Anonym
Gast
Unsere Mikrowelle gibt eines Tages den Geist auf, nachdem sie achtzehn Jahre lang treue Dienste geleistet hat. Also kaufen wir eine neue. Wo ist das Problem?
Es ist ein Problem. Achtzehn Jahre sind - an der Dauer des Römischen Reiches gemessen - eine lächerliche Zeitspanne, aber für eine Mikrowelle und den dazu passenden Schrank bedeuten sie eine Ewigkeit. Das bekommen zwei meiner Männer zu hören, als sie versuchen, eine neues Gerät zu bestellen.(Solche Aufgaben sind grundsätzlich Männersache. Zumal auch der Berater im Geschäft männlich ist). Nach stundenlangem Wälzen von Katalogen findet er schließlich eine Mikrowelle, die unseren Schrank ausfüllen müsste. Obwohl die Obstschale und eine Kerze ein perfektes Nebeneinander im verwaisten Schrank ergeben.
Eine Woche später wird die bestellte Mikrowelle geliefert. Ein Typ wie Raimund Harmsdorf, weißhaarig und gesunden Männerschweiß verströmend und ein Hiwi (familieninterne Bezeichnung für Personen, die nur niedere Tätigkeiten ausführen dürfen) rauschen in meine Küche und stellen das neue Teil anstatt der Obstschale und der Kerze in den Schrank. Die Breite stimmt perfekt, aber die Höhe ... "Die passt ja gar nicht. Ist viel zu niedrig!" Tja, das sehe selbst ich. "Also da ist wohl etwas schief gelaufen", stellt Raimund scharfsinnig fest. "Ich werde nachmessen und wir müssen ein neues Gerät bestellen." Gesagt, getan. Hiwi schleppt die Welle wieder hinaus und beide hinterlassen nur ihre Duftmarken.
Zwei Stunden später. Der Chef ruft an. "Also ich verstehe das nicht. Das kann nicht sein. Ich habe so lange gesucht, um ein passendes Teil für Sie zu finden ... ich komme selbst bei Ihnen vorbei, um genau nachzumessen. Sind Sie jetzt zu Hause? Wenn es Ihnen nichts ausmacht, bin ich gleich da!" (Ja, ich bin zu Hause. Ich telefoniere nämlich gerade. Aber mein Aufzug … es ist sehr warm und ich laufe nur in Shorts und Top herum. Normalerweise empfange ich so keinen Herrenbesuch. Ich könnte noch eine Schürze darüberziehen, die wesentlich länger als die Shorts ist, aber das sähe ja wohl leicht bescheuert aus. Aber es befinden sich noch vier Bodyguards sprich Kinder im Haus. Das ist beruhigend.) "Sie können ruhig vorbeikommen", erwidere ich, "wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass ich dann koche!" "Nein, das macht mir gar nichts aus. Kann ich bei Ihnen mitessen?"
Ich antworte spontan und aus tiefstem Herzen: "Nein!" (Im selben Moment denke ich: Wie unchristlich! So knapp koche ich doch nie.) Also füge ich an: " Ja also ... Sie können das theoretisch schon, aber ..." ( Er muss mich für eine komplette Idiotin halten.) Ich vernehme ein dröhnendes Lachen, welches auf eine jahrelange Unterstützung der Tabakindustrie schließen lässt: "Nein, keine Sorge, ich esse schon nicht mit!"
Ich eile in die Küche (ohne Schürze), schalte die Kartoffeln und den Rotkohl an und schiebe die marinierten Hähnchenbrustfilets unter den Grill des Backofens. Kurz darauf klingelt es. "Der Kostgänger ist da!" schallt es mir fröhlich entgegen, als ich die Tür öffne.
Ein blendend weißes T-Shirt, das auch als Unterhemd durchgehen würde, leuchtet mir entgegen. Zahlreiche Goldketten baumeln auf der Brust. Darüber strahlen dunkle Augen hinter Brillengläsern (nicht golden) und das Haupt wird von einem mindestens zehn Jahre nicht gewaschenen Toupet gekrönt. Goldringe und dicke Armbanduhr fehlen auch nicht.
Ich bin entzückt. Wann hat frau schon mal einen derartigen Vertreter in ihrer Küche? Vor allem, wenn er gar nicht schüchtern ist und sofort alles in Augenschein nimmt, den verwaisten Schrank begutachtet, einen Zollstock hervorzaubert und nachmisst? Alles innerhalb von Sekunden. Ein Mann der Tat.
"Merkwürdige Sache. Bei der Höhe habe ich andere Maße notiert. Da hat sich jemand vermessen - oder ich habe es falsch aufgeschrieben", brummt er vor sich hin. "Mein Mann ist Mathelehrer. Er hat sich auf keinen Fall vermessen. Sie werden sich wohl vertan haben", erwidere ich entrüstet. "Das ist mir in vierzig Jahren noch nie passiert", beteuert er. "Ein Mal ist immer das erste Mal", sage ich ungerührt und sorge dafür, dass der Rotkohl es nicht bleibt.
Goldkettchen setzt sich an den Küchentisch und studiert seine Kataloge. Er findet nichts Passendes. Er schlägt vor, die bestellte Mikrowelle doch zu nehmen und vom hauseigenen Schreiner eine Leiste anbringen zu lassen. Ich benutze den goldenen Ehefrauensatz "Das muss ich erst mit meinem Mann besprechen. Dann sagen wir Ihnen Bescheid" und wende das Hähnchenfleisch. Goldkettchen taxiert mit Kennermiene meinen Herd. "Ah, Sie benutzen auch einen Schnellkochtopf zur Abwechslung wie einen normalen Topf, weil Sie einen zweiten Deckel haben!" stellt er fest. Ich bin verblüfft. Das hat noch niemand bemerkt. "Das mache ich auch. Gestern habe ich einen ganz tollen Gulasch gezaubert. Wissen Sie, meine Schwiegertochter arbeitet ja und mittags kommen die Enkelchen dann bei Oma und Opa essen. Deshalb habe ich auch eine Mikrowelle. Aber eine uralte - so wie Ihre es war. Und dann ..." (O je. Gleich wird er mir von seinem eingewachsenen Fußnagel, dem Kauf der Goldketten im letzten Tunesienurlaub und den Schulnoten seiner Enkel berichten.) Ich unterbreche ihn mit Hinweis auf unser Mittagessen. Ein Bodyguard kommt kurz vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Es ist zwar komisch, dass ein fremder, mit Gold behängter Mann mit seiner leicht bekleideten Mutter in der Küche steht, aber es ist sehr beruhigend, dass es offensichtlich in Kürze etwas zu essen gibt. Und das ist schließlich das Wichtigste.
Goldkettchen verabschiedet sich. Ich ärgere die Kinder damit, dass er mitessen wollte. Sie sind natürlich entsetzt. Mein Mann ist es auch - über den Vorschlag mit dem hauseigenen Schreiner. "Ich habe genug Dinge gesammelt, um selbst die Lücke verschließen zu können. Wir nehmen die bestelle Mikrowelle!" (Merke: Wirf nie etwas weg. Du kannst es irgendwann gebrauchen. Heimwerken - schön, aber selbstgemacht.)
Am nächsten Morgen kommen wieder Raimund Harmsdorf und Hiwi. (Ich bin erneut leicht bekleidet und habe die Wimpern nur halb getuscht. Immerhin überfallen mich die beiden schon um 7 Uhr 40.) Sie bauen die Mikrowelle ein, können mir aber nicht die Bedienung derselben erklären. Ich beruhige sie damit, dass ich lesen kann und mir die 30-seitige und 40-sprachige Gebrauchsanweisung als Bettlektüre bis Weihnachten vornehme. Hiwi sagt treuherzig: "Unsere Mikrowelle ist so kompliziert, ich kann sie noch immer nicht bedienen!" Ich glaube ihm sofort.
Abends ist das neue Teil mit einer Leiste perfekt verkleidet. Bedienen können wir es auch. Das FBI hätte seine wahre Freude an den zahlreichen Fingerabdrücken, die die Chromeinfassung zieren. Ich denke mit Wehmut an meine Großmütter, die die noch warmen Töpfe in Handtücher wickelten und ins Bett stellten, falls Spätheimkehrer Hunger hatten.
Sollte ich auch wieder einführen. Dieser neumodische Kram bringt nur Ärger. Und sind die Strahlen der Mikrowelle nicht doch schädlich?
Es ist ein Problem. Achtzehn Jahre sind - an der Dauer des Römischen Reiches gemessen - eine lächerliche Zeitspanne, aber für eine Mikrowelle und den dazu passenden Schrank bedeuten sie eine Ewigkeit. Das bekommen zwei meiner Männer zu hören, als sie versuchen, eine neues Gerät zu bestellen.(Solche Aufgaben sind grundsätzlich Männersache. Zumal auch der Berater im Geschäft männlich ist). Nach stundenlangem Wälzen von Katalogen findet er schließlich eine Mikrowelle, die unseren Schrank ausfüllen müsste. Obwohl die Obstschale und eine Kerze ein perfektes Nebeneinander im verwaisten Schrank ergeben.
Eine Woche später wird die bestellte Mikrowelle geliefert. Ein Typ wie Raimund Harmsdorf, weißhaarig und gesunden Männerschweiß verströmend und ein Hiwi (familieninterne Bezeichnung für Personen, die nur niedere Tätigkeiten ausführen dürfen) rauschen in meine Küche und stellen das neue Teil anstatt der Obstschale und der Kerze in den Schrank. Die Breite stimmt perfekt, aber die Höhe ... "Die passt ja gar nicht. Ist viel zu niedrig!" Tja, das sehe selbst ich. "Also da ist wohl etwas schief gelaufen", stellt Raimund scharfsinnig fest. "Ich werde nachmessen und wir müssen ein neues Gerät bestellen." Gesagt, getan. Hiwi schleppt die Welle wieder hinaus und beide hinterlassen nur ihre Duftmarken.
Zwei Stunden später. Der Chef ruft an. "Also ich verstehe das nicht. Das kann nicht sein. Ich habe so lange gesucht, um ein passendes Teil für Sie zu finden ... ich komme selbst bei Ihnen vorbei, um genau nachzumessen. Sind Sie jetzt zu Hause? Wenn es Ihnen nichts ausmacht, bin ich gleich da!" (Ja, ich bin zu Hause. Ich telefoniere nämlich gerade. Aber mein Aufzug … es ist sehr warm und ich laufe nur in Shorts und Top herum. Normalerweise empfange ich so keinen Herrenbesuch. Ich könnte noch eine Schürze darüberziehen, die wesentlich länger als die Shorts ist, aber das sähe ja wohl leicht bescheuert aus. Aber es befinden sich noch vier Bodyguards sprich Kinder im Haus. Das ist beruhigend.) "Sie können ruhig vorbeikommen", erwidere ich, "wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass ich dann koche!" "Nein, das macht mir gar nichts aus. Kann ich bei Ihnen mitessen?"
Ich antworte spontan und aus tiefstem Herzen: "Nein!" (Im selben Moment denke ich: Wie unchristlich! So knapp koche ich doch nie.) Also füge ich an: " Ja also ... Sie können das theoretisch schon, aber ..." ( Er muss mich für eine komplette Idiotin halten.) Ich vernehme ein dröhnendes Lachen, welches auf eine jahrelange Unterstützung der Tabakindustrie schließen lässt: "Nein, keine Sorge, ich esse schon nicht mit!"
Ich eile in die Küche (ohne Schürze), schalte die Kartoffeln und den Rotkohl an und schiebe die marinierten Hähnchenbrustfilets unter den Grill des Backofens. Kurz darauf klingelt es. "Der Kostgänger ist da!" schallt es mir fröhlich entgegen, als ich die Tür öffne.
Ein blendend weißes T-Shirt, das auch als Unterhemd durchgehen würde, leuchtet mir entgegen. Zahlreiche Goldketten baumeln auf der Brust. Darüber strahlen dunkle Augen hinter Brillengläsern (nicht golden) und das Haupt wird von einem mindestens zehn Jahre nicht gewaschenen Toupet gekrönt. Goldringe und dicke Armbanduhr fehlen auch nicht.
Ich bin entzückt. Wann hat frau schon mal einen derartigen Vertreter in ihrer Küche? Vor allem, wenn er gar nicht schüchtern ist und sofort alles in Augenschein nimmt, den verwaisten Schrank begutachtet, einen Zollstock hervorzaubert und nachmisst? Alles innerhalb von Sekunden. Ein Mann der Tat.
"Merkwürdige Sache. Bei der Höhe habe ich andere Maße notiert. Da hat sich jemand vermessen - oder ich habe es falsch aufgeschrieben", brummt er vor sich hin. "Mein Mann ist Mathelehrer. Er hat sich auf keinen Fall vermessen. Sie werden sich wohl vertan haben", erwidere ich entrüstet. "Das ist mir in vierzig Jahren noch nie passiert", beteuert er. "Ein Mal ist immer das erste Mal", sage ich ungerührt und sorge dafür, dass der Rotkohl es nicht bleibt.
Goldkettchen setzt sich an den Küchentisch und studiert seine Kataloge. Er findet nichts Passendes. Er schlägt vor, die bestellte Mikrowelle doch zu nehmen und vom hauseigenen Schreiner eine Leiste anbringen zu lassen. Ich benutze den goldenen Ehefrauensatz "Das muss ich erst mit meinem Mann besprechen. Dann sagen wir Ihnen Bescheid" und wende das Hähnchenfleisch. Goldkettchen taxiert mit Kennermiene meinen Herd. "Ah, Sie benutzen auch einen Schnellkochtopf zur Abwechslung wie einen normalen Topf, weil Sie einen zweiten Deckel haben!" stellt er fest. Ich bin verblüfft. Das hat noch niemand bemerkt. "Das mache ich auch. Gestern habe ich einen ganz tollen Gulasch gezaubert. Wissen Sie, meine Schwiegertochter arbeitet ja und mittags kommen die Enkelchen dann bei Oma und Opa essen. Deshalb habe ich auch eine Mikrowelle. Aber eine uralte - so wie Ihre es war. Und dann ..." (O je. Gleich wird er mir von seinem eingewachsenen Fußnagel, dem Kauf der Goldketten im letzten Tunesienurlaub und den Schulnoten seiner Enkel berichten.) Ich unterbreche ihn mit Hinweis auf unser Mittagessen. Ein Bodyguard kommt kurz vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Es ist zwar komisch, dass ein fremder, mit Gold behängter Mann mit seiner leicht bekleideten Mutter in der Küche steht, aber es ist sehr beruhigend, dass es offensichtlich in Kürze etwas zu essen gibt. Und das ist schließlich das Wichtigste.
Goldkettchen verabschiedet sich. Ich ärgere die Kinder damit, dass er mitessen wollte. Sie sind natürlich entsetzt. Mein Mann ist es auch - über den Vorschlag mit dem hauseigenen Schreiner. "Ich habe genug Dinge gesammelt, um selbst die Lücke verschließen zu können. Wir nehmen die bestelle Mikrowelle!" (Merke: Wirf nie etwas weg. Du kannst es irgendwann gebrauchen. Heimwerken - schön, aber selbstgemacht.)
Am nächsten Morgen kommen wieder Raimund Harmsdorf und Hiwi. (Ich bin erneut leicht bekleidet und habe die Wimpern nur halb getuscht. Immerhin überfallen mich die beiden schon um 7 Uhr 40.) Sie bauen die Mikrowelle ein, können mir aber nicht die Bedienung derselben erklären. Ich beruhige sie damit, dass ich lesen kann und mir die 30-seitige und 40-sprachige Gebrauchsanweisung als Bettlektüre bis Weihnachten vornehme. Hiwi sagt treuherzig: "Unsere Mikrowelle ist so kompliziert, ich kann sie noch immer nicht bedienen!" Ich glaube ihm sofort.
Abends ist das neue Teil mit einer Leiste perfekt verkleidet. Bedienen können wir es auch. Das FBI hätte seine wahre Freude an den zahlreichen Fingerabdrücken, die die Chromeinfassung zieren. Ich denke mit Wehmut an meine Großmütter, die die noch warmen Töpfe in Handtücher wickelten und ins Bett stellten, falls Spätheimkehrer Hunger hatten.
Sollte ich auch wieder einführen. Dieser neumodische Kram bringt nur Ärger. Und sind die Strahlen der Mikrowelle nicht doch schädlich?