Der Steinkreis

Hier bin ich. Diesmal lauf ich nicht mehr davon. Ich habe mich in dir getäuscht, hatte eine Heidenangst vor Dir. Wäre ich schon vor langer Zeit zu euch kommen, hätte alles anders werden können. Mein Blick schweift über die grauen Basaltsteine die in der Dämmerung nur schemenhaft zu erkennen sind gleiten. Spärliches Grün hat sich auf die abgetragene Erde gepflanzt.
Was trieb uns diesen Steinkreis ans Licht bringen. War es mehr als nur Neugier. Wer war überhaupt der Erste, der den Spaten angesetzt hatte. Ich weiß es nicht mehr. Sicher habt ihr es mir erzählt, aber die Vergangenheit ist wie ein Dunst der die Sicht verstellt.
Als ich das erste Mal kam, waren vier der sechs Steine schon freigelegt. Dann, am Morgen ,nachdem der letzte von Erde befreit vor uns stand, war Astrid verschwunden. Zuerst dachten wir, sie wäre einfach weggegangen. Doch all ihre Sachen waren noch da, auch ihr Maskottchen, und dass hätte sie niemals zurückgelassen. Wir suchten sie, und fanden sie zwei Tage später nicht weit von unserem Lager. Sie hatte nichts an, lag einfach da, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt. Ihre langen schwarzen Haare bedeckten ihre linke Brust. Fast schien sie noch lebendig, doch ihre Augen waren tot, mehr noch als die vertrocknete Birke die sie stützte.
Ich schämte mich, den trotz des Entsetzens über ihren Tod erregte mich ihr entkleideter Körper. In der Nacht träumte ich von ihr und dem Kreis. Da war Sie wie ich sie nicht kannte.
Sie tanzte unbekleidet zwischen den Steinen. Für mich? Ihre Lippen öffneten und schlossen sich und die eindeutigen Bewegungen ihrer Hüfte verwirrten mich so sehr das ich aufwachte.
Keiner wusste woran sie gestorben war, im Totenschein stand Herzversagen. Die Polizei fragte nach Alkohol und durchsuchte ihre Sachen. Keine vier Tage später verschwand Arne.
Auch ihn fanden wir tot und unbekleidet ganz in der Nähe.
Unsere Grabungstruppe hat sich dann aufgelöst. Gisela meinte, wir sollten den Steinkreis wieder zuschütten, aber keiner hat sich mehr hingetraut. Alle ahnten wir, dass er etwas mit dem Tod unserer Freunde zu tun hatte und das weiter Gefahr von ihm ausgeht.
Wir waren viel mehr als nur Studenten der Geschichte. Das war nur der äußere Rahmen.
Wir wollten nicht mitmachen, uns nicht einfach falschen Idealen anschließen und uns aufsaugen lassen. Fast jede Nacht ergingen wir uns in Diskussionen was zu tun wäre. Und dann das. Wir verließen fast wortlos das Lager.
Ich träumte jede Nacht vom Kreis, von Astrid und Arne. Sie liebten sich vor meinen Augen, sie winkten mir zu und riefen mich. Mein Name wurde von den Steinen wie ein Echo zurückgeworfen, sie wollten mir etwas mitteilen, aber ich wehrte mich ihren sirenenhaften Worten zuzuhören. Dann zehn Tagen später kam Gisela und Anna hinzu. Ich war mal für wenige Monate mit ihr zusammen und habe ihr sofort geschrieben. Hab es immer wieder versucht, dann hat ihre Mutter zurückgerufen. Weder sie, noch sonst jemand wusste wo sie geblieben ist. Ich schon.
Dann hab ich Thomas angerufen und ihm von meinen Träumen erzählt. Er kannte sie bereits.
Wir haben uns sofort für den nächsten Abend in einer Kneipe verabredet, aber er kam nicht.
Ich habe ihn dann später gesehen, nur ein paar Stunden, als ich schlief.
Sechs Steine, angeordnet im Kreis. Jeder Stein ein Leben. Am Morgen habe ich die Polizei angerufen und von meinen Träumen, den Vorfällen und meinen Vermutungen erzählt. Obwohl sie mich wohl für einen Spinner hielten haben sie die Gegend um den Kreis abgesucht aber niemanden gefunden. Warum das Ganze? Was war hier vorgefallen? Ich hab dann in der Stadtchronik herumgestochert, und da stand es die ganze Zeit drin. Der Steinkreis war zufällig entdeckt worden, aber er war seit Jahrhunderten bekannt. In vorchristlicher Zeit soll hier ein heidnisches Fruchtbarkeitsritual das sogenannte Julfest gefeiert worden sein, bis
der ganze Platz samt Steinen im Auftrag des Trierer Erbischhofes von den Dorfbewohnern zugeschüttet wurde.
Ich hab mich dann mit Siggi in Verbindung gesetzt. Wir beide waren übriggeblieben.
Schon am Telefon einigten wir uns darauf, daß wir aktiv werden müssen. Wir sind kurzer Hand beim Bauhof eingebrochen und haben uns die kleine Raupe geliehen. Dann haben wir die aufgeschüttete Erde einfach wieder über den Steinkreis verteilt.
Die verschundenen Gisela Thomas und Anna wurden übrigens wenig später nicht weit von Nettersheim, in der Nähe der Matronentempel gefunden. Der Kontakt zu Siggi brach bald darauf ab, sie haben ihn eines Abends abgeholt, weil er mehr Mut als Angst hatte.
Das Ganze ist jetzt mehr als 60 Jahre her. Ich weiß dass er überlebt hat, er hat mir nach dem Krieg geschrieben, aber ich hab nicht drauf geantwortet, hab mich wohl geschämt. Meine Träume haben seit dieser Zeit aufgehört.
Bis gestern Nacht.
Ich habe Sie wieder gesehen Astrid, Thomas, Anna, Gisela und als ich Siggi entdeckte wusste ich Bescheid. Es war wieder soweit. In einer Fachzeitschrift der Universität fand ich nur eine kurze Notiz über eine Ausgrabung in der Nähe von Schleiden. Aber diesmal ist es anders, ich weiß was unsere Aufgabe ist, Siggi hat im Traum zu mir gesprochen und ich hab zugehört. Wir müssen uns im Kreis vereinigen hat er gesagt, den nur dann haben wir die Kraft in ihre Körper einzudringen und an ihre Stelle zu treten. Vor mehr als einem halben Jahrhundert waren wir schon einmal kurz davor einzuschreiten, welch eine vertane Chance. Warum wir?, Zufall?
Was für eine vergessene Macht besitzt unsere ureigenste Religion. Es ist wieder so weit. Die Schamgrenze ist längst gefallen. Wieder ziehen sie mit Fahnen und Parolen ungeniert durch unsere Straßen. Nur lenken ihre geistigen Führer sie diesmal anders als sie es erwarten.
Als ich vorhin am Kreis ankam waren alle Steine freigelegt.
Diesmal ist es kein Traum, ich sehe meinen Freunden von einst in die Augen. Lange nicht gekannte Erregung durchströmt mich. Noch einmal betrachte ich liebevoll meinen verbrauchten Körper der entkleidet und leblos am Boden liegt. Dann erst drehe ich mich um und trete zu Ihnen in den Kreis.
 

Andrea

Mitglied
4 von 10 Punkten

Inhaltlich ist die Geschichte - obwohl sie mich doch teilweise an gängige Horrorformate erinnerte - recht gut konstruiert, besonders gelungen hierbei der Bezug zwischen Anfang und Ende und die Idee des Eingreifens in die Zeit. Im Mittelteil hängt die Spannung etwas durch - vielleicht wäre es besser, den Kreis der Menschen kleiner zu halten und das Verschwinden dafür etwas auszubreiten.
z.B. wenig passend sind Stellen wie: "Die Polizei fragte nach Alkohol und durchsuchte ihre Sachen. Keine vier Tage später verschwand Arne." Da ist keinerlei Zusammenhang! Wäre der Mittelteil so dicht wie Anfang und Ende, wäre die Geschichte besser.

Was aber dermaßen störend und eigentlich untragbar ist, sind die ganzen (Tipp-)Fehler! Kaum ist man in der Geschichte, fällt man über den nächsten Fehler und ärgert sich hinterher, weil's einem die Spannung vermiest - da, wo sie vorhanden ist.
 

Neziri

Mitglied
Übrigens, Spannung

Gebe Andrea so weit recht, nur daß ich selbst den Eindruck habe, daß die Geschichte etwas zu verschwommen ist und vielleicht ein paar klare Konturen mehr brauchen könnte. Ergehst dich in vielen Andeutungen, die vielleicht nur für dich eine Bedeutung haben und den Leser ziemlich im Dunkeln lassen, worum es denn dann überhaupt geht. Optionen für die Phantasie des Lesers offen zu lassen ist schön und gut, jedoch besteht deine Storz teilweise NUR aus diesen Optionen. Und das macht eher Neugierig, als daß es Spannung vermittelt. Und die Neugier beschränkt sich auf die Elemente, die im Text fehlen und somit ein unfertiges Bild hinterlassen.
 



 
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