Der springende Punkt

5,00 Stern(e) 1 Stimme

klaatu

Mitglied
------>

Ein ausgestreckter Finger
zeigt auf
längst geschmolzene
Schneemänner

&

versucht Schuld zuzuweisen
als wäre es eine
Sozialversicherungsnummer.

Doch dem toten Igel
auf der Landstraße
kann es egal sein,
von welcher Seite
er überrollt wurde.

+-+

Da rennt man
ein Leben lang
dem Bus hinterher,
den man schon als Kind verpasst hat,

nur um viel zu spät festzustellen,
dass die eigenen Ziele
mit öffentlichen Verkehrsmitteln
ohnehin nur schwer
zu erreichen sind ...

Es ist wie der Versuch,

ein fröhlich grunzendes Schwein
zu erschaffen,
indem man achtzig Kilogramm
geschnittenen Formschinken
neu zusammensetzt

oder

den eigenen Kot
wieder in das köstliche
Drei-Gänge-Menü
von gestern zu verwandeln.

-+-

In weit hergeholter Ferne
suchen wir Nähe

&

klammern uns dabei
an aus der Luft Gegriffenes

als wäre es eine Rettungsboje.

Kennt ihr noch
den Jungen,
der immer "Wölfe!" rief?

Der sitzt jetzt im Wolfspelz
auf dem Thron
und nennt sich
König der Schafe!

Und falls ihr euch
jetzt fragen solltet

- das hier ist
der springende Punkt:

.

Na gut,
gerade mag er nicht springen,
aber da ist er.

Schaut ihn euch gut an.

<-------

.
.
.
.
.

Hallo Mama!
Ich bin im Internet
und produziere Content!

Bist du stolz auf mich?!
 

Ubertas

Mitglied
Hallo mein Sohn,
bin auch gerade im Internet und produce content. Ruf mich doch mal an, dann sage ich dir, wie stolz ich auf dich bin. Der springende Punkt, einst im Hühnerei entdeckt, wie ich soeben totelesk entdeckte, zeigt mir an: herzensverwandt.
Einmal hatte ich dich schon aufgefordert, mich unter drei eins sechs anzurufen, doch wie ich sehe, wurde unsere Leitung jäh unterbrochen. Nichtsdestotrotz möchte ich die Gunst der Stunde nutzen und meine Adoptionswünsche dir gegenüber unweigerlich und für alle Zeiten auszusprechen:
Willst du mein Sohn werden? Für heute und für alle Tage? Antworte mit einem entschlossenen Nein oder Ja. Nichts steht uns im Wege. Die geschmolzenen Schneemänner sind längst liquid und wir könnten uns eine Sozialversicherungsnummer teilen. Was soll die ganze Nummern-Verschwendung, mein zukünftiger Sohn?
Seit vielen Jahren biete ich Igeln zu Winterbeginn eine Herberge an. Ich weiß, dass sie sich bei Temperaturen unter acht Grad Celsius in Winterruhe begeben wollen. Sie schaffen es alllerdings nicht mehr, genügend Winterspeck anzufressen. Liegt es vielleicht an den gestiegenen Lebensigelkosten? Fressen Laubblattmietung und be a hedgehog alles dahin? Ich glaube schon. Was und wann und wer einen danach überrollt, je toter man als Igel wird, umso egaler. Bei der Froschwanderung gibt es wenigstens entsprechende Hinweisschilder, aber darüber werde ich dir in meinem nächsten Brief mehr schreiben.
Ach ja, es geht um content, mein Lieber. Boaheyy.
Schreibt so eine etwaiger Mutter: ?fck!
Jetzt steht da schon so viel, aber ich will dir noch mehr sagen. Jahre des Schweigens und dann diese Bushaltestellen. Mein Sohn, ich war immer dort, trug meine schicke Aktentasche mit Metallgriff im Winter ohne Handschuhe, circa zwanzig Minuten vor Abfahrt des Busses festhaltend, verpasste keine Verbindung, erfror mir jedoch sämtliche Finger der rechten Hand. Noch heute, bei Berührung mit Schnee und in Kälte, laufen sie rot an und erinnern mich an mein damaliges Durchhaltevermögen.
Wenigstens erreichte ich die öffentlichen Verkehrsmittel. Sie kosteten vieles, aber ich saß drin.
Wow.
Viele Jahre vergingen und Formschinken tröstete über die Leibhaftigkeit eines fröhlich grunzenden Schweines hinweg. Nichts von ihm sollte abgeschnitten oder neu zusammengepresst werden. Doch mit den Schweinen verhielt es sich im Lauf der Zeit wie mit den Menschen. Sie verkaufen sich mittlerweile als Frühstücksfleisch, aspiken sich, fühlen sich sauwohl, obwohl ihnen hinterläufig Kannibalismus droht.
Sie haben sich verändert. Nicht die Schweine, aber die Menschen.
Lediglich beim Drei-Gänge-Menü bleiben sie vereint. Erst ich, dann ich und schließlich ich. Sie essen ihre Suppe nicht mehr, geschweige denn, dass sie anfingen an ihr zu riechen. Nein, sie essen sie nicht.
Die Ferne, mein Sohn (evtl. produced), ist wahrhaft weit weg . Früher hier in meinem Dorf, gab es jemanden, der hoffte, mittels Leiter und einer langen Stange, den Mond vom Himmel holen zu können. Man schenkte ihm weder Vertrauen noch Zuversicht, stattdessen wanderte er ins damalige "Irrenhaus". Derweil sind wir heute nicht anders: wir sehen Rettungsbojen am Firmament. Würden wir nur einmal in die Luft greifen!
Es gäbe keinen Widerstand.
Und der Schafskönig tritt mehrfach auf, mal mit orangeroten Teint, mal mit schütterem Haar vor einer Langzeitfresse mit kgb (klammgescherten Borsten) oder infiltriert als Normalobürger mit chemtrails am Horizont und Aluhut im Fond.
Liebster klaatu, auch wenn wir nicht blutsverwandt sind, lass uns content produzieren. Links und rechts der Zeilen findet sich immer ein Punkt:)
Deine Mama schreib ich jetzt nicht hin,
herrje! also ubertas.
Lieben Gruß
 



 
Oben Unten