Die Hexe und der Schuster, drittes Kapitel

Hagen

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Als auch der Brinksitzer federnden Schrittes gen Darenwede eilte, schickte ihm der ‘Schwarze Herman‘ ein Lachen hinterher, das von ‘Martha der Hexe‘ dahin gedeutet wurde, dass er voll der Freude über seine nunmehr verlockende Erscheinung war.

Diese bestätigte er des Nachts; - in Unwissenheit dessen, dass eine Tinktur aus Blütenköpfchen von Chrysanthemen und Ingwer in Fliedersalbe an rechter Stelle aufgetragen, die Manneskraft ungemein fördert. So sprach dereinst die Großmutter von ‘Martha der Hexe‘, doch diese hatte bislang noch keine Gelegenheit gehabt, die Wirksamkeit dieser Rezeptur am eigenen Leibe zu erfahren.

Sie fand es bestätigt, als der kleine Tod sie küsste ...

Nun, es sprach sich in Bälde herum, dass ‘Martha die Hexe‘ und ‘Herman der Schuster‘ Schuhwerk zu fertigen in der Lage waren, das gar wohl um die Füße lag, nicht drückte und keine Blasen verursachte; - kurz, sich feinfühlig um die Füße legte wie eine junge Braut um den Leib ihres Mannes im Brautbett, welche seine Wünsche erspürte, bevor er sie mit heißem Atem auszusprechen in der Lage war.

Selbst die Maiden brachten ihr Schuhwerk, welches nach einigen durchtanzten Nächten auf manchem Fest in Darenwede und Umgebung verschlissen war, zum ‘Schwarzen Herman‘, zeigten ihre wund geschürften Füße ‘Martha der Hexe‘ und baten verschämten Blickes um Heilung.

‘Martha die Hexe‘ schritt stets zur Tat, sie salbte die Füße und behandelte das von ‘Ihrem Herman‘ reparierte Schuhwerk auf gewohnte Weise, indem sie zwei kleine Matten aus Salbei, Fenchel und noch einigen Zutaten in die Schuhe legte, kurz hinter ihrem Haus verschwand, sodann dem Mädel das Schuhwerk anzulegen befahl, ebenso ein Ave Maria, drei Vaterunser zu beten und ihren Brunnen hernach sieben Mal zu umschreiten.

Gar manches Mädel, so sagt man, soll folgend wegen ihres reputierlich anzuschauenden Ganges zu guter Partie gelangt sein.

Nun, auch ‘Martha die Hexe‘ änderte ihr Gebaren, ihr Haar trug sie nicht mehr wild zerzaust und struppig, sondern ließ es in milden Wellen um die Schultern fließen, und wenn man sie zu einem Kranken rief, band sie es zu einem scharfen Knoten am Hinterkopf. Am Krankenbett, an dem man sie bislang nur keifend und scheltend kannte, bereitete sie ihre wundersamen Salben, Tränke und Tinkturen, ein Liedlein summend, zu.

Aufrecht schritt sie fortan einher, mit resolutem Blick verabreichte sie dem, der erbarmungswürdig danieder lag, ihre heilsamen Medizinen. Die Wirkungen dieser waren wie vor dem Tage, als sie den ‘Schwarzen Herman‘ zwei Monde voraus an ihrem Haus vom Karren gekippt hatte, und die Entlohnungen für ihre wundersamen Heilungen fielen deutlich besser aus.

Ähnlich erging es auch dem ‘Schwarzen Herman‘ nur dass man ihn nicht mehr so nannte.

„Geh‘ Herman, richt‘ mir bitte mein Schuhwerk“, hieß nun, „und sag‘ der Martha, sie möge es mir geschmeidig machen.“

Das Lächeln, dass nach solch einem Auftrage über des Schusters von der Martha sorgsam gepflegtem Spitzbart erschien, schrieb man seinem nunmehr heiteren Gemüte zu.

Und das hatte er fürwahr gefunden, sogar beim Kegelschieben konnte man ihn hin und wieder antreffen.

Da das Licht tagsüber reichlich von der Sonne gespendet auf seinen Arbeitsplatz floss, brachte Herman der Schuster seine Schusterkugel über der Tür des Häuschens an, in dem er nunmehr tätig war, um auch dem ortsfremden Wanderer anzuzeigen, wo er sein Schuhwerk richten lassen konnte. Vermehrt wurden ihm mehr oder weniger verschlissene Schuhe gebracht, und man verlangte, dass die ‘Rote Martha‘, so nannte man sie indes, sie schmiegsam und federnd machen solle.

Es gab Tage, da die ‘Rote Martha‘ ihre Latrine nicht ein einziges Mal aufsuchte, und an denen des Schusters Durchnähahle heiß zulaufen drohte ...

Nun, währe diese Erzählung ein Märchen, endete es hier mit den Worten:

Sie lebten beisammen, die Hexe und der Schuster, sie liebten einander, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Doch diese Erzählung ist das Resultat zahlreicher, nächtelanger Recherche, sie soll der Tatsächlichkeit entsprechend fortgesetzt sein.

Kurz bevor sich der Mond erneut rundete, sprach ein reicher Bauer Darenwedes der ‘Roten Martha‘ den Auftrag aus, ihm einen Trank zu brauen, den er seinem Weibe einzuflößen gedachte, damit sie sich nicht weiterhin dem ‘Mitternächtlichen Hochgefühl‘ entzöge.

Nun war Eile geboten, den jegliches Gewächs entfaltet seine Kräfte kurz bevor der Mond sich rundet. Auf der Suche nach Saubrot, welches sich bei ihrem Herman bereits bewährt hatte, drang die ‘Rote Martha‘ tiefer in den Darenweder Wald ein, als sie es üblich zu tun pflegte.

Alsbald wurde sie der Lichtung gewahr, in der der Pfarrer Darenwedes dereinst die fünfhundert leeren Flaschen vergraben hatte, die den Messwein beinhaltet hatten, welcher damalig für Frieden sorgte, als es zum Tumult in der Kirche gekommen war. Der geneigte Leser mag sich erinnern.

Doch als die ‘Rote Martha‘ eben dieser Lichtung gewahr wurde, ruhte sich lediglich das Mondlicht auf ihr aus. Im übrigen standen dort Pilze und reckten sich dem roten Licht des Mondes entgegen, Pilze welche die ‘Rote Martha‘ noch nie geschaut hatte. Gelb waren sie, rötlich gelb, glänzend und verlockend, ein Kreuz war auf ihrem Buckel, und der Duft der Pilze war betörend.

Die ‘Rote Martha‘ konnte nicht umhin, einen dieser Pilze zu brechen und zu verkosten. Den Ratschlag ihrer Großmutter, niemals von einem Pilz zu naschen, dessen Wirkung sie nicht gewiss war, schlug sie in den Wind, und das schaurige „tu‘s nie ...“ einer Eule, die im Wipfel einer der Bäume, welche die Lichtung säumten, verharrte, mißachtete sie.

Gar wohl schmeckte ihr der Pilz mit dem Kreuz auf dem Buckel, würzig wie der Wein aus Judäa, und alsbald spürte sie ein warmes Empfinden zwischen ihren Lenden.

Die ‘Rote Martha‘ brach daraufhin die sieben Pilze mit den prächtigsten Kreuzen, eilte nach Hause, trocknete und mörserte sie. Sie war guten Willens, als sie ihren Herman aus dem Schlaf küßte und ihm drei Löffel dieses Absuds verabreichte. Sie selbst nahm auch die gleiche Dosis zu sich und harrte dessen, was da kommen sollte.

Und es kam!

Zögernd zunächst und dann mit der Kraft, die Messwein, und der Blutmond, der nunmehr über dem Darenweder Wald stand, aufzubringen in der Lage sind. Gewaltig war’s, das Häuschen erbebte, selbst Schuhe, die noch nicht repariert waren, tanzten umeinander, und die Elfen, die vorsichtig, von Neugier getrieben aus dem Walde lugten, ließen ihre Hände vorsichtig zwischen ihre Schenkel wandern.

So kam es, dass die ‘Rote Martha‘ und ‘Herman der Schuster‘ zu der Zeit, als die Sonne den Tau von den Gräsern zu küssen begann, auf ihrer Bettstatt lagen, außerstande sich zu bewegen.

Und als die Sonne weiterhin auf ihrer Bahn einher wandelte, geschah es, dass sie ihr güldenes Licht derart in des Schusters Kugel zu scharfem Strahl bündelte, dass dieser die Haustür in Brand setzte. Ungehindert setzte das Feuer sein abscheuliches Werk fort. Alsbald stand das Häuschen derart in Flammen, dass keine Hilfe mehr durchführbar war.

Als sich die letzten Rauchschwaden von den zusammenstürzenden Balken des Häuschens, in den sich die ‘Rote Martha‘ und ‘Herman der Schuster‘ bis zuletzt geliebt hatten, lösten und in den Himmel gestiegen waren, fand man die beiden; - eng umschlungen und in immerwährendem Schlaf vereint; - verbrannt in ewiger Liebe ...
 



 
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