Die 'Anti-Handy-Bewegung'
Es waren im Bus noch einige Sitzplätze neben aufs Handy starrende,
tippende, telefonierende und mehr oder minder verkabelte Mitfahrerinnen frei.
Trotzdem setzte er sich, obwohl ich der einzige war, der ein Buch las, neben mich. Er war ungefähr in meinem Alter, Mitte bis Ende sechzig, und deswegen musste ich breit grinsen.
Er reagierte sofort und sagte: "Sie sind ja hier im Bus der einzige Exot!"
"Was ich von Ihnen nicht behaupten kann!", erwiderte ich belustigt."Wie kann man sich nur solche 'Klopper' auf die Ohren setzen?!"
Seine 'Muschelkopfhörer' in weiß/metallic hatten einen sehr breiten Bügel, der sein schütteres Haar in der Kopfmitte gnädig verdeckte. Die Muscheln hatten die Größe von Untertassen, und in Anbetracht seines Alters wirkte er sehr komisch.
Mir war aber nicht nach Lachen, ich war empört und ergänzte, da er keine Reaktion zeigte, "Wie haben Sie sich vor dreißig oder vierzig Jahren im Bus oder in der Bahn beschäftigt? Haben Sie da Zeitung gelesen, stoisch aus dem Fenster geschaut oder hübsche Frauenbeine betrachtet?"
Er lachte. "Ich habe die 'Hamburger Morgenpost' gelesen, weil mir die 'Bild-Zeitung' zu unhandlich war. - Solche Leute wie Sie - Brüder im Geiste - suche ich! Ich möchte eine 'Anti-Handy-Bewegung' aufbauen."
"Ausgerechnet Sie, mit den überdimensionalen Kopfhörern?!"
"Sehen Sie an meinen 'Over-Ears' irgendwelche Kabel?"
"Nein. Vielleicht ist das ja eine neue kabellose Technik."
"Ich habe mir die Kopfhörer nur angeschafft, um die ganzen Verrückten damit zu verarschen! Es ist nur eine Hülle; sie haben überhaupt kein Innenleben!"
"Wollen Sie damit sagen, dass Sie keine Musik hören und überhaupt nichts empfangen können?" fragte ich überrascht.
"Genau! Ich ziehe aber die Aufmerksamkeit auf mich! Einige fragen, wo ich diese wunderbaren Kopfhörer gekauft habe, wie teuer sie sind und ob sie noch 3D-Ton oder schon den neuesten
'Astronauten-Sound' haben. Andere sind begeistert, dass das Kabel so versteckt ist und ich kläre sie dann auf, dass ich alles über Funk übermittelt bekomme."
"Und das macht Ihnen Spaß?"
"Ja! Aber wie gesagt, früher habe ich Zeitung gelesen. Heutzutage lohnt sich die Geldausgabe nicht mehr. Werbeprospekte und Anzeigen bekomme ich jedes Wochenende gratis vom Postboten und den Text habe ich ja schon am Vorabend im Fernsehen mitbekommen! Außerdem fällt es mir mit dieser "Verkleidung" leichter, zu Leuten wie Ihnen Kontakt herzustellen und sie vielleicht für meine Bewegung zu begeistern!"
Ich musste erstmal tief Luft holen. Mir fehlten die Worte!
Er fragte zaghaft: "Darf ich mal erfahren, was Sie da lesen?"
"Es ist ein Sachbuch über dieses Thema und vor ein paar Wochen erst ins Deutsche übersetzt worden. Der Autor ist der weltbekannte italienische Psychologe Dr. Allessandro Galla.
Er beschreibt, wie schädlich die Digitalisierung für die Menschheit sein wird. Besonders die Nutzung des Smartphones für Kinder. Es führt zu Lese- und Rechtschreib-Schwäche, Sprachlosigkeit und bei vielen sogar zur Verblödung!"
Er lachte schallend. "Dass kann ich bestätigen! Mein Nachbar ist ungefähr zehn Jahre älter als ich. Sein Arzt hat ihm geraten, weil er schlecht laufen kann und sich meistens in der Wohnung aufhält, 5000 Schritte am Tag zu machen.
Nun hat er sich ein Smartphone mit einer App gekauft, die seine Schritte zählt. Da es zu langweilig ist, ständig im Wohnzimmer im Quadrat zu gehen, läuft er jetzt zwanzig Mal, statt vorher dreimal am Tag, in die Toilette. Seine Frau, die nichts davon weiß und froh ist, dass ihr Festnetztelefon funktioniert, will ihn nun unbedingt beim Urologen anmelden."
"Ja, das ist der Anfang der Verblödung!", erwiderte ich schmunzelnd. "Sie können mir mal Ihre Adresse geben. Dass mit Ihrer Gegenbewegung hört sich spannend an! Ich werde mich bestimmt bei Ihnen melden!"
"Ja, gerne! Und Sie können mir mal den Titel des Buches zeigen, weil ich es mir auch kaufen will."
Ich drehte das Buch zu ihm, und er las laut und triumphierend:
"'Herdenvieh'!"
Es waren im Bus noch einige Sitzplätze neben aufs Handy starrende,
tippende, telefonierende und mehr oder minder verkabelte Mitfahrerinnen frei.
Trotzdem setzte er sich, obwohl ich der einzige war, der ein Buch las, neben mich. Er war ungefähr in meinem Alter, Mitte bis Ende sechzig, und deswegen musste ich breit grinsen.
Er reagierte sofort und sagte: "Sie sind ja hier im Bus der einzige Exot!"
"Was ich von Ihnen nicht behaupten kann!", erwiderte ich belustigt."Wie kann man sich nur solche 'Klopper' auf die Ohren setzen?!"
Seine 'Muschelkopfhörer' in weiß/metallic hatten einen sehr breiten Bügel, der sein schütteres Haar in der Kopfmitte gnädig verdeckte. Die Muscheln hatten die Größe von Untertassen, und in Anbetracht seines Alters wirkte er sehr komisch.
Mir war aber nicht nach Lachen, ich war empört und ergänzte, da er keine Reaktion zeigte, "Wie haben Sie sich vor dreißig oder vierzig Jahren im Bus oder in der Bahn beschäftigt? Haben Sie da Zeitung gelesen, stoisch aus dem Fenster geschaut oder hübsche Frauenbeine betrachtet?"
Er lachte. "Ich habe die 'Hamburger Morgenpost' gelesen, weil mir die 'Bild-Zeitung' zu unhandlich war. - Solche Leute wie Sie - Brüder im Geiste - suche ich! Ich möchte eine 'Anti-Handy-Bewegung' aufbauen."
"Ausgerechnet Sie, mit den überdimensionalen Kopfhörern?!"
"Sehen Sie an meinen 'Over-Ears' irgendwelche Kabel?"
"Nein. Vielleicht ist das ja eine neue kabellose Technik."
"Ich habe mir die Kopfhörer nur angeschafft, um die ganzen Verrückten damit zu verarschen! Es ist nur eine Hülle; sie haben überhaupt kein Innenleben!"
"Wollen Sie damit sagen, dass Sie keine Musik hören und überhaupt nichts empfangen können?" fragte ich überrascht.
"Genau! Ich ziehe aber die Aufmerksamkeit auf mich! Einige fragen, wo ich diese wunderbaren Kopfhörer gekauft habe, wie teuer sie sind und ob sie noch 3D-Ton oder schon den neuesten
'Astronauten-Sound' haben. Andere sind begeistert, dass das Kabel so versteckt ist und ich kläre sie dann auf, dass ich alles über Funk übermittelt bekomme."
"Und das macht Ihnen Spaß?"
"Ja! Aber wie gesagt, früher habe ich Zeitung gelesen. Heutzutage lohnt sich die Geldausgabe nicht mehr. Werbeprospekte und Anzeigen bekomme ich jedes Wochenende gratis vom Postboten und den Text habe ich ja schon am Vorabend im Fernsehen mitbekommen! Außerdem fällt es mir mit dieser "Verkleidung" leichter, zu Leuten wie Ihnen Kontakt herzustellen und sie vielleicht für meine Bewegung zu begeistern!"
Ich musste erstmal tief Luft holen. Mir fehlten die Worte!
Er fragte zaghaft: "Darf ich mal erfahren, was Sie da lesen?"
"Es ist ein Sachbuch über dieses Thema und vor ein paar Wochen erst ins Deutsche übersetzt worden. Der Autor ist der weltbekannte italienische Psychologe Dr. Allessandro Galla.
Er beschreibt, wie schädlich die Digitalisierung für die Menschheit sein wird. Besonders die Nutzung des Smartphones für Kinder. Es führt zu Lese- und Rechtschreib-Schwäche, Sprachlosigkeit und bei vielen sogar zur Verblödung!"
Er lachte schallend. "Dass kann ich bestätigen! Mein Nachbar ist ungefähr zehn Jahre älter als ich. Sein Arzt hat ihm geraten, weil er schlecht laufen kann und sich meistens in der Wohnung aufhält, 5000 Schritte am Tag zu machen.
Nun hat er sich ein Smartphone mit einer App gekauft, die seine Schritte zählt. Da es zu langweilig ist, ständig im Wohnzimmer im Quadrat zu gehen, läuft er jetzt zwanzig Mal, statt vorher dreimal am Tag, in die Toilette. Seine Frau, die nichts davon weiß und froh ist, dass ihr Festnetztelefon funktioniert, will ihn nun unbedingt beim Urologen anmelden."
"Ja, das ist der Anfang der Verblödung!", erwiderte ich schmunzelnd. "Sie können mir mal Ihre Adresse geben. Dass mit Ihrer Gegenbewegung hört sich spannend an! Ich werde mich bestimmt bei Ihnen melden!"
"Ja, gerne! Und Sie können mir mal den Titel des Buches zeigen, weil ich es mir auch kaufen will."
Ich drehte das Buch zu ihm, und er las laut und triumphierend:
"'Herdenvieh'!"