Die Apartment Party

Ihre Freundin hat kurz ihre Hilfe gebraucht und jetzt sind die beiden in einem anderen Zimmer. Ich stehe nun ohne Ansprechpartner in der Mitte des Wohnzimmers, während sich um mich herum etwa zehn andere Menschen befinden. Es läuft mittellaute Musik. Irgendeine Spotify-Playlist, die jemand ohne Spotify-Premium angemacht hat. Nach etwa jedem drittem Lied folgt eine nervig laute Werbung, woraufhin jedes mal jemand den originellen Witz bringt: „Das ist mein Lieblingssong.“ Ich hab den Witz selber heute auch auch schon zwei mal gebracht, wofür ich mich schäme.
Ich komme mir alleine in der Menschenmenge unbehaglich vor. In meiner Nähe, bekommt ein Typ mit ner Gucci Cap und Jogginghose einen besonders starken Würgreiz, aber kanns irgendwie halten, was gut ist, weil sich unter ihm ein Teppich befindet.
Es ist erst 23 Uhr. Ich hatte zuvor selber erst zwei Feierabend Bier mit meinen Kollegen. Ich muss aufholen. Ich trinke ein paar Schlücke von meinem „Gin and Tonic“, welcher mit sechs Euro Gin und überteuertem Tonic-Water gemischt wurde, bis mein Freund und Veranstalter, dieser Hausparty Rudi, mich zum Sofa winkt. Es ist nicht wirklich eine „Hausparty“, wie man sie aus Filmen kennt, sondern viel mehr eine Apartmentparty mit etwa 20 Leuten. Von diesen 20 kenne ich vielleicht fünf und drei davon auch nur flüchtig von anderen „Hauspartys“. Deshalb bin ich umso dankbarer dafür, grad mit Rudi sprechen zu können.
Hab ihn das erste Mal vor einem halben Jahr an der Uni kennengelernt. Er studiert wie ich BWL. Wir essen immer in den Pausen zusammen und treffen uns öfter in der BIB zum Lernen. Ich setze mich zu ihm. Die Couch hat ihre besten Jahre schon hinter sich und riecht nach Chips.

„Bro, wieso so alleine? Konversiere doch mal mit den Gästen.“
An den Worten „Bro“ und „konversiere“ merke ich, dass er schon ein bisschen betrunken ist.
„Digga, ich hab grad mit einer echt Hübschen geredet, aber weiß nicht wie sie heißt. Sie ist grad in einem anderen Zimmer.“
An dem Wort „Digga“ merke ich, dass ich ebenfalls zumindest angetrunken bin.
In diesem Moment kommt sie wieder zurück ins Zimmer. Aber nicht mit ihrer Freundin, sondern mit einem gut aussehenden Typen. Er bringt sie grad mehr zum Lachen, als ich es in unserer gesamten Konversation geschafft hab. Ich spüre wie der Neid in mir hochkommt.
„Die, die grad reingekommen ist. Das ist die, mit der ich vorher konversiert habe.“
„Die mit dem Punker slash Hipster Outfit?“
Ich nicke, auch wenn mir die Beschreibung missfällt.
„Das ist Lara. Kenne sie selber nicht so gut. Irgendeine Freundin meiner Ex. Sie geht in Ordnung.“
„Und der Typ?“ frage ich mit schwankender Stimme.
„Ah, du meinst Daniel. Um den musst du die keine Sorgen machen. Der ist schwul. Auf den habe ich selber ein Auge geworfen. Aber der hat leider nen Freund. Das ist das nervige am BI-Sein. Man steht auf mehr Menschen, aber alle sind vergeben.“
Der Typ mit der Gucci Cap zündet sich im Zimmer eine Zigarette an. Sie wird ihm allerdings sofort aus dem Mund genommen. Seine Freunde bringen ihm zum Balkon und nehmen ihm sein Getränk aus der Hand.
Rudi lacht darüber: „Klassischer Vedro.“
„Glaubst du ich soll sie nach nem Date fragen?“
„Wenn du willst.“ Seine Antwort hört sich eher desinteressiert an.
„Was ist, wenn ich nicht gut genug aussehe?“
„Keine Angst. Gut genug siehst du schon aus... jedenfalls für sie.“
„Schnauze!“
„Schlimmer als einen Korb zu kassieren kanns ja nicht werden.“
Da muss ich ihm recht geben. Allerdings würde sich eine Ablehnung trotzdem nicht super anfühlen und ich würde sie den Rest des Abends durchgehend sehen, da die Wohnung ja nicht gerade groß ist. Das würde halt den Abend jedenfalls für mich sehr peinlich machen.
Aber auf der anderen Seite finde ich sie echt attraktiv. Ich meine ihr ist Körper ist zwar so naja, aber ihr Gesicht ist echt hübsch, vor allem ihr Lächeln. Außerdem hat sie vorhin mit mir Stroh 80` shots mit mir genommen, was ich irgendwie sehr anziehend finde.
„Wie soll ich ich sie den überhaupt fragen?“
Rudi fängt an zu kichern: „Jo, ist dein Vater Terrorist, weil du ne Bombe bist. Könnte halt wegen ihrer Hautfarbe rassistisch wirken.“
„Hast du auch irgendwelche ernsten Vorschläge?“
Rudi ist was Frauen angeht normalerweise recht erfolgreich, was das weibliche Geschlecht angeht. Bei Männern aber komischerweise nicht.
Dieser Vedro, der nun seine Cap falsch herum trägt kommt wieder ins Zimmer, kickt ein volles Glas um, was auf dem Boden stand und brüllt fast schon „ICH WARS NICHT!“
Rudi´s Augen funkeln auf: „OK! Ok. Hier ist ein Spruch den ich grad erfunden hab und vielleicht funktioniert: Hey, theoretisch gesehen, wenn du auf einer Hausparty von einem eher semi-attraktiven Typen angesprochen werden würdest, würdest du ihm deine Nummer geben?“
Ich bin ein bisschen überrascht, dass Rudi überhaupt nicht auf Vedro eingeht.
„Und das funktioniert?“
„Kein Plan. Hab ihn noch nie ausprobiert. Darfst aber gerne mein Versuchskaninchen sein.“
Ich zucke mit den Schultern.
„Muss es den unbedingt so ne komische line sein? Ich hab echt keinen Bock, wegen sowas abgewiesen zu werden.“
„Kannst sie natürlich auch normal ansprechen. Einfach wieder normal konversieren und sie irgendwann im Gespräch casual nach ihrer Nummer oder insta fragen. Funktioniert meistens, weil du ja nicht direkt nach nem Date frägst, was du ja dann später immer noch über Whats App machen kannst. Dann kassierst du auch keinen Korb. Zumindest nicht im echten Leben.“
„Ok Danke.“
Daniel kommt zu uns, nachdem Rudi ihn her gewunken hat. Und sie, wie hieß sie nochmal? Lana? Auf jeden Fall ist Lana grad alleine. Das ist meine Chance wieder mit ihr zu sprechen.
Rudi fragt grade Daniel, wie es seinem Freund geht.
„Keine Ahnung. Wir haben vor ner Woche Schluss gemacht.“
Rudis Augen leuchten auf. „Worauf wartest du? Sprech sie an.“
„Ich geh ja schon.“
„Warte! Warte. Bevor du mit ihr sprichst, geh ins Badezimmer und nimm dir mein Deo zur Hand.“
Rudi hat recht. Ich stinke. Im Badezimmer sprüh ich mich Dezent mit Deo ein und schaue in den Spiegel. Ich entscheide mich dazu ein bisschen Wasser in die Haare zu schmieren, um sie zum glänzen zu bringen.

Ich mache mich wieder auf zum Wohnzimmer, wo ich nach Lana suche. Zurück beim Sofa unterbreche ich Daniel und Rudi beim Rummachen.
„Habt ihr Lana gesehen?“
„Meinst du Lara?“ fragt Daniel. „Glaub in der Küche.“
Ich gehe zur Küche los und werde kurz vor der Tür des Wohnzimmers aus dem Nichts von einem starken Arm zurückgezogen. Vedro steht vor mir und blickt auf mich runter. Mir fällt jetzt auf, dass er etwa 15 Zentimeter größer ist als ich. Zählt das schon als ein Kopf?
„Bist du der Spast, der die ganze Zeit Lara anstarrt und Rudi nach ihr gefragt hat?“
Er schaut mich besonders aggressiv an. Sein Kiefer ist angespannt und seine Fäuste sind geballt. Ich sollte wahrscheinlich lügen.
„Ja, wieso?“
„Ich bin ihr Freund. Hör auf mit der Scheiße!“
„Wie wärs, wenn ich dir jetzt einfach sag, dass ich aufhören werde, aber ihr hinter deinem Rücken weiter nachgeiere?“
Ich habe ein breites provozierendes Grinsen auf meinem Gesicht.
„Du fängst dir gleich eine.“
Er wartet auf eine Entschuldigung. Ich sollte sie ihm geben.
„Aber deine Freundin sieht zu hart geil aus.“
Wieso kann ich nicht einfach die Schnauze halten? Vedro schaut erst ein bisschen verblüfft, fängt sich aber schnell wieder und holt zum Schlag aus. Etwas in meinem Gehirn sagt mir, dass ich es verdient habe, weshalb ich nicht ausweiche. Die Faust trifft direkt meinen linken Kiefer. Dank dem Alkohol spüre ich allerdings kaum Schmerz. Nachdem ich mich wieder fange, sehe ich zu ihm hoch. Vedro kotzt auf dem Teppich. Er wischt seinen Mund mit dem T-Shirt ab und geht zu Lara, die auf einmal wieder im Wohnzimmer ist. Er versucht sie dazu zu bringen mit ihm wegzugehen, aber sie will nicht und scheint wütend zu sein, also verlässt er die Wohnung allein.

Die Party geht so weiter, als wäre nichts passiert. Rudy wirft mir einen kurzen Blick zu, merkt dass es mir einigermaßen gut geht, und macht weiter mit Daniel rum. Lara kommt zu mir und fragt mich, wie es mir geht.
„Geht so. Kann meinen Kiefer noch bewegen, also kann es ja nicht zu schlimm sein.“
„Tut mir echt Leid wegen Vedro. Kann ich es irgendwie wieder gut machen?“
Ich sag ihr, dass es nicht ihre Schuld ist und sie sich nicht entschuldigen muss.
„Ich geh schnell in die Küche und hol Eis für dich.“

Im Hintergrund läuft das Lied Leider Geil von Deichkind. Ich trinke weiter meinen Gin und Tonic bis er leer ist. Ich wundere mich, wieso sie so lange braucht und gehe zur Küche. Dort sehe ich, wie sie auf dem anschließenden Balkon ihr Handy auflegt und weint. Ich setzte mich neben sie und reiche ihr einen Joint, den ich mir eigentlich für den Heimweg aufbewahren wollte. Sie wischt sich die Tränen und steckt sich ihn zwischen die Lippen. Ich gebe ihr Feuer. Lara fängt an zu sprechen:
„Ich hab schon vor einer Woche mit ihm Schluss gemacht, aber er akzeptiert es einfach nicht.“
„Zum Glück.“
Sie schaut mich verwirrt an.
„Zum Glück, dass du Single bist.“
Ich lege mein charmantestes Lächeln auf. Sie kichert. Es ist schön sie wieder glücklich zu sehen.
„Dieser Vedro ist aber schon echt komisch. Wieso warst du überhaupt mit ihm zusammen? Nur weil er gut aussieht?“
„Aussehen spielt halt eine wichtige Rolle. Oder wieso schaust du mir die ganze Zeit hinterher?“
Ich räuspere mich: „Erwischt.“
Sie drückt den Joint aus und schaut mir in die Augen.
„Aber du bist ja auch recht hübsch.“
Ich schließe meine Augen und setzte zum Kuss an, aber sie scheint mir nicht entgegen zu kommen. Sie lacht laut auf.
„Ich wollte nur deine Reaktion sehen.“
Ich schaue sie verdutzt an. Sie küsst mich.
 
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