Der Schredder

5,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Harle Kin

Mitglied
Er wusste nicht mehr, wann er auf dem Band gelandet war. Vielleicht stand er schon immer hier. Vielleicht war das Warten selbst das Einzige, was übrig geblieben war. Aber er hatte irgendwann aufgehört, danach zu fragen. Man verlor das Interesse an solchen Details, wenn die Zeit nur noch ein mechanischer Takt war.

Links und rechts gab es nichts. Nicht Dunkelheit im klassischen Sinne, sondern diese totale Schwärze, die sich nicht einmal Mühe gab, geheimnisvoll zu wirken. Sie war einfach da. Ein Loch ohne Rand. Ein Negativ von Raum. Jeder, der versuchte, hinzusehen, spürte instinktiv, dass es dort nichts zu entdecken gab. Keine alternative, kein „Runter vom Band“. Nur das Band. Und das Vorwärts.

Vor ihm: Hunderte, vielleicht Tausende Menschen. Rücken an Rücken dicht gedrängt, Schultern, Köpfe. Alle stumm. Keiner drehte sich um. Manchmal stolperte jemand minimal, wenn das Band ruckte, aber mehr Leben regte sich nicht. Es war wie ein einziger müder Fortsatz einer endlosen Schlange, die längst wusste, dass sie sich selbst am Schwanz fraß.

Hoffnungslosigkeit war zu spüren , der Gang zu einem Schafott, unveränderlich, unvermeidbar.
Eine tiefe schwere lag in dieser Szenerie.

Dann kam der nächste Ruck.
Ein kurzer Schlag unter seinen Füßen, als würde das Band zusammenzucken.
Ruck – Klick – Pling!
Ein Fröhlichkeits-Ping, das so unverschämt heiter klang, als hätte jemand ein Gewinnspiel gewonnen.
Kurz darauf das Geräusch - ein nasses Bersten, als würde eine überreife Wassermelone in einer Autopresse zerdrückt werden.
Und manchmal, wenn der Pechvogel vorne nicht schnell genug den Atem verloren hatte, ein abgewürgter Schrei, der sich in die Echos des Tunnels verlor.

Der Tunnel.
Er nannte es so.
Es war kein echter Tunnel, aber der Klang hatte diese Qualität: immer ein bisschen entfernt, immer ein bisschen gedämpft.
Als hätte jemand die Welt mit einer dicken Decke umwickelt, damit niemand zu sehr erschrickt.

„Wir danken Ihnen für Ihre Geduld,“ sagte eine weibliche Stimme von irgendwoher. Überfreundlich.
„Sie nähern sich kontinuierlich ihrem Bestimmungsziel. Bitte bleiben Sie ruhig und achten Sie auf einen sicheren Stand.“
Er musste bei dem Wort „Bestimmungsziel“ fast lachen. Nicht weil es witzig war, sondern weil das Gehirn irgendwann anfing, sich über alles lustig zu machen, bevor die Verzweiflung den Verstand übernahm.

Wieder ein Ruck.
Ruck – Klick – Pling!
Die Reihe vor ihm schob sich ein kleines Stück nach vorn. Ein Mann dreizehn Plätze weiter vorn hob kurz die Schultern, wie jemand, der versucht, ein unangenehmes Jucken loszuwerden. Dann wieder Stillstand.
Ruck – Klick – Pling!
Die mechanische Freundlichkeit des Geräuschs legte sich wie ein kalter Film über seine Wirbelsäule.
„Glückwunsch,“ murmelte er trocken. „Wieder einer durch.“
Er fragte sich, wie es wohl passieren würde. Es gab keine Bilder, keine Hinweise, nur das Wissen darum.
Das Ende vorne war ein Schredder –
das war keine Information, die jemand ihm gegeben hätte.
Das wusste man einfach. Wie man weiß, dass Wasser nass ist.
Niemand sprach darüber.
Aber wie genau würde es passieren?
Würde er Kopfüber hineinfallen?
Oder die Füße zuerst?
Seitlich eingezogen?
Er schauderte. Kein panisches Schaudern. Mehr so ein gedankliches Schulterzucken, das nicht schnell genug fertig wurde.
Manche auf dem Band taten so, als sei alles nur eine Phase. Er hörte sie manchmal murmelnd hoffen.
Einer hatte mal gesagt, das Pling sei bestimmt ein Signal, dass jemand „durch die Prüfung gekommen“ sei.
Und dann, als das Geräusch vorne lauter wurde, hatte dieser Mann begonnen zu zittern — leise, fast unmerklich.
Sein Brabbeln klang wie ein hastiges Gebet, oder wie der Wahnsinn, der langsam aus ihm herausbrach.
Die Menschen waren Komödien, ohne es zu wissen.
Tragische Komödien ohne Pointe.
Wieder ein Ruck.
Ruck – Klick – Pling!
Das Band vibrierte minimal. Er spürte es in den Knien. Sein ganzer Körper war müde, aber es war eine merkwürdige, klare Müdigkeit. Nicht erschöpft – eher... aufgeräumt.
Ja.
Aufgeräumt.
Als wäre jeder Widerstand längst aus den Falten gepresst worden.
Er hob den Blick, so weit es ging, und starrte in die Rücken der Menschen vor sich. Niemand bewegte sich. Niemand zeigte Wut. Es gab diese Stufe, die jenseits der Angst kam: Die absolute, sachliche Akzeptanz, oder eben Apathie.
Ich bin schon tot, dachte er. Nicht dramatisch. Eher nüchtern.
Das hier ist nur der Zwischenraum.
Dann wieder die Stimme:
„Bitte beachten Sie: Der Vorgang am Zielbereich hat soeben eine erhöhte Auslastung erreicht. Wir bitten um etwas Geduld. Ihre Sicherheit hat für uns höchste Priorität.“
Er lachte leise. Sicherheit. Natürlich.
Wieder ein Ruck.
Ruck – Klick – Pling!
Er schloss die Augen und lauschte den Echos.
In einem anderen Leben hätte er sich gewünscht, dass jemand neben ihm steht und seine Hand hält.
Ein Freund. Ein Gesicht. Ein Atem.
Irgendwas. Aber hier war man allein, selbst wenn man von Tausenden umgeben war.
Er atmete langsam aus.
Noch ein Ruck.
Er war näher dran.
Er wusste es einfach.
Und irgendwie war das okay.
Zumindest passiert etwas, dachte er. Im Gegensatz zu sonst.
Die Schwärze an den Seiten schien ein Stück näher gerückt zu sein.
Oder er war müder geworden. Beides möglich.

Wieder ein Ruck.
Ruck – Klick – Pling!
Und dann – ganz kurz – glaubte er, eine Art Licht weit vorne zu sehen. Kein warmes Licht. Kein religiöser Kitsch. Eher ein steriles, chirurgisches Weiß, das sagte: Wir sind bereit für Sie.
Er atmete ein.
Noch zehn, fünfzehn Rucke.
Vielleicht weniger.
Und irgendwann würde sein Ping kommen.

Er war nur noch wenige Meter vom Ende entfernt, als der Tunnel sich veränderte. Nicht sichtbar, aber fühlbar.
Die Luft vibrierte leicht, und ein metallisch-warmer Geruch kroch ihm entgegen. Der Geruch einer Maschine, die unbarmherzig
alles zerteilte was in ihren Schlund gelangte.
Die Menschen vor ihm rückten weiter, einer nach dem anderen, und er sah jetzt die Konturen:
Die Walzen, die Zähne, die Kufen.
Alt. Abgenutzt. Voll mit dunkler Kruste, wie Schorf.
Trockene, matschige Rest klebten an den Zacken und Spitzen der Walze.
Er wandte den Blick hastig ab, in seiner Brust hämmerte es.
Ruck – Klick – Pling!
Und der nächste verschwand.
Ein kalter Schauer kroch ihm langsam den Rücken herunter.
Er sah nicht hinunter. Niemand schaute hinunter. Aber er hörte es.
Ein kurzes, dumpfes Schmatzen, ein brechen von etwas unnachgiebigem , gefolgt vom beruhigenden Ausgleichsbrummen eines Motors, der wieder im perfekten Takt war.
Er spürte, wie die Angst in der Reihe vor ihm dichter wurde.
Nicht laut, nicht dramatisch. Eher wie ein Druckabfall im Raum.
Jemand zitterte so fein, dass man es eher fühlte als sah.
Ein anderer machte die Schultern kleiner, als würde er versuchen, sich in sich selbst einzuklappen.
Niemand rief etwas.
Niemand wagte einen Schritt zurück.
Alle wussten: Es gab keinen Alternativweg. Nicht mal theoretisch.
Und das war die eigentliche Grausamkeit.
Nicht der Schredder.
Nicht das Pling.
Sondern dieses stille, gemeinsame Wissen:
Hier endet es. Für jeden.

Er war nur noch zwei Menschen vom Schredder entfernt, als das Band erneut zuckte.
Ruck – Klick – Pling.
Der erste vor ihm verschwand in der Bewegung wie ein Objekt, das von einem Magneten eingesogen wurde. Ein sanftes, feuchtes Geräusch unter einem konstantem maschinellem dröhnen. Ein dumpfes Echo.
Dann wieder diese künstliche Fröhlichkeit, die so unpassend war, dass sie fast zynisch wirkte.
„Wir erinnern freundlich daran, dass jeder Abschluss ein notwendiger Schritt ist, um den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.“
Noch eine Person. Der massige Mann vor ihm verschwand ruckartig im Schredder
– und hinterließ ihm ein groteskes Abschiedsgeschenk auf dem T-Shirt.
– Pling.
Jetzt war er dran.
Eine kühle Leere strich ihm den Rücken hinunter, als würde die Schwärze am Rand kurz nach ihm greifen.
Er schloss die Augen. Nicht aus Angst — sondern weil es nichts mehr zu sehen gab, das irgendeinen Wert hatte.
Dann ruckte das Band ein letztes Mal vor.
Und blieb stehen.

Klick.
…kein Pling.
Nur Stille.

Eine Stille, die fast klang, als hätte die Welt vergessen weiterzumachen.
Dann ein hässlicher, technischer Warnton.
Ein beleidigtes, mechanisches „Booop“, das wirkte, als wäre die Maschine persönlich enttäuscht, dass sie nicht weitermachen konnte.
Das Band blieb bewegungslos.
Die Menschen erstarrten. Eine Sekunde lang war da diese eisige Mischung aus Angst und Erleichterung, wie ein Atemzug, der zu lange festgehalten wurde.
Dann hörte man es von hinten:
„Och nee, bitte nicht schon wieder…“
„Ich stand schon fast vorn, verdammt!“
„Ich kann nicht noch länger warten … ich halt das nicht mehr aus!!“

Ein genervtes Murmeln rollte durch die Menge.
Er musste trotz allem kurz schnauben; es klang wirklich wie eine verspätete Bahn.
Die freundliche Stimme kam zurück, überschwänglich wie immer:
„Aufgrund eines unvorhergesehenen Materialstaus im Erfassungsbereich kommt es zu Verzögerungen. Wir arbeiten bereits an einer Lösung.
Ein Mechaniker der Service-Einheit 10 ist bereits unterwegs.
Bitte bleiben Sie ruhig. Ihre Vernichtung wird in Kürze fortgesetzt.“
Dann, von irgendwo weiter hinten:
„...in Kürze? Was heißt das?"
Eine andere Stimme, leiser: „Wenn die das nicht reparieren können..."
Er spürte, wie sich etwas durch die Reihen schob. Nicht laut, nicht offensichtlich. Aber da war etwas. Ein zartes, gefährliches Flattern in der Brust.
Er kannte das Gefühl nicht mehr, hatte es fast vergessen – aber es war da.
Hoffnung.
So dünn wie Zigarettenpapier, so leicht zu zerreißen. Aber da.

Vielleicht geht die Maschine nicht mehr an.
Vielleicht ist das Ersatzteil zu alt.
Vielleicht gibt es eine Panne, die niemand beheben kann. Vielleicht—
Er schluckte. Sein Herz klopfte anders als vorhin. Schneller. Wärmer.
Was, wenn?
Die Schwärze an den Seiten schien plötzlich weniger absolut. Nicht freundlicher, aber... durchlässiger. Als könnte man, wenn man nur wüsste wie, doch irgendwie zur Seite treten. Als wäre das Band vielleicht doch kein Naturgesetz.
Er hob den Kopf und sah in die Gesichter vor sich.
Einer hatte die Schultern ein wenig gestrafft.
Eine Frau atmete tiefer, als wollte sie sich selbst beweisen, dass sie noch lebte.

Dann hörte er Schritte.
Langsam, schleppend.
Ein leises Pfeifen, irgendwas Fröhliches.
Ein Mechaniker trat neben den Schredder.
Ein Mann mittleren Alters, ein Bauch, der sich gegen den Overall drückte, grauer Bartansatz, völlig unbeeindruckter Blick.

In der Hand hielt er ein belegtes stück Brot von dem er einen großen Bissen nahm und hastig kaute, während ihm Butterreste am Mundwinkel klebten
Auf seiner Brust stand:
SERVICE EINHEIT – SCHREDDER 10
darunter klein: „Wir halten Sie in Bewegung.“
Er beugte sich zur Maschine runter, brummte nachdenklich wie jemand, der eine Geschirrspülmaschine inspiziert.
„Aha. Klassiker“, sagte er.
„Oberschenkelknochen im Einzug.“
Er griff rein, und quirlte mit der Hand in der rötlichen Pampe herrum und zog das weißliche Stück etwas heraus, das mal zu einem Menschen gehört hatte.
Er klopfte gegen die Walze.
Die Maschine reagierte mit einem zufriedenen Summen.
„So. Das war’s. Läuft jetzt wieder.“
Ein raunen ging durch die Schlange.
Der Mechaniker wischte sich die Hände ab, pfeifend wie zuvor, und schlurfte zurück in die Schwärze, aus der er gekommen war. Ohne sich umzudrehen. Ohne irgendwen anzusehen. Ohne Bedeutung.
Die freundliche Stimme meldete sich wieder:

„Wir danken für Ihre Geduld.
Der Betrieb wird nun fortgesetzt.
Bitte halten Sie sich bereit.“

Ein kollektives, müdes Aufstöhnen ging durch die Masse.
Er fühlte eine starke Enttäuschung und Trauer, tief in sich aufsteigen.
Er spürte die Vibration der Maschine bis ins Brustbein. Seine Beine waren schwer. Seine Gedanken klar – viel klarer, als sie eigentlich sein dürften.
Dann, ganz unvermittelt, kam eine Erinnerung.

Tageslicht.
Warmes, goldenes Tageslicht durch ein Fenster.
Eine Umarmung, die nach Zuhause roch.
Ein Lächeln, flüchtig, aber echt.
Er wusste nicht mehr, wann das gewesen war. Vielleicht hatte es das nie gegeben. Aber für einen winzigen Moment spürte er es wieder – dieses Gefühl, dass irgendetwas einmal Bedeutung hatte.

Er atmete einmal tief ein.
Dann schloss er die Augen.
Das Band ruckte nach vorn.

Ein letzter Gedanke.
Ich will nicht sterben!
Ruck – Klick –

Pling.
 
Zuletzt bearbeitet:

John Goodman

Mitglied
Moin, ich heiße dich herzlich willkommen in unserer geselligen Runde.

Deine Art Geschichten zu erzählen hat mir auf Anhieb gefallen. Du hast einen ausdrucksstarken Schreibstil, wie du mit müheloser Leichtigkeit eine düstere Szenerie erschaffst, die mich auch Stunden danach noch erschaudern lässt. Vielen lieben Dank, dass du dich entschlossen hast, deine Werke mit uns zu teilen.

Folgende Beschreibung hat mir am besten gefallen:

"Links und rechts gab es nichts. Nicht Dunkelheit im klassischen Sinne, sondern diese totale Schwärze, die sich nicht einmal Mühe gab, geheimnisvoll zu wirken. Sie war einfach da. Ein Loch ohne Rand. Ein Negativ von Raum. Jeder, der versuchte, hinzusehen, spürte instinktiv, dass es dort nichts zu entdecken gab. Keine alternative, kein „Runter vom Band“. Nur das Band. Und das Vorwärts."






Liebe Grüße

John
 

Harle Kin

Mitglied
Hey John,
Vielen Dank für dein Feeback und dein herzliches Willkommen.
Ich freue mich wirklich sehr darüber dass dir der düstere Stil gefällt!
Für viele Menschen ist das sehr abschreckend, für mich ist es ein Zwischenraum.
Danke für deine Wertschätzung und alles Liebe.

Harle
 

Heinrich VII

Mitglied
Hallo Harle Kin,

zieht sich ganz schön lang hin, die Sache. Und am Ende hätte ich schon gerne etwas genauer gewusst, was da passiert. Dass man Menschen massenhaft schreddert, habe ich bisher noch nicht gehört.
Ich dachte erst, es wäre eine Szene aus der französischen Revolution.

Gruß, Heinrich
 

Harle Kin

Mitglied
Hallo Heinrich,
Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit und dein Interesse.
Die Geschichte handelt von existenziellen Themen in metaphorisch abstrakter Form – bewusst existenzialistisch und absurd, wie das verborgene Fundament, das unser Leben und unsere Wahrnehmung der Welt formt.
Es geht um den Widerspruch zwischen der menschlichen Suche nach Sinn und der gleichgültigen Stille des Universums.
Hoffnung ist vergeblich, wenn sie auf einem falschen Fundament ruht.
Ich sehe in diesem Widerspruch das "Göttliche Lachen" – die Erkenntnis, dass selbst die größte Tragödie (der Tod) lächerlich banal ist aus einer bestimmten Perspektive.
Das Lachen ist keine Verharmlosung oder Zynismus, sondern eine Form existenzieller Überwindung.
Es tritt nur ein, wenn man die Härte der dargestellten Sinnlosigkeit vollständig akzeptiert hat.
Vielleicht ein sehr dunkler Witz – aber ein notwendiger.
Das "hinziehen" wie du es nennts ist für mich daher notwendig um dieses Gefühl herüber zu bringen.
Es lässt sich schwer erklären
Die Story ist quasi eine Allegorie oder ein Metaphorisches Bild.

Danke für dein Feedback!
Alles Liebe.

Harle
 

Harle Kin

Mitglied
War vielleicht etwas verwirrend und dilettantisch ausgedrückt, aber eigentlich geht es eher um das Gefühl als um die Story an sich. Sie ist aber beabsichtigt, auf mehreren Ebenen Lesbar und steht auch für ein starres Denksystem und dessen Folgen (Vernichtung durch den Schredder) und auch für das scheinheilige in der Welt (freundliche Bandansagen) , grob ausgedrückt. Aber eigentlich ist sie ein abstraktes Bild der "dunklen Nacht der Seele" wenn man so will. Entschuldige meine Notdürftigen Erklärungsversuche , es ist beabsichtig unkonkret und abstrakt.

LG
Harle
 

Heinrich VII

Mitglied
Hallo Harle Kin,

War vielleicht etwas verwirrend und dilettantisch ausgedrückt, aber eigentlich geht es eher um das Gefühl als um die Story an sich.
Sie ist aber beabsichtigt, auf mehreren Ebenen Lesbar und steht auch für ein starres Denksystem und dessen Folgen (Vernichtung durch den Schredder) und auch für das scheinheilige in der Welt (freundliche Bandansagen) , grob ausgedrückt. Aber eigentlich ist sie ein abstraktes Bild der "dunklen Nacht der Seele" wenn man so will. Entschuldige meine Notdürftigen Erklärungsversuche , es ist beabsichtig unkonkret und abstrakt.
Äh ja - da könntest du richtig liegen.
Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie lange diese vorbereitenden Erklärungen wohl noch dauern.
Und dann, am Ende, habe ich keine zufriedenstellende Antwort bekommen. Wenn das, in einem höheren Sinn,
einen Sinn ergeben soll, müsste auch so ein Kontext hergestellt werden. In deiner Geschichte warten nur Leute auf
einen angeblichen Schredder. Sie wehren sich nicht, wie eine Herde Schafe, und man kann auch nicht erfahren, warum
sie in diese Situation geraten sind. Geschweige denn, dass das Ganze einem höheren Zweck dienen soll. Vielleicht hast du ja
etwas Bedeutendes in dieser Welt, in der wir leben, erkannt. Aber es ausreichend dargestellt, so dass man es verstehen kann,
hast du nicht.

Gruß, Heinrich
 
Zuletzt bearbeitet:

Harle Kin

Mitglied
Hallo Heinrich,
danke für deine ausführliche Rückmeldung.
Du beschreibst sehr genau das, was dich als Leser gestört hat – und das ist nachvollziehbar.
Die Geschichte ist allerdings bewusst kein erklärendes Modell und kein Sinnangebot.
Sie versucht keinen höheren Zweck zu behaupten, sondern genau dessen Abwesenheit erfahrbar zu machen.
Das Ausbleiben von Widerstand, Ursache und Auflösung ist kein Versäumnis, sondern Teil des Bildes/Zustands.
Mir geht es weniger um eine Aussage über die Welt als um ein Erleben.
Die Geschichte ist kein Modell mit Ursache, Zweck und Lösung, sondern ein Zustand, der ausgehalten werden muss.

Diese Hoffnungslosigkeit ist für mich nicht die Wahrheit selbst, sondern eine notwendige Phase – ein inneres Grundgerüst, durch das man hindurchgeht, bevor sich überhaupt etwas verändern kann.
Der Text bleibt absichtlich darin stehen. Nicht, weil es „nichts dahinter“ gäbe, sondern weil jede vorschnelle Erklärung diesen Zustand entschärfen würde.

Dass das unbefriedigend wirken kann, verstehe ich gut. Für mich liegt genau darin die Funktion des Textes.

LG
Harle

P.S. Falls Interesse besteht, der Text "Ich erwachte ins nichts" den ich ebenfalls im Forum gepostet habe, zeigt genau dieses Grundgerüst auf dem diese Story (und alles andere) beruht.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Für mich ist diese Geschichte ein Synonym für eine ausweglose Situation, die der Mensch nicht entkommen kann. Das Ganze muss nicht erklärt werden, es wirkt für sich.

Es gibt einfach kein Entrinnen - das ist für mich das stärkste Bild!

Vielleicht eine grausame Geschichte, Menschen zu schreddern. Vielleicht ist auch das nur ein Bild - Menschen werden zerstört, aber jeder hat seinen persönlichen Schredder, der ihn vernichtet.

Schon interessant!

Gruß DS
 

Harle Kin

Mitglied
Hallo DocSchneider,
danke dir für deinen Blick.
Die Grausamkeit ist für mich auch kein Selbstzweck, sondern genau dieser Zustand, den du beschrieben hast:
kein Entrinnen, kein Trost, nur das Aushalten.

Und ja – es gibt für mich noch eine tiefere Ebene, aber die muss nicht benannt werden.
Wer sie sieht, sieht sie. Wer nicht, hat trotzdem die ganze Wirkung vor sich. Beides ist völlig in Ordnung.

LG
Harle
 



 
Oben Unten