schwestersternchen
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Der Schlurf 
Es ist eine Geschichte aus dem Lande Edelweiß.Vor langer, langer Zeit, konnte man dort noch Einhörner beobachten.Sie waren damit beschäftigt, mit ihren langen Schweifen die Regenbogen, die von Regen und Sonne geschaffen wurden, bunt anzumalen. Dort gab es viele sehr hohe Berge, teilweise noch mit schneebedeckten Gipfeln. Tiefe schroffe Schluchten schnitten sich durch das massive Gestein. An deren Grunde klares kaltes Wasser, wild, die Berge hinab strudelte. Aber nicht überall zeigte sich das Gebirge so wild. Vielerorts zogen sich an den Berghängen grüne Wiesen im Sonnenschein entlang. Deshalb wuchs dort auch sehr saftiges weiches Gras und viele duftende Kräutlein.
An einer dieser Wiesen, die sich sanft den Hang hinauf zog, hatte sich einst ein Bergbauern-Paar seine Hütte errichtet.Dort hüteten sie ihr Vieh und lebten von deren Produkten ein bescheidenes aber zufriedenes Leben. Sie legten um die Hütte herum einen schönen Garten an, in dem sie nach ihrem getanen Tagewerk ausruhen konnten. So ging es tagein und tagaus und sie waren glücklich. Nur ein Kind fehlte ihnen noch, dem sie ihre Erfahrungen und ihren bescheidenen Wohlstand weitergeben konnten. Eines schönen Tages pflanzten sie in ihren Garten zwei Fliederbäume. Einen weißen für die Mutter und einen Violetten für den Vater. Sorgfältig wurden diese beiden gepflegt und so gediehen und wuchsen sie prächtig. Mit ihrem reichen Duft den sie in jedem Frühjahr verströmten belohnten und bedankten sich die Bäumchen bei dem Bauernpaar. Oft und gern saßen die Menschen Abends auf einem Bänkchen unter dem dichten Laub und genossen die Ruhe der Berge.
Mit der Zeit wuchsen die Stämme der beiden Bäume einander zu und vereinigten sich zu einem Ganzen, so das zur Verwunderung der Leute die blühende Krone in zwei Farben erstrahlte.
Eines Abends bemerkte die Frau des Bergbauern das sie ein Kind erwartete. Sie sagte es ihrem Mann und beide freuten sich das nun auch ihr aller sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehen würde. Als die Zeit um war gebar die Frau ein hübsches kleines Mädchen, das sie Tilla nannten.
Tilla wurde mit viel Liebe und Sorgfalt aufgezogen. Keine Sekunde ließen die Eltern ihren Sonnenschein aus den Augen und behüteten sie vor allem Ungemach. Aber auch in die alltäglichen Arbeiten die, die Eltern zu leisten hatten wurde das Mädchen mit einbezogen. Sie durfte beim Vater im Stall und der Pflege der Milchkühe helfen und die Mutter weihte sie in die Geheimnisse der Käse Herstellung und alles andere der täglichen Arbeit ein. Tilla war sehr wissbegierig und fleißig. Bald schon entstand unter ihren kleinen Händen, der schmackhafteste Käse der je im Gebirge hergestellt worden war.
Auch der Graf des Gebirges kostete eines Tages von dem Käse und der mundete ihm so gut, dass er jede Woche eine Lieferung davon in seine Residenz zu liefern wünschte. Fortan wanderte Tilla mit einer kleinen ihrer Gestalt angepassten Kiepe auf dem Rücken ins Tal, ins gräfliche Schloss. In der Schlossküche lieferte sie dann ihren Käse ab. Die dort den Löffel schwingende Köchin, eine dicke gutmütige Person freute sich schon auf das wöchentliche Erscheinen der Kleinen. Schwatzte mit ihr und verwöhnte das Mädchen mit fürstlichen Leckereien. Für den Rückweg packte die Köchin noch allerlei Naschwerk ein, das die kleine aber getreulich mit ihren Eltern teilte. So wurde der Liefertag immer auch zu einem Festtag für die ganze Familie. Außerdem sicherte es ihnen ein zusätzliches bescheidenes Zubrot, das sie gewissenhaft für ihre Tochter sparten.
Es hätte ewig so weitergehen können, denn niemand rechnete mit einem solchen Unglück, wie es die kleine Familie dann ereilte.
Der Winter dieses Jahres war heuer besonders kalt und sehr schneereich. Deshalb hatten die Eltern Tillas beschlossen die wöchentliche Lieferung ins Grafen schloss selbst zu übernehmen, weil sie nicht wollten das ihre Tochter bei der eisigen Kälte, den weiten Weg ins Tal und den Berg wieder hinauf, allein zurücklegen musste. Nach dem gemeinsamen Frühstück machten sie sich auf den Weg, taten ihre Besorgungen, stärkten sich in der Schlossküche bei der dicken Rosel und traten dann fröhlich ihren Rückweg an. Sie freuten sich schon auf das glückliche Lächeln von Tilla wenn diese den Korb mit den gräflichen Gaben auspacken durfte.
Unter Gesprächen schritten sie den verschneiten Hang bergauf, sahen auch schon die warm leuchtenden Fenster ihrer Hütte, als es passierte. Mit einem unheimlichen Grollen löste sich vom Gipfel des am nächsten stehenden Berges ein riesiges Schneebrett und rauschte mit unheimlicher Schnelligkeit, donnernd, als gigantische Lawine ins Tal. Hilflos in ihrer Hütte, musste Tilla mit ansehen wie ihre Eltern von den Schneemassen mit gerissen wurden und in ihnen versanken. Mit Fackeln und Laternen eilten die Einwohner des Tales zu Hilfe. Stundenlang suchten sie und hofften auf ein Wunder. Schließlich aber, konnten sie die Eltern Tillas nur noch tot bergen.
Um das Mädchen zu unterstützen halfen alle bei der Beerdigung und Rosel übernahm es den Totenschmaus auszurichten. Tilla hatte noch gar nicht begriffen das sie nun eine Waise war.
Rosel wollte die Kleine auch gerne bei sich aufnehmen, aber das wollte Tilla nicht. Sie verbrachte die Zeit wie sie es von ihren Eltern gelernt hatte und schlug sich allein durchs Leben. Hielt den Haushalt ihrer kleinen Hütte in Ordnung, versorgte die Tiere, sogar die Herstellung des köstlichen Käses und die wöchentliche Lieferung in die Schlossküche schaffte sie, dort schwatzte sie dann mit Rosel, die auch ab und zu in der Berghütte nach dem rechten schaute. Sie konnte zwar die verlorene Mutter nicht ersetzen, aber doch das Leid ein wenig lindern.
Das Frühjahr begann und Tilla machte sich daran das kleine Gärtchen zu bestellen. Auch sie saß dann Abends auf einem Bänkchen, das ihr Vater aus alten Baumstämmen gebaut hatte. Nach und nach begannen die Bäume zu grünen und auch die Fliederbüsche ,mit ihren zweifarbigen duftenden Dolden begannen zu blühen. Aufmerksam betrachtete das Mädchen seine Umgebung und zum ersten Mal, fiel ihr auf das sich durch das Zusammenwachsen der beiden Stämme nahe des Erdbodens eine Art Höhle gebildet hatte. Der in den Bergen ständig wehende Wind, hatte in diese Höhle trockenes Laub vom Vorjahr herein geweht. Tilla wurde neugierig und kroch hinein. Drinnen war es dunkel, trocken und warm. Sie machte es sich darin bequem und fand es herrlich gemütlich. Von ihrem Lagerplatz, konnte sie das Rauschen der Zweige im Wind und das hüpfen der Vögelchen im Flieder hören. Hin und wieder hörte sie auch ein Mäuschen unter den Wurzeln knabbern und huschen. Tilla fühlte sich in dieser Höhle total geborgen und es wurde ihr Lieblingsplatz um Auszuruhen. Sie war sehr müde. Langsam wurden ihr die Augen schwer. Minuten später war Tilla dann sanft entschlummert. Irgendetwas weckte sie später, sie wusste nicht zu sagen was es gewesen war.Ruckartig setzte sie sich auf, weil sie ein leises Rufen zu vernehmen glaubte.Aber so sehr sie sich auch umschaute und suchte, sie konnte nichts finden. Tilla legte sich also wieder ins weiche Laub und horchte den vernommenen Stimmen nach, die ihr auch irgendwie vertraut waren. Nach und Nach schlief Tilla wieder ein. Sie träumte. Plötzlich erschienen ihr im Traum zwei sehr wohl bekannte Gestalten und da wusste Tilla auf einmal woher ihr die Traumstimmen bekannt waren. Sie sah ihre Mimamas, kleine einst von ihrem Vater eigens für Tilla angefertigte hölzerne Püppchen. Diese Püppchen waren es die immer in Tillas Bett lagen. Tilla liebte diese Figürchen, die von der Mutter, nach dem Schnitzen durch den Vater, mit bunten Stofffetzen bekleidet und liebevoll bemalt worden waren. Diese Püppchen waren das einzige was ihr von den Eltern geblieben war und ihr deshalb besonders kostbar.
Neu war ihr allerdings das ihre Gefährten sprechen konnten. Staunend hörte sie ihnen zu.
„Liebe Tilla, wir müssen dir etwas sagen. In den Wurzeln dieses Strauches, haust seit einiger Zeit ein Schlurf. Das ist ein sehr bösartiges Wesen. Woher es kommt, warum es sich gerade hier eingenistet hat, wissen wir nicht. Wir wissen nur, das es mit seiner Lebensweise, das Leben des Fliederbaumes und auch aller anderen Pflanzen im Gebirge bedroht und schließlich vernichten wird, wenn ihm nicht Einhalt geboten wird. Der Schlurf schafft sich Platz, indem er rücksichtslos die Wurzeln der Bäume und Pflanzen kappt, so das die Blätter und Blüten nicht mehr genügend Wasser und Nährstoffe bekommen. Seine Abfälle vom Essen und der Notdurft lässt er überall liegen, so das nach und nach Gifte und andere schädliche Stoffe in die Erde sickern und mit dem immer weniger werdenden Wasser in die Lebensadern der Pflanzen gelangen. Betrachte den Strauch einmal aufmerksam und Du wirst sehen können, wie die Blätter und Blüten schon vor der Zeit zu welken beginnen und wie verbrannt aussehen. Auch das Holz der Stämme beginnt zu versteinern. Nicht zuletzt wirst du auch den fremdartigen Gestank der aus der Erde zu kommen scheint, wahrnehmen können. Es muss bald Hilfe kommen, sonst ist die schöne Natur für immer unwiederbringlich verloren. Das Erbe deiner Eltern wird dir so vernichtet werden. Um zu retten was noch zu retten ist, raten wir dir, deine Tiere Rosel anzuvertrauen, deine Hütte zu verschließen und dich auf den Weg zum Eulenschneck zu machen. Der wohnt am Rande zum Hochgebirge, in den tiefen Tannenwäldern. Er ist ein uraltes Wesen, mit einem riesigen gesammelten Wissen und das letzte seiner Art. Du musst ihm ein kleines Geschenk mitnehmen, dann wird er dir in den zahlreichen Windungen seines Schneckenhauses, sein gesammelten Bücher zeigen und dir wenn er es vermag helfen. Was wir von ihm wissen, haben wir in einer Sage gelesen. Danach stammt der Schneck der übrigens Bubu heißt, aus einer Stadt, die Babylon hieß. Dort wohnte er auf der Plattform des höchsten je gebauten Turmes, alle Sprachen der Welt wurden darin gesprochen und alles Wissen das es gab wurde darin gesammelt und aufbewahrt. Damals hatte er im übrigen noch kein Haus auf dem Rücken. Doch auch hier siedelte sich unter dem Turm ein anderer Schlurf ein. Der nicht mochte, das der Turm mit dem Eulenschneck dort stehen blieb. Er grub und wühlte, schob und drückte so lange bis er den Turm schließlich zum Einsturz gebracht hatte. Nur durch puren Zufall überlebte der Schneck dieses Inferno. Er war an diesem Tage gerade nicht zuhause. Eine Freundin aus einer anderen Schneckenfamilie, hatte ihn um seinen Besuch und um Hilfe bei einem anderen Problem gebeten. Sie wiederum stammte aus der Familie der Turmschnecken. Nachdem er seinen Besuch beendet hatte stand er fassungslos vor den Trümmern seiner Behausung und den darin verstreut liegenden kostbaren Büchern und war lange Zeit nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Endlich aber erwachte er aus seiner Erstarrung, raffte sich auf und eilte so schnell es sein Schneckenkörper vermochte zur Turmschnecke zurück. In nur einer Nacht schafften es beide ein Haus aus festem Kalk, mit unendlich vielen Windungen, auf den Rücken von Bubu zu bauen. Jetzt konnte er retten was noch zu retten war. In die vielen Windungen und Kämmerchen des Hauses stopfte Bubu so viel an Büchern und Papieren wie er nur konnte, die Außenhülle des Hauses bog sich darob rund durch, aber sie hielt. Nachdem das alles getan war, blickte sich Bubu um. Seine Heimat war zerstört, seine Freundin wegen der ungewohnten Anstrengung, am Morgen plötzlich verstorben. Er begriff das er jetzt völlig allein war. Nichts hielt ihn hier mehr. So begann er eine lange Wanderung, um seinen Kummer und Verlust mit dem Sammeln von Wissen aus anderen Gegenden der Welt zu betäuben. Irgendwann kam er dann schließlich in unserer Gegend an. Die Himmelhohen Berge erinnerten ihn an seinen verlorenen Turm. Die immergrünen Wälder gefielen ihm auch sehr. Und er war des Wanderns müde, er wollte sich nur noch hier in dieser schönen Gegend ansiedeln und als Einsiedler leben. Weil er ein brummiger, aber ansonsten freundlicher und auch hilfsbereiter Geselle war, wurde er von den Bewohnern der Gegend, schnell angenommen und so lebte er von den Gaben der Menschen die er zum Dank für seine geleistete Hilfe erhielt.“ So endete die Geschichte der Mimamas.
Tilla öffnete die Augen und wusste immer noch nicht ob sie die Geschichte wirklich vernommen, oder doch nur geträumt hatte. Sie kroch aus ihrer Baumhöhle und betrachtete nun den Flieder etwas genauer um heraus zu finden was es mit der seltsamen Traumgeschichte auf sich hatte. Tatsächlich sah und fand sie die beunruhigenden Veränderungen am Stamm, den Blättern und Blüten, so wie die Mimamas es beschrieben hatten.Auch fiel ihr heute zum ersten mal ein schwacher aber doch stetig unangenehm stechender Geruch auf. Der schien unter der Erde hervor zukommen, am stärksten war dieser Gestank in der Nähe der Flieder wurzeln wahrzunehmen. Seltsam das sie das noch nie so gerochen hatte. Aber ihre Sinne waren ja durch die Erzählung der Püppchen geschärft und sie vertraute ihnen.
Tilla ging in ihre Hütte zurück um sich ihr Abendessen zuzubereiten. Ihre Gedanken, indes schweiften immer wieder zu der im Traum gehörten Geschichte zurück. Sie bemerkte gar nicht das sie ihr einfaches dunkles grobkörniges Brot in die Milch tunkte und dazu ihren selbstgemachten Käse aß. Gesättigt aber immer noch in Gedanken, ging sie schließlich ins Bett.Kuschelte sich mit ihren Mimamas in die Decke und schlief ein. Kaum begann sie zu träumen, als auch die Püppchen wieder erschienen und zu ihr sprachen. Sie drängten Tilla zur Eile, denn immer mehr wurde unter der Erde durch den Schlurf zerstört und lange würde die Natur das nicht mehr unbeschadet überstehen können.
Am Morgen war Tillas Entschluss dann gefasst. Sie würde versuchen den Eulenschneck zu finden, um seinen Rat zu erbitten. Sie erzählte der alten Rosel von ihrem Plan, rüstete sich mit Proviant und ein paar Sachen, die sie würde gebrauchen können. Packte alles in ein Tuch, das sie mit einem Knoten verschloss. Sie selbst zog sich einen warmen, derben Kittel an und schlang sich ein Tuch um den Kopf, auch zog sich Tilla ihre Stiefeln an, die sie sonst nur an Feiertagen trug. Als sie soweit alles vorbereitet hatte, vertraute sie ihrer Freundin Rosel ihre Tiere und die elterliche Hütte an und machte sich, ohne sich noch einmal umzusehen auf den Weg. Sie wollte immer schnurstracks auf die Tannenwälder am Fuße der hohen Berge zuhalten. Diese Richtung konnte sie nicht verfehlen.
Bei ihrer Wanderung über die Wiesen, genoss Sie die Sonne und den Anblick der vielen bunten Blüten mit ihrem betörenden Duft. Wilde Bienen und Schmetterlinge, summten und gaukelten mit ihren zarten Flügeln von Blüte zu Blüte und von Halm zu Halm. Stundenlang lief sie so durch das Land und konnte sich nicht sattsehen am Spiel der Schmetterlinge, Vögel und anderen Tiere. Als Tilla an einem kleinen Bächlein stehenblieb um sich ein wenig zu erfrischen, bemerkte sie das sie eine Pause benötigte, ihre Beine die sie jetzt schon stundenlang trugen ermüdeten langsam. Auch verspürte Tilla Hunger. Sie setzte sich unter einen Weidenbaum in der Nähe des Bächleins. Aus ihrem Beutel nahm sie Brot und Käse verspeiste alles mit Appetit. Ihren Durst stillte sie mit dem Wasser aus dem Bächlein das sie gleich mit ihrer Hand schöpfte. Zufrieden und gesättigt schaute sich Tilla um und wieder einmal übermannte Tilla die Müdigkeit und die Augen fielen ihr zu. Ihre Mimama hatten sie auch hier nicht im Stich gelassen und bestärkten sie in ihrem Traum den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Wenig später erwachte das Mädchen ausgeruht und erfrischt. Sie schnürte ihr Bündel wieder zu, zog ihre Stiefeln an, stand auf und ging ihren Weg auf der Suche zum Schneck weiter.
Wenig später hatte sie den Waldrand erreicht. Die dichten Kronen der Bäume bildeten ein lichtes Dach, das sie vor Wind und Regen schützen würde. Ruhig, nur vom Gezwitscher der zahlreichen Vögel begleitet, wanderte Tilla dahin. Ein schöner blauer Eisvogel, der wie ein fliegender Edelstein aussah begleitete das Mädchen von Ast zu Ast hüpfend, auf ihrem Weg durch den Wald.
Immer weiter ging sie in den Wald hinein. Sie folgte den manchmal kaum wahrnehmbaren Pfaden, wenn sie durch dichtes Unterholz gehen musste. Blickte sie nach oben, sah sie den schönen Eisvogel über sich. Es war als ob er ihr den Weg weisen wollte. Hinter einem im Wege stehenden Felsen, den Tilla umrundete, öffnete sich der Wald und gab eine kleine verwunschene Lichtung frei , die auf das Mädchen einen eigenartigen Zauber ausstrahlte. Die Bäume die sie umstanden waren sehr alt das konnte Tilla an den dicht mit Moosen und Farnen bewachsenen Stämmen erkennen. Der wie es ihr schien älteste Baum stand genau in der Mitte der Lichtung. Es war eine Eiche, wie Tilla noch nie eine erblickt hatte. Eichbäume kannte das Mädchen, aber keinen solchen. Er hatte einen Umfang, das ihn bestimmt 6 Männer mit ausgebreiteten Armen nicht umfassen konnten. Von einem Blitzeinschlag war ihr Stamm gespalten und das Feuer hatte den Stamm ausgehöhlt, trotzdem grünte die Eiche und trieb junge Zweige.
Tilla ging langsam und vorsichtig weiter auf diesen Baum zu. Sie spürte das sie an ihrem Ziel angekommen war und das, das die Behausung des Eulenschnecks sein musste, in der er zu finden war. Lange Efeu ranken zogen sich am Stamm hinab und verdeckten so den Eingang zu der Baumhöhle, die dem Schneck damit zusätzlichen Schutz boten.
Vorsichtig schob Tilla die dichten Ranken zur Seite und wagte einen Blick in die Höhle. Schwarz glänzend vom erloschenen Feuer, präsentierte sich deren Anblick. Über die gesamte Fläche der Wände, sah Tilla, Regale. Regale über Regale. Welche aus knorrigen Ästen zusammengebundene, aus alten Brettern gefertigte, auf Steinsockeln stehende, ja sogar von der Decke des Raumes hingen Gebilde voller Bücher herab. Alles war voll gestellt mit Büchern und Papier Rollen, soweit das Auge zu blicken vermochte. Alte, Neue, mit Leder, Holz oder einfach nur Pappe gebunden. Dicke und dünne, kostbare und weniger kostbar aussehende, welche noch aus Babylon, aber auch aus anderen Gegenden der Welt, alles hatte der Schneck hier zusammengetragen. Der Turm den er einst mit seiner Freundin in einer Nacht gebaut hatte fasste diese ungeheure Menge schon lange nicht mehr. Aber er war glücklich in seinem Refugium. Damit nicht genug, den wenigen Platz der hier noch war, wurde von seltsamen Apparaturen eingenommen, wie sie Tilla noch nie erblickt hatte und deren Sinn und Zweck sich Tilla nicht erschloss.
Während das Mädchen noch alles staunend betrachtete, ganz still an ihrem Fleck stehen bleibend, hörte sie ein Rascheln aus der dunkelsten Ecke des Gewölbes. Langsam und leise schälte sich eine Gestalt daraus hervor. Vor Tilla blieb die Gestalt stehen. Sie blickte in ein großes Eulenantlitz, Alt und sehr Weise. Große gelbe Augen über einem starken gekrümmten Schnabel, es konnte seinen Kopf fast gänzlich einmal im Kreise drehen um so zu schauen was hinter ihm passierte. Es hätte eine ganz normale Eule sein können, wenn hinter seinem Vogelkopfe nicht ein dicker aufgewulsteter Schnecken Körper auswuchs. Obwohl das ganze sehr grotesk aussah, hatte Tilla doch keine Angst.Sie hatte gar nicht bemerkt, das sie nun ihrerseits von dem Wesen aufmerksam betrachtet wurde. Es war der Eulenschneck, den Tilla hier vor sich zu stehen hatte.
Tilla schluckte, fasste sich dann aber und grüßte mit aller gebotenen Höflichkeit. Sie nannte dem Schneck ihren Namen. Der Besitzer der Höhle, klapperte mit seinem krummen Schnabel und begann auch zu sprechen.
„Ich habe deinen Besuch schon erwartet, Tilla von der Bergalm. Der blaue Eisvogel hat davon gesprochen das ein Mädchen durch den Wald geht und nach mir sucht. Nun ich bin der gesuchte Schneck und mein Name ist Bubu Schneck von Babylon. Tritt ein mein Kind, ich werde dir etwas zur Stärkung reichen, denn die Gastfreundschaft ist mir heilig. Wir werden etwas zusammen essen und Du kannst mir dabei erzählen weshalb du mich gesucht hast und wobei ich dir helfen kann, wenn ich es denn vermag. Versuchen werde ich es auf alle Fälle.
Erleichtert, wegen der freundlichen Aufnahme, setzte sie sich an den Tisch den der Schneck schon begann mit Brot und klarem Quellwasser zu decken. Tilla zog indessen aus ihrem Beutel ein Stück ihres selbst gemachten köstlichen Käses und ein Krüglein Milch. Beide teilten nun die Mahlzeit des anderen und bald entspann sich eine angeregte Unterhaltung. Tilla erzählte von ihren Sorgen und Problemen, von den beunruhigenden Beobachtungen an ihren Fliederbaum und den Traumerzählungen der Mimamas.
Bubu hörte ihr sehr aufmerksam und schweigend zu. Als das Mädchen geendet hatte, war der Schneck sehr unruhig, kannte er doch die Auswirkungen dieses zerstörerischen Wesens aus seinem eigenen Erleben, in seiner Heimatstadt Babylon. Er erzählte es Tilla und auch ihm tat es gut seine schrecklichen Erlebnisse endlich einmal jemandem erzählen zu können. Nur wie das Untier zu bekämpfen war, das wusste auch er nicht. Aber er wollte in seinem gigantischen Wissens Fundus forschen bis er eine Möglichkeit gefunden hatte. Beide beendeten jetzt schnell ihre Mahlzeit, brannten sie doch darauf mit der Suche zu beginnen. Zuerst aber richtete der Schneck für Tilla ein Lager, auf dem sie sich nach ihrer langen Wanderung ausruhen könnte. Eine warme Decke aus selbst gesammelten Federn legte der Schneck noch darauf und Tilla konnte sich erholen. Der Schneck selber hatte in dieser Nacht kein Auge zugetan. Buch um Buch zog er aus seinen Regalen und blätterte durch sie hindurch. Umsonst, er fand nichts über den Schlurf. Spät übermannte auch ihn die Müdigkeit, sein Kopf sank auf den Tisch und auch er schlief ein.
Als Tilla am nächsten Morgen erwachte, war Bubu schon lange wieder wach. Er hatte sogar schon den Tisch gedeckt. Außer Brot Milch und Käse, standen auch noch frische Früchte, gesammelt im Wald, darauf. Es mundete beiden köstlich. Schließlich waren sie gesättigt und beide räumten gemeinsam den Tisch, den sie für ihre Forschung brauchten, ab.
Bubu begann etliche Bücher und Pergament rollen aus den zahlreichen, bis zur Decke gehenden Regalen, zu holen. Sodann breitete er sie auf dem Großen Tisch aus. Beide beugten sich darüber und studierten die teilweise sehr alten Schriften, diskutierten darüber und schrieben auf was ihnen wichtig erschien.
Stunde um Stunde verging bei dieser Tätigkeit, aber beide bemerkten es kaum. Nur als sich der Hunger mit Nachdruck bemerkbar machte und dessen Knurren nicht mehr zu überhören war, machten sie für diesen Tag Schluss. Aßen etwas und unterhielten sich über ihr weiteres Vorgehen. Denn noch hatten sie nichts brauchbares gefunden, wie dem unseligen Schlurf beizukommen war. So gestalteten sich auch der zweite und dritte Tag. Sie ließen sich jedoch nicht entmutigen, hatten sie doch geahnt das es nicht leicht werden würde schnell etwas wirkungsvolles zu finden.
Der vierte Tag ihres Studiums, brachte ihnen dann Erfolg.In einem dicken Folianten, fand Bubu eine Abbildung des Schlurfes. Es folgte eine Beschreibung seiner Lebensweise, Verbreitung, Ursprung desselben. Aber auch Mittel die zu seiner Vertreibung führen würden. Hauptsächlich brauchte man dazu Scheiben von klarem Bernstein, durch die helles Sonnenlicht geleitet werden musste. Hilfreich sollte es auch sein, heißes mit Rosenöl parfümiertes Wasser in seinen Bau zu leiten. Da der Schlurf an sich ein sehr schmutziger Geselle war, fürchtete er nichts so sehr wie Reines Wasser und Licht. Das Rosenöl im Wasser würde mit dem Schlurf auch gleich dessen üblen Gestank, mit sich forttragen.
Soweit so gut, soweit die Theorie. Jetzt wussten sie wie, aber wo die benötigten Stoffe zu bekommen waren und was zb. Bernstein war geschweige denn wo finden, wussten sie nicht. Es half nichts Tilla und Bubu beugten also wieder ihre Köpfe über die Bücher und begannen von neuem zu suchen diesmal nach Bernstein.
Sie hatten Glück. In einem Buch über Mineralien und Steine fanden sie was sie suchten. Beim Lesen dessen, fanden sie Abbildungen der kostbaren Steine, eine Liste seines Vorkommens. Beide lasen das der klarste und reinste Bernstein, im hohen Norden am Gestade des Meeres, von den Wellen, einfach an den Strand gespült wurden. Dort konnte man ihn dann aufsammeln und für seine Zwecke passend machen.
Bubu und Tilla schauten sich freudestrahlend an. Sie hatten des Rätsels Lösung gefunden. Gleichzeitig wurde ihnen aber auch klar, das sich einer von ihnen auf den Weg begeben musste um den Bernstein zu holen. Im Gebirge war er dummerweise nicht zu finden.
Tilla überzeugte Bubu davon das sie den Bernstein holen würde, denn die Geschwindigkeit mit der sich Bubu gemäß seiner Schneckenart fortbewegen konnte, war sehr langsam und die zeit wurde knapp. Fliegen müsste man können sinnierte Tilla laut vor sich hin. Das wiederum brachte Bubu auf eine Idee. Aufgeregt klapperte er mit seinem Schnabel und erzählte Tilla was er vorhatte. Ein Bekannter von ihm war der Kreuzschlitz-Schnabler, ein großer kräftiger Vogel der auf den Namen Archimedes hörte. Von ihm stammten auch die merkwürdigen Gerätschaften in der Höhle des Schnecks. Er würde in der Lage sein Tilla mit Leichtigkeit durch die Luft schnell zum Bernstein Meer zu tragen. Das hatte auch den Vorteil das Tilla nicht alleine den weiten Weg würde zurücklegen müssen.
Bubu ging in seine Baumhöhle zog dort an einer hölzernen Schachtel, die an einer Schnur befestigt war und sprach in diese Schachtel hinein. Staunend hörte Tilla nun eine krächzende Stimme die ebenfalls aus der Schachtel zu hören war, aber sie sah niemanden. Der schneck sah die Verwirrung auf Tillas Gesicht und er schmunzelte in seinen Federbart hinein.
Nicht lange danach rauschte es auf der Lichtung und ein sehr sehr großer Vogel landete vor ihnen. Es hätte ein Rabe sein können, nur waren die kleiner und trugen nicht so eine altmodische Brille wie dieses Exemplar hier.
Bubu und Archimedes begrüßten einander sehr herzlich. Bubu stellte seinem Freund jetzt Tilla vor. Beide beäugten einander neugierig freundlich. Archimedes hatte die Eigenart alles was er sprach in drollige Reime zu verfassen und zum ersten mal seit langem lachte Tilla aus vollem Herzen und sie merkte wie die Traurigkeit, die sie seit dem Tode ihrer Eltern erfasst hatte, zu weichen begann.
Er streckte seine Flügel auf eine komische Art steif nach hinten, beugte seinen Vogelhals lang nach vorne, wobei ihm die Brille vom Schnabel rutschte und im Gras landete. Richtete sich wieder auf und sprach
„Guten Tag liebes Mädchen,
Archimedes mein Name.
Ich freue mich sehr,
das ich helfen Dir kann,
Dich zu tragen ans Meer.“
Damit nicht genug, flatterte er mit einem Flügel und beförderte schließlich eine Art Schaukel darunter hervor, die er konstruiert hatte, damit Tilla darauf sitzen konnte.
Jetzt ging alles ganz schnell. Der Schneck packte Proviant zusammen, reichte Tilla noch ein kleines Döschen, welches ein Zelt enthielt und schärfte ihr den Spruch ein den sie sagen sollte um es aufzustellen, der ging so.
„Schutz und Wärme brauche Ich,
Gib es mir, Ich bitte Dich.“
Sodann sollte sie den Deckel der Dose öffnen und das Zelt würde sich von alleine aufstellen. Nach Gebrauch musste die geöffnete Dose auf den Erdboden gestellt werden und mit einem einfachen Danke für Schutz und Wärme, würde es sich von selbst wieder zusammenfalten und in seinem Behältnis verstauen.
So ausgerüstet und reisefertig, setzte sich Tilla auf die Schaukel die Archimedes schon an seinen Vogel klauen befestigt hatte. Schneller als sie erwartet hatte hob sie der Vogel mit kräftigem Flügelschlag hoch in die Luft. Zuerst war Tilla noch sehr ängstlich und kniff die Augen zusammen um ja nicht nach unten zu schauen, aber schon bald gefiel es ihr die reise. Es war so schön die Welt von oben zu betrachten die grünen Wiesen und die Berge, die blauen Bänder der Flüsse, und die Menschen und Tiere wie Ameisen so klein. Es war ihr auch nicht kalt, denn Bubu hatte dafür gesorgt das Tilla ausreichend warme Kleidung an hatte.
Wenn es zu Dunkeln begann, landete Archimedes. Tilla holte ihre Dose aus dem Gepäck, sagte das Sprüchlein und bat auch Archimedes in den Schutz des Zeltes. Einträchtig saßen sie dann beisammen, aßen etwas und unterhielten sich. Manchmal schliefen sie schnell ein. Oft aber unterhielten sie sich noch lange und lachten. Einige Male stand der Mond schon hoch am Sternenhimmel, wenn dann endlich Ruhe im Zelt herrschte und beide fest schlummerten. So entstand nebenbei eine tiefe Freundschaft.
Morgens zogen die beiden dann immer weiter Richtung Norden.
An einem Morgen, etwa sechs Tage nachdem sie aufgebrochen waren, hörten sie ein stetig stärker werdendes Rauschen. Scharen von grau-weißen, laut schreienden Vögeln, bevölkerten den Himmel. Ein starker frischer Wind mit eigentümlichem aber nicht unangenehmen Geruch, wehte ihnen entgegen. Unter sich erblickten sie dann eine glatte blaue Fläche, die ab und zu von weißen Schaumkronen geschmückt war. Von da unten kam auch das immer lauter werdende Rauschen. Sie waren am Ziel ihrer Reise angekommen. Was sie da unten erblickten war nichts anderes als das gesuchte Bernstein-Meer.
Sonnenstrahlen blinzelten durch die Wolkendecke. Wenn sie auf der Erde auftrafen, sahen sie es im Sand und Geröll des Uferstrandes golden aufblitzen. Das musste, den Beschreibungen nach, der gesuchte Bernstein sein.
Tilla und Archimedes, suchten sich in Strand nähe ein geschütztes Plätzchen zum Landen. Stellten ihr Wunderzelt auf. Nachdem das getan war, begannen beide sofort geeignete Stücke des schönen goldgelb funkelnden Gesteins zu sammeln. So emsig sie auch mit dem Sammeln beschäftigt waren,entging ihnen doch nicht die wilde Schönheit der Landschaft um sie herum.
Abends hatten sie dann genug gesammelt. Erschöpft wie sie waren suchten sie ihr Zelt auf. Diese eine Nacht wollten sie noch rasten und sich für die Rückreise stärken, den das würde zumindest für Archimedes, eine kräftezehrende Aufgabe sein. Beide Tilla und der Sack mit dem kostbaren Bernstein mussten transportiert werden. Trotzdem sie nun öfters Pausen einlegen mussten, damit der Vogel rasten und sich stärken konnte, kamen sie bei ihrer Rückreise doch schnell voran.
Endlich konnten sie das Ziel, den Tannenwald, mit dem dahinter liegenden Himmelhohen Bergen erblicken. Kurz danach landete Archimedes mit seiner Last auf der vertrauten Lichtung, wo der Schneck schon auf sie wartete, seit er den Flügelschlag des Schnablers nur ganz leise vernommen hatte.
Glücklich, ob der unversehrten Heimkehr, fielen sich die Freunde in die Arme. Erzählten von ihren Abenteuern, der Landschaften die sie betrachten konnten und schließlich wie sie das Bernstein-Meer fanden. Dabei wurde der Sack ausgeschüttet und unter erzählen, gingen alle daran die Steine unter dem munter murmelnden Strahl, einer nahen Quelle von Schmutz und anderen Anhaftungen zu reinigen. Sodann sortierten sie alle flachen Steine aus, diese würden sie versuchen zu Scheiben zu schleifen. Archimedes hatte dazu auch schon wieder, wie könnte es anders sein, eine Idee. Da auch noch Rosenöl gebraucht wurde, schickte Bubu, Tilla mit einem Korb los um Blüten der wilden Rosen und Hagebutten zu sammeln. Diese gab es an den Rändern des Waldes und der Felder in Hülle und Fülle. Immer wenn ein Korb voll gesammelt war, eilte Tilla damit zurück zur Lichtung. Dabei konnte sie auch die Fortschritte, die ihre Freunde beim schleifen des Steines machten, bewundern. Bubu und Archimedes hatten sich dazu einen großen Topf voll feinsten Sandes vom Grund des Baches geholt. Damit schliffen und schmirgelten sie die ausgesuchten Steine, bis das Sonnenlicht klar und gebündelt durch sie hindurch trat. Die legten sie dann für den Transport in einen Korb der mit Heu und weichem Moos ausgepolstert war. Als die beiden ihre Arbeit beendeten, war auch Tilla mit Sammeln fertig. Der Platz vor der Baumhöhle lag voll von köstlich süß duftenden Blütenblättern.
Archimedes schleppte gleich einen rötlich runden Behälter aus der höhle. Der hatte ein Loch zum verschließen oben und ein kleineres, von dem aus eine dünne Röhre durch die kalte Quelle geleitet in einer kleinen Tonflasche endete. Noch während Tilla sich fragte was diese ganze Apparatur bewerkstelligen sollte, forderten Archimedes und Bubu das Mädchen auf, den Behälter, durch die etwas größere Öffnung mit den Rosenblüten zu füllen. Sodann wurde alles sorgfältig verschlossen und ein starkes Feuer darunter entfacht und stetig in Gang gehalten. Bald brodelte es im Topf. Kurz darauf konnte Tilla beobachten wie eine wasserklare, ölige Flüssigkeit die betörend duftete, in die Tonflasche tropfte... Rosenöl. Auch dieses sollte mitgenommen werden um damit den Bau des Schlurfes zu reinigen.
Nun waren die Vorbereitungen abgeschlossen.
Archimedes nahm das Mädchen, den Schneck und die Utensilien auf das Schaukelbrett, nahm einen längeren Anlauf, breitete seine Flügel aus und im Nu waren alle in der Luft. Der Schnabler nahm Kurs auf die Alm. Es dauerte nicht lange und er konnte im Gärtchen neben dem Fliederbusch landen. Ach aber wie sah der aus , krank und halb verwelkt hingen die Blätter und Blüten herab, ähnlich sahen auch die anderen Pflanzen im Garten aus. Alle begriffen das es höchste Zeit war mit der Vertreibung des Schlurfes zu beginnen.
Bubu und Archimedes holten schnell die Bernstein Scheiben aus dem Korb. Sie richteten sie solange aus bis die Strahlen der Sonne durch sie hindurch auf den Eingang des Schlurfbaues fielen. Sofort wurde es unter der Erde unruhig und sie hörten ein tiefes gereiztes Knurren. Das Licht hatte den Schlurf erreicht. Aber noch kam er nicht heraus.
Tilla hatte unterdessen ihre Hütte betreten und ein Feuer im Herd entfacht. Kessel voller Wasser wurden heiß gemacht, hinaus in den Garten getragen und mit dem Rosenöl versetzt. Kessel um Kessel wurde nun mit Schwung in die Erdhöhle gegossen. Unterdessen wurde auf dem Herd schon wieder neues Wasser erhitzt, so das die drei ohne Unterlass den Bau fluten konnten. Endlich hörten sie ein Quieken und gewaltiges Rumpeln unter der Erde, die Wurzeln der Fliederbäume bewegten sich auf und ab als ob sie leben würden. Die Freunde ließen in ihren Bemühungen nicht nach. Endlich erschien der hässliche, schmutzige Zottelkopf des Schlurfes am Eingang des Baues. Im gebündelten, strahlenden Licht der Bernsteinscheiben, schloss der das Untier geblendet seine boshaften kleinen Augen. Unter Knurren und Fauchen raste er die sonnenbeschienene Alm hinab und hinaus aus dem Gebirge auf Nimmer Wiedersehen. Noch einmal rumpelte und bewegte sich die Erde des Gartens. An der dem Garten abgewandten Seite einer Felsenwand tat sich ein Spalt auf, aus dem das ganze schmutzige Wasser ins Tal und in den durchs Gebirge fließenden Fluss, sich ergoss. Der nahm den ganzen Schmutz mit sich fort und spülte ihn ins Meer. Jetzt war auch der üble Geruch der bis dahin in Tillas Garten wahrzunehmen war vollständig verschwunden. Innerhalb weniger Tage erholte sich der Garten auch der Pflege die, die drei Freunde ihm angedeihen ließen, wegen, vollständig. Noch lange war der Schneck bei Tilla zu Besuch auf der Alm, dann zog es ihn aber wieder zurück zu seinen Büchern. Schweren Herzens ließen Tilla und Archimedes ihn gehen,dh Archimedes flog ihn zurück zu seiner Lichtung. Der Schnabler selbst hatte eine so tiefe Freundschaft mit Tilla geschlossen, das beide zusammen unter dem Dach der Almhütte leben wollten.
Das Mädchen stellte ihm die Mimamas vor. Erzählte von ihrem Traum in dem diese zu ihr gesprochen hatten. Für beide war das Zusammenleben ein Gewinn, war doch jetzt keiner mehr für sich allein. Bald darauf nahm Tilla ihre alltäglichen Arbeiten wieder auf, zeigte dem Schnabler die Geheimnisse ihrer Käseherstellung und dessen Verkauf. Aber Archimedes wäre nicht Archimedes wenn er nicht auch etwas zu tun finden würde. Er zog erst einmal eine Schnur von der Alm zum Eulenschneck auch mit so einer hölzernen Dose daran, fortan konnten sie sich zu jeder gewünschten Stunde unterhalten. Hin und wieder flog er auch los um neue Bernsteine zu sammeln, er hatte nämlich herausgefunden, das diese sich hervorragend zu Schmuckstücken verarbeiten ließen. Tilla wurde konnte nicht genug davon auf den Markt mitnehmen, denn die Nachfrage danach war stark. So konnten die beiden mit der zeit ein stattliches Vermögen sparen, die Alm vergrößern und ausbauen. Ein großes helles Haus bauten sie für den Schneck, der sich nun doch überreden ließ zu den beiden zu ziehen,als er sah wie viel Platz seine Bücher da haben würden.
Tja und eines Tages lernte Tilla einen ehrlichen fleißigen Burschen kennen und die Liebe hielt Einzug auf der Alm. Nach der Hochzeit, zu gegebener Zeit, bevölkerten auch Kinder den Hof. Unter den wieder erblühten Fliederbäumen erklang fröhliches Kinderlachen. Der Schnabler spielte mit ihnen wenn sie noch klein waren und der Schneck unterrichtete sie in seinem Haus wenn sie dazu groß genug waren. Alles war gut.
Vom Schlurf indes, hatte keiner der Menschen im Gebirge, je wieder etwas gehört oder gesehen.
ENDE
								Es ist eine Geschichte aus dem Lande Edelweiß.Vor langer, langer Zeit, konnte man dort noch Einhörner beobachten.Sie waren damit beschäftigt, mit ihren langen Schweifen die Regenbogen, die von Regen und Sonne geschaffen wurden, bunt anzumalen. Dort gab es viele sehr hohe Berge, teilweise noch mit schneebedeckten Gipfeln. Tiefe schroffe Schluchten schnitten sich durch das massive Gestein. An deren Grunde klares kaltes Wasser, wild, die Berge hinab strudelte. Aber nicht überall zeigte sich das Gebirge so wild. Vielerorts zogen sich an den Berghängen grüne Wiesen im Sonnenschein entlang. Deshalb wuchs dort auch sehr saftiges weiches Gras und viele duftende Kräutlein.
An einer dieser Wiesen, die sich sanft den Hang hinauf zog, hatte sich einst ein Bergbauern-Paar seine Hütte errichtet.Dort hüteten sie ihr Vieh und lebten von deren Produkten ein bescheidenes aber zufriedenes Leben. Sie legten um die Hütte herum einen schönen Garten an, in dem sie nach ihrem getanen Tagewerk ausruhen konnten. So ging es tagein und tagaus und sie waren glücklich. Nur ein Kind fehlte ihnen noch, dem sie ihre Erfahrungen und ihren bescheidenen Wohlstand weitergeben konnten. Eines schönen Tages pflanzten sie in ihren Garten zwei Fliederbäume. Einen weißen für die Mutter und einen Violetten für den Vater. Sorgfältig wurden diese beiden gepflegt und so gediehen und wuchsen sie prächtig. Mit ihrem reichen Duft den sie in jedem Frühjahr verströmten belohnten und bedankten sich die Bäumchen bei dem Bauernpaar. Oft und gern saßen die Menschen Abends auf einem Bänkchen unter dem dichten Laub und genossen die Ruhe der Berge.
Mit der Zeit wuchsen die Stämme der beiden Bäume einander zu und vereinigten sich zu einem Ganzen, so das zur Verwunderung der Leute die blühende Krone in zwei Farben erstrahlte.
Eines Abends bemerkte die Frau des Bergbauern das sie ein Kind erwartete. Sie sagte es ihrem Mann und beide freuten sich das nun auch ihr aller sehnlichster Wunsch in Erfüllung gehen würde. Als die Zeit um war gebar die Frau ein hübsches kleines Mädchen, das sie Tilla nannten.
Tilla wurde mit viel Liebe und Sorgfalt aufgezogen. Keine Sekunde ließen die Eltern ihren Sonnenschein aus den Augen und behüteten sie vor allem Ungemach. Aber auch in die alltäglichen Arbeiten die, die Eltern zu leisten hatten wurde das Mädchen mit einbezogen. Sie durfte beim Vater im Stall und der Pflege der Milchkühe helfen und die Mutter weihte sie in die Geheimnisse der Käse Herstellung und alles andere der täglichen Arbeit ein. Tilla war sehr wissbegierig und fleißig. Bald schon entstand unter ihren kleinen Händen, der schmackhafteste Käse der je im Gebirge hergestellt worden war.
Auch der Graf des Gebirges kostete eines Tages von dem Käse und der mundete ihm so gut, dass er jede Woche eine Lieferung davon in seine Residenz zu liefern wünschte. Fortan wanderte Tilla mit einer kleinen ihrer Gestalt angepassten Kiepe auf dem Rücken ins Tal, ins gräfliche Schloss. In der Schlossküche lieferte sie dann ihren Käse ab. Die dort den Löffel schwingende Köchin, eine dicke gutmütige Person freute sich schon auf das wöchentliche Erscheinen der Kleinen. Schwatzte mit ihr und verwöhnte das Mädchen mit fürstlichen Leckereien. Für den Rückweg packte die Köchin noch allerlei Naschwerk ein, das die kleine aber getreulich mit ihren Eltern teilte. So wurde der Liefertag immer auch zu einem Festtag für die ganze Familie. Außerdem sicherte es ihnen ein zusätzliches bescheidenes Zubrot, das sie gewissenhaft für ihre Tochter sparten.
Es hätte ewig so weitergehen können, denn niemand rechnete mit einem solchen Unglück, wie es die kleine Familie dann ereilte.
Der Winter dieses Jahres war heuer besonders kalt und sehr schneereich. Deshalb hatten die Eltern Tillas beschlossen die wöchentliche Lieferung ins Grafen schloss selbst zu übernehmen, weil sie nicht wollten das ihre Tochter bei der eisigen Kälte, den weiten Weg ins Tal und den Berg wieder hinauf, allein zurücklegen musste. Nach dem gemeinsamen Frühstück machten sie sich auf den Weg, taten ihre Besorgungen, stärkten sich in der Schlossküche bei der dicken Rosel und traten dann fröhlich ihren Rückweg an. Sie freuten sich schon auf das glückliche Lächeln von Tilla wenn diese den Korb mit den gräflichen Gaben auspacken durfte.
Unter Gesprächen schritten sie den verschneiten Hang bergauf, sahen auch schon die warm leuchtenden Fenster ihrer Hütte, als es passierte. Mit einem unheimlichen Grollen löste sich vom Gipfel des am nächsten stehenden Berges ein riesiges Schneebrett und rauschte mit unheimlicher Schnelligkeit, donnernd, als gigantische Lawine ins Tal. Hilflos in ihrer Hütte, musste Tilla mit ansehen wie ihre Eltern von den Schneemassen mit gerissen wurden und in ihnen versanken. Mit Fackeln und Laternen eilten die Einwohner des Tales zu Hilfe. Stundenlang suchten sie und hofften auf ein Wunder. Schließlich aber, konnten sie die Eltern Tillas nur noch tot bergen.
Um das Mädchen zu unterstützen halfen alle bei der Beerdigung und Rosel übernahm es den Totenschmaus auszurichten. Tilla hatte noch gar nicht begriffen das sie nun eine Waise war.
Rosel wollte die Kleine auch gerne bei sich aufnehmen, aber das wollte Tilla nicht. Sie verbrachte die Zeit wie sie es von ihren Eltern gelernt hatte und schlug sich allein durchs Leben. Hielt den Haushalt ihrer kleinen Hütte in Ordnung, versorgte die Tiere, sogar die Herstellung des köstlichen Käses und die wöchentliche Lieferung in die Schlossküche schaffte sie, dort schwatzte sie dann mit Rosel, die auch ab und zu in der Berghütte nach dem rechten schaute. Sie konnte zwar die verlorene Mutter nicht ersetzen, aber doch das Leid ein wenig lindern.
Das Frühjahr begann und Tilla machte sich daran das kleine Gärtchen zu bestellen. Auch sie saß dann Abends auf einem Bänkchen, das ihr Vater aus alten Baumstämmen gebaut hatte. Nach und nach begannen die Bäume zu grünen und auch die Fliederbüsche ,mit ihren zweifarbigen duftenden Dolden begannen zu blühen. Aufmerksam betrachtete das Mädchen seine Umgebung und zum ersten Mal, fiel ihr auf das sich durch das Zusammenwachsen der beiden Stämme nahe des Erdbodens eine Art Höhle gebildet hatte. Der in den Bergen ständig wehende Wind, hatte in diese Höhle trockenes Laub vom Vorjahr herein geweht. Tilla wurde neugierig und kroch hinein. Drinnen war es dunkel, trocken und warm. Sie machte es sich darin bequem und fand es herrlich gemütlich. Von ihrem Lagerplatz, konnte sie das Rauschen der Zweige im Wind und das hüpfen der Vögelchen im Flieder hören. Hin und wieder hörte sie auch ein Mäuschen unter den Wurzeln knabbern und huschen. Tilla fühlte sich in dieser Höhle total geborgen und es wurde ihr Lieblingsplatz um Auszuruhen. Sie war sehr müde. Langsam wurden ihr die Augen schwer. Minuten später war Tilla dann sanft entschlummert. Irgendetwas weckte sie später, sie wusste nicht zu sagen was es gewesen war.Ruckartig setzte sie sich auf, weil sie ein leises Rufen zu vernehmen glaubte.Aber so sehr sie sich auch umschaute und suchte, sie konnte nichts finden. Tilla legte sich also wieder ins weiche Laub und horchte den vernommenen Stimmen nach, die ihr auch irgendwie vertraut waren. Nach und Nach schlief Tilla wieder ein. Sie träumte. Plötzlich erschienen ihr im Traum zwei sehr wohl bekannte Gestalten und da wusste Tilla auf einmal woher ihr die Traumstimmen bekannt waren. Sie sah ihre Mimamas, kleine einst von ihrem Vater eigens für Tilla angefertigte hölzerne Püppchen. Diese Püppchen waren es die immer in Tillas Bett lagen. Tilla liebte diese Figürchen, die von der Mutter, nach dem Schnitzen durch den Vater, mit bunten Stofffetzen bekleidet und liebevoll bemalt worden waren. Diese Püppchen waren das einzige was ihr von den Eltern geblieben war und ihr deshalb besonders kostbar.
Neu war ihr allerdings das ihre Gefährten sprechen konnten. Staunend hörte sie ihnen zu.
„Liebe Tilla, wir müssen dir etwas sagen. In den Wurzeln dieses Strauches, haust seit einiger Zeit ein Schlurf. Das ist ein sehr bösartiges Wesen. Woher es kommt, warum es sich gerade hier eingenistet hat, wissen wir nicht. Wir wissen nur, das es mit seiner Lebensweise, das Leben des Fliederbaumes und auch aller anderen Pflanzen im Gebirge bedroht und schließlich vernichten wird, wenn ihm nicht Einhalt geboten wird. Der Schlurf schafft sich Platz, indem er rücksichtslos die Wurzeln der Bäume und Pflanzen kappt, so das die Blätter und Blüten nicht mehr genügend Wasser und Nährstoffe bekommen. Seine Abfälle vom Essen und der Notdurft lässt er überall liegen, so das nach und nach Gifte und andere schädliche Stoffe in die Erde sickern und mit dem immer weniger werdenden Wasser in die Lebensadern der Pflanzen gelangen. Betrachte den Strauch einmal aufmerksam und Du wirst sehen können, wie die Blätter und Blüten schon vor der Zeit zu welken beginnen und wie verbrannt aussehen. Auch das Holz der Stämme beginnt zu versteinern. Nicht zuletzt wirst du auch den fremdartigen Gestank der aus der Erde zu kommen scheint, wahrnehmen können. Es muss bald Hilfe kommen, sonst ist die schöne Natur für immer unwiederbringlich verloren. Das Erbe deiner Eltern wird dir so vernichtet werden. Um zu retten was noch zu retten ist, raten wir dir, deine Tiere Rosel anzuvertrauen, deine Hütte zu verschließen und dich auf den Weg zum Eulenschneck zu machen. Der wohnt am Rande zum Hochgebirge, in den tiefen Tannenwäldern. Er ist ein uraltes Wesen, mit einem riesigen gesammelten Wissen und das letzte seiner Art. Du musst ihm ein kleines Geschenk mitnehmen, dann wird er dir in den zahlreichen Windungen seines Schneckenhauses, sein gesammelten Bücher zeigen und dir wenn er es vermag helfen. Was wir von ihm wissen, haben wir in einer Sage gelesen. Danach stammt der Schneck der übrigens Bubu heißt, aus einer Stadt, die Babylon hieß. Dort wohnte er auf der Plattform des höchsten je gebauten Turmes, alle Sprachen der Welt wurden darin gesprochen und alles Wissen das es gab wurde darin gesammelt und aufbewahrt. Damals hatte er im übrigen noch kein Haus auf dem Rücken. Doch auch hier siedelte sich unter dem Turm ein anderer Schlurf ein. Der nicht mochte, das der Turm mit dem Eulenschneck dort stehen blieb. Er grub und wühlte, schob und drückte so lange bis er den Turm schließlich zum Einsturz gebracht hatte. Nur durch puren Zufall überlebte der Schneck dieses Inferno. Er war an diesem Tage gerade nicht zuhause. Eine Freundin aus einer anderen Schneckenfamilie, hatte ihn um seinen Besuch und um Hilfe bei einem anderen Problem gebeten. Sie wiederum stammte aus der Familie der Turmschnecken. Nachdem er seinen Besuch beendet hatte stand er fassungslos vor den Trümmern seiner Behausung und den darin verstreut liegenden kostbaren Büchern und war lange Zeit nicht fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Endlich aber erwachte er aus seiner Erstarrung, raffte sich auf und eilte so schnell es sein Schneckenkörper vermochte zur Turmschnecke zurück. In nur einer Nacht schafften es beide ein Haus aus festem Kalk, mit unendlich vielen Windungen, auf den Rücken von Bubu zu bauen. Jetzt konnte er retten was noch zu retten war. In die vielen Windungen und Kämmerchen des Hauses stopfte Bubu so viel an Büchern und Papieren wie er nur konnte, die Außenhülle des Hauses bog sich darob rund durch, aber sie hielt. Nachdem das alles getan war, blickte sich Bubu um. Seine Heimat war zerstört, seine Freundin wegen der ungewohnten Anstrengung, am Morgen plötzlich verstorben. Er begriff das er jetzt völlig allein war. Nichts hielt ihn hier mehr. So begann er eine lange Wanderung, um seinen Kummer und Verlust mit dem Sammeln von Wissen aus anderen Gegenden der Welt zu betäuben. Irgendwann kam er dann schließlich in unserer Gegend an. Die Himmelhohen Berge erinnerten ihn an seinen verlorenen Turm. Die immergrünen Wälder gefielen ihm auch sehr. Und er war des Wanderns müde, er wollte sich nur noch hier in dieser schönen Gegend ansiedeln und als Einsiedler leben. Weil er ein brummiger, aber ansonsten freundlicher und auch hilfsbereiter Geselle war, wurde er von den Bewohnern der Gegend, schnell angenommen und so lebte er von den Gaben der Menschen die er zum Dank für seine geleistete Hilfe erhielt.“ So endete die Geschichte der Mimamas.
Tilla öffnete die Augen und wusste immer noch nicht ob sie die Geschichte wirklich vernommen, oder doch nur geträumt hatte. Sie kroch aus ihrer Baumhöhle und betrachtete nun den Flieder etwas genauer um heraus zu finden was es mit der seltsamen Traumgeschichte auf sich hatte. Tatsächlich sah und fand sie die beunruhigenden Veränderungen am Stamm, den Blättern und Blüten, so wie die Mimamas es beschrieben hatten.Auch fiel ihr heute zum ersten mal ein schwacher aber doch stetig unangenehm stechender Geruch auf. Der schien unter der Erde hervor zukommen, am stärksten war dieser Gestank in der Nähe der Flieder wurzeln wahrzunehmen. Seltsam das sie das noch nie so gerochen hatte. Aber ihre Sinne waren ja durch die Erzählung der Püppchen geschärft und sie vertraute ihnen.
Tilla ging in ihre Hütte zurück um sich ihr Abendessen zuzubereiten. Ihre Gedanken, indes schweiften immer wieder zu der im Traum gehörten Geschichte zurück. Sie bemerkte gar nicht das sie ihr einfaches dunkles grobkörniges Brot in die Milch tunkte und dazu ihren selbstgemachten Käse aß. Gesättigt aber immer noch in Gedanken, ging sie schließlich ins Bett.Kuschelte sich mit ihren Mimamas in die Decke und schlief ein. Kaum begann sie zu träumen, als auch die Püppchen wieder erschienen und zu ihr sprachen. Sie drängten Tilla zur Eile, denn immer mehr wurde unter der Erde durch den Schlurf zerstört und lange würde die Natur das nicht mehr unbeschadet überstehen können.
Am Morgen war Tillas Entschluss dann gefasst. Sie würde versuchen den Eulenschneck zu finden, um seinen Rat zu erbitten. Sie erzählte der alten Rosel von ihrem Plan, rüstete sich mit Proviant und ein paar Sachen, die sie würde gebrauchen können. Packte alles in ein Tuch, das sie mit einem Knoten verschloss. Sie selbst zog sich einen warmen, derben Kittel an und schlang sich ein Tuch um den Kopf, auch zog sich Tilla ihre Stiefeln an, die sie sonst nur an Feiertagen trug. Als sie soweit alles vorbereitet hatte, vertraute sie ihrer Freundin Rosel ihre Tiere und die elterliche Hütte an und machte sich, ohne sich noch einmal umzusehen auf den Weg. Sie wollte immer schnurstracks auf die Tannenwälder am Fuße der hohen Berge zuhalten. Diese Richtung konnte sie nicht verfehlen.
Bei ihrer Wanderung über die Wiesen, genoss Sie die Sonne und den Anblick der vielen bunten Blüten mit ihrem betörenden Duft. Wilde Bienen und Schmetterlinge, summten und gaukelten mit ihren zarten Flügeln von Blüte zu Blüte und von Halm zu Halm. Stundenlang lief sie so durch das Land und konnte sich nicht sattsehen am Spiel der Schmetterlinge, Vögel und anderen Tiere. Als Tilla an einem kleinen Bächlein stehenblieb um sich ein wenig zu erfrischen, bemerkte sie das sie eine Pause benötigte, ihre Beine die sie jetzt schon stundenlang trugen ermüdeten langsam. Auch verspürte Tilla Hunger. Sie setzte sich unter einen Weidenbaum in der Nähe des Bächleins. Aus ihrem Beutel nahm sie Brot und Käse verspeiste alles mit Appetit. Ihren Durst stillte sie mit dem Wasser aus dem Bächlein das sie gleich mit ihrer Hand schöpfte. Zufrieden und gesättigt schaute sich Tilla um und wieder einmal übermannte Tilla die Müdigkeit und die Augen fielen ihr zu. Ihre Mimama hatten sie auch hier nicht im Stich gelassen und bestärkten sie in ihrem Traum den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Wenig später erwachte das Mädchen ausgeruht und erfrischt. Sie schnürte ihr Bündel wieder zu, zog ihre Stiefeln an, stand auf und ging ihren Weg auf der Suche zum Schneck weiter.
Wenig später hatte sie den Waldrand erreicht. Die dichten Kronen der Bäume bildeten ein lichtes Dach, das sie vor Wind und Regen schützen würde. Ruhig, nur vom Gezwitscher der zahlreichen Vögel begleitet, wanderte Tilla dahin. Ein schöner blauer Eisvogel, der wie ein fliegender Edelstein aussah begleitete das Mädchen von Ast zu Ast hüpfend, auf ihrem Weg durch den Wald.
Immer weiter ging sie in den Wald hinein. Sie folgte den manchmal kaum wahrnehmbaren Pfaden, wenn sie durch dichtes Unterholz gehen musste. Blickte sie nach oben, sah sie den schönen Eisvogel über sich. Es war als ob er ihr den Weg weisen wollte. Hinter einem im Wege stehenden Felsen, den Tilla umrundete, öffnete sich der Wald und gab eine kleine verwunschene Lichtung frei , die auf das Mädchen einen eigenartigen Zauber ausstrahlte. Die Bäume die sie umstanden waren sehr alt das konnte Tilla an den dicht mit Moosen und Farnen bewachsenen Stämmen erkennen. Der wie es ihr schien älteste Baum stand genau in der Mitte der Lichtung. Es war eine Eiche, wie Tilla noch nie eine erblickt hatte. Eichbäume kannte das Mädchen, aber keinen solchen. Er hatte einen Umfang, das ihn bestimmt 6 Männer mit ausgebreiteten Armen nicht umfassen konnten. Von einem Blitzeinschlag war ihr Stamm gespalten und das Feuer hatte den Stamm ausgehöhlt, trotzdem grünte die Eiche und trieb junge Zweige.
Tilla ging langsam und vorsichtig weiter auf diesen Baum zu. Sie spürte das sie an ihrem Ziel angekommen war und das, das die Behausung des Eulenschnecks sein musste, in der er zu finden war. Lange Efeu ranken zogen sich am Stamm hinab und verdeckten so den Eingang zu der Baumhöhle, die dem Schneck damit zusätzlichen Schutz boten.
Vorsichtig schob Tilla die dichten Ranken zur Seite und wagte einen Blick in die Höhle. Schwarz glänzend vom erloschenen Feuer, präsentierte sich deren Anblick. Über die gesamte Fläche der Wände, sah Tilla, Regale. Regale über Regale. Welche aus knorrigen Ästen zusammengebundene, aus alten Brettern gefertigte, auf Steinsockeln stehende, ja sogar von der Decke des Raumes hingen Gebilde voller Bücher herab. Alles war voll gestellt mit Büchern und Papier Rollen, soweit das Auge zu blicken vermochte. Alte, Neue, mit Leder, Holz oder einfach nur Pappe gebunden. Dicke und dünne, kostbare und weniger kostbar aussehende, welche noch aus Babylon, aber auch aus anderen Gegenden der Welt, alles hatte der Schneck hier zusammengetragen. Der Turm den er einst mit seiner Freundin in einer Nacht gebaut hatte fasste diese ungeheure Menge schon lange nicht mehr. Aber er war glücklich in seinem Refugium. Damit nicht genug, den wenigen Platz der hier noch war, wurde von seltsamen Apparaturen eingenommen, wie sie Tilla noch nie erblickt hatte und deren Sinn und Zweck sich Tilla nicht erschloss.
Während das Mädchen noch alles staunend betrachtete, ganz still an ihrem Fleck stehen bleibend, hörte sie ein Rascheln aus der dunkelsten Ecke des Gewölbes. Langsam und leise schälte sich eine Gestalt daraus hervor. Vor Tilla blieb die Gestalt stehen. Sie blickte in ein großes Eulenantlitz, Alt und sehr Weise. Große gelbe Augen über einem starken gekrümmten Schnabel, es konnte seinen Kopf fast gänzlich einmal im Kreise drehen um so zu schauen was hinter ihm passierte. Es hätte eine ganz normale Eule sein können, wenn hinter seinem Vogelkopfe nicht ein dicker aufgewulsteter Schnecken Körper auswuchs. Obwohl das ganze sehr grotesk aussah, hatte Tilla doch keine Angst.Sie hatte gar nicht bemerkt, das sie nun ihrerseits von dem Wesen aufmerksam betrachtet wurde. Es war der Eulenschneck, den Tilla hier vor sich zu stehen hatte.
Tilla schluckte, fasste sich dann aber und grüßte mit aller gebotenen Höflichkeit. Sie nannte dem Schneck ihren Namen. Der Besitzer der Höhle, klapperte mit seinem krummen Schnabel und begann auch zu sprechen.
„Ich habe deinen Besuch schon erwartet, Tilla von der Bergalm. Der blaue Eisvogel hat davon gesprochen das ein Mädchen durch den Wald geht und nach mir sucht. Nun ich bin der gesuchte Schneck und mein Name ist Bubu Schneck von Babylon. Tritt ein mein Kind, ich werde dir etwas zur Stärkung reichen, denn die Gastfreundschaft ist mir heilig. Wir werden etwas zusammen essen und Du kannst mir dabei erzählen weshalb du mich gesucht hast und wobei ich dir helfen kann, wenn ich es denn vermag. Versuchen werde ich es auf alle Fälle.
Erleichtert, wegen der freundlichen Aufnahme, setzte sie sich an den Tisch den der Schneck schon begann mit Brot und klarem Quellwasser zu decken. Tilla zog indessen aus ihrem Beutel ein Stück ihres selbst gemachten köstlichen Käses und ein Krüglein Milch. Beide teilten nun die Mahlzeit des anderen und bald entspann sich eine angeregte Unterhaltung. Tilla erzählte von ihren Sorgen und Problemen, von den beunruhigenden Beobachtungen an ihren Fliederbaum und den Traumerzählungen der Mimamas.
Bubu hörte ihr sehr aufmerksam und schweigend zu. Als das Mädchen geendet hatte, war der Schneck sehr unruhig, kannte er doch die Auswirkungen dieses zerstörerischen Wesens aus seinem eigenen Erleben, in seiner Heimatstadt Babylon. Er erzählte es Tilla und auch ihm tat es gut seine schrecklichen Erlebnisse endlich einmal jemandem erzählen zu können. Nur wie das Untier zu bekämpfen war, das wusste auch er nicht. Aber er wollte in seinem gigantischen Wissens Fundus forschen bis er eine Möglichkeit gefunden hatte. Beide beendeten jetzt schnell ihre Mahlzeit, brannten sie doch darauf mit der Suche zu beginnen. Zuerst aber richtete der Schneck für Tilla ein Lager, auf dem sie sich nach ihrer langen Wanderung ausruhen könnte. Eine warme Decke aus selbst gesammelten Federn legte der Schneck noch darauf und Tilla konnte sich erholen. Der Schneck selber hatte in dieser Nacht kein Auge zugetan. Buch um Buch zog er aus seinen Regalen und blätterte durch sie hindurch. Umsonst, er fand nichts über den Schlurf. Spät übermannte auch ihn die Müdigkeit, sein Kopf sank auf den Tisch und auch er schlief ein.
Als Tilla am nächsten Morgen erwachte, war Bubu schon lange wieder wach. Er hatte sogar schon den Tisch gedeckt. Außer Brot Milch und Käse, standen auch noch frische Früchte, gesammelt im Wald, darauf. Es mundete beiden köstlich. Schließlich waren sie gesättigt und beide räumten gemeinsam den Tisch, den sie für ihre Forschung brauchten, ab.
Bubu begann etliche Bücher und Pergament rollen aus den zahlreichen, bis zur Decke gehenden Regalen, zu holen. Sodann breitete er sie auf dem Großen Tisch aus. Beide beugten sich darüber und studierten die teilweise sehr alten Schriften, diskutierten darüber und schrieben auf was ihnen wichtig erschien.
Stunde um Stunde verging bei dieser Tätigkeit, aber beide bemerkten es kaum. Nur als sich der Hunger mit Nachdruck bemerkbar machte und dessen Knurren nicht mehr zu überhören war, machten sie für diesen Tag Schluss. Aßen etwas und unterhielten sich über ihr weiteres Vorgehen. Denn noch hatten sie nichts brauchbares gefunden, wie dem unseligen Schlurf beizukommen war. So gestalteten sich auch der zweite und dritte Tag. Sie ließen sich jedoch nicht entmutigen, hatten sie doch geahnt das es nicht leicht werden würde schnell etwas wirkungsvolles zu finden.
Der vierte Tag ihres Studiums, brachte ihnen dann Erfolg.In einem dicken Folianten, fand Bubu eine Abbildung des Schlurfes. Es folgte eine Beschreibung seiner Lebensweise, Verbreitung, Ursprung desselben. Aber auch Mittel die zu seiner Vertreibung führen würden. Hauptsächlich brauchte man dazu Scheiben von klarem Bernstein, durch die helles Sonnenlicht geleitet werden musste. Hilfreich sollte es auch sein, heißes mit Rosenöl parfümiertes Wasser in seinen Bau zu leiten. Da der Schlurf an sich ein sehr schmutziger Geselle war, fürchtete er nichts so sehr wie Reines Wasser und Licht. Das Rosenöl im Wasser würde mit dem Schlurf auch gleich dessen üblen Gestank, mit sich forttragen.
Soweit so gut, soweit die Theorie. Jetzt wussten sie wie, aber wo die benötigten Stoffe zu bekommen waren und was zb. Bernstein war geschweige denn wo finden, wussten sie nicht. Es half nichts Tilla und Bubu beugten also wieder ihre Köpfe über die Bücher und begannen von neuem zu suchen diesmal nach Bernstein.
Sie hatten Glück. In einem Buch über Mineralien und Steine fanden sie was sie suchten. Beim Lesen dessen, fanden sie Abbildungen der kostbaren Steine, eine Liste seines Vorkommens. Beide lasen das der klarste und reinste Bernstein, im hohen Norden am Gestade des Meeres, von den Wellen, einfach an den Strand gespült wurden. Dort konnte man ihn dann aufsammeln und für seine Zwecke passend machen.
Bubu und Tilla schauten sich freudestrahlend an. Sie hatten des Rätsels Lösung gefunden. Gleichzeitig wurde ihnen aber auch klar, das sich einer von ihnen auf den Weg begeben musste um den Bernstein zu holen. Im Gebirge war er dummerweise nicht zu finden.
Tilla überzeugte Bubu davon das sie den Bernstein holen würde, denn die Geschwindigkeit mit der sich Bubu gemäß seiner Schneckenart fortbewegen konnte, war sehr langsam und die zeit wurde knapp. Fliegen müsste man können sinnierte Tilla laut vor sich hin. Das wiederum brachte Bubu auf eine Idee. Aufgeregt klapperte er mit seinem Schnabel und erzählte Tilla was er vorhatte. Ein Bekannter von ihm war der Kreuzschlitz-Schnabler, ein großer kräftiger Vogel der auf den Namen Archimedes hörte. Von ihm stammten auch die merkwürdigen Gerätschaften in der Höhle des Schnecks. Er würde in der Lage sein Tilla mit Leichtigkeit durch die Luft schnell zum Bernstein Meer zu tragen. Das hatte auch den Vorteil das Tilla nicht alleine den weiten Weg würde zurücklegen müssen.
Bubu ging in seine Baumhöhle zog dort an einer hölzernen Schachtel, die an einer Schnur befestigt war und sprach in diese Schachtel hinein. Staunend hörte Tilla nun eine krächzende Stimme die ebenfalls aus der Schachtel zu hören war, aber sie sah niemanden. Der schneck sah die Verwirrung auf Tillas Gesicht und er schmunzelte in seinen Federbart hinein.
Nicht lange danach rauschte es auf der Lichtung und ein sehr sehr großer Vogel landete vor ihnen. Es hätte ein Rabe sein können, nur waren die kleiner und trugen nicht so eine altmodische Brille wie dieses Exemplar hier.
Bubu und Archimedes begrüßten einander sehr herzlich. Bubu stellte seinem Freund jetzt Tilla vor. Beide beäugten einander neugierig freundlich. Archimedes hatte die Eigenart alles was er sprach in drollige Reime zu verfassen und zum ersten mal seit langem lachte Tilla aus vollem Herzen und sie merkte wie die Traurigkeit, die sie seit dem Tode ihrer Eltern erfasst hatte, zu weichen begann.
Er streckte seine Flügel auf eine komische Art steif nach hinten, beugte seinen Vogelhals lang nach vorne, wobei ihm die Brille vom Schnabel rutschte und im Gras landete. Richtete sich wieder auf und sprach
„Guten Tag liebes Mädchen,
Archimedes mein Name.
Ich freue mich sehr,
das ich helfen Dir kann,
Dich zu tragen ans Meer.“
Damit nicht genug, flatterte er mit einem Flügel und beförderte schließlich eine Art Schaukel darunter hervor, die er konstruiert hatte, damit Tilla darauf sitzen konnte.
Jetzt ging alles ganz schnell. Der Schneck packte Proviant zusammen, reichte Tilla noch ein kleines Döschen, welches ein Zelt enthielt und schärfte ihr den Spruch ein den sie sagen sollte um es aufzustellen, der ging so.
„Schutz und Wärme brauche Ich,
Gib es mir, Ich bitte Dich.“
Sodann sollte sie den Deckel der Dose öffnen und das Zelt würde sich von alleine aufstellen. Nach Gebrauch musste die geöffnete Dose auf den Erdboden gestellt werden und mit einem einfachen Danke für Schutz und Wärme, würde es sich von selbst wieder zusammenfalten und in seinem Behältnis verstauen.
So ausgerüstet und reisefertig, setzte sich Tilla auf die Schaukel die Archimedes schon an seinen Vogel klauen befestigt hatte. Schneller als sie erwartet hatte hob sie der Vogel mit kräftigem Flügelschlag hoch in die Luft. Zuerst war Tilla noch sehr ängstlich und kniff die Augen zusammen um ja nicht nach unten zu schauen, aber schon bald gefiel es ihr die reise. Es war so schön die Welt von oben zu betrachten die grünen Wiesen und die Berge, die blauen Bänder der Flüsse, und die Menschen und Tiere wie Ameisen so klein. Es war ihr auch nicht kalt, denn Bubu hatte dafür gesorgt das Tilla ausreichend warme Kleidung an hatte.
Wenn es zu Dunkeln begann, landete Archimedes. Tilla holte ihre Dose aus dem Gepäck, sagte das Sprüchlein und bat auch Archimedes in den Schutz des Zeltes. Einträchtig saßen sie dann beisammen, aßen etwas und unterhielten sich. Manchmal schliefen sie schnell ein. Oft aber unterhielten sie sich noch lange und lachten. Einige Male stand der Mond schon hoch am Sternenhimmel, wenn dann endlich Ruhe im Zelt herrschte und beide fest schlummerten. So entstand nebenbei eine tiefe Freundschaft.
Morgens zogen die beiden dann immer weiter Richtung Norden.
An einem Morgen, etwa sechs Tage nachdem sie aufgebrochen waren, hörten sie ein stetig stärker werdendes Rauschen. Scharen von grau-weißen, laut schreienden Vögeln, bevölkerten den Himmel. Ein starker frischer Wind mit eigentümlichem aber nicht unangenehmen Geruch, wehte ihnen entgegen. Unter sich erblickten sie dann eine glatte blaue Fläche, die ab und zu von weißen Schaumkronen geschmückt war. Von da unten kam auch das immer lauter werdende Rauschen. Sie waren am Ziel ihrer Reise angekommen. Was sie da unten erblickten war nichts anderes als das gesuchte Bernstein-Meer.
Sonnenstrahlen blinzelten durch die Wolkendecke. Wenn sie auf der Erde auftrafen, sahen sie es im Sand und Geröll des Uferstrandes golden aufblitzen. Das musste, den Beschreibungen nach, der gesuchte Bernstein sein.
Tilla und Archimedes, suchten sich in Strand nähe ein geschütztes Plätzchen zum Landen. Stellten ihr Wunderzelt auf. Nachdem das getan war, begannen beide sofort geeignete Stücke des schönen goldgelb funkelnden Gesteins zu sammeln. So emsig sie auch mit dem Sammeln beschäftigt waren,entging ihnen doch nicht die wilde Schönheit der Landschaft um sie herum.
Abends hatten sie dann genug gesammelt. Erschöpft wie sie waren suchten sie ihr Zelt auf. Diese eine Nacht wollten sie noch rasten und sich für die Rückreise stärken, den das würde zumindest für Archimedes, eine kräftezehrende Aufgabe sein. Beide Tilla und der Sack mit dem kostbaren Bernstein mussten transportiert werden. Trotzdem sie nun öfters Pausen einlegen mussten, damit der Vogel rasten und sich stärken konnte, kamen sie bei ihrer Rückreise doch schnell voran.
Endlich konnten sie das Ziel, den Tannenwald, mit dem dahinter liegenden Himmelhohen Bergen erblicken. Kurz danach landete Archimedes mit seiner Last auf der vertrauten Lichtung, wo der Schneck schon auf sie wartete, seit er den Flügelschlag des Schnablers nur ganz leise vernommen hatte.
Glücklich, ob der unversehrten Heimkehr, fielen sich die Freunde in die Arme. Erzählten von ihren Abenteuern, der Landschaften die sie betrachten konnten und schließlich wie sie das Bernstein-Meer fanden. Dabei wurde der Sack ausgeschüttet und unter erzählen, gingen alle daran die Steine unter dem munter murmelnden Strahl, einer nahen Quelle von Schmutz und anderen Anhaftungen zu reinigen. Sodann sortierten sie alle flachen Steine aus, diese würden sie versuchen zu Scheiben zu schleifen. Archimedes hatte dazu auch schon wieder, wie könnte es anders sein, eine Idee. Da auch noch Rosenöl gebraucht wurde, schickte Bubu, Tilla mit einem Korb los um Blüten der wilden Rosen und Hagebutten zu sammeln. Diese gab es an den Rändern des Waldes und der Felder in Hülle und Fülle. Immer wenn ein Korb voll gesammelt war, eilte Tilla damit zurück zur Lichtung. Dabei konnte sie auch die Fortschritte, die ihre Freunde beim schleifen des Steines machten, bewundern. Bubu und Archimedes hatten sich dazu einen großen Topf voll feinsten Sandes vom Grund des Baches geholt. Damit schliffen und schmirgelten sie die ausgesuchten Steine, bis das Sonnenlicht klar und gebündelt durch sie hindurch trat. Die legten sie dann für den Transport in einen Korb der mit Heu und weichem Moos ausgepolstert war. Als die beiden ihre Arbeit beendeten, war auch Tilla mit Sammeln fertig. Der Platz vor der Baumhöhle lag voll von köstlich süß duftenden Blütenblättern.
Archimedes schleppte gleich einen rötlich runden Behälter aus der höhle. Der hatte ein Loch zum verschließen oben und ein kleineres, von dem aus eine dünne Röhre durch die kalte Quelle geleitet in einer kleinen Tonflasche endete. Noch während Tilla sich fragte was diese ganze Apparatur bewerkstelligen sollte, forderten Archimedes und Bubu das Mädchen auf, den Behälter, durch die etwas größere Öffnung mit den Rosenblüten zu füllen. Sodann wurde alles sorgfältig verschlossen und ein starkes Feuer darunter entfacht und stetig in Gang gehalten. Bald brodelte es im Topf. Kurz darauf konnte Tilla beobachten wie eine wasserklare, ölige Flüssigkeit die betörend duftete, in die Tonflasche tropfte... Rosenöl. Auch dieses sollte mitgenommen werden um damit den Bau des Schlurfes zu reinigen.
Nun waren die Vorbereitungen abgeschlossen.
Archimedes nahm das Mädchen, den Schneck und die Utensilien auf das Schaukelbrett, nahm einen längeren Anlauf, breitete seine Flügel aus und im Nu waren alle in der Luft. Der Schnabler nahm Kurs auf die Alm. Es dauerte nicht lange und er konnte im Gärtchen neben dem Fliederbusch landen. Ach aber wie sah der aus , krank und halb verwelkt hingen die Blätter und Blüten herab, ähnlich sahen auch die anderen Pflanzen im Garten aus. Alle begriffen das es höchste Zeit war mit der Vertreibung des Schlurfes zu beginnen.
Bubu und Archimedes holten schnell die Bernstein Scheiben aus dem Korb. Sie richteten sie solange aus bis die Strahlen der Sonne durch sie hindurch auf den Eingang des Schlurfbaues fielen. Sofort wurde es unter der Erde unruhig und sie hörten ein tiefes gereiztes Knurren. Das Licht hatte den Schlurf erreicht. Aber noch kam er nicht heraus.
Tilla hatte unterdessen ihre Hütte betreten und ein Feuer im Herd entfacht. Kessel voller Wasser wurden heiß gemacht, hinaus in den Garten getragen und mit dem Rosenöl versetzt. Kessel um Kessel wurde nun mit Schwung in die Erdhöhle gegossen. Unterdessen wurde auf dem Herd schon wieder neues Wasser erhitzt, so das die drei ohne Unterlass den Bau fluten konnten. Endlich hörten sie ein Quieken und gewaltiges Rumpeln unter der Erde, die Wurzeln der Fliederbäume bewegten sich auf und ab als ob sie leben würden. Die Freunde ließen in ihren Bemühungen nicht nach. Endlich erschien der hässliche, schmutzige Zottelkopf des Schlurfes am Eingang des Baues. Im gebündelten, strahlenden Licht der Bernsteinscheiben, schloss der das Untier geblendet seine boshaften kleinen Augen. Unter Knurren und Fauchen raste er die sonnenbeschienene Alm hinab und hinaus aus dem Gebirge auf Nimmer Wiedersehen. Noch einmal rumpelte und bewegte sich die Erde des Gartens. An der dem Garten abgewandten Seite einer Felsenwand tat sich ein Spalt auf, aus dem das ganze schmutzige Wasser ins Tal und in den durchs Gebirge fließenden Fluss, sich ergoss. Der nahm den ganzen Schmutz mit sich fort und spülte ihn ins Meer. Jetzt war auch der üble Geruch der bis dahin in Tillas Garten wahrzunehmen war vollständig verschwunden. Innerhalb weniger Tage erholte sich der Garten auch der Pflege die, die drei Freunde ihm angedeihen ließen, wegen, vollständig. Noch lange war der Schneck bei Tilla zu Besuch auf der Alm, dann zog es ihn aber wieder zurück zu seinen Büchern. Schweren Herzens ließen Tilla und Archimedes ihn gehen,dh Archimedes flog ihn zurück zu seiner Lichtung. Der Schnabler selbst hatte eine so tiefe Freundschaft mit Tilla geschlossen, das beide zusammen unter dem Dach der Almhütte leben wollten.
Das Mädchen stellte ihm die Mimamas vor. Erzählte von ihrem Traum in dem diese zu ihr gesprochen hatten. Für beide war das Zusammenleben ein Gewinn, war doch jetzt keiner mehr für sich allein. Bald darauf nahm Tilla ihre alltäglichen Arbeiten wieder auf, zeigte dem Schnabler die Geheimnisse ihrer Käseherstellung und dessen Verkauf. Aber Archimedes wäre nicht Archimedes wenn er nicht auch etwas zu tun finden würde. Er zog erst einmal eine Schnur von der Alm zum Eulenschneck auch mit so einer hölzernen Dose daran, fortan konnten sie sich zu jeder gewünschten Stunde unterhalten. Hin und wieder flog er auch los um neue Bernsteine zu sammeln, er hatte nämlich herausgefunden, das diese sich hervorragend zu Schmuckstücken verarbeiten ließen. Tilla wurde konnte nicht genug davon auf den Markt mitnehmen, denn die Nachfrage danach war stark. So konnten die beiden mit der zeit ein stattliches Vermögen sparen, die Alm vergrößern und ausbauen. Ein großes helles Haus bauten sie für den Schneck, der sich nun doch überreden ließ zu den beiden zu ziehen,als er sah wie viel Platz seine Bücher da haben würden.
Tja und eines Tages lernte Tilla einen ehrlichen fleißigen Burschen kennen und die Liebe hielt Einzug auf der Alm. Nach der Hochzeit, zu gegebener Zeit, bevölkerten auch Kinder den Hof. Unter den wieder erblühten Fliederbäumen erklang fröhliches Kinderlachen. Der Schnabler spielte mit ihnen wenn sie noch klein waren und der Schneck unterrichtete sie in seinem Haus wenn sie dazu groß genug waren. Alles war gut.
Vom Schlurf indes, hatte keiner der Menschen im Gebirge, je wieder etwas gehört oder gesehen.
ENDE
