Die Ente

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Vera-Lena

Mitglied
Die Ente

Er hatte noch 20 Minuten bis zum Aufbruch. Heute würde es anstrengend werden. Aufnahmen im Freien brachten den Schauspielern oft einiges an Nervosität ein, wenn sie lange warten mussten bis es mit der Beleuchtung am günstigsten war. Der Himmel kam seinem Drehbuch nicht immer zu Hilfe.
Hatte er auch nichts auf dem Schreibtisch liegen gelassen? Was war das hier? Natürlich, der Sohn hatte es sich wieder spät abends an seinem Schreibtisch bequem gemacht, weil sein eigener wegen Materialüberfüllung zeitweilig unbrauchbar geworden war. Ach, ja die Studentenzeit....
Eine Zeitschrift hatte er liegen gelassen: „Der Journalist“. Aufgeschlagen bei der Rubrik: Zeitungsenten.
Was gab es denn da so alles?
Chemieunfall in Basel hat sich später als harmlose Seifenlauge herausgestellt. Hmmmmm, wer weiß, ob der übereifrige Journalist das nicht von Anfang an gewusst hat und einfach nur ein paar Kröten verdienen wollte, um sich weiter über Wasser zu halten.
Ufos gesichtet. Na ja, das kennt man ja schon.
Aber hier

Im Saalbach-Kurier vom 2. 2. 2004 stand folgendes:
Ein Restaurantfachmann der Gaststätte „Saalbachklause“ biss am gestrigen Sonntag um 6.00 Uhr in der Frühe einem Gast den linken Mittelfinger ab. Vorher war es zu einem handfesten Streit gekommen.

Stellungnahme: Der Journalist
Wie wir nach sorgfältiger Recherche ermitteln konnten, fand das Ereignis nicht um 6.00 Uhr morgens sondern um 18.00 Uhr abends statt. Die örtliche Gendarmerie war unserem Journalisten behilflich, den wahren Sachverhalt darzustellen. Herr Lukas Zentinger, so heißt die angeblich geschädigte Person, hatte den Mittelfinger abgewinkelt und mit blutigem Fleisch von dem Steak auf seinem Teller bedeckt. Dann schrie er und rannte in dem Lokal umher. Er bezichtigte den bedienenden Kellner, ihm den Finger abgebissen zu haben. Es entstand ein großer Auflauf, da auch Passanten von draußen hereinströmten, denn man konnte das Geschrei trotz der geschlossenen Fenster bis auf die Gasse hören. Die Gäste ergriffen Partei für den leichenblassen völlig hilflosen Kellner. Herr Zentinger verlangte immer weiter schreiend nach der Gendarmerie. Schließlich traf ein Beamter am Ort des Geschehens ein und nahm sowohl Herrn Zentinger als auch den Kellner mit. Auf dem Gendarmerie-Revier gestand Herr Zentinger, dass er das Ganze inszeniert habe, um als arbeitsloser Schauspieler auf sich aufmerksam zu machen. Er entschuldigte sich bei dem Kellner. Eine Anzeige wegen Irreführung der Gendarmeriebehörde ist gegen ihn erstattet.

Hahaha, kein schlechter Einfall!! Ein Foto ist ja auch dabei. Eigentlich ein smarter Bursche. Aber Hallooo!!! Der sieht ja aus. Nein! Das ist doch..... was denn und Schauspieler ist er auch noch!!!!
Mein lieber Herr Sankt Zufall! Seit 4 Monaten suchte er nach diesem Gesicht. Zentinger, deine Arbeitslosenzeit ist beendet! Wo ist denn das Impressum? Er musste diesen Burschen über die Zeitschrift ausfindig machen.
Sein nächstes Projekt war gerettet. Wenn der Mensch das Casting durchstand und ihn überzeugte, dann würde er mit leichtem Österreichischem Akzent in seinem sensationellen Heimatkrimi als Assistent des Salzburger Kriminalrates Buschreuther glänzen. Ja, genauso hatte er sich den Assi vorgestellt. Dieses Gesicht musste es sein.

Oh, jetzt musste er aber los. Na, Sohnemann diesmal sei Dir verziehen, dass Du wieder deinen Krempel auf meinem Schreibtisch liegengelassen hast.
 
K

Klopfstock

Gast
Liebe Vera-Lena,
die Idee mit der Zeitungsente ist Dir ja ausgezeichnet gelungen.Wie dieser Herr Zentinger auf sich als arbeistloser Schauspieler aufmerksam machen wollte, das ist wirklich gekonnt - vom Herrn Zentinger und auch von Dir, liebe Vera-Lena. Das Du gut im Gedichte- schreiben bist wußte ich bereits, nun weiß ich auch, daß Du auch Prosa beherrschst;)
Die ganze Sache hast Du nicht nur prima ausgedacht, sondern
ebenso gut aufgebaut. Bin echt beeindruckt.
So was kann man natürlich nicht in Versen bringen, das ist zu kompliziert. Leider kann ich keine Prosa (besser gesagt ich habe es noch nicht versucht). In Prosa steckt man nicht in einem Reim-Korsett, daher kann man alles "frischer von der Leber" schreiben und Du hast es hier ja auch bestens bewiesen. Mein großes Kompliment!!!:)

Dir noch einen schönen Abend
und ganz liebe Grüße
Irene (begeistert von Deiner Ente);)
 

Vera-Lena

Mitglied
Freu

Liebe Irene,

ich freue mich natürlich sehr darüber, dass Du begeistert bist.:) Danke fürs Lesen und für Deine Antwort!

Ja, es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man dieselbe Aufgabe versucht zu meistern, und jeder macht es eben auf seine Weise.

Dass Du noch nicht versucht hast, Prosa zu schreiben, liegt sicher daran, dass Dir die Poesie nur so zufliegt. Bei der Prosa braucht man einen längeren Atem. Aber ich weiß von Dir, dass Du Dir auch alles vorstellst, was Du schreibst, und deswegen denke ich, wenn man schreiben kann, kann man schreiben und auch Dir würde etwas in Prosa Geschriebenes gut gelingen.

Deine psychologische Lösung gefällt nun wieder mir so gut. Darauf wäre ich nicht gekommen.

Dir noch einen schönen Abend!:)
Mit lieben Grüßen Vera-Lena
 

Marc Olivier

Mitglied
Hallo Vera-Lena!

Ich finde Deine Idee grandios, und muss sagen, dass ich Dich um Deine offensichtliche Fähigkeit, eine blühende Fantasie derart unterhaltsam umzusetzen, beneide.
Viele Grüße,
Marcus
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Marcus,

da stehst Du mir aber doch in gar nichts nach, bis auf die kleine Schwäche, auf die ich Dich aufmerksam gemacht habe.
Manchmal ist man von den Texten anderer total beeindruckt, dass einem die eigenen Sachen gar nicht mehr richtig gefallen wollen. Solche Anfälle habe ich auch manchmal.

Aber einige Zeit später relativiert sich das dann alles wieder.
Ich danke Dir aber herzlich für Deine Anerkennung.
Liebe Güße von Vera-Lena
 



 
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