Der Sprengsatz im Queue

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Hagen

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Der Sprengsatz im Queue

Bei meiner täglichen Partie Billard mit der wunderbaren Ulrike, arbeitete ich gnadenlos an einer grandiosen Idee für meinen realistischen Liebesroman gedanklich weiter: Der Billardstock, das Queue, müsste mit einem ‘Stoßzünder‘ ausgerüstet werden, der einen in diesem Queue eigebauten Sprengsatz zündet, welcher wiederum den spielenden Nebenbuhler des Protagonisten tötet.
Klar, dass ich die nächsten Stöße gnadenlos verbumfiedelte, als ich an diesem Relikt einer Idee für meinen Liebesroman weiterdachte.
„Na“, meinte die liebe Ulrike daraufhin, „jetzt ist dir sicherlich wieder was für deinen großen Roman eingefallen.“
„In der Tat“, antwortete ich, „ich möchte allerdings gedanklich noch etwas an dieser Idee arbeiten.“
„Naja, wie üblich! – Das trifft sich gut. Ich habe eine Hühnersuppe angesetzt, die müsste gleich, wenn wir diese Partie Billard beendet haben, soweit sein, dass wir schon mal eine Tasse Brühe zu uns nehmen können. Ich habe diesmal etwas Ingwer beigegeben, weil ich bei dir die ersten Anläufe einer Erkältung festgestellt habe und es ungemein würzt.“
„Großartige Idee! Dann werde ich sogleich das Huhn auseinanderbauen und das Fleisch in mundgerechte Stücke schneiden, um es einer indonesischen Nudelsuppe mit Hühncheneinlage zuzuführen. Harmoniert auch gut mit dem von dir beigegebenen Ingwer. Anstatt der im Rezept vorgeschriebenen Macadamianüsse sollten wir Kerbel verwenden. Ansonsten haben wir die Ingredienzien für dieses Süpplein im Haus, etwas derartiges lange nicht mehr gehabt, und ich brauche heute nicht mehr zum Einkaufen aus unserer Heimstätte. – Dann kann ich nämlich“, fuhr ich fort, „beim Abfleischen des Huhns schon mal ein Bier trinken und etwas Swingmusik hören. Andererseits, Duane Eddy, Buddy Holly, Matchbox und Eddie Cochran habe ich auch schon lange nicht mehr gehört. Welche Musik empfiehlst du zum tiefen Nachdenken und Entfleischen des Huhns? Ich möchte nämlich vorläufig keine Entscheidung mehr fällen!“
„Das ist in der Tat überlegenswert!“, bemerkte die liebe Ulrike, „Eddie zu hören vermisse ich auch mal wieder! – Was für ein Bier gedenkst du beim Entfleischen des Huhns zu dir zu nehmen? Ich würde Porter vorschlagen! Mir mache ich dann allerdings einen Ingwertee.“
„Ausgezeichnet! Aber nun lass uns mit dem Spiel fortfahren. Wir könnten also weiterhin Billard trainieren, oder uns an unsere Bar setzen und du testest noch den von mir letzte Nacht kreierten Cocktail. das ‘Full Metal Jacket‘. Das ‘Full Metal Jacket‘. besteht aus Genever, Rum, Campari und Granatapfelsaft. Natürlich reichlich Eis und als Deco habe ich eine Zitronenscheibe vorgesehen. Oder hättest du lieber eine Olive? Was hältst du davon?“
„Eine gute Idee“, meinte die wunderbare Ulrike, „deinen Cocktail teste ich heute Abend. Denk‘ dran, wir werden demnächst an einem Billardtournier teilnehmen und dein Bandenspiel sowie die Jump Shots müssen noch geübt werden! Zudem lauert der Abgabetermin für deinen nächsten Liebesroman auch noch in der nahen Zukunft!“
Dass ich diese Partie gnadenlos vergeigte, soll nicht unerwähnt bleiben. Dass ich der lieben Ulrike selbstverständlich den von ihr bevorzugten Ingwertee zubereitete, zusätzlich zu dem Tässchen Brühe, auch nicht. Die Brühe war mal wieder hervorragend, obwohl, wie die liebe Ulrike meinte, eine Spur Thymian zu viel darin war.
Weil die liebe Ulrike mir beim Abfleischen des Huhns und Lauschens Eddie Cochrans, er sang mit einer für sein damaliges Alter etwas rauer Stimme, wie die liebe Ulrike bemerkte, half, ging dieser Vorgang schnell von der Hand. Ich kam aus diesem Grund nicht dazu, meine ‚Sprengsatz-im-Queue-Idee‘ imaginär weiterzuentwickeln.
Ob die von mir kalkulierte Sprengstoffmenge in dem Queue wohl ausreichte, oder gar zu viel war, um einen einzigen Mann zu töten?
Wo sollte der Protagonist das Zeugs herkriegen?
Das Gewicht das Queues müsste raus und durch Sprengstoff ersetzt werden. Ein geübter Billardspieler wird sicherlich aufmerken und misstrauisch werden, wenn die 19 Unzen seines Queues über oder unterschritten werden, und wie sollte ich den Zünder in dem Queue unterbringen?
Welche Spannung benötigte ein Zünder überhaupt?
Und wie erzeuge ich die?
Fragen über Fragen taten sich auf.
Es half alles nix, Oberstleutnant Guntram Greulich aus unserer Nachbarschaft, der latent schizophrene und deshalb vorzeitig berentete, Fliegerleitoffizier und sicherlich auch Experte für Sprengfallen aller Art, musste her!
Obwohl ich neuen, etwas bizarren Situationen, die mir der Oberstleutnant Guntram Greulich ständig bescherte, stets etwas skeptisch gegenüber stehe, griff ich entschlossen zum Telefon und hatte den Oberstleutnant auch alsbald am Fernsprecher.
„Guntram“, sagte ich, „ich brauche mal eben deine Hilfe! Du weißt, dass ich stets sehr präzise für meinen Liebesroman recherchiere, und du bist sicherlich auch Experte für Sprengfallen aller Art. Für meinen überaus realistischen Liebesroman benötige ich die möglichst detaillierte Beschreibung eines Sprengsatzes in einem Queue, welches den Spieler beim Billardspiel in die Luft sprengt.
“Gute Güte, sowas habe ich ja noch nie gehört! Wenn es um eine Sprengfalle mit einer M18A1 Claymore-Antipersonenmine ginge, könnte ich dir auf Schlag helfen. Bei einer durch Fernzündung oder per Stolperdraht ausgelösten Zündung bewegt sich die Druckwelle der Explosion größtenteils von der Metallplatte weg und schießt so die Metallkugeln in einem 60 Grad-Winkel nach vorne. In einem Abstand von 50 Metern wird eine Verteilung der Stahlkugeln auf 50 Meter Breite und etwa 2 Meter Höhe erzielt. Bei dieser Entfernung sind die Stahlkugeln für den Menschen tödlich und treffen mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent ein Mannziel. Die maximale Reichweite der Kugeln beträgt 250 Meter. Die effektive Reichweite ist zwar geringer …“
„Guntram! Ich brauche einen Sprengsatz in einem Queue, der nur den Spieler tötet! Außerdem will ich nur rein hypothetisch, wohlgemerkt, jemanden umbringen, im Liebesroman sozusagen. Etwas, was es bisher noch nicht gab, darauf kommt es mir an! Es muss aber glaubhaft wirken! Schließlich bin ich nicht Richard Horatio Edgar Wallace, bei dem zugunsten einer Story der größte Blödsinn funktioniert hat.“
„Ach ja, ich verstehe! Eine Claymoe im Kühlschrank, welche durch das Öffnen der Kühlschranktür ausgelöst wird, gibt es meines Wissens auch noch nicht. Leider habe ich zurzeit keine M18A1 Claymore-Antipersonenmine, sonst hätte ich dir das gerne mal demonstriert.“
„Gottseidank hast du keine Claymoremine. Der lieben Ulrike wäre es sicherlich auch etwas zuwider, wenn du eine scharfe Mine in unserem Kühlschrak detonieren lassen würdest.“
„Ich will deinen Kühlschrank ja auch nicht gleich sprengen, aber die Idee hat doch was! Wir könnten auch mit einer M18A1 Claymore-Antipersonenmine …“
„Mein Gott Guntram! Lass bitte deine Scheißclaymoremine los und konzentriere dich auf ein Billardqueue, welches, wenn der Spieler einen mehr oder weniger harten Stoß tut, explodiert und den Spielenden mit in den Tod reißt. Das dürfte doch für dich kein Problem sein, oder?“
„Nicht im Geringsten! Das kriege ich hin! – Habt ihr ein Queue, damit ich die Maße und so abnehmen und mal ein wenig probieren kann?“
„Ich glaube schon. Die liebe Ulrike hat die Tage zwei Queues vom Typ ‘Ambassador‘ ausgesondert, weil die ein wenig krumm geworden sind. Die kannst du dir gerne abholen.“
„Au ja, dann kann ich schon mal was probieren! Ich werde eine relativ kleine Sprengkapsel verwenden …“
„Wieso Sprengkapsel? Das Ding soll einfach explodieren und gut! – Rein hypothetisch, wohlgemerkt!“
„Dazu brauche ich eine Sprengkapsel! Sprengkapseln sind relativ kleine Sprengsätze, die zum sicheren Zünden von Sprengstoffen verwendet werden. Wird eine Sprengkapsel mit Sprengstoff verbunden, so spricht man von einer Schlagladung, beziehungsweise …“
„Ja, genau sowas brauche ich!“
„Eben! Als Ladung werden kleine Mengen brisanter Sprengstoffe verwendet, die schon durch geringe thermische oder mechanische Belastung zur Detonation gebracht werden können. Der Fachmann spricht vom sogenannten Initialsprengstoff! Eine zweistufige Ladung besteht beispielsweise aus einer Primärladung, im Regelfall verwende ich Bleiazid, und einer Sekundärladung, wie Tetryl oder Nitropenta. Durch die Druckwelle, die bei der Detonation des Initialsprengstoffs in der Sprengkapsel entsteht, wird die Detonation der Hauptsprengladung verursacht. Bei sehr unempfindlichen Sprengstoffen, wie gegossenem TNT oder ANC-Sprengstoffen werde ich als weitere Stufe eine Verstärkerladung aus empfindlicherem Sprengstoff verwenden, um die Hauptladung sicher zu zünden …“
„Ja Guntram, das ist ja alles ganz toll, aber zu kompliziert für mich, ich bin schließlich Schriftsteller. Für Sprengladungen bist du der Experte! Hol dir die Queues ab und sieh zu, was du machen kannst. Okay?“
„Was ist denn daran kompliziert? Das weiß doch jeder! Aber egal, die Sache reizt mich kolossal! Ich komme man eben vorbei!“
„Prima! Wenn du möchtest, kannst du auch bei uns … Hallo?“
Oberstleutnant Guntram Greulich hatte bereits aufgelegt, wenige Augenblicke später klingelte es bei uns, kaum dass ich den Hörer niedergelegt hatte.
Oberstleutnant Guntram Greulich erschien und wollte die dezent krummen Queues haben. Ich gab sie ihm, er war begeistert und wollte schon wieder mit glänzenden Augen verschwinden. Doch dann kam die liebe Ulrike entlang und sprach: „Hallo Guntram. Schön, dass du dich auch mal wieder bei uns sehen lässt. Wie geht es Katrin, deiner Verlobten? Wollt ihr nicht zum Essen bleiben? Wir haben indonesische Nudelsuppe mit Hühncheneinlage, die reicht dicke für vier. Wenn ich gewusst hätte, dass ihr kommt, hätte ich mal wieder eine knusprige Martinsgans zubereitet, obwohl wir nicht Martinstag haben, aber das ist ja egal. Dazu Apfelrotkraut serviert, oder Grünkohl, was meinst du? Naja, egal. Petersilienkartoffeln gehen auch, oder nicht zu vergessen hausgemachte Kartoffelklöße. Das hatten wir auch lange nicht mehr. Seit Hagen gerne kocht und Cocktails kreiert, hat er das Rezept für Apfelrotkraut etwas abgewandelt, er wandelt nämlich immer alles ab, aber das schmeckt dann ganz ausgezeichnet. – Passend dazu reichen wir vorab ein Gänsesüppchen. – Zudem solltet ihr unbedingt Hagens neukreierten Cocktail, das ‘Full Metal Jacket‘ probieren.“
„Ja, das hört sich verlockend an“, meinte Oberstleutnant Guntram Greulich, „ich werde Katrin mal fragen. Die arbeitet allerdings noch, aber anschließend kommen wir gerne, es wird allerdings etwas dauern, weil ich vorher noch was zu tun habe. Aber dann kommen wir, wie gesagt, gerne zur indonesischen Nudelsuppe und dem Full Metall Jacket. Katrin kann nämlich nur Bratkartoffeln, Blätterteig und so einem komischen Zeugs aus Melonen. Die kommen mir langsam zu den Ohren wieder raus. – Gnädige Frau“, er verabreichte der lieben Ulrike einen formvollendeten Handkuss, „wir sehen uns in wenigen Stunden!“
Sprach‘s und war ruckartig mit den Queues und glänzenden Augen wieder verschwunden, während die liebe Ulrike noch mit Erröten beschäftigt war.
Ich ging in mein Arbeitszimmer und sah Annegret, meiner besonders schönen Spitzschlammschnecke, beim Abweiden ihres Nixenkrautes zu. Irgendwie schien sich die Idee mit dem Sprengsatz im Queue dynamisch zu entwickeln, aber ich wollte Guntram tun lassen.
So ein, zwei Stunden schaute ich Annegret zu, wie sie ihr Nixenkraut abweidete und sich anschließend zur Ruhe begab. Dabei konnte ich gut nachdenken, aber an meinem wirklichkeitsnahen Liebesroman war ich noch nicht so Recht weiter gekommen. Nur die Idee, dass das Federal Bureau of Investigation, das National Security Agency und die Signals Intelligence nach dem Anschlag mit dem Queue, der selbstverständlich von einem Spitzenagenten, ähnlich wie James Bond, oder Jerry Cotton, ausgeführt wurde, gegeneinander ermitteln könnten, gefiel mir recht gut. Da der Roman aber in Deutschland spielen sollte, müssten das Bundesamt für Verfassungsschutz, der dem deutschen Kanzleramt unterstellte Auslandsgeheimdienst und der Militärische Abschirmdienst in meinem Liebesroman gegeneinander ermitteln. Oder ließ ich alle sechs Geheimdienste länderübergreifend konträr Recherchen anstellen?
Die Sache erschien mir gar nicht so einfach!
Unglücklicher Weise erschienen Katrin und Oberstleutnant Guntram Greulich zum Nachtmahl. Oberstleutnant Guntram Greulich hatte ein längliches Paket mit, stellte es aber in irgendeine Ecke um der lieben Ulrike die angemessenen Honneurs zu machen, während Katrin sich einfach hinsetzte und offensichtlich etwas auf dem Herzen hatte, was sie unbedingt loswerden wollte.
Da wir aber beim Essen aber nur kultivierte Tischgespräche zu führen pflegen, musste sie damit noch bis nach dem Dessert warten, denn die liebe Ulrike hatte ein präzise durchgearbeitete Thunfischcarpaccio mit Calamaretti, Gurke und Taggiasca-Olive sehr aufwändig zubereitet. Ich befürchtete, dass die Gurke zu dominant geraten war und den Abgang zu sehr bestimmte. Aber es war perfekt, wie alles, was die liebe Ulrike zubereitet. Ich sollte dem ‘Full Metall Jacket‘ eine Taggiasca-Olive beigeben,
Aber dann konnte Katrin nicht mehr an sich halten: Fräulein Gerda hat sich zwischenzeitlich, so erzählte sie, mit dem Abbruchunternehmer Paul von der Ramme verbandelt! Sie wollen gemeinsam einen leicht lädierten Spitzbunker restaurieren um ihn hübsch mit Kriechspindel zu bewachsen, da das Abrissseminar für stressgeplagte Manager mit einer sogenannten Prallkugel an dem Bunker nicht in dem Maße angenommen wurde, wie es der Abbruchunternehmer Paul von der Ramme erwartet hatte.
Die liebe Ulrike äußerte daraufhin Bedenken, denn mitunter – zum Beispiel bei Wassermangel – kommt es zu gelbroter Herbstfärbung mit anschließendem Laubabwurf des Kriechspindels, was sehr unschön wäre, und verwies auf Immergrüne Kriechmispel Lateinisch: Cotoneaster dammeri ‘Skogholm‘, bedingt auch ‘Coral Beauty‘ genannt.
Die Damen ließen sich zu einem Mädelsabend an unserer Bar nieder und die liebe Ulrike begann zwei von ihr kreierte ‘Ich komme nicht mehr auf den Hocker‘ zu mixen.
„Cotoneaster“, fuhr sie dabei fort, „ist für die Fassadenbegrünung auch wertvoll, da sie herab hängende, immergrüne Schleppen bildet, manchmal sogar mit Fruchtschmuck.“
Den weiteren Verlauf dieses Gesprächs habe ich nicht mehr ganz so gründlich in Erinnerung, denn irgendwie kamen die Damen bei dem Genuss des ‘Ich komme nicht mehr auf den Hocker‘ auf Kohlbaum, oder Cussonia, benannt nach dem französischen Arzt und Botaniker Pierre Cusson, einer in Südafrika beheimateten Gattung der Efeugewächse, welcher sich zur Begrünung des Spitzbunkers mehr als anbot. Für mich ein Reizthema, da ich das Efeu an meinem Elternhaus stets mühsam niederzukämpfen hatte.
Zum Glück ermunterte Oberstleutnant Guntram Greulich mich auf eine Partie Billard. Ich ergriff unsere Flasche guten Cognac und die Gelegenheit dem Efeugespräch zu entkommen.
Oberstleutnant Guntram Greulich entnahm dem länglichen Paket eins der dezent krummen Queues und schraubte es zusammen.
„Nun können wir“, meinte Greulich und nahm einen Schluck Cognac, den ich zwischenzeitlich in zwei Schwenker mit Jagdgravur, Geschenke meines seligen Fräuleins Tante, gegossen hatte, „eigentlich spielen.“
Das taten wir denn auch und dem Oberstleutnant Guntram Greulich gelang sogar ein Jump Shot, ein Stoß, der von der lieben Ulrike nicht sonderlich gerne gesehen wird, weil er zuweilen mächtig den Filz des Tisches beansprucht. Ansonsten spielte er mit sichtbar ausgeglichener Gemütslage und drängte anschließend auf einen Besuch des Gartens hinter dem Hause. Mir sollte es recht sein, da die Mädels bereits beim zweiten ‘Ich komme nicht mehr auf den Hocker‘ sowie dem Kirschlorbeer angekommen waren und sich durch unsere Anwesenheit irgendwie gestört fühlten.
Wir ergriffen unsere Cognacschwenker, schenkten nochmal nach und eilten nach draußen um, wie ich vermutete, den Nachthimmel über Haselünne zu bewundern. Dass Oberstleutnant Guntram Greulich das etwas krumme Queue und das Fläschchen mitnahm, schien ganz in Gedanken zu passieren.
Doch statt des Bewunderns fragte Oberstleutnant Guntram Greulich nach einer Billardkugel, die ich im Notfall entbehren könnte, da er eine kleine Überraschung für mich bereit hielt.
Mir fiel eine unserer Jim Rempe-Trainingskugeln ein. Mehrere dieser Kugeln sind uns als Gastgeschenke überreicht worden, als sich herumgesprochen hatte, dass wir eine Hausbar und einen Billardtisch besitzen und nette Menschen jeden zweiten Freitag des Monats zu einem kleinen, feucht-fröhlichen Umtrunk an der Bar sowie einem kleinen Billardturnier einladen.
Obwohl ich nicht sonderlich auf Überraschungen stehe, und schon gar nicht auf solche von Oberstleutnant Guntram Greulich, eilte ich doch, eine der Trainingskugeln zu holen, obwohl ich Fürchterliches ahnte.
Als ich wieder in den rückwärtigen Teil unseres Gartens mit einer Tim Rempe-Trainingskugel hasten wollte um zu verhindern, dass Oberstleutnant Guntram Greulich wieder Schlimmes anrichtete, hielten mich die Damen, Fräulein Gerda war zwischenzeitlich dazu gestoßen und hatte den Cocktails in der kurzen Zeit bereits mächtig zugesprochen, weil ihr der von mir kreierte ‘Backdraft‘ besonders zusagte, etwas auf und befragten mich nach meiner Meinung zur großblütigen Thunbergia, einer Pflanzenart aus der Familie der Akanthusgewächse, zum Begrünen des zu restaurierenden Spitzbunkers.
„Die Thunbergia stammt ursprünglich vom indischen Subkontinent“, belehrte mich Fräulein Gerda, „wird oft als Zierpflanze verwendet und ist in einigen Gebieten eine beliebte, invasive Pflanze.“
„Ah ja! Invasiv ist meines Wissens das hineinwachsen umgebenden Bindegewebes zum Beispiel in Krebszellen“, bemerkte ich, „hat ein Bunker auch Krebszellen, oder seid ihr mittlerweile bei der Medizin?“
Das hätte ich nicht sagen sollen, denn Fräulein Gerda ließ erbarmungslos einen Vortrag auf mich einprasseln, welcher ausführte, dass bei ordnungsgemäßer Pflege die Akanthusgewächse durchaus in Mauerwerk invasiveren können. Dabei geriet sie irgendwie an Agamemnon, ihrem Goldfisch. Ich sah zwar keinen direkten Zusammenhang, konnte aber in einem strategisch günstigen Moment flüchten, als Fräulein Gerda den Übergang zu der romanischen Chiesa di San Giorgio Maggiore suchte, deren Bewuchs ihres Mauerwerkes sie nachzuvollziehen beabsichtigte, weil das alles irgendwie zu viel Stress für mich war.
Wieder im rückwärtigen Garten angekommen, wurde ich eines Tisches, bestehend aus einer Tür, auf der offensichtlich schon mal eine Explosion stattgefunden hatte, ansichtig.
Die Tür war auf zwei einfachen Böcken gelagert, wie zum frisch Lackieren derselben. Neben diesem Tisch beendete Oberstleutnant Guntram Greulich just den Aufbau eines Männchens aus Melonen in Originalgröße eines Mannes, betrachtete sein Werk und schenkte sich nochmal gewaltig Cognac nach.
„Oh, schön, dass du kommst“, sprach er, „dann können wir also mit unserem Experiment fortfahren!“
„Was? Experiment?“, fragte ich und schenkte mir, weil ich mir nach Fräulein Gerdas Vortrag etwas zermürbt vorkam, auch einen Cognac ein.
„Prost mein Lieber! Du wirst gleich staunen!“, meinte Oberstleutnant Guntram Greulich, „bei Experimenten ist es wie im wirklichen Leben. Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.“
„War das nicht Popeye, der das sagte?“
„Nein, es war Forrest Gump! Popeye sagte: ‚Ich bin, was ich bin … und das ist alles, was ich bin‘.“
„Na, gut, man kann ja nicht alles wissen. – Wir sollten aber einen auf Popeye trinken!“
„Selbstredend!“
Das taten wir dann auch, und weil wir gerade dabei waren, tranken wir auch auf Forrest Gump. Hernach stellte sich bei mir eine schwebende Leichtigkeit ein, ich baute Stress ab und ich drängte auf die Fortführung des Experiments. Schlimmer als die Vorträge Fräulein Gerdas konnte es nicht werden, und einen Solchen hatte ich soeben nahezu unbeschadet überstanden.
„Nun“, fuhr Herr Oberstleutnant Guntram Greulich fort, „setzen wir also unser Experiment fort! – Nach dem zweiten Zusammenschrauben des Queues wird der ‘Stoßzünder‘, wie du ihn bezeichnet hast, in Demselben scharf geschaltet. Ich mache das mal eben.“
Er schraubte das Queue zusammen und befestigte es vorsichtig mit Hilfe eines kleinen Böckchens und etwas Gaffer-Tape dergestalt auf dem Tisch, dass des Queues Spitze auf akkurat halber Höhe der Jim Rempe-Trainingskugel zu schweben kam, während das Griffstück über die Tischplatte, direkt neben dem Melonenmann, herausragte. War hübsch, diese Anordnung, nahezu hochkünstlerisch, und ich war gespannt, wie dieses Experiment fortgeführt werden würde.
„Dem ‘Stoßzünder‘“, fuhr Oberstleutnant Guntram Greulich fort, „ist es egal ob des Queues Bewegung stoßartig erfolgt, oder ob er ruht und die Kugel bewegt sich auf ihn zu. – Darf ich mal um die Kugel bitten?“
„Aber selbstverständlich, Herr Oberstleutnant. Bitte schön.“
„Danke, mein Lieber. Endlich mal jemand, der meine Arbeit anzuerkennen weiß.“
„Tja, nun. Was tut man nicht alles für die Literatur?“
„Ebend! – Ich werde nun fortfahren! Selbst bei leichtem Anrollen der Kugel an die Schlagladung, welche du als ‘Stoßzünder‘ bezeichnest, erfolgt eine Zündung der Sprengkapsel, welche wiederum den im Griffstück befindlichen Sprengstoff, ich habe in diesem Fall Tetryl verwendet, zur Detonation bringt. Ich hatte noch etwas von dem Zeugs rumliegen …“
„Was ist denn Tetryl?“
„Ein Sprengstoff, der hauptsächlich für Detonatoren, Sprengkapselfüllungen, Zwischenzündladungen und Sprengschnüre verwendet wurde. Es wurde zuerst von Deutschland als Ladung in Artilleriegeschossen und Torpedos eingesetzt. Hat sich bestens bewährt. Interessant, nicht wahr?“
„Sag bloß, du willst das Queue wirklich zur Explosion bringen?“
„Was dachtest du denn? Allerdings nur das Griffstück. Mit einer Schlagempfindlichkeit von 3 N·m, einer Detonationsgeschwindigkeit von 7850 m·s−1 und bei einer Dichte von 1,71 g·cm−3 bietet sich Tetryl doch mehr als an.“
„Bist du nun komplett verrückt geworden? Was meinst du wohl, was die wunderbare Ulrike sagt, wenn wir hier im Garten Sprengungen absolvieren?“
„Ach was soll die groß sagen? Katrin hat ja auch nichts gesagt, als ich das erste Queue probeweise gesprengt habe. Allerdings hat sich dabei ein leichter Mangel gezeigt, denn die Explosion erfolgte in X, Y und Z-Richtung. Ich habe diesen Mangel behoben, indem ich zwei Prallplatten eingearbeitet habe, um die Kollateralschäden niedrig zu halten und den Explosionsdruck nur in Richtung der zu tötenden Person wirken zu lassen. Pass auf, das demonstrier ich dir mal eben.“
Ehe ich es verhindern konnte, ließ Oberstleutnant Guntram Greulich die Jim Rempe-Trainingskugel gegen die Spitze des Queues rollen, worauf ein ohrenbetäubender Bums erfolgte.
Ich ging vorsorglich in Deckung, aber Oberstleutnant Guntram Greulich lachte mich aus: „Für diese Maßnahme wäre es etwas zu spät. – Aber schau dir mal das Ergebnis an! Saubere Arbeit!“
Mir klingelten zwar noch ein wenig die Ohren, ich ging mir aber trotzdem das Resultat des Experiments anschauen.
„Wie du siehst habe ich hier einen Mann aus Melonen simuliert“, sprach Oberstleutnant Guntram Greulich, „und so neben das Queue placiert, als würde der Mann Billard spielen. – Was siehst du?“
„Ein paar total zerstiebte Melonen.“
„Ganz genau. Ein Mann dürfte diesen Anschlag kaum überlebt haben. Wir können das Experiment also mit ruhigem Gewissen als ‘geglückt‘ bezeichnen!“
Von einem ruhigen Gewissen konnte bei mir nicht die Rede sein, als ich mir Anstelle der Melonen einen Menschen vorstellte. Ich kam aber nicht so recht dazu mir etwas vorzustellen, denn zeitgleich mit den Damen erschien unser Nachbar, der Balneologe, und der wollte wissen, was hier eben derart gerumst hatte, dass seine Tochter Anne-Katrin wach geworden war. Anne-Katrin litte ohnehin unter Schlafstörungen, und nun auch noch sowas.
Katrin tobte sofort los wegen der gesprengten Melonen: „Ich wollte doch Melonensalat mit Rucola und Parmaschinken machen“, wütete Katrin, „aber was macht dieser Mensch? Sprengt die guten Melonen einfach in die Luft! Ich habe schon nichts gesagt, als du unsere beste Kaffeekanne für eine Probesprengung gesprengt hast! Ich habe auch nichts gesagt, als du die Klotür ausgehängt hast, um darauf ein krummes Queue probeweise zu sprengen. Das berechtigt dich aber nicht, meine schönen Melonen zu sprengen! Das geht entschieden zu weit! Unmöglich sowas! Hättest du nicht den Kürbis, mit dem Onkel Engelbert die Kürbiswette fast gewonnen hätte, in die Luft sprengen können?“
Oberstleutnant Guntram Greulich wirkte ein wenig zerknirscht, Fräulein Gerda wollte die Sache mit der Explosion unbedingt wiederholt haben, da sie offensichtlich etwas verpasst hatte und die liebe Ulrike erkundigte sich, ob mir was passiert sei. Als ich das erleichtert und mit ruhigem Gewissen verneinte, befahl sie uns die Sauerei augenblicklich wegzuräumen, während sie mit dem Balneologen Billard spielen wollte.
Das Aufräumen war schnell erledigt, die Jim Rempe-Trainingskugel war noch gebrauchsfähig, und die Rudimente des Queues und der Melonen ordentlich im Bioabfall entsorgt. Oberstleutnant Guntram Greulich und ich setzten uns hernach wieder auf das Bänklein hinter dem Haus um noch etwas Cognac zu trinken, einen Zigarillo zu rauchen und das Gelingen des Experiments für meinen Liebesroman zu feiern. Dabei erzählte mir Oberstleutnant Guntram Greulich entzückende Anekdoten von mannigfaltigen Sprengfallen, die allerorten auf das nichtsahnende Liebespaar lauern.
„Da gibt es Sprengfallen, die durch einen Stolperdraht gezündet werden! Man muss dem Auge des Gehenden nur etwas zur Ablenkung in größerer Höhe anbieten, etwas in die Bäume hängen, was da nicht hingehört. Im Vietnamkrieg wurden derartige Hinterhalte oft gelegt, dabei wurden beispielsweise Kondome in Bäumen zur Ablenkung verwendet …“, berichtete Oberstleutnant Guntram Greulich, während er weiterhin, genau wie ich, dem Cognac zusprach. Dabei kam mir die zu meiner Zeit als Taxifahrer erworbene Fähigkeit, den Eindruck zu erwecken, aufmerksam zuzuhören und das Taxi zugleich sicher lenken, hier abermals zugute.
Wie den auch sei, nach einiger Zeit kamen die Damen und der Balneologe aus dem Haus. Die liebe Ulrike meinte: „Das ist mal wieder typisch Männer, erst Sprengungen durchführen und dann rumsaufen. Wenigstens habt ihr alles schön wieder aufgeräumt, dann kannst du ja jetzt auch reinkommen, es ist schon spät, deinen Full Metall Jacket teste ich morgen!“
Katrin hatte sich auch wieder beruhigt, hakte sich bei Oberstleutnant Guntram Greulich unter, und der versprach die Klotür neu zu lackieren und wieder einzuhängen.
Fräulein Gerda wollte noch mit dem Balneologen zu sich nach Hause, auf das er ihr ein Entspannungsbad mit irgendwelchen, mir völlig unbekannten anorganischen Ingredienzien und deren Ionen bereiten möge.
Jedenfalls waren alle wieder vergnügt, auch die liebe Ulrike, denn sie hatte von Fräulein Gerda wiederum einen heißen Tipp bekommen: Irgendwo in der Heide gibt es ein romantisches Anwesen, welches zum Hotel umgebaut worden war. Da das Gebäude unter Denkmalsschutz steht, soll alles sehr rustikal sein, aber eine exquisite Küche soll es dort geben, mit Heidschnuckenbraten zum Beispiel.
„Hört sich gut an!“, sagte ich, „sollten wir das vielleicht für das nächste Wochenende buchen?“
„Schon erledigt!“, antwortete die liebe Ulrike, „wenn du nämlich anfängst, in unserem Garten Explosionen zu absolvieren und stundenlang deiner Spitzschlammschnecke beim Fressen zuschaust, ist das ein Indiz dafür, dass dein Nervensystem abermals etwas zerrüttet ist und du mal wieder Urlaub brauchst. Wir werden am kommenden Wochenende in die Heide fahren und es uns gut gehen lassen. Du darfst nämlich dort rauchen, Alkohol trinken und vor allen Dingen gut essen! Ich habe das im Vorfeld gecheckt. – Allerdings ist Explosionen verursachen dort absolut tabu!“
„Ach wunderbare Ulrike“, seufzte ich, „du bist und bleibst meine Traumfrau!“
Als nun das Wochenende nahte, ich hatte die Idee mit dem explodierende Queue für meinen großen Liebesroman etwas zurückgestellt, packte die liebe Ulrike unseren Koffer, ich gab Annegret eine Extraportion Nixenkraut für das Wochenende und eilte zum Auto. Die liebe Ulrike ließ, bevor ich eingreifen konnte, den Wagen an und mahnte zur Eile, wollten wir doch das Wochenende stressfrei genießen.
„Gott sei Dank“, murmelte ich, „ich befürchtete schon, dass eine mit der Zündung verbundene Sprengladung unser Auto, und was noch schlimmer wäre, dich, explodieren lassen würde. Guntram hat nämlich gesagt, dass sowas passieren kann und man extrem vorsichtig sein sollte!“
„Ach, Guntram! Was der immer hat. Du solltest dich nicht zu viel mit ihm abgeben!“
Sprach’s und fuhr geschmeidig los.
Auf der Fahrt zu dem ländlich-rustikal-romantischen Hotel in der Heide fühlte ich mich mehrmals von einem Auto feindlicher Agenten verfolgt. Oberstleutnant Guntram Greulich hatte erwähnt, dass feindliche Agenten stets schwarze, ältere, amerikanische Wagen mit seltsamen Kennzeichen fahren. Aber die liebe Ulrike verwies auf ein in der Nähe stattfindendes Oldtimertreffen, und zerstreute damit meinen Verdacht.
Bei dem ländlich-rustikal-romantischen Hotel angekommen, warteten wir auf mein Bitten erst mal ab bis weitere Gäste den Weg zum Hotel beschritten. Man kann schließlich nie wissen ob nicht irgendwelche Sprengfallen den Weg belauern.
Diese Maßnahme erwies sich glücklicherweise als unbegründet, ebenso wie die Tatsache, dass sich unter der Matte vor der Tür eine Sprengmatte aufhalten könnte.
Die liebe Ulrike drehte die Augen gen Himmel, wir checkten aber trotzdem unter falschen Namen ein und bezahlten im Voraus, man kann schließlich nie wissen.
In unserem Zimmer, im ersten Stock über dem Speisesaal, angekommen, begann die liebe Ulrike unseren Koffer auszupacken, während ich das Zimmer nach Sprengfallen und Wanzen absuchte. Dazu öffnete ich vorsichtig die Minibar, für den Fall, dass sich eine Claymore-Antipersonenmine darin aufhielt.
„Meinst du nicht“, meinte die liebe Ulrike, „dass du ein Wenig übertreibst?“
„Ach wunderbare Ulrike“, erwiderte ich daraufhin, „ich bin nur etwas besorgt um deine Gesundheit. Dieses Zimmerchen bietet in seiner bäuerlichen Bauweise, man hat uns sogar einen Teppich vor das Bett gelegt, mannigfaltige Gelegenheit für Sprengfallen aller Art. Guntram hat gesagt, dass gerade solche Räumlichkeiten der ideale Platz für Sprengsätze und so darstellt! Es gibt zum Beispiel sowas mit einer in eine Wäscheklammer oder Mausefalle eingeklemmten Stück Zucker in der Dusche. Die warme Dusche lässt den Zucker schmelzen, die Wäscheklammer schnappt zu, zündet damit eine Handgranate und diese tötet den Duschenden. – Ich will doch mal nachsehen, ob sich sowas hier in der Dusche befindet!“
„Mein Gott“, stöhnte die liebe Ulrike, „aber gib mir vorher noch einen Sekt, da du den Kühlschrank gerade offen hast.“
„Selbstverständlich, meine Liebe. Ich werde mir bei der Gelegenheit gleich ein kühles Bier aus dem Schrank nehmen.“
„Und mach‘ bitte zu! Ich habe Hunger und möchte mit dir in dem Hotelrestaurant noch was essen und dazu einen guten Wein trinken.“
Ich fand keinen Sprengsatz in der Dusche, nichts dergleichen, trank mein Bier aus und die liebe Ulrike ging mit mir dinieren. Wir nahmen genussvoll Bisonrouladen und als Dessert Blaubeer Plinsen begleitet von Wein für die liebe Ulrike und Heidebier für mich, zu uns. Es war großartig und wir genossen noch einen Bärwurz als Digestif.
Ich rauchte anschließend einen Zigarillo und blies den Rauch genussvoll in die Luft. Dabei fiel mir der schwere Lüster auf, etwas unpassend für ein ländlich-rustikal-romantisches Heidehotel, zumal seltsame Ackergeräte die Wände schmückten. Auf unsere Frage an die Servicekraft nach diesen Ackergeräten bekamen wir zur Antwort: „Das hat nichts zu sagen, das ist Kunst.“
Na, gut. Wir tranken noch so manchen Bärwurz und waren danach absolut reif für das Bett. Im Zimmer angekommen entkleideten wir uns und duschten ausgiebig.
Meine Befürchtung, dass jemand zwischenzeitlich eine Sprengfalle in der Dusche installiert hatte, erwies sich als unbegründet, mir fiel beim Zubettgehen allerdings eine leichte Unebenheit im Teppich auf.
„Also doch!“, murmelte ich, räumte den Teppich vorsichtig beiseite und wurde einer großflächigen Schraube ansichtig. Die ‘Schraube‘ drehte ich, unter Beachtung aller Sicherheitsvorkehrungen, eine Tretmine betreffend, vorsichtig aus dem dünnen Holzfußboden heraus.
Es war wirklich nur eine massive Schraube.
„Hör endlich auf, überall Sprengfallen zu sehen“, schalt mich die liebe Ulrike, „du darfst dir von diesem Oberstleutnant Guntram Greulich nicht dauernd Flöhe in die Ohren setzen lassen! Dreh die Schraube wieder rein, wir wollen hier ja nicht dumm auffallen, leg‘ den Teppich drüber und komm zu mir ins Bett. – Herrgott, das ist ja schlimm mit dir!“
Ich tat wie geheißen.
Am nächsten Morgen mussten wir im Stiegenhaus frühstücken, da das Speisezimmer durch den von der Decke gestürzten Lüster gesperrt war.
Uns kann niemand verübeln, dass wir nach dem Frühstück etwas überstürzt aufbrachen, aber diese Episode sollte ich in meinem realistischen Liebesroman verwenden, denn die besten Ideen schreibt das Leben.
Das Leben ist, wie von Forrest Gump gesagt, wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.
 



 
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