Nebukadnezar II
Mitglied
Die Angesehene
Sie hatte den Weg schon fast geschafft, in der Ferne sah sie schon die Stadt, in der ihre Freundin und Verwandte wohnte. Die Kunde von deren Schwangerschaft war wie ein Lauffeuer durchs Land gegangen, nach dem sie zwar schon lange verheiratet, aber ohne ein Kind geblieben war. Nun aber hatte zuerst ihr Mann Zacharias eine spirituelle Erfahrung, welche ihm die Stimme geraubt hatte und nun diese verspätete Schwangerschaft.
Aber das war nicht die einzige seltsame Schwangerschaft. Es gab eine noch viel geheimnisvollere Schwangerschaft, nämlich die ihre. Auch sie hatte eine spirituelle Erfahrung, ein Engel war ihr erschienen und sprach von ihrer anstehenden Schwangerschaft. Ihr waren die möglichen Konsequenzen nicht ganz klar gewesen als sie ihr „Ich bin die Sklavin des Herrn, mir geschehe nach seinem Willen“ gesprochen hatte. Es gab zwei Möglichkeiten was ihr passieren könnte. Die für sie günstige Variante wäre, dass ihr Verlobter Josef sie verlassen würde, ohne großes Aufsehen. Zwar würde sie dann nicht den Vater ihres Kindes heiraten können. Das war der Ewige, so seltsam das auch immer klingen mag. Sie würde dann Alleinerziehende in ihres Vaters Haus sein. Später würde es vielleicht besser werden, wenn ihr Sohn den Thron Davids wieder errichten würde. Doch die Jahre, bis es so weit war, die würden hart und bitter werden. Die Zweite Möglichkeit war, dass Josef sie öffentlich anklagen würde. Niemand würde ihr ihre Geschichte glauben und sie vor dem Sanhedrin verteidigen wollen. Sie würde zum Tode verurteilt, würde an ein Kliff geführt, hinuntergestoßen und mit einem großen Felsstein erschlagen werden. Keine der beiden Möglichkeiten versprach ein Leben in Reichtum, Ruhm und Ehre.
Schon so oft war sie in ihrem Kopf diese Möglichkeiten durchgegangen. Sie merkte gar nicht, dass sie die Stadttore erreicht hatte. Die Zöllner am Tor ließen sie schnell passieren. Sie hatte nicht viel, um Steuern und Abgaben zahlen zu können. Sie kannte den Weg zur Tür ihrer Freundin im Schlaf und merkte nicht, dass sie schon bald an ihrem Ziel war. „Josef! Wenn doch nur ihr Josef ihr glauben würde!“
Das waren ihre Gedanken als sie Elisabeth hörte: „Grüß dich Maria! Mit deinem Kind muss es etwas besonderes sein, denn ich fühlte die ersten Bewegungen meines Kindes als du hierhergekommen warst. Dein Kind muss göttlich sein! Aber du siehst hungrig und müde aus. Komm mal rein und iss etwas.“ Gerne folgte Maria dieser Einladung. Beim Esstisch ließ sich viel besser reden und beratschlagen. Vielleicht hatte Elisabeth einen Trost für sie.
Nachdem Maria erzählt und ihre Überlegungen offenbart hatte, sagte sie: „Egal was auch geschieht, überall gibt es nur Gefahr, Elend und Schande. Und interessiert sich Gott dafür?“
Elisabeth legte eine Hand auf den Bauch Mariens und die andere Hand auf Ihren. Sie sah Maria lange an, dann seltsam in die Ferne. Endlich richtete sie das Wort an Maria:
„Wenn ich dich sehe und höre, dann fällt mir eine Geschichte aus unserer Tora ein. Da war unser Vater Abram und seine Frau Sarai, beide waren hochbetagt und leider kinderlos. Gott hatte ihnen versprochen, dass sie ein großes Volk werden sollten. Doch wie sollte das gehen, ohne einen Sohn? Sarai erinnerte sich an das Gesetz ihres Heimatlandes im Zweistromland. Wenn ein Paar kinderlos war und sie Kinder haben wollten, dann konnte der Mann, im Wissen seiner Frau, mit einer Sklavin schlafen. Wenn sie schwanger geworden war, und die Zeit der Geburt kam, so war die Ehefrau bei der Geburt dabei und präsentierte das Kind als ihr Kind und als Erbe des Mannes. Sie hatte eine junge Sklavin aus Ägypten, welche für diesen Zweck gut genug war. Sie zwang diese Sklavin, Hagar, in das Bett ihres Ehemanns, der sie beschlief. Endlich wurde die Nachricht laut, dass Hagar schwanger war. Endlich war diese Schmach der Kinderlosigkeit vorbei. Alles lief nach Plan.
Was nicht nach Plan lief, das war diese Hagar, welche ihren Babybauch immer in die Blickrichtung ihrer Herrin hielt, als wollte sie sagen: ‚Sieh an, was du nie selbst werden kannst!‘ Die Herrin gab ihr die niedrigsten Aufgaben, keine schweren Sachen, da sie die Schwangerschaft nicht gefährden wollte, aber sehr demütigende Aufgaben, wie die Latrine putzen, Füße waschen und ähnliches.
Hagar war noch nie gesprächig gewesen, aber sie wurde noch stiller. Sie wurde hier als Gebärsklavin missbraucht, musste diesen alten Mann in sich dulden, musste es dulden, dass diese fremde Frau IHR Kind als ihres erklärte und sollte wenig bei der Erziehung ihres Sohnes zu sagen haben. Und wenn sie eine Tochter gebären sollte, würde sich dann diese Demütigung wiederholen? So konnte sie nicht leben, so wollte sie nicht leben. So ein Existenz konnte sie überall haben, und sterben war bestimmt für sie und ihr Kind besser als in diesen Verhältnissen am Leben sein zu müssen.
Eines späten Abends ergatterte sie sich einige volle Wasserschläuche, und verließ heimlich das Lager. Die Männer waren bei ihren Frauen oder beim Wein und bemerkten sie gar nicht, wie sie aus dem Lager schlich. Endlich war sie allein und fühlte sich fast ein wenig frei. Sie lief in Richtung Südwesten, in ihre ehemalige Heimat Ägypten. Sie war zwar auch dort Sklavin, aber wenigstens kannte sie sich da etwas aus. Sie nahm einen Schluck aus dem Wasserschlauch. Es war leider schon ihr letzter Schlauch, und auch dieser neigte sich dem Ende zu. Sie sah sich um und bemerkte eine Hecke, hier in der Wüste. Sie bot wenigstens einen Hauch von Schatten. Hier würde sie sich ausruhen, den letzten Schluck trinken und dann auf den, vielleicht, gnädigen Tod warten.
Doch was war dies? Sie hörte deutlich ihren Namen gerufen. Sie sah sich um, doch sie konnte keinen Menschen entdecken. Und wieder hörte sie deutlich ‘Hagar, Hagar’ gerufen. Sie setzte sich auf, damit sie besser umhersehen konnte. Und zum dritten Mal der Ruf ‘Hagar, Hagar.’ Sie rieb sich die Augen. Sie wusste von Irrspiegelungen in der Wüste, doch dass es hier Stimmen ohne Menschen gab, das war ihr neu. Die geheimnisvolle Stimme fuhr mit der Frage fort: ‘Woher kommst du? Und Wohin willst du?’ Das war genau ihre Fragen: Woher und Wohin? Das Woher war die katastrophalen Zustände bei ihrer Herrin. Dahin wollte sie nicht zurück. Das Wohin aber war auch nicht verlockender, es war entweder eine weitere Sklavinnen Existenz oder der Tod. Aber wenn es hier eine Stimme gab, dann vielleicht auch ein Gehör. Also erzählte sie in das Leere hinein. Sie erzählte von Sarai und Abram, von ihrem Kind und wie sie missbraucht wurde. Es tat gut, dass so laut auszusprechen. Es befreite sie, zu mindestens etwas.
‘Hagar, Du bist nicht vergessen und verlassen. Wenn die Umstände auch schrecklich sind, ich, der Gott deiner Herrschaften, ich bin auch für dich und dein Kind da und stärke dich. Geh zurück zu ihnen. Sie sind zur Zeit der beste Schutz für dich und dein Kind. Ich bin bei dir und stärke dich. Dein Kind wird dir gehören und zu einem großen Volk werden. Die beiden älteren Herrschaften werden schon noch zu ihrem Erben kommen, auch ohne Missbrauch. Du aber, bei ihnen seid ihr versorgt und ich bin mit dir und deinem Kind. Ich sehe nach euch.’
Endlich wusste sie wer da redete, es war der Gott Abrams, ‘der Gott, der genügend ist’, El Schaddai. Er ist nicht nur der Gott der Herrschenden, sondern auch der Gott der Sklavinnen.
‚Hagar, sie hier ist eine Quelle. Trinke und füll die Wasserschläuche für den Weg wieder zurück. Sei voller Zuversicht und geh aufrecht! Ich bin mit dir, auch auf dem Weg zurück, auch bei den Sticheleien deiner Herrin. Ich bin treu und steh zu dir und zu deinem Kind, egal was kommt. ’
Hagar sah sich um und fand eine kleine Quelle. Sie suchte einige Steine und legte einen Ring um den Quelltopf. Nun trank sie und füllte die Wasserschläuche für den Rückweg. Sie fühlte, dass es angemessen war, sich hinzuknien und El Schaddai diese Quelle und ihre Zukunft zu weihen. Sie nannte die Quelle ‘Hier begegnete mir der Gott, der mich ansieht. ’ Sie stand auf und machte sich auf den Weg. In ihren Widerwillen gegen ihre Herrin mischte sich die Zusage, nun auch ihres Gottes. Als sie von Ferne die Zeltstadt sah, zog sie ihr Kleid fester zusammen und richtete sich auf. Sie war hier auf Gottes Geheiß und somit seine Botschafterin. Sie war zwar weiter die Sklavin, aber auch die Dienerin El Schaddais. Sarai nahm sie in Empfang. Hagar war darauf vorbereitet, nun eine ordentliche Tracht Prügel zu beziehen, oder eine strenge Strafrede. Doch Sarai war voller Sorge. ‘Wo warst Du? Warum bist du weggelaufen? Hast du nicht bedacht, dass wir uns Sorgen machen würden? Versetz uns nie wieder in einen solchen Schrecken! Hörst Du! Hier setz dich und iss! Und niemals wieder abhauen!’
Hagar sah nach oben und nickte. Ihre Herrin als Mutter? Nein, das konnte sie sich nie vorstellen. Sie war eine Herrin und würde das auch immer bleiben. Aber sie hatte ja den Gott, der sie ansieht auf ihrer Seite. Das überwog alles. Sie setzte sich, nahm ein Fladenbrot und aß.“
„Und, du, Maria, folge ihrem Beispiel und iss auch, greif zu.“ Maria nahm ein Stück Fladenbrot, tunkte einen abgerissenen Teil in eine Soße und führte ihn zum Mund. Das tat so richtig gut, wie auch die Geschichte. Der Gott Israels war bei ihr und allem was sie betraf. Er würde für sie und ihr Kind sorgen. Er ist treu und konnte eine Mutter und ihr Kind durchbringen, ihm war das nicht zu schwer.
Sie blieb bei Elisabeth und hörte noch weitere Geschichten aus der Tradition ihres Volkes. Das würde sie ihrem Sohn dann auch erzählen. Sie schrieb auch ein Gedicht für ihren Gott, den Vater ihres Kindes. Irgendwie wusste sie, dass sie nicht gesteinigt werden würde. Das nicht, aber was dann?
Nach dem das Kind Elisabeths beschnitten war, machte sie sich auf dem Heimweg. Immer wieder stellte sie sich gerade hin und sah in dem Himmel. Nicht dass sie meinte, dass der Gott Israels über den Wolken wohnen würde. Aber es war so ein geheimes Zeichen. Auch sie war eine Angesehene Gottes, eine Person mit Ansehen. Gott würde für sie sorgen, keine Zweifel ließ sie da heran.
Endlich sah sie ihre Heimatstadt, eher ein Kaff. Ihr Bauch war viel deutlicher schwanger. Da war es sehr schwierig dies zu verstecken. Das würde noch viel mehr für Gesprächsstoff sorgen. Wenn sie nur wüsste, wie ihr Josef zu ihr stand. War er noch ihr Josef? Da sah sieh ihn, wie er aus dem Haus trat. Er war ein muskulöser Mann, einer vom Bau. Er war es gewöhnt, große Lasten und viel Verantwortung zu tragen. Sie sah ihn lächeln und beeilte sich zu ihm zu kommen. Es könnte ja sein, dass er noch für sie da war. Sie fühlte seine Hand auf ihrem Bauch. Er sprach leise zu ihr, als ob er ein Geheimnis ausplaudern würde: „Maria, endlich bist du wieder da! Ja, Gott hat zu mir im Traum gesprochen. Er hat mir von dem Kind erzählt. Gemeinsam mit ihm werden wir es schaffen! Hier, komm neben mich und trink etwas Wasser und ruh dich aus.“ Wieder blickte Maria zum Himmel und flüsterte leise: Danke“!
Sie hatte den Weg schon fast geschafft, in der Ferne sah sie schon die Stadt, in der ihre Freundin und Verwandte wohnte. Die Kunde von deren Schwangerschaft war wie ein Lauffeuer durchs Land gegangen, nach dem sie zwar schon lange verheiratet, aber ohne ein Kind geblieben war. Nun aber hatte zuerst ihr Mann Zacharias eine spirituelle Erfahrung, welche ihm die Stimme geraubt hatte und nun diese verspätete Schwangerschaft.
Aber das war nicht die einzige seltsame Schwangerschaft. Es gab eine noch viel geheimnisvollere Schwangerschaft, nämlich die ihre. Auch sie hatte eine spirituelle Erfahrung, ein Engel war ihr erschienen und sprach von ihrer anstehenden Schwangerschaft. Ihr waren die möglichen Konsequenzen nicht ganz klar gewesen als sie ihr „Ich bin die Sklavin des Herrn, mir geschehe nach seinem Willen“ gesprochen hatte. Es gab zwei Möglichkeiten was ihr passieren könnte. Die für sie günstige Variante wäre, dass ihr Verlobter Josef sie verlassen würde, ohne großes Aufsehen. Zwar würde sie dann nicht den Vater ihres Kindes heiraten können. Das war der Ewige, so seltsam das auch immer klingen mag. Sie würde dann Alleinerziehende in ihres Vaters Haus sein. Später würde es vielleicht besser werden, wenn ihr Sohn den Thron Davids wieder errichten würde. Doch die Jahre, bis es so weit war, die würden hart und bitter werden. Die Zweite Möglichkeit war, dass Josef sie öffentlich anklagen würde. Niemand würde ihr ihre Geschichte glauben und sie vor dem Sanhedrin verteidigen wollen. Sie würde zum Tode verurteilt, würde an ein Kliff geführt, hinuntergestoßen und mit einem großen Felsstein erschlagen werden. Keine der beiden Möglichkeiten versprach ein Leben in Reichtum, Ruhm und Ehre.
Schon so oft war sie in ihrem Kopf diese Möglichkeiten durchgegangen. Sie merkte gar nicht, dass sie die Stadttore erreicht hatte. Die Zöllner am Tor ließen sie schnell passieren. Sie hatte nicht viel, um Steuern und Abgaben zahlen zu können. Sie kannte den Weg zur Tür ihrer Freundin im Schlaf und merkte nicht, dass sie schon bald an ihrem Ziel war. „Josef! Wenn doch nur ihr Josef ihr glauben würde!“
Das waren ihre Gedanken als sie Elisabeth hörte: „Grüß dich Maria! Mit deinem Kind muss es etwas besonderes sein, denn ich fühlte die ersten Bewegungen meines Kindes als du hierhergekommen warst. Dein Kind muss göttlich sein! Aber du siehst hungrig und müde aus. Komm mal rein und iss etwas.“ Gerne folgte Maria dieser Einladung. Beim Esstisch ließ sich viel besser reden und beratschlagen. Vielleicht hatte Elisabeth einen Trost für sie.
Nachdem Maria erzählt und ihre Überlegungen offenbart hatte, sagte sie: „Egal was auch geschieht, überall gibt es nur Gefahr, Elend und Schande. Und interessiert sich Gott dafür?“
Elisabeth legte eine Hand auf den Bauch Mariens und die andere Hand auf Ihren. Sie sah Maria lange an, dann seltsam in die Ferne. Endlich richtete sie das Wort an Maria:
„Wenn ich dich sehe und höre, dann fällt mir eine Geschichte aus unserer Tora ein. Da war unser Vater Abram und seine Frau Sarai, beide waren hochbetagt und leider kinderlos. Gott hatte ihnen versprochen, dass sie ein großes Volk werden sollten. Doch wie sollte das gehen, ohne einen Sohn? Sarai erinnerte sich an das Gesetz ihres Heimatlandes im Zweistromland. Wenn ein Paar kinderlos war und sie Kinder haben wollten, dann konnte der Mann, im Wissen seiner Frau, mit einer Sklavin schlafen. Wenn sie schwanger geworden war, und die Zeit der Geburt kam, so war die Ehefrau bei der Geburt dabei und präsentierte das Kind als ihr Kind und als Erbe des Mannes. Sie hatte eine junge Sklavin aus Ägypten, welche für diesen Zweck gut genug war. Sie zwang diese Sklavin, Hagar, in das Bett ihres Ehemanns, der sie beschlief. Endlich wurde die Nachricht laut, dass Hagar schwanger war. Endlich war diese Schmach der Kinderlosigkeit vorbei. Alles lief nach Plan.
Was nicht nach Plan lief, das war diese Hagar, welche ihren Babybauch immer in die Blickrichtung ihrer Herrin hielt, als wollte sie sagen: ‚Sieh an, was du nie selbst werden kannst!‘ Die Herrin gab ihr die niedrigsten Aufgaben, keine schweren Sachen, da sie die Schwangerschaft nicht gefährden wollte, aber sehr demütigende Aufgaben, wie die Latrine putzen, Füße waschen und ähnliches.
Hagar war noch nie gesprächig gewesen, aber sie wurde noch stiller. Sie wurde hier als Gebärsklavin missbraucht, musste diesen alten Mann in sich dulden, musste es dulden, dass diese fremde Frau IHR Kind als ihres erklärte und sollte wenig bei der Erziehung ihres Sohnes zu sagen haben. Und wenn sie eine Tochter gebären sollte, würde sich dann diese Demütigung wiederholen? So konnte sie nicht leben, so wollte sie nicht leben. So ein Existenz konnte sie überall haben, und sterben war bestimmt für sie und ihr Kind besser als in diesen Verhältnissen am Leben sein zu müssen.
Eines späten Abends ergatterte sie sich einige volle Wasserschläuche, und verließ heimlich das Lager. Die Männer waren bei ihren Frauen oder beim Wein und bemerkten sie gar nicht, wie sie aus dem Lager schlich. Endlich war sie allein und fühlte sich fast ein wenig frei. Sie lief in Richtung Südwesten, in ihre ehemalige Heimat Ägypten. Sie war zwar auch dort Sklavin, aber wenigstens kannte sie sich da etwas aus. Sie nahm einen Schluck aus dem Wasserschlauch. Es war leider schon ihr letzter Schlauch, und auch dieser neigte sich dem Ende zu. Sie sah sich um und bemerkte eine Hecke, hier in der Wüste. Sie bot wenigstens einen Hauch von Schatten. Hier würde sie sich ausruhen, den letzten Schluck trinken und dann auf den, vielleicht, gnädigen Tod warten.
Doch was war dies? Sie hörte deutlich ihren Namen gerufen. Sie sah sich um, doch sie konnte keinen Menschen entdecken. Und wieder hörte sie deutlich ‘Hagar, Hagar’ gerufen. Sie setzte sich auf, damit sie besser umhersehen konnte. Und zum dritten Mal der Ruf ‘Hagar, Hagar.’ Sie rieb sich die Augen. Sie wusste von Irrspiegelungen in der Wüste, doch dass es hier Stimmen ohne Menschen gab, das war ihr neu. Die geheimnisvolle Stimme fuhr mit der Frage fort: ‘Woher kommst du? Und Wohin willst du?’ Das war genau ihre Fragen: Woher und Wohin? Das Woher war die katastrophalen Zustände bei ihrer Herrin. Dahin wollte sie nicht zurück. Das Wohin aber war auch nicht verlockender, es war entweder eine weitere Sklavinnen Existenz oder der Tod. Aber wenn es hier eine Stimme gab, dann vielleicht auch ein Gehör. Also erzählte sie in das Leere hinein. Sie erzählte von Sarai und Abram, von ihrem Kind und wie sie missbraucht wurde. Es tat gut, dass so laut auszusprechen. Es befreite sie, zu mindestens etwas.
‘Hagar, Du bist nicht vergessen und verlassen. Wenn die Umstände auch schrecklich sind, ich, der Gott deiner Herrschaften, ich bin auch für dich und dein Kind da und stärke dich. Geh zurück zu ihnen. Sie sind zur Zeit der beste Schutz für dich und dein Kind. Ich bin bei dir und stärke dich. Dein Kind wird dir gehören und zu einem großen Volk werden. Die beiden älteren Herrschaften werden schon noch zu ihrem Erben kommen, auch ohne Missbrauch. Du aber, bei ihnen seid ihr versorgt und ich bin mit dir und deinem Kind. Ich sehe nach euch.’
Endlich wusste sie wer da redete, es war der Gott Abrams, ‘der Gott, der genügend ist’, El Schaddai. Er ist nicht nur der Gott der Herrschenden, sondern auch der Gott der Sklavinnen.
‚Hagar, sie hier ist eine Quelle. Trinke und füll die Wasserschläuche für den Weg wieder zurück. Sei voller Zuversicht und geh aufrecht! Ich bin mit dir, auch auf dem Weg zurück, auch bei den Sticheleien deiner Herrin. Ich bin treu und steh zu dir und zu deinem Kind, egal was kommt. ’
Hagar sah sich um und fand eine kleine Quelle. Sie suchte einige Steine und legte einen Ring um den Quelltopf. Nun trank sie und füllte die Wasserschläuche für den Rückweg. Sie fühlte, dass es angemessen war, sich hinzuknien und El Schaddai diese Quelle und ihre Zukunft zu weihen. Sie nannte die Quelle ‘Hier begegnete mir der Gott, der mich ansieht. ’ Sie stand auf und machte sich auf den Weg. In ihren Widerwillen gegen ihre Herrin mischte sich die Zusage, nun auch ihres Gottes. Als sie von Ferne die Zeltstadt sah, zog sie ihr Kleid fester zusammen und richtete sich auf. Sie war hier auf Gottes Geheiß und somit seine Botschafterin. Sie war zwar weiter die Sklavin, aber auch die Dienerin El Schaddais. Sarai nahm sie in Empfang. Hagar war darauf vorbereitet, nun eine ordentliche Tracht Prügel zu beziehen, oder eine strenge Strafrede. Doch Sarai war voller Sorge. ‘Wo warst Du? Warum bist du weggelaufen? Hast du nicht bedacht, dass wir uns Sorgen machen würden? Versetz uns nie wieder in einen solchen Schrecken! Hörst Du! Hier setz dich und iss! Und niemals wieder abhauen!’
Hagar sah nach oben und nickte. Ihre Herrin als Mutter? Nein, das konnte sie sich nie vorstellen. Sie war eine Herrin und würde das auch immer bleiben. Aber sie hatte ja den Gott, der sie ansieht auf ihrer Seite. Das überwog alles. Sie setzte sich, nahm ein Fladenbrot und aß.“
„Und, du, Maria, folge ihrem Beispiel und iss auch, greif zu.“ Maria nahm ein Stück Fladenbrot, tunkte einen abgerissenen Teil in eine Soße und führte ihn zum Mund. Das tat so richtig gut, wie auch die Geschichte. Der Gott Israels war bei ihr und allem was sie betraf. Er würde für sie und ihr Kind sorgen. Er ist treu und konnte eine Mutter und ihr Kind durchbringen, ihm war das nicht zu schwer.
Sie blieb bei Elisabeth und hörte noch weitere Geschichten aus der Tradition ihres Volkes. Das würde sie ihrem Sohn dann auch erzählen. Sie schrieb auch ein Gedicht für ihren Gott, den Vater ihres Kindes. Irgendwie wusste sie, dass sie nicht gesteinigt werden würde. Das nicht, aber was dann?
Nach dem das Kind Elisabeths beschnitten war, machte sie sich auf dem Heimweg. Immer wieder stellte sie sich gerade hin und sah in dem Himmel. Nicht dass sie meinte, dass der Gott Israels über den Wolken wohnen würde. Aber es war so ein geheimes Zeichen. Auch sie war eine Angesehene Gottes, eine Person mit Ansehen. Gott würde für sie sorgen, keine Zweifel ließ sie da heran.
Endlich sah sie ihre Heimatstadt, eher ein Kaff. Ihr Bauch war viel deutlicher schwanger. Da war es sehr schwierig dies zu verstecken. Das würde noch viel mehr für Gesprächsstoff sorgen. Wenn sie nur wüsste, wie ihr Josef zu ihr stand. War er noch ihr Josef? Da sah sieh ihn, wie er aus dem Haus trat. Er war ein muskulöser Mann, einer vom Bau. Er war es gewöhnt, große Lasten und viel Verantwortung zu tragen. Sie sah ihn lächeln und beeilte sich zu ihm zu kommen. Es könnte ja sein, dass er noch für sie da war. Sie fühlte seine Hand auf ihrem Bauch. Er sprach leise zu ihr, als ob er ein Geheimnis ausplaudern würde: „Maria, endlich bist du wieder da! Ja, Gott hat zu mir im Traum gesprochen. Er hat mir von dem Kind erzählt. Gemeinsam mit ihm werden wir es schaffen! Hier, komm neben mich und trink etwas Wasser und ruh dich aus.“ Wieder blickte Maria zum Himmel und flüsterte leise: Danke“!