupt nicht verstand, warum sich keiner mehr um sie kümmerte. Sie wurde von allen nur weggeschoben und durfte nicht in die Nähe der Prinzessin. Zu groß war die Angst, das sie das Kind beschmutzen oder kratzen würde. Überhaupt wurde sie von allem fern gehalten, was ihr schaden könnte. Das Kätzchen gab sich alle Mühe, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen, machte die tollsten Purzelbäume, aber es half nichts. Niemand lachte darüber oder streichelte sie. Traurig zog sie sich zurück und spielte alleine mit ihren schönen Spielsachen.



Als die kleine Prinzessin schon auf eigenen Beinen das Schloss erkunden wollte, nahm man vorsichtshalber auch das Spielzeug der Katze und schloss es weg. Die Prinzessin könnte ja versehentlich damit spielen und krank davon werden. Das ärgerte das Kätzchen und eifersüchtig machte sie es ihnen gleich und versteckte ihrerseits das Spielzeug der Prinzessin. Als das entdeckt wurde, sperrte man sie in eine Besenkammer. Doch das Kätzchen miaute so laut, dass niemand mehr schlafen konnte. Sie wurde wieder raus gelassen und ausgeschimpft. Beleidigt stahl sie sich in den Kleiderschrank der Prinzessin und zeriss all ihre schönen Kleidchen. Jetzt hatten der König und die Königin endgültig genug und setzen sie vor die Tür. Tief verletzt und traurig verließ das Kätzchen das Schloss und kehrte nicht mehr zurück.



Einige Tage später, als die Königin wieder ihr Kind in den Schlaf gewiegt hatte, setzte sie sich an das Fenster und sah auf den Wald. Sie erinnerte sich daran, wie sie mit ihren Eltern und nach deren Tod dort gelebt hatte und leichter Wehmut überkam sie. Dann dachte sie plötzlich an ihr kleines Kätzchen und wieviel Freude ihr diese immer gemacht hatte, wenn sie traurig war. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie an die Dinge dachte, die ihr die Katze mitgebracht hatte. Sie sah auf den Ring, den sie immer noch trug. Heiße Tränen liefen über ihre Wangen. Was hatte sie getan? Ihr ganzes Glück verdankte sie dieser kleinen Katze und sie hatte sie verstoßen.



Hastig lief sie aus dem Schloss und suchte nach ihr. Stundenlang irrte sie umher und schließlich lief sie in den Wald zu ihrer alten Hütte. Dort lag das Kätzchen und schlummerte auf ihrem alten zerrissenen Kissen. Erschöpft sank die Königin auf die Knie und bat die Katze um Verzeihung. Das Kätzchen sah sie mit ihren großen Augen an, blickte bis tief in ihr Herz und erkannte die große Zuneigung, die sie beide immer noch verband. Schnurrend kuschelte sie sich an ihren Arm und ließ sich hochheben. Die Königin weinte vor Freude und kehrte bald zusammen mit der Katze ins Schloss zurück. Um ein Haar hätte sie ihren größten Schatz, die bedingungslose Liebe ihrer Katze, die ihr zu jeder Zeit vertraute, verloren. Doch es war noch nicht zu spät. Nun vertraute sie ihr auch und gerührt sah sie, wie behutsam die Katze mit ihrem Kind umging. Der König hatte alles mit angesehen und bereute auch, was er getan hatte. Er küsste seine Frau, umarmte sein Kind und streichelte die Katze und zusammen lebten sie von nun an glücklich bis an ihr



ENDE
 



 
Oben Unten