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Die Stimmung bei der Präsentation der neuen Modekollektion war wie so oft von Inspiration geprägt, der Rahmen in den exklusiven Galerieräumen einer Pariser Nobelmarke dazu passend. Bis eben hatten die Designer und das gesamte Team diesem Moment entgegengefiebert, der Öffentlichkeit die Ergebnisse ihrer intensiven Arbeit in einer von kreativem Adrenalin gesteuerten Atmosphäre vorgestellt. Nach einem Augenblick der Reflexion über die Entwicklung der Modebranche ging man zum Feiern über, wieder begann eines der rauschenden Feste dieser schillernden Zunft. Ein Event, das sich auch in der Öffentlichkeit großer Aufmerksamkeit erfreut; denn hier versammelten sich die sogenannten Schönen und Reichen, um sich, oft selbstverliebt, auch nach außen hin darzustellen, und in diesem Rahmen ein glamouröse Fest zu feiern. Unter ihnen ein erfolgreicher, mehrfach ausgezeichneter Modemacher, der sich an diesem Tag in für ihn untypischer Weise zurückhielt. Zustimmung und Applaus, das alles hatte er bislang stets genossen, für ihn fühlte es sich an dieser Stelle nun bedeutungsarm, fast blutleer an. Grundlegende Zweifel an einer sinngebenden Ausübung des Berufs des Modedesigners beschäftigten ihn schon seit geraumer Zeit. Er wollte an diesem Punkt nicht mehr Teil einer speziellen Menge sein, eines Konstrukts, das sich häufig als aufgeblähtes Kollektiv einer Scheinwelt darstellt. Der erfolgreiche Modedesignkünstler fühlte sich gefangen in einer Rolle, in der er in einer Blase, bestehend aus Stoffen, Farben und Mustern, lange Zeit gelebt hatte. Nur, es war schwierig, aus dem wohligen Dämmerzustand des Kollektivdenkens herauszukommen; als kreativer, um Aufmerksamkeit buhlender Künstler hatte er sich in diesem Umfeld eingerichtet, Eitelkeit war ihm nicht fremd. Ob die Ursache für seine neuerlichen Denkansätze an der Rückbesinnung auf die Herkunftsregion seiner Vorfahren, dem Maghreb, begründet lagen, konnte nicht einmal er selbst sagen. Er sah nur eine Möglichkeit, Abstand zu gewinnen: Er würde sich zurückziehen müssen. Als er sich mit einem Zurück zum Ursprung von seinem Umfeld verabschiedete, blickte er in überwiegend verständnislose Gesichter, etliche Kollegen bedachten ihn gar mit Spott.
Das erste Ziel seiner Reise, Marokko, hatte er den Kollegen verschwiegen, er wollte sich niemandem im Detail erklären. Dort im Land seiner Ahnen am Leben der einheimischen Menschen teilzunehmen, das erschien ihm reizvoll. Allein die Atmosphäre in der Altstadt von Marrakesch, seiner ersten Station, insbesondere in der pittoresken Medina, in der er nun häufig in den engen, gewundenen Gassen schlenderte, überwältigte ihn. Diese faszinierende Aura, geprägt von dem Mit- und Durcheinander der Straßenhändler, Musiker und Gaukler zwischen den Fassaden traditionell gestalteter Häuser, fing ihn ein, er wurde bald Teil dieser Szenerie. Aber selbst hier hatte er noch den Blick eines den Trend bestimmenden Modemachers mit Expertise, wenn er mit Wohlgefallen auf die Kleidung der Einheimischen blickte, wie sie sich in ihren traditionellen Djelabas und ähnlichen Kleidungen mit respektvollen Schick in ihrem Alltag bewegten. Auf den zweiten Blick erschien ihm diese Art von Bekleidung jedoch bereits ein Stück weit von Ursprünglichkeit entfernt. Als Designer registrierte er hier schon einen Einfluss der Moderne auf etliche der einheimischen Kollektionen, was bald ein tiefer gehendes Interesse an dieser Art von Kleidung schwinden ließ. Und er verspürte erneut den Drang, sich weiter aus den gewohnten Denkansätzen zu entfernen, hin zu mehr Originärem.
In Djebel Irhoud, seiner nächsten Station, einer archäologischen Stätte nordwestlich von Marrakesch, wurde auf diese Weise der frühere Trendsetter und Modeschöpfer zum ersten Mal in seinem Leben direkt mit der Bedeutung der menschlichen Evolution von deren Anfang her direkt konfrontiert. Fernab von jeder modischen Attitüde bildete er sich hier ein Bild von der Erscheinungsform der frühen Menschen, seine kreativen Ambitionen wurden hier in völlig neue, anthropologisch inspirierte Bahnen gelenkt. Waren es bisher Formen und Farben an heutigen Menschen gewesen, die ihn faszinierten, so wurde nun der Wunsch in ihm erweckt, sich Accessoires an menschlichen Frühformen vorzustellen. Um dieses zu vertiefen, zog es ihn zum Ursprungsort der Spezies Homo sapiens, ins östliche Afrika und später weiter in den Süden des Kontinents, wo Gruppen von Menschen noch bis in die Gegenwart fast wie ihre Urahnen leben. Ohne es zu realisieren, befand er sich damit auf dem Migrationsweg der ersten Menschen – nur in umgekehrter Richtung.
Der Lebensraum von heutigen Buschmännern im südlichen Afrika war das erklärte Ziel, an den Rändern der Wüste Kalahari im Grenzgebiet von Botswana, Namibia und Südafrika gelegen. In einer dortigen Siedlung fand er Zugang zu einer traditionell lebenden Gemeinschaft. Zunächst als Beobachter, später als Beinahe-Mitglied einer hier siedelnden Sippe, kam er der Kultur und den Gebräuchen so nahe, wie es einem modern geprägten Menschen nur möglich sein kann. Er entwickelte ein Gespür für deren Rituale und Zeremonien, wobei sein größtes Interesse den Darstellungen ihrer ursprünglichen Kunst, der Felsmalerei, galt. Hier erkannte er vom Ursprung her, dass Darstellungen von Kunstwerken mehr als Dekoration sind, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtkunstwerks Mensch - dies alles unter Menschen bei denen Äußerlichkeit der Zweckmäßigkeit untergeordnet ist. Den ultimativen Schritt, hin zu einem stationären Leben in diesem archaischen Umfeld, vollzog er allerdings nicht, nicht aus Mangel an empathischen Interesse, sondern aus Respekt gegenüber der hier praktizierten Lebensform, deren Darstellung sich in ihrer minimalistischen Schönheit durch Ästhetik ausdrückt, welche er ehrlicherweise nie verinnerlicht hatte. Das Eintauchen in diese Welt fühlte sich für ihn wie ein kreativer Reset an; die Aura eines durch Mode definierten Menschen wirkte allerdings noch eine Zeitlang in seinem Inneren nach.
Das erste Ziel seiner Reise, Marokko, hatte er den Kollegen verschwiegen, er wollte sich niemandem im Detail erklären. Dort im Land seiner Ahnen am Leben der einheimischen Menschen teilzunehmen, das erschien ihm reizvoll. Allein die Atmosphäre in der Altstadt von Marrakesch, seiner ersten Station, insbesondere in der pittoresken Medina, in der er nun häufig in den engen, gewundenen Gassen schlenderte, überwältigte ihn. Diese faszinierende Aura, geprägt von dem Mit- und Durcheinander der Straßenhändler, Musiker und Gaukler zwischen den Fassaden traditionell gestalteter Häuser, fing ihn ein, er wurde bald Teil dieser Szenerie. Aber selbst hier hatte er noch den Blick eines den Trend bestimmenden Modemachers mit Expertise, wenn er mit Wohlgefallen auf die Kleidung der Einheimischen blickte, wie sie sich in ihren traditionellen Djelabas und ähnlichen Kleidungen mit respektvollen Schick in ihrem Alltag bewegten. Auf den zweiten Blick erschien ihm diese Art von Bekleidung jedoch bereits ein Stück weit von Ursprünglichkeit entfernt. Als Designer registrierte er hier schon einen Einfluss der Moderne auf etliche der einheimischen Kollektionen, was bald ein tiefer gehendes Interesse an dieser Art von Kleidung schwinden ließ. Und er verspürte erneut den Drang, sich weiter aus den gewohnten Denkansätzen zu entfernen, hin zu mehr Originärem.
In Djebel Irhoud, seiner nächsten Station, einer archäologischen Stätte nordwestlich von Marrakesch, wurde auf diese Weise der frühere Trendsetter und Modeschöpfer zum ersten Mal in seinem Leben direkt mit der Bedeutung der menschlichen Evolution von deren Anfang her direkt konfrontiert. Fernab von jeder modischen Attitüde bildete er sich hier ein Bild von der Erscheinungsform der frühen Menschen, seine kreativen Ambitionen wurden hier in völlig neue, anthropologisch inspirierte Bahnen gelenkt. Waren es bisher Formen und Farben an heutigen Menschen gewesen, die ihn faszinierten, so wurde nun der Wunsch in ihm erweckt, sich Accessoires an menschlichen Frühformen vorzustellen. Um dieses zu vertiefen, zog es ihn zum Ursprungsort der Spezies Homo sapiens, ins östliche Afrika und später weiter in den Süden des Kontinents, wo Gruppen von Menschen noch bis in die Gegenwart fast wie ihre Urahnen leben. Ohne es zu realisieren, befand er sich damit auf dem Migrationsweg der ersten Menschen – nur in umgekehrter Richtung.
Der Lebensraum von heutigen Buschmännern im südlichen Afrika war das erklärte Ziel, an den Rändern der Wüste Kalahari im Grenzgebiet von Botswana, Namibia und Südafrika gelegen. In einer dortigen Siedlung fand er Zugang zu einer traditionell lebenden Gemeinschaft. Zunächst als Beobachter, später als Beinahe-Mitglied einer hier siedelnden Sippe, kam er der Kultur und den Gebräuchen so nahe, wie es einem modern geprägten Menschen nur möglich sein kann. Er entwickelte ein Gespür für deren Rituale und Zeremonien, wobei sein größtes Interesse den Darstellungen ihrer ursprünglichen Kunst, der Felsmalerei, galt. Hier erkannte er vom Ursprung her, dass Darstellungen von Kunstwerken mehr als Dekoration sind, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtkunstwerks Mensch - dies alles unter Menschen bei denen Äußerlichkeit der Zweckmäßigkeit untergeordnet ist. Den ultimativen Schritt, hin zu einem stationären Leben in diesem archaischen Umfeld, vollzog er allerdings nicht, nicht aus Mangel an empathischen Interesse, sondern aus Respekt gegenüber der hier praktizierten Lebensform, deren Darstellung sich in ihrer minimalistischen Schönheit durch Ästhetik ausdrückt, welche er ehrlicherweise nie verinnerlicht hatte. Das Eintauchen in diese Welt fühlte sich für ihn wie ein kreativer Reset an; die Aura eines durch Mode definierten Menschen wirkte allerdings noch eine Zeitlang in seinem Inneren nach.