„Hey Mann, das ist ja klasse. Und ob Sie mir damit geholfen haben! Was wollen Sie dafür haben?“
Er hatte meine 15 Mark die ganze Zeit über in der Faust gehalten. Er legte sie auf die Glasplatte zurück, schluckte und stotterte:
„Nein, nein, nichts! Gar nichts! Hier haben Sie Ihr Geld zurück, und wenn ich Ihnen geholfen habe, dann sind wir jetzt doch fertig, nicht wahr?“ Sein flehender Blick wies zum Ausgang.
Ich griff die Tüte mit den Stöpseln und trat raus auf die Straße.
Hinter mir schepperte die Tür zu. Ich drehte mich um und sah gerade noch, wie der arme Kerl in affenartiger Geschwindigkeit abschloss und ein Schild mit der Aufschrift „Mittagspause“ an die Scheibe hängte. Und weg war er! Aufs Klo, zur Mama, oder weiß der Geier wohin. Also Leute gibt´s!
*
Lui war nicht zuhause. Er rechnete auch nicht mit mir. Ich hätte vom Hof aus nicht nur Karls Arzt sondern auch Lui anrufen sollen. Keine Zeit verlieren, weiter im Plan! Ich ging zur nächsten Schreibwarenhandlung und kaufte einen dicken Stapel Löschpapier. Dann zur Apotheke wegen eine Tube Vaseline. Mir graute bei dem Gedanken, was ich mit der Vaseline noch alles anstellen musste! Im Sanitätsfachgeschäft legte ich fünf Mark für Dichtungshanf hin. Ich ließ mir den Binsen in eine stabile Plastiktüte packen und auf einer verwaisten Baustelle um die Ecke ein paar Klinkersteine mitgehen. So viele, wie in die Tüte passten. Inzwischen stand Luis Gummikuh wieder vor der Tür. Ich klingelte Sturm und stürmte in die zweite Etage, nachdem er endlich den Türöffner gedrückt hatte.
„Oha“, begrüßte er mich an der Tür und schnupperte. „Ist bei Karl die Dusche kaputt?“
Ich schob in wütend zur Seite und überlegte auf dem Gang ins Badezimmer, ob die Leute mich in den Geschäften deshalb so komisch angeschaut hatten. Man riecht seinen eigenen Gestank ja immer erst zuletzt.
„Lui, ich brauch deine Badewanne. Jetzt gleich. Fragen werden später beantwortet.“
„Kein Problem“, rief er mir nach, „im Schrank hinter der Tür liegen frische Handtücher.“
Gut. Die brauchte ich nämlich auch für mein Experiment.
Ich ließ Wasser in die Wanne ein und setzte mich mit meinem ganzen Gedöns an den Küchentisch.
Lui kam mit Unterwäsche, Socken und einem Blaumann an.
„Sorry, aber ´ne Hose in deiner Größe hab´ ich nicht. Probier mal den Blaumann. Der müsste dir eigentlich passen.“
Ich schaute meinen Freund an, als hätte er den Schuss nicht gehört. Der fragte ungläubig:
„Willst du nach dem Bad etwa wieder in die versifften Klamotten steigen?“
„Eh Mann, ich will doch gar nicht baden. Ich brauch die Ba…“
„Solltest du aber. Bevor du irgendetwas anderes tust. Du stinkst wie ein Frettchen! Und deine Sachen müssen gewaschen werden. Und mach die Wanne nach dem Bad wieder sauber!“
Habe ich schon mal erwähnt, dass Lui penetranter sein kann als eine Mutter?
*
Nach einer gründlichen Reinigung griff ich auf Luis ausufernde Sammlung an Deos und Parfums zurück, bevor ich im kratzigen Blaumann in die Küche kam. Lui hatte ein paar belegte Brötchen aufgetischt und Bier kaltgestellt. Die Waschmaschine kämpfte inzwischen gegen den Dreck in meinen Klamotten an.
Ich tat was für meinen Bauch, schlürfte ein kühles Blondes und berichtete ihm von meinem Tag. Vom Amt, von Karl und von Heinz.
Lui prostete mir zu und sagte:
„Tut mir leid mit deinem Karl. Und ich find es gut, dass du dageblieben bist, bis er abgeholt wurde! Aber sag mal …“ Er drehte sich zur Küchentür. „Warum läuft die Wanne schon wieder voll?“
Ich zeigte auf die Tüten, die neben dem Küchentisch standen.
„Ich muss experimentieren.“
„Na dann mal los!“ gluckste Lui. „Ich bin für alles offen.“
Ich nahm die Tüten vom Fußboden, stellte sie neben mich auf einen Stuhl und schaute in Richtung Badezimmer.
„Vielleicht solltest du vorher aber das Wasser abstellen, damit die Wanne nicht überläuft.“
Lui tat gehorsam, wie von ihm verlangt wurde.
„Also“, begann ich langsam, als er wieder im Tisch saß, „du erinnerst dich noch daran, dass du letztens für mich einen Arzt rufen wolltest, ja?“
Lui nickte verkniffen und schaute sich um. Vermutlich suchte er ein Telefon.
„Bleib ganz ruhig, Alter! Eins von diesen Dingern hier …“ Ich holte eine Aluhülse aus dem Beutel und zeigte sie ihm. „… werde ich mir wohl oder übel in den Allerwertesten schieben. Vollgestopft mit Zaster. Große Scheine. Und mit dem Duplikat des KFZ-Scheins.“ Luis verzog das Gesicht, als hätte ich ihm einen Suppenteller mit Kacke vorgesetzt. Ich grinste. „Dann habe ich mein Geld immer bei mir, weißt du?“
Ich wartete kurz, bis er diese Info verdaut hatte.
„Und in der Wanne prüfen wir, ob die in Frage kommenden Hülsen auch wasserdicht sind. Und jetzt erklär ich dir, was es mit der Pellkartoffel auf sich hat …“
Mein Freund kannte den Film „Es muss nicht immer Kaviar sein“ nicht. Er war ganz Ohr, als ich ihm erklärte, wie man mit einer heißen halben Pellkartoffel einen Stempel übertragen kann.
„Ach so“, fuhr ich fort, „ich habe ja auf dem Hof nicht nur gewartet, bis Karl abgeholt wurde. Ich habe zu allererst einmal 100 Liter besten Heizöls umgefüllt. In vier große Kanister. Die liegen jetzt im Kofferraum. Bräuchte für den Fall der Fälle noch deine Campingausrüstung. Die passt hinten gerade noch rein. Und jetzt lass uns mal experimentieren!“
Wir sichteten die Alu-Hülsen. Verbeulte und solche mit beschädigten Schraubverschlüssen schmiss ich weg. Die restlichen füllten wir mit Löschpapier, dichteten die Gewinde mit Binsen und Fett ab und legten sie in die Badewanne. Ein paar Handtücher zum Abpolstern, ein paar Klinker obendrauf, und dann hieß es abwarten. Mindestens 24 Stunden lang. Mir blieben höchstens 12. Während ich die Klinkersteine auf die Handtücher packte, fragte ich mich, auf was für ein heißes Rennen ich mich da eigentlich einließ. Wenn die Stöpsel nicht hundertprozentig dicht waren, musste ich die Kohle und den Schein noch in Plastikfolie einschweißen. Und wenn die sich beim Amt querstellten und mir kein Duplikat ausstellen wollten? Immer diese „wenns“! Ich blendete das alles aus, machte mit meinem Plan weiter und ließ Lui gegenüber nicht durchblicken, dass mir der Arsch ging.
Wir gingen zurück in die Küche und machten wie kleine Kinder Kartoffeldruck.
Wir probierten es an unseren Ausweisen und Führerscheinen aus. Ich drückte eine halbierte heiße Kartoffel auf den Stempel in meinem Führerschein. Wir warteten, bis die Knolle kalt war. Ich hob sie ab und wir sahen auf der Schnittfläche ein schönes Stempelnegativ. Ich schnitt von der Kartoffel so viel ab, dass sie nur noch eine dicke Scheibe war und hielt sie vorsichtig mit zwei Gabeln in die Luft, die Schnittfläche mit dem Drucknegativ nach oben. Lui erhitzte die Unterseite mit einer Kerzenflamme, bis die Schnittfläche zu schwitzen anfing. Dann legte ich die Scheibe vorsichtig auf ein Blatt Papier. Gespannt warteten wir, bis sie abgekühlt war. Ich hob sie ab. Voila, ein wunderschön amtlicher Stempel!
Lui wühlte in seiner Kramschublade im Küchenschrank rum und fand nach kurzer Zeit seinen abgelaufenen Personalausweis. Er wollte auf Nummer sicher gehen und schauen, ob sich mit der Kartoffel auch das Papier eines Ausweises bedrucken ließ. Er kopierte den Stempel im alten Perso und druckte mit der Kartoffel problemlos einen minimal blasseren Stempel neben das Original. Man kann behaupten, dass Lui beeindruckt war.
Danach machte er sich stadtfein. Er hatte ein Date mit ein paar Jungbullen. Ich machte mich bettfein. Es gab Schlaf nachzuholen. Am Dienstag wollte ich um neun auf dem Amt sein und mir ein Duplikat vom KFZ-Schein holen. Und um zehn hoffentlich auf der Bahn Richtung Algeciras. In der Nacht träumte ich von Ljubiša Petrovi?.
Er hatte meine 15 Mark die ganze Zeit über in der Faust gehalten. Er legte sie auf die Glasplatte zurück, schluckte und stotterte:
„Nein, nein, nichts! Gar nichts! Hier haben Sie Ihr Geld zurück, und wenn ich Ihnen geholfen habe, dann sind wir jetzt doch fertig, nicht wahr?“ Sein flehender Blick wies zum Ausgang.
Ich griff die Tüte mit den Stöpseln und trat raus auf die Straße.
Hinter mir schepperte die Tür zu. Ich drehte mich um und sah gerade noch, wie der arme Kerl in affenartiger Geschwindigkeit abschloss und ein Schild mit der Aufschrift „Mittagspause“ an die Scheibe hängte. Und weg war er! Aufs Klo, zur Mama, oder weiß der Geier wohin. Also Leute gibt´s!
*
Lui war nicht zuhause. Er rechnete auch nicht mit mir. Ich hätte vom Hof aus nicht nur Karls Arzt sondern auch Lui anrufen sollen. Keine Zeit verlieren, weiter im Plan! Ich ging zur nächsten Schreibwarenhandlung und kaufte einen dicken Stapel Löschpapier. Dann zur Apotheke wegen eine Tube Vaseline. Mir graute bei dem Gedanken, was ich mit der Vaseline noch alles anstellen musste! Im Sanitätsfachgeschäft legte ich fünf Mark für Dichtungshanf hin. Ich ließ mir den Binsen in eine stabile Plastiktüte packen und auf einer verwaisten Baustelle um die Ecke ein paar Klinkersteine mitgehen. So viele, wie in die Tüte passten. Inzwischen stand Luis Gummikuh wieder vor der Tür. Ich klingelte Sturm und stürmte in die zweite Etage, nachdem er endlich den Türöffner gedrückt hatte.
„Oha“, begrüßte er mich an der Tür und schnupperte. „Ist bei Karl die Dusche kaputt?“
Ich schob in wütend zur Seite und überlegte auf dem Gang ins Badezimmer, ob die Leute mich in den Geschäften deshalb so komisch angeschaut hatten. Man riecht seinen eigenen Gestank ja immer erst zuletzt.
„Lui, ich brauch deine Badewanne. Jetzt gleich. Fragen werden später beantwortet.“
„Kein Problem“, rief er mir nach, „im Schrank hinter der Tür liegen frische Handtücher.“
Gut. Die brauchte ich nämlich auch für mein Experiment.
Ich ließ Wasser in die Wanne ein und setzte mich mit meinem ganzen Gedöns an den Küchentisch.
Lui kam mit Unterwäsche, Socken und einem Blaumann an.
„Sorry, aber ´ne Hose in deiner Größe hab´ ich nicht. Probier mal den Blaumann. Der müsste dir eigentlich passen.“
Ich schaute meinen Freund an, als hätte er den Schuss nicht gehört. Der fragte ungläubig:
„Willst du nach dem Bad etwa wieder in die versifften Klamotten steigen?“
„Eh Mann, ich will doch gar nicht baden. Ich brauch die Ba…“
„Solltest du aber. Bevor du irgendetwas anderes tust. Du stinkst wie ein Frettchen! Und deine Sachen müssen gewaschen werden. Und mach die Wanne nach dem Bad wieder sauber!“
Habe ich schon mal erwähnt, dass Lui penetranter sein kann als eine Mutter?
*
Nach einer gründlichen Reinigung griff ich auf Luis ausufernde Sammlung an Deos und Parfums zurück, bevor ich im kratzigen Blaumann in die Küche kam. Lui hatte ein paar belegte Brötchen aufgetischt und Bier kaltgestellt. Die Waschmaschine kämpfte inzwischen gegen den Dreck in meinen Klamotten an.
Ich tat was für meinen Bauch, schlürfte ein kühles Blondes und berichtete ihm von meinem Tag. Vom Amt, von Karl und von Heinz.
Lui prostete mir zu und sagte:
„Tut mir leid mit deinem Karl. Und ich find es gut, dass du dageblieben bist, bis er abgeholt wurde! Aber sag mal …“ Er drehte sich zur Küchentür. „Warum läuft die Wanne schon wieder voll?“
Ich zeigte auf die Tüten, die neben dem Küchentisch standen.
„Ich muss experimentieren.“
„Na dann mal los!“ gluckste Lui. „Ich bin für alles offen.“
Ich nahm die Tüten vom Fußboden, stellte sie neben mich auf einen Stuhl und schaute in Richtung Badezimmer.
„Vielleicht solltest du vorher aber das Wasser abstellen, damit die Wanne nicht überläuft.“
Lui tat gehorsam, wie von ihm verlangt wurde.
„Also“, begann ich langsam, als er wieder im Tisch saß, „du erinnerst dich noch daran, dass du letztens für mich einen Arzt rufen wolltest, ja?“
Lui nickte verkniffen und schaute sich um. Vermutlich suchte er ein Telefon.
„Bleib ganz ruhig, Alter! Eins von diesen Dingern hier …“ Ich holte eine Aluhülse aus dem Beutel und zeigte sie ihm. „… werde ich mir wohl oder übel in den Allerwertesten schieben. Vollgestopft mit Zaster. Große Scheine. Und mit dem Duplikat des KFZ-Scheins.“ Luis verzog das Gesicht, als hätte ich ihm einen Suppenteller mit Kacke vorgesetzt. Ich grinste. „Dann habe ich mein Geld immer bei mir, weißt du?“
Ich wartete kurz, bis er diese Info verdaut hatte.
„Und in der Wanne prüfen wir, ob die in Frage kommenden Hülsen auch wasserdicht sind. Und jetzt erklär ich dir, was es mit der Pellkartoffel auf sich hat …“
Mein Freund kannte den Film „Es muss nicht immer Kaviar sein“ nicht. Er war ganz Ohr, als ich ihm erklärte, wie man mit einer heißen halben Pellkartoffel einen Stempel übertragen kann.
„Ach so“, fuhr ich fort, „ich habe ja auf dem Hof nicht nur gewartet, bis Karl abgeholt wurde. Ich habe zu allererst einmal 100 Liter besten Heizöls umgefüllt. In vier große Kanister. Die liegen jetzt im Kofferraum. Bräuchte für den Fall der Fälle noch deine Campingausrüstung. Die passt hinten gerade noch rein. Und jetzt lass uns mal experimentieren!“
Wir sichteten die Alu-Hülsen. Verbeulte und solche mit beschädigten Schraubverschlüssen schmiss ich weg. Die restlichen füllten wir mit Löschpapier, dichteten die Gewinde mit Binsen und Fett ab und legten sie in die Badewanne. Ein paar Handtücher zum Abpolstern, ein paar Klinker obendrauf, und dann hieß es abwarten. Mindestens 24 Stunden lang. Mir blieben höchstens 12. Während ich die Klinkersteine auf die Handtücher packte, fragte ich mich, auf was für ein heißes Rennen ich mich da eigentlich einließ. Wenn die Stöpsel nicht hundertprozentig dicht waren, musste ich die Kohle und den Schein noch in Plastikfolie einschweißen. Und wenn die sich beim Amt querstellten und mir kein Duplikat ausstellen wollten? Immer diese „wenns“! Ich blendete das alles aus, machte mit meinem Plan weiter und ließ Lui gegenüber nicht durchblicken, dass mir der Arsch ging.
Wir gingen zurück in die Küche und machten wie kleine Kinder Kartoffeldruck.
Wir probierten es an unseren Ausweisen und Führerscheinen aus. Ich drückte eine halbierte heiße Kartoffel auf den Stempel in meinem Führerschein. Wir warteten, bis die Knolle kalt war. Ich hob sie ab und wir sahen auf der Schnittfläche ein schönes Stempelnegativ. Ich schnitt von der Kartoffel so viel ab, dass sie nur noch eine dicke Scheibe war und hielt sie vorsichtig mit zwei Gabeln in die Luft, die Schnittfläche mit dem Drucknegativ nach oben. Lui erhitzte die Unterseite mit einer Kerzenflamme, bis die Schnittfläche zu schwitzen anfing. Dann legte ich die Scheibe vorsichtig auf ein Blatt Papier. Gespannt warteten wir, bis sie abgekühlt war. Ich hob sie ab. Voila, ein wunderschön amtlicher Stempel!
Lui wühlte in seiner Kramschublade im Küchenschrank rum und fand nach kurzer Zeit seinen abgelaufenen Personalausweis. Er wollte auf Nummer sicher gehen und schauen, ob sich mit der Kartoffel auch das Papier eines Ausweises bedrucken ließ. Er kopierte den Stempel im alten Perso und druckte mit der Kartoffel problemlos einen minimal blasseren Stempel neben das Original. Man kann behaupten, dass Lui beeindruckt war.
Danach machte er sich stadtfein. Er hatte ein Date mit ein paar Jungbullen. Ich machte mich bettfein. Es gab Schlaf nachzuholen. Am Dienstag wollte ich um neun auf dem Amt sein und mir ein Duplikat vom KFZ-Schein holen. Und um zehn hoffentlich auf der Bahn Richtung Algeciras. In der Nacht träumte ich von Ljubiša Petrovi?.