Der tief verwurzelte Wunsch nach Größe

Papiertiger

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„Der Edle Mensch sucht Grund und Anlass in sich selbst, der niedrige sucht sie in anderen“

(Konfuzius)

„Und wer motiviert eigentlich mich?“, fragte Mehmet Göker in einem seiner „Versicherungsverteter“-Filme. Göker gelangte zu Ruhm und Reichtum und anschließender Insolvenz und Flucht in die Türkei, weil er im großen Stil private Krankenversicherungen verkaufen ließ, seine Mitarbeiter mit glühenden Motivationsreden, finanziellen Anreizen und Pomp und Protz wie gemieteten Ferraris zu immer skrupelloseren Geschäften anstachelte.

Ich würde im Leben nicht in Tesla-Aktien investieren, weil diese hoffnungslos überbewertet und der bevorstehende Absturz so extrem unübersehbar ist. Zudem bestärkt mich das Verhalten von Dr. Michael Burry, dem Mann, der die Finanzkrise von 2008 prophezeite. Der hat Tesla geshortet, also auf fallende Kurse des hoffnungslosen gehypten Unternehmens gesetzt. Und dennoch kann ich mich der Faszination nicht entziehen, die von Unternehmern wie Elon Musk, Jeff Bezos oder Mehmet Göker ausgehen. In der Tat: diese drei Persönlichkeiten sind sehr unterschiedlich und es fällt mir leicht zu unterscheiden, wer nur Phrasen drischt und leere Versprechungen macht, wenn es um den Amazon-Gründer und um den MEG-Boss geht. Aber mit Elon Musk ist es schwieriger. Es sind mehr als genügend beeindruckende Ergebnisse erzielt worden, sei es bei Pay-Pal, Space-X oder schlicht darin, sich selbst so überzeugend als Universalgenie zu inszenieren, dass Menschen ohne Sinn und Verstand Aktien kaufen, die gänzlich überbewertet sind. Wir haben offensichtlich das Bedürfnis nach Idolen, Helden und (Halb-)Göttern. Wir wollen uns über den tristen Alltag erheben oder zumindest erhaben fühlen.

Sie kennen weder Herrn Göker noch Herrn Musk? Gut. Denn so geht es mir mit vielen „Prominenten“, von denen ich noch nie gehört habe, neuen Popstars und Darstellern von TV-Serien etwa. Bei solchen Leuten fällt es mir leichter mir zu vergewissern, wie albern es ist irgendwelchen fremden Menschen mit fragwürdigen Talenten zu folgen, jeden ihrer Sätze zu feiern und zum Fan zu werden. Und dennoch hatte und habe auch mehr als genug Vorbilder und es gibt überreichlich Menschen, die ich richtig gut finde. Aber hat nicht doch Konfuzius einen guten Denkanstoß parat, wenn er und dazu rät, nicht anderen nachzueifern, sondern unseren eigenen Weg zu finden? Bevor der Text nun endgültig in eine Sonntagspredigt umschlägt, auf zum Kern der Sache. Wenn das Leben nicht zum tragikomischen Trauerspiel werden soll, dann ist es sehr hilfreich, zwar Rat von anderen einzuholen, aber dennoch so selbstsicher zu werden, zu den eigenen Entscheidungen zu stehen und das zu tun, was einem der eigene moralische Kompass rät.

„Also kommst Du nicht mit ins Kino?“, fragt mich mein Kumpel genervt.

„Nein, ich lehne alle Filme mit Til Schweiger ab“.

„Das hättest Du auch wirklich mit weniger Worten sagen können“.

Nun sitze ich allein zu Hause, zitiere halb verstandene Weisheiten chinesischer Philosophen und bin insgeheim doch neidisch auf die Elon Musks und Til Schweigers der Welt. Na ja. Einfach weiter tüfteln an meinem eigenen Mega-Spielfilm oder Start-Up. Bei mir hat’s bisher nicht zum Mars gereicht. Ich mag eh lieber Äpfel.
 



 
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