Die Osterhasen-Prüfung

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VeraL

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„Nein, nein, nein! So etwas Blödes. Wieso klappt das denn nicht?“ Oskar, der Hase, ist frustriert. Vor ihm liegen ein Osterei und ein Buch mit Malvorlagen. Leider sieht das Ei überhaupt nicht so aus wie die Bilder in dem Buch. Ärgerlich wirft Oskar den Pinsel in die Ecke. In zwei Tagen ist die große Osterhasen-Prüfung. Er will es unbedingt schaffen. In seiner Familie waren alle Hasen Osterhasen. Eierkunde und Eier verstecken kann er richtig gut, doch das Malen klappt einfach nicht. Draußen wird es dunkel, aber es hilft nichts. Oskar hebt den Pinsel auf, wäscht ihn aus und beginnt mit einem neuen Ei.

Plötzlich klopft es an der Tür. Oskar ist so vertieft in seine Arbeit, dass er erschrocken zusammenzuckt. „Wer kann das so spät sein? Vielleicht ist etwas passiert?“ Oskar springt auf, stolpert über ein missratenes Osterei und landet mit den Ohren in den Farbeimern. Jetzt sind seine Ohren blau und grün. Auch das noch! Er schüttelt sich wild, damit die Farbe abtropft. Dabei stempelt er mit den Ohren Farbe auf das Ei. Oskar brummt vor sich hin: „So eine Sauerei, aber das Ei ist sowieso ruiniert.“
Er hoppelt zu Tür und öffnet. Draußen steht sein bester Freund Fabi, der Igel. Er hält eine Tafel Schokolade hoch. „Ich dachte, ich bringe dir eine kleine Aufmunterung vorbei. Aber wie siehst du denn aus?“
„Das ist doch gar nichts. Du hast noch nicht gesehen, was mit meinem Wohnzimmer passiert ist.“
„Au Backe. Das sieht ja wild aus.“
Oskar lässt die Ohren hängen. „Alles ist voll Farbe, weil ich mit den Ohren in die Eimer gefallen bin. Und zwar komplett umsonst. Die Muster krieg ich nie hin.“
Fabi reißt die Schokoladenverpackung auf: „Nimm dir ein Stück. Ich mache in der Zwischenzeit ein bisschen sauber.“ Er schnappt sich einen Lappen und hebt das Ei mit den Ohrenabdrücken auf. „Das hier gefällt mir gut. Ist mal was anderes.“
Oskar sitzt mit der Schokolade auf dem Sofa und lacht. „Du kannst es gerne haben, das ist leider kein Muster aus dem Lehrbuch.“

Zwei Tage später steht Oskar mit zitternden Pfoten im Prüfungssaal. Die ersten beiden Fächer sind super gelaufen. Seine Eier waren am besten versteckt und in Eierkunde konnte er alle Fragen beantworten. Aber jetzt ist bereits der erste Strich verrutscht und hängt schief auf dem Ei. Neben ihm zaubern die anderen perfekte Spiralen, Punkte und Kreise auf die weißen Schalen. Plötzlich hat Oskar eine Idee. Soll er es wagen? Er atmet tief durch. Zu verlieren hat er jetzt nichts mehr. Entschlossen tunkt er seine Ohren in die Farben und klatscht sie auf das Ei. Platsch, platsch, platsch. Ruckzuck ist er fertig. Er ist zufrieden. So ein schönes Ei hat er noch nie hinbekommen. Die anderen Osterhasenanwärter sehen ihn entgeistert an.

Dann ist die Prüfungszeit um. Alle müssen ihre Pinsel auf Seite legen und Oskar schrubbt seine Ohren. Die Prüfer, drei ehrwürdige Osterhasen, gehen langsam durch den Raum. Sie loben Farbkombinationen und kritisieren wacklige Striche. Als sie ganz am Schluss zu Oskars Tisch kommen, sind sie für einen Moment still.
„Was ist das denn bitte?“, fragt der Prüfer mit den grauen Schnurrbarthaaren. „So etwas habe ich ja noch nie gesehen.“
Der andre Osterhase rümpft nur die Nase.
Aber die Osterhäsin lacht erfreut auf: „Ich finde das ausgesprochen kreativ. Endlich mal etwas Innovatives. Und die Farben sind wirklich sehr intensiv.“ Sie stubst den Hasen neben sich an. „Kommen Sie schon, Professor. Geben Sie sich einen Ruck.“
Der zweite Prüfer breitet ergeben die Pfoten aus und nickt. „Also gut, von mir aus.“
Der dritte Prüfer schüttelt den Kopf und brummelt: „Solche Eier will doch kein Kind.“ Aber zwei Stimmen reichen für das Diplom. Oskar kann sein Glück kaum fassen, als er es in den Pfoten hält. Das wird er heute Abend mit Fabi feiern.

In der Woche nach Ostern liegt Oskar erschöpft in der Hängematte vor seinem Haus. So anstrengend hat er sich das Fest nicht vorgestellt. Bis spät in die Nacht hat er Eier gefärbt, die er dann frühmorgens verstecken musste. Er schließt gerade die Augen zu einem kleinen Nickerchen, als Fabi aufgeregt durch das Gartentor stürmt. „Oskar, Oskar, das musst du sehen. Du bist in der Zeitung.“ Er winkt mit einer Ausgabe des Hasenanzeigers.
Oskar richtet sich auf und fällt fast aus der Hängematte: „Was? Wieso das denn?“
„Deine Eier waren in diesem Jahr am beliebtesten bei den Kindern.“
Die Hase schnappt sich die Zeitung. Auf der ersten Seite prangt ein Foto von den Eiern mit seinen Ohrenabdrücken.
„Da steht, du bekommst einen Preis und darfst im nächsten Jahr in der Osterhasenschule unterrichten.“
„Also ich werde bestimmt von niemandem diese bekloppten Spiralen verlangen.“ Oskar denkt an den entsetzten Blick des Prüfers und muss lachen. Er kuschelt sich mit Fabi in die Hängematte und lässt sich ein paar Schokoeier schmecken.
 



 
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