bettina_1912
Mitglied
Das Schiff war nur halb voll, viereckig und klein, wie die Kirche war. Die Leute hatten sich alle in den hinteren Reihen der Holzbänke niedergelassen, bis auf eine Handvoll eifriger Gemeindemitglieder. Jene, die ihren Platz in Gesellschaft und Politik erarbeitet hatten. Sie sassen in den vordersten Bänken mit dem zufriedenen Gesicht des Angekommenseins.
Der Pfarrer war heute früh da. Bereits auf der Kanzel, ordnete er seine Notizen zur Predigt und stellte das Mikrofon ein. Seine Gesten aber waren heute hektisch und streng und auf dem sonst so offenen, runden Gesicht mit weichem Mund, zeigte sich Ärger.
Das Läuten der Kirchenglocken schwoll mit dem Ankommen eines späten Besuchers nochmals an im hohen Raum, bevor der Unbekannte die schwere Holztür hinter sich zuzog und leisen Schrittes einen Platz in der hintersten Reihe einnahm. Die letzten Glockenschläge verhallten und die Gemeinde sammelte sich in der Stille.
Mit mächtigem Getöse setzte und die Orgel ein und trieb den Wind des heiligen Geistes durch die Kirchenbänke. Die Predigt des Pfarrers war heute flammender als sonst. Er sprach von Vergebung, aber Wut stand in seinem Gesicht. Er sprach von Liebe, aber Schmerz funkelte in seinen Augen. Und er sprach von Ruhe und dem Aufgehobensein in Gott, aber die Geste mit der er sein starkes, dunkles Haar, das erst wenige silberne Fäden zeigte, ungeduldig aus der Stirn strich, schien verzweifelt.
„Die Liebe sei ohne Falsch“, zitierte er in der Mitte der Predigt aus dem Römerbrief. „Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich“, predigte er wütend. Mahnte er seine Gemeinde? Mahnte er sich selber? Zürnte er Gott? Enttäuschung, ja Verzweiflung schienen ihn, den sonst in sich Ruhenden, anzutreiben und seine Worte hagelten auf die Köpfe der Gemeinde.
Das helle Geräusch eines Aufschluchzens, kreuzte jäh die donnernde Stimme des Pfarrers und ging sofort in ein Husten über. Die Frau des Pfarrers hatte ihr Taschentuch vor den Mund gepresst und sass mit unbewegter Miene in der linken vorderen Reihe. Das Mikrofon zitterte in der Stille.
Nun zeichnete sich Erschöpfung und Trauer auf dem Gesicht des Pfarrers ab. Eine unendliche Müdigkeit schien von ihm Besitz zu ergreifen und seine Bewegungen zu verlangsamen. Die Predigt war zu Ende und leise tröstend setzte die Orgel ein.
Ein erlöstes Murmeln und Rascheln ging durch die Bänke. Die ersten Leute erhoben sich und griffen nach ihren Mänteln. Der einsame Klang von hohen Absätzen auf dem Steinfussboden drang durch die Menge wie eine vergessene Melodie. Schnellen Schrittes und mit entschlossenem Gesichtsausdruck war sie aus dem Reich ihres Mannes geflüchtet. Verloren stand der Pfarrer noch einen Moment auf der Kanzel. Gott höchstselbst, so schien es ihm, hatte ihn soeben verlassen.
„Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege?“ So hatte er seine Gemeinde leise zum Abschluss gefragt.
Nach 27 Ehejahren brannte sein Herz heller denn je, wurde vom Feuer verschlungen. Aber war es schon zu spät?
Langsam sammelte er sich, grüsste abwesend ein paar Gemeindemitglieder, ordnete seine Papiere und verliess die Kirche als letzter durch die Seitentür beim Gemeindegarten. Wie kühl der Abend war!
Der Pfarrer war heute früh da. Bereits auf der Kanzel, ordnete er seine Notizen zur Predigt und stellte das Mikrofon ein. Seine Gesten aber waren heute hektisch und streng und auf dem sonst so offenen, runden Gesicht mit weichem Mund, zeigte sich Ärger.
Das Läuten der Kirchenglocken schwoll mit dem Ankommen eines späten Besuchers nochmals an im hohen Raum, bevor der Unbekannte die schwere Holztür hinter sich zuzog und leisen Schrittes einen Platz in der hintersten Reihe einnahm. Die letzten Glockenschläge verhallten und die Gemeinde sammelte sich in der Stille.
Mit mächtigem Getöse setzte und die Orgel ein und trieb den Wind des heiligen Geistes durch die Kirchenbänke. Die Predigt des Pfarrers war heute flammender als sonst. Er sprach von Vergebung, aber Wut stand in seinem Gesicht. Er sprach von Liebe, aber Schmerz funkelte in seinen Augen. Und er sprach von Ruhe und dem Aufgehobensein in Gott, aber die Geste mit der er sein starkes, dunkles Haar, das erst wenige silberne Fäden zeigte, ungeduldig aus der Stirn strich, schien verzweifelt.
„Die Liebe sei ohne Falsch“, zitierte er in der Mitte der Predigt aus dem Römerbrief. „Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich“, predigte er wütend. Mahnte er seine Gemeinde? Mahnte er sich selber? Zürnte er Gott? Enttäuschung, ja Verzweiflung schienen ihn, den sonst in sich Ruhenden, anzutreiben und seine Worte hagelten auf die Köpfe der Gemeinde.
Das helle Geräusch eines Aufschluchzens, kreuzte jäh die donnernde Stimme des Pfarrers und ging sofort in ein Husten über. Die Frau des Pfarrers hatte ihr Taschentuch vor den Mund gepresst und sass mit unbewegter Miene in der linken vorderen Reihe. Das Mikrofon zitterte in der Stille.
Nun zeichnete sich Erschöpfung und Trauer auf dem Gesicht des Pfarrers ab. Eine unendliche Müdigkeit schien von ihm Besitz zu ergreifen und seine Bewegungen zu verlangsamen. Die Predigt war zu Ende und leise tröstend setzte die Orgel ein.
Ein erlöstes Murmeln und Rascheln ging durch die Bänke. Die ersten Leute erhoben sich und griffen nach ihren Mänteln. Der einsame Klang von hohen Absätzen auf dem Steinfussboden drang durch die Menge wie eine vergessene Melodie. Schnellen Schrittes und mit entschlossenem Gesichtsausdruck war sie aus dem Reich ihres Mannes geflüchtet. Verloren stand der Pfarrer noch einen Moment auf der Kanzel. Gott höchstselbst, so schien es ihm, hatte ihn soeben verlassen.
„Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege?“ So hatte er seine Gemeinde leise zum Abschluss gefragt.
Nach 27 Ehejahren brannte sein Herz heller denn je, wurde vom Feuer verschlungen. Aber war es schon zu spät?
Langsam sammelte er sich, grüsste abwesend ein paar Gemeindemitglieder, ordnete seine Papiere und verliess die Kirche als letzter durch die Seitentür beim Gemeindegarten. Wie kühl der Abend war!