Der Wald Kapitel 1

Die erste Zigarette selbst drehen geht immer schief. So war es wenn man mit dem legalen Rauchen anfing. Ich selbst aber rauchte meine selbstgedrehten Zigaretten seit ich 15 Jahre alt war, und würde wahrscheinlich nie wieder damit aufhören. Jetzt bin ich 18, also volljährig, und wie viele andere Kids in meinem Alter weiß ich nicht wo mein Platz in der Gesellschaft liegt. Mein Vater war ein Polizist, allerdings nicht in einer Abteilung die als "cool" angesehen wurde, sondern in der Vermisstenabteilung. Da wir aber in einer kleinen abgelegenen Stadt mit gerade einmal 10.000 Einwohnern waren, kamen nicht so viele Fälle vor wo jemand tatsächlich verschwunden war. Die meisten Fälle handelten von älteren Menschen die aus dem Altersheim ausgebrochen waren, oder von aufmüpfigen Jugendlichen die sich für eine Nacht bei Freunden versteckten. Meine Mutter wurde in der Gesellschaft weiter unten eingestuft. Sie hatte damals, als sie mit mir schwanger war, ihre gesamte Arbeitskarriere aufs Eis gelegt, und kurz nach meiner Geburt wurde sie depressiv und fing an Drogen zu sich zu nehmen. Mein Vorbild? Das war mein Großvater. Er war früher Förster in unseren Wäldern gewesen, er war ein Waisenkind und schaffte es sich in der damaligen Gesellschaft einen Namen zu machen indem er eine ganze Gruppe Kinder aus dem Wald rettete. Das hatten mir zumindest meine Eltern gesagt. Während ich aufwuchs sah ich zu, wie mein Großvater sein eigenes kleines Café aufbaute und eröffnete. Für die vorbeifahrenden Truckfahrer, hatte er immer gemeint. Er wollte für die Menschen ein Ziel sein worauf sie sich freuen konnten.

Seufzend ließ ich mich auf die kleine Matratze auf meiner Fensterbank fallen und drehte mir eine Zigarette. Die Sommerferien hatten gerade erst angefangen, doch ich wusste dass ich keinerlei Lust auf mein letztes Schuljahr hatte. Denn man verlangte jetzt langsam dass ich mich entscheide was ich später für die Gesellschaft sein werde. Ein relativ angesehener Zivilist oder eine Person die von ihrem Partner abhängig ist. Eigentlich wollte ich frei sein. Dasselbe wie mein Großvater machen. Den Wald vor Menschen beschützen und die Menschen vor dem Wald beschützen. Aber mein Vater war dagegen. Er hatte tiefsten Respekt vor dem Wald, und sagte es wäre zu gefährlich für jemanden der gerade erst 18 geworden war. Deshalb passte die Vermisstenabteilung am besten zu ihm. Er war eher sanftmütig und vorsichtiger. Ich steckte mir die Zigarette in den Mund, öffnete das Fenster und ließ die trockene heiße Luft von außen hinein. Es war Hochsommer, also so um die 32 Grad, und normalerweise war jeder am schwarzen See. Aber meine Freunde waren alle nicht da, und neue wollte ich nicht suchen. Dafür hatte ich einfach keine Energie bei diesem Wetter. Eigentlich regnete es hier viel so dass die Luft ganz schwül war, nur dieses Jahr wollte es einfach nicht regnen.

Nachdem ich meine Zigarette fertig geraucht hatte, sah ich das Auto meines Vaters vorfahren. Ein schwarzer Mercedes 124 Coupé parkte vor unserer Garage und heraus trat mein Vater. Große Statur, ein paar Muskeln und eine Haut aus Ebenholz dass die Nachmittagssonne wiederspiegelte. Er sah hoch zu meinem Fenster und hob lächelnd eine Hand hoch. Ich stand auf und ging nach unten um ihn zu begrüßen. Michael Carter kam in unser Haus hinein, streifte seine Boots ab und gab meiner Mutter eine zärtlich liebe Umarmung. Meine nackten Füße tapsten über die Holzdielen auf ihn zu. "Hi, wie wars heute?", fragte ich als ich ihm seine Arbeitsjacke abnahm und aufhängte. Er grinste mich an und hob seine Hand zu einem Highfive. "Ich habe heute erneut ein Kind gesund und munter zu seinen Eltern zurückgebracht!", er grinste, offensichtlich total stolz auf sich selbst, und wartete dass ich einschlug. Mit einem Lauten Klatschen vereinten sich unsere Hände zu einem Highfive, und meine Laune besserte sich. Vielleicht gaben mir ja Mom's depressiven Schwingungen bad vibes..wer weiß. "Also was essen wir heute?" Michael, mein Vater sah meine Mutter aufmunternd lächelnd an. Josephine strich sich eine weißblonde Haarsträhne hinters Ohr und lächelte müde aber dennoch wenigstens ehrlich "Wie wäre es wenn wir heute mal in ein Restaurant gehen? Schließlich ist heute ein besonderer Tag." Sie zog langsam ihren blauen Cardigan aus, der ihre blasse Haut entblößte. Dad sah mich rätselnd an und begriff sofort. "Stimmt heute ist ja Grandpa's Birthday. Das können wir nicht einfach so mit seinem Tod beenden. Eine Legende wurde heute geboren und so wird das auch gefeiert!" Er lachte, und seine tiefe grollende Stimme ließ mich grinsen. Er war einfach der beste. er gab mir oder Mom Zeit für uns selbst wenn wir sie brauchten, kam zu uns wenn wir ihn brauchten und gab uns den Halt im Leben. Auch wenn ich nicht wusste was ich werden sollte, ich war mir sicher dass selbst dann, wenn ich obdachlos wäre, mein Dad mich nicht alleine lassen würde. Er ehrte selbst jetzt noch meinen geliebten Grandpa. Ich hob begeistert beide Daumen und grinste. "Du bist der beste Dad!", kam mir noch über die Lippen als ich schon wieder die Treppen hochrannte um mir eine frische Garderobe anzuziehen. Mein Blick wanderte von meinem Standspiegel zu meinem Kalender hinüber. Erster August 1987. Ich lächelte matt. Noch ein Monat Freiheit bis ich wieder an den Tisch gefesselt war und für eine unbestimmte Zukunft lernen musste. Ich streifte mir noch schnell eine Jeansjacke über und hastete wieder nach unten.

Da heute Grandpa's Birthday war, gingen wir auch in sein Café. Es waren relativ viele Menschen da, und die Klimaanlage funktionierte zum Glück wieder. Tatsächlich war eine kaputte Klimaanlage Grund für keine Kundschaft. Aber wenn ich ehrlich war würd ich auch ungerne bei 32 Grad einen Kaffee trinken oder ein Steak essen. Meine Grandma kam aus dem hinteren Teil heraus und schenkte einem fettleibigen alten Truckfahrer erneut Kaffee ein. Dann machte ihr Blick die Runde und blieb an uns hängen. Sie lächelte breit und kam hinter dem Tresen hervor um uns alle einmal fest zu drücken. Ihr Busen war größer als die Oberschenkel des fettleibigen Mannes, und das muss ja schon was bedeuten. Sie sah mich strahlend an und wuschelte mir durch die Haare. "Gut siehst du aus! Schade dass du heute nicht an den schwarzen See gekommen bist. Tommy Smith hat einen zweifachen Salto gemacht und war zwei Minuten komplett unter Wasser!" Ich grinste schief. Da hätte er auch bleiben sollen. Ich hasste Tommy, und meine Grandma verstand einfach nicht warum. Dabei war es simpel. Er machte vor Erwachsenen den lieben Typen, aber sobald man ihn nur schief ansah oder ihm kein Beifall schenkte, wurde er grimmig und fing an dein Leben zu sabotieren. So war es bei ihm und mir in der siebten Klasse. Er hatte im Wettlaufen gegen mich verloren und das hatte ihm gar nicht gepasst. Und als ich ihm ins Gesicht geklatscht hatte dass er einfach nicht so sportlich sei wie er gerne prahlt, hatte er mich drei Wochen lang mit seinen Kumpels nach Hause verfolgt und Steine und Müll nach mir geworfen. "Klingt ja ganz cool Grandma aber weißt du was ich lieber hören würde?" Sie musterte mich und legte den Kopf leicht schief :" Ja was denn?" Ich grinste und setzte mich mit meinen Eltern an den Tisch "Was wirst du uns heute leckeres zaubern?" Wissend hob sie den Zeigefinger und legte eine stolze Pose ein. "Heute steht unser Familiengericht auf dem Speiseplan. Gurkengemüse als Vorspeise, Steak mit Gartenkartoffeln als Hauptspeise und selbstgemachtes Himbeersorbet als Nachtisch!" Ich lachte leicht und sah in ihr moppeliges Gesicht. "Willst du mich danach schlachten? Danach bin ich ja dicker als ein Elefant!", lachte Dad und streichelte sanft über die Hand meiner Mom, während er Grandma verschmitzt ansah. Ich hatte vielleicht nicht die mental Stabilste Familie. Aber ich hatte eine, die mir das Gefühl gab willkommen zu sein. Ich fühlte mich wohl hier. In dieser kleinen Stadt, mit dem kleinen See und dem Wald der perfekt für Wanderungen war. Hier spürte ich wahrscheinlich die größte Freiheit, denn sobald ich einer größeren Stadt zu Nahe kam fühlte ich mich als würde man mich zusammenfalten. Meine Gedanken schweiften langsam zu dem See über. Ich liebte es zu schwimmen, allerdings nur komplett alleine oder im Dunkeln wenn man mich nicht erkennen konnte. Mein Blick wanderte auf meinen Unterarm, der ein kleines Muttermal in Form eines Halbmondes abgezeichnet hatte. Das komische daran war, dass meine dunklen Sommersprossen den großen Wagen auf der Innenseite meines Unterarms abbildeten. Er war ein Sternzeichen an dem ich mich in der Dunkelheit immer orientierte. Ich schüttelte leicht den Kopf und sah meinen Eltern zu, die sich ausnahmsweise normal unterhielten, und hielt das für einen Segen Grandpa's.


Hier endet nun das erste Kapitel von meiner kleinen Geschichte. Wenn ihr möchtet könnt ihr gerne eure Kritik hier äußern :)
Wattpad : Name: MinaChocolate Buchtitel: Der Wald
 



 
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