Der weiße Mann Georg

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Mr.Green

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Georg wurde einberufen. Ein Fürst hatte einen anderen Fürsten beleidigt und nun gab es Krieg. Als dieser Konflikt zu Ende war, kam Georg von einem Heer in ein Anderes. Und wieder ging es in die Schlacht gegen einen anderen Fürsten. Nach Jahrzehnten wurde Georg entlassen und er ging in sein Heimatdorf zurück. Ein junger Mann mit dunklen Haaren war in den Krieg gezogen, und nun kehrte ein alter Mann mit grauem Haar nach Hause zurück. Jedoch gab es das Zuhause nicht mehr. Der Krieg hatte es verschlungen. Mutter, Vater, Nachbarn – alles Attribute an das blutige Spiel der Herrscher.
Georg hatte genug vom Krieg, von Fürsten, von einer Welt, die ihm vorschrieb, was er zu sein hat und was nicht. Sollte er nicht Soldat sein, um sein Land zu verteidigen? Hat nicht so gut geklappt.
Reisen war er gewöhnt, und so ging er weiter und weiter und weiter. Er kam in eine Bergregion. Dünn besiedelt, ein kleines Dorf am Fuße des Berges. Keiner kannte ihn, und er wollte niemanden kennen. Er kaufte ein Stück Land auf einem Berg und errichtete sich dort eine einfache Hütte. Georg wollte von der Welt und den Menschen, insbesondere, nichts mehr wissen. Ruhe und Frieden bis zum langen Schlaf.

Eines Tages wurde Georg von einem infernalen Geläute geweckt. Ein junger Schafhirte war mit seinen schwarzschnauzigen Schafen auf die Wiese bei der Hütte gezogen. Die Schafe hatten alle Glöckchen um den Hals, um nicht verloren zu gehen. Des Schäfers Großvater sowie Vater nutzten diese Wiese, um ihre Tiere im Sommer grasen zu lassen, und so tat es der junge Mann seinen Vorfahren gleich. Dass nun eine Hütte auf dieser Wiese stand, störte die Schafe ja nicht.

Als Georg es nicht mehr aushielt und seine natürliche Stille wieder haben wollte, sprang er von seinem Strohlager. Straffer Rücken, grimmiger Blick, angespannte Arme, den großen Wanderstock dazu, im langen Nachthemd, und auf zu dem Friedensstörer. Dieser saß jedoch deprimiert und zusammengesunken auf einem Felsen. Eher eine mitleidige Person als ein Ziel des Zorns.
„Hey du!“, rief Georg, „deine Tiere stören meine Ruhe und mein Denken.“ Der junge Schäfer sah auf und er hätte einen Mann mit grauen Haaren, grauem langem Bart, grauen buschigen Augenbrauen, einem viel zu großen Wanderstock und einem wirklich nicht mehr weißen Nachthemd gesehen. Jedoch fiel die Sonne blendend vom Himmel und ließ Georg in strahlendem Weiß leuchten.
„Oh, weißer Mann, ich suche nach einem Rat für mein Leben“, kam es gequält vom Schäfer.
„Und dann suchst du hier?“, fragte Georg und dachte, was hab’ ich von dieser Gegend erwartet.
„Ich begehre ein Mädchen, die niemals einen Schäfer heiraten will. Als einfacher Schäfer und Sohn eines Schäfers gelte ich als arm, daher bleibt mir diese Frau verwehrt.“
Was interessiert mich das, dachte Georg. Mich interessiert, wie du so schnell wie möglich wieder verschwindest. „Hast du das Mädchen deiner Träume gefragt, was sie will?“
„Was sollte das bringen? Ihr Vater bestimmt, wen sie heiraten soll“, sagte der Schäfer.
„Sie wird ja sagen, wenn du sie fragst, und wenn sie nein sagt, bist du dieses "vielleicht" los“, entgegnete Georg.
„Sie wird ja sagen?“, des Schäfers Unterton brachte verzweifelte Hoffnung zum Ausdruck.
Woher soll ich das wissen, dachte Georg, Hauptsache du verschwindest und nimmst diese Kakophonie mit dir.
„Auf jeden Fall weißt du es dann. Aber du musst schnell aufbrechen, dass sie nicht von Anderen zuerst gefragt wird. Das Glück ist mit den Mutigen. Und nimm eine Blume mit“, sagte Georg und dachte: Geh bitte weg.
Der Schäfer sprang auf, seine Verzweiflung war der „fast sicher“-Hoffnung gewichen. Er bedankte sich, sammelte seine Schafe, pflückte eine Blume und begann den Abstieg Richtung Dorf.
Endlich wieder Ruhe und Frieden bis zum langen Schlaf.


Ein paar Tage später schreckte Georg hoch. Ein lautes Gebimmel hallte über die steile Bergwiese.
Wütend erhob er sich von seinem Lager, straffer Rücken, grimmiger Blick, angespannte Arme, den großen Wanderstock dazu, im langen Nachthemd, und auf zu dem Friedensstörer.
Eine junge Frau stand mit einer großen Glocke auf der Wiese und läutete mit aller Kraft.
„Hey du!“, rief Georg, „dein Läuten stört meine Ruhe und mein Denken.“
Die Frau hörte auf zu läuten, sah Georg hilfesuchend an und sagte:
„Oh, weißer Mann auf dem Berg, ich suche deinen Rat. Ein Mann, den ich liebe, hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten will. Leider ist dieser nur Schäfer und mein Vater will mich nicht so arm verheiraten. Allerdings liebe ich ihn und möchte mit ihm mein Leben verbringen. Er ist auch auf den höchsten Gipfel geklettert um mir die schönste Blume des Berges zu pflücken.“
Wollt ihr mich eigentlich verarschen, dachte Georg.
„Verkauf die Schafe und mach einen auf Stoffhändler oder so. Ihr zwei braucht ja einfach nur Geld, wenn es um Reichtum geht“, antwortete Georg. Gleichzeitig dachte er, wenn ich das richtig angehe, werden keine Schafe mehr meinen Schlaf stören.
Die Augen der Frau leuchteten, „Ich mag Stoffe und er kennt Wolle, das ist eine großartige Idee. Ich danke dir, oh weißer Mann. Ich habe dir etwas Brot, als Dank, mitgebracht.“ Daraufhin kniete sie sich hin und legte das Brot auf den Stein, auf dem der Schäfer ein paar Tage vorher gesessen hatte. Als sie aufsah, fiel die Sonne strahlend auf Georg und ließ ihn wieder im strahlenden Weiß erleuchten.
Glücklich und fast tanzend begab sie sich auf den Rückweg Richtung Dorf.
Was ist nur mit den jungen Leuten los, dachte Georg, nahm sich das Brot und ging zurück zur Hütte. Aber ich bin die Schafe los geworden.
Endlich wieder Ruhe und Frieden bis zum langen Schlaf.


Ein paar Tage später schreckte Georg hoch. Ein lautes Gebimmel hallte über die steile Bergwiese.
Wütend erhob er sich von seinem Lager, straffer Rücken, grimmiger Blick, angespannte Arme, den großen Wanderstock dazu, im langen Nachthemd, und auf zu dem Friedensstörer.
Dieses Mal werde ich schreien und toben, auf dass ich nie wieder gestört werde.
Ein Bär von einem Mann stand neben dem Stein, den der Schäfer als Sitz verwendet hatte, und läutete mit einer großen Glocke.
Wenn ich den anschreie, hab ich meinen endlosen Schlaf, oh je, dachte Georg.
Stattdessen sagte er sehr vorsichtig: „Dein Läuten stört meine Ruhe und mein Denken.“
„Oh, weißer Mann auf dem Berg, ich suche deinen Rat“, sagte der große Mann.
Was ist nur mit diesem Ort los, dachte Georg.
„Ich wurde in jungen Jahren für die Armee unseres Fürsten gemustert. Nun bin ich zurück und alles, was ich kann, ist das Handwerk des Todes. Eine Fähigkeit, die hier weniger benötigt wird. Ich weiß nicht weiter, was soll ich tun? Ich habe dir eine Wurst mitgebracht, bitte verzeih diese armselige Gabe, aber ich habe nicht mehr.“
Georg nahm die Wurst, teilte sie in zwei Hälften und besah sich das Innere. Die Wurst enthielt viele undefinierbare Teile, die nicht in eine Wurst gehörten. Und sowieso hasste er Wurst als Essen. Laut sagte er dann: „Ihr habt aber einen schlechten Metzger.“ Danach verstand er, dass er gerade die Wurst des sehr großen, sehr muskulösen Mannes beleidigt hatte. Im Krieg wäre das genug gewesen, um manch einen sein Schwert ziehen zu lassen. Ängstlich blickte er den Hünen an. Doch statt Wut sah er ein Leuchten in seinen Augen.
"Oh, weißer Mann, du hast recht, ich könnte Metzger werden und so meinen Platz im Leben finden. Ich werde allen sagen, dass du nicht mehr die dreckige, schlechte Wurst des alten Metzgers akzeptieren wirst.“
Ungläubig starte Georg den Hünen an und antwortete: „Ja, genau ich hasse Wurst.“
„Ich danke dir“, sagte der Bär auf zwei Beinen, drehte sich um und ging bergab Richtung Dorf.

Ein Tier in seinen eigenen Darm schieben, was stimmt nur nicht mit den Menschen, dachte Georg
Endlich wieder Ruhe und Frieden bis zum langen Schlaf.


Ein paar Tage später schreckte Georg hoch. Ein lautes Gebimmel hallte über die steile Bergwiese.
Wütend erhob er sich von seinem Lager, straffer Rücken, grimmiger Blick, angespannte Arme, den großen Wanderstock dazu, im langen Nachthemd, und auf zu dem Friedensstörer.
Ein älterer Herr stand neben dem Stein, den der Schäfer als Sitz verwendet hatte, und läutete mit einer großen Glocke.
„Oh, weißer Mann auf dem Berg, ich suche deinen Rat. Ich war Metzger bis vor ein paar Tagen. Dann kam ein Hüne und sagt, ich sei ein schlechter Metzger und er werde nun der Metzger des Dorfes sein. Ich war wahrlich nicht gut, und mein Mitleid ließ mich bei jedem Tier neu leiden. Was soll ich nun tun?“


Ein paar Jahre später hatte sich ein Trampelpfad zu der Hütte gebildet. Seit der Tuchhändler es zu einem guten Auskommen gebracht hatte, wurde das Dorf reicher. Zudem wurden die Anwohner auch seltener krank, seit der neue Metzger den alten abgelöst hatte. Dadurch war auch genug Geld da, um den Pfad ,zu Georg, zu einem befestigten Weg auszubauen, so dass auch ältere Leute sich Rat holen konnten. Wenn Fremde in den Ort kamen, um zum weißen Mann auf dem Berg zu gehen, lautete die Anweisung: Geh auf die Bergwiese, stell dich neben den Stein, der auch ein guter Sitz sein könnte. Aber setz dich nicht darauf, denn der Weiße mag das nicht. Auf diesen Stein musst du deine Opfergaben legen, auf dass er dir einen Rat gibt. Doch legst du zu wenig auf den Stein, wird er dir einen schlechten Rat geben, und Schimpf und Schande werden dir folgen. Am liebsten mag er Wurst und weißen Tücher.


Georg indes hatte sich ein Lager gebaut, um die ganzen Tücher irgendwo unterzubringen und die Wurst an die Balken hängen zu können. Denn aus seiner Sicht könnte nicht mal eine große Familie so viel Essen und so viele Kleider nähen, um diese Menge an Stoff und Wurst loszuwerden.


Georg hatte nie verstanden dass die Leute immer nur bei schönen Wetter den Berg bestiegen und die Sonne ihn immer in strahlenden weiß erscheinen leis. Er musste auch schon „Jünger“ ablehnen, die von seiner Weisheit lernen wollten. Als Georg dann antwortete: „Ich habe keine Weisheit“, dachten alle: „Und bescheiden ist er auch noch…“

Und wenn sie nicht gestorben sind, nerven sie Georg noch heute.
 



 
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