Die Verfassung der BRD

2,90 Stern(e) 9 Bewertungen

Yeti

Mitglied
Die Verfassung der BRD


Mandatsträger

Die Herren, die in Gremien und Räten sitzen
(daß hier die Damen fehlen, das hat seinen Grund),
die Tag um Tag nur Bleistifte und Ohren spitzen,
und bei der Sekretärin nachts auch mal den Mund,

verhandeln gern den Oberlauf der Weltgeschichte.
Und auch der Unterlauf wird bestens reguliert,
damit den Menschen an den Ufern der Geschichte
beim Überlauf der Mittel nicht das Blut gefriert.

Die Herrschaften im schmucken Parlamentsgefieder,
die gerne Grenzen ziehen jenseits der Moral,
sie tragen unter den Revers ein Panzermieder;
die Reden die sie schwingen schmecken sämtlich schal.

Nach vorne laut, und hinten Hände offen halten!
Für sie gilt nur das Dogma monetären Drucks.
Doch wenn sie hinter andrer Rücken Zungen spalten,
hört man von ihnen nicht den allerkleinsten Mucks.

Mandate tragen sie als erogene Bürden;
auf unser Mitleid zielend. Sie sind sich bewußt,
daß niemand hinschaut und daß jenseits aller Hürden
man immer sagen kann: ich hab von nichts gewußt.

Von nichts etwas zu wissen ist ja schwer in Mode;
man macht nur das, was drei berühmte Affen tun.
Was wirklich war ist eine andre Episode.
Geklärt wird das per Ausschuss - und der ist immun.

Vertreten sind in ihm Fraktionen durch Experten
von allerfeinstem Schrot und ebensolchem Korn,
die ausgesuchte Fakten sammeln und bewerten;
die hinten Buckel tragen und die Bretter vorn.

Sie stellen Anträge und andere zur Rede.
Sie öffnen Akten, schließen Vitae, und zur Not
verlinken den halt präventiv mit Schmähgerede,
der sie auch nur entfernt durch Gegenwind bedroht.

Und sollten sie mal einen Fehler eingestehen,
was äußerst selten ist, und auch nur unter Druck;
dann sieht man sie auf Eiern Pirouetten drehen,
und durch die Medien geht ein ehrfurchtsvoller Ruck.

Solch tumbe Toren hoben wir auf die Podeste.
Wir delegierten Wählerwillen bürgerbrav.
In langen Listen suchten wir die weiße Weste,
doch ging die Wahl nur zwischen Geier, Wolf und Schaf.





 
G

Gelöschtes Mitglied 13736

Gast
Moin Yeti,
O Herr O Herr, mh...erst einmal... sauber durchgetaktet. Das Kannst du.
In 4 Monaten ist die Wahl. Wen soll ich wählen? Das Tragische ist, du hast wenig gelogen. Es passt fast alles.
Ein großer Teil ist treffend beschrieben. Aber alle? Ich denke nicht. Es sind schon einige dabei, die brauchen sich nicht angesprochen fühlen.
Zwei Hände könnte allerdings reichen, um sie aufzuzählen.
Erst schien es mir, als hätte dein Werk Überlänge. Aber...gibt ja eine Menge zu erzählen.
Insgesamt gut gemacht.
LG
Oscarchen
 

Richard Lori

Mitglied
Hallo Yeti,
ein bisschen mehr Ironie, ein wenig bissiger und ich wäre noch mehr an Heinrich Heine erinnert worden. (Das soll ein Lob sein).
Dem Einwand meines Vorredners stimme ich zu und würde vielleicht noch zwei Hände mehr brauchen, um die Aufrechten zu zählen, die da in Berlin den Bundestag bilden. Dabei kommt mir der Gedanke: Erwarten wir etwa, dass die Gewählten auch Auserwählte sind? Auserwählte, die eine bessere Moral als wir selber haben? Meine Erwartungshaltung ist allerdings, dass die Damen und Herren sich gefälligst selber an die Gesetze halten, die sie selber gemacht haben.
Dein Gedicht prangert an, und das zu recht.
Zur Form des Gedichts ist nicht viel zu sagen: Brav kreuzgereimt und durchgängig sechshebige Jamben, Chapeau! Einee saubere Arbeit.
Liebe Grüße,
Richard
 

Yeti

Mitglied
Hallo Oscarchen!

Aber alle? Ich denke nicht.
Sehe ich ebenso. Ich denke auch: wem er passt, der soll ihn sich anziehen! Von denen um die es hier geht wird es wohl kaum einer lesen. Und der mündige Leser sollte zu differenzieren wissen. Trotzdem denke ich darüber nach eine entsprechende Stophe hinzuzufügen. Wärs nötig? Wärs klug?

Und wen wir wählen sollen? Na wie immer! - das kleinste Übel! Das scheint mir aber, von mal zu mal, immer größer zu werden!
Aber immer dran denken: eine nicht gegebene Stimme fällt dem Sieger zu. (deutsches Wahlrecht)

So, nun noch vielen Dank für Deinen hilfreichen Kommentar, Dein Lob und Deine Sterne.

Liebe Grüße,
Yeti


*******************

Hallo Richard!

An der Ironie und Bissigkeit arbeite ich noch. Was sonst noch an Heine fehlt wird wohl auch weiterhin fehlen! Trotzdem empfinde ich es natürlich als Ehre, wenn Dir Heine auch nur in den Sinn kommt.
Und ich erwarte allerdings, daß die Herr- und Damenschaften, die sich zur Wahl stellen (und nicht nur von denen), eine Moral leben, die von Respekt und Achtsamkeit gegenüber anderen Menschen geprägt ist...
aber dieses Thema ist mir zu weitläufig und zu verwoben um es in irgendeiner Schriftform zu be- oder verarbeiten.

Übrigens hat der Titel nichts mit unserem GG zu tun, sondern mit dem Zustand (der Verfassung) unseres Landes. Es geht hier nicht nur um den Bundestag. Absteigend bis zu den Gemeinderäten gibt es Mandatsträger. Ebenso in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen.
Ich habe Einblicke in die Arbeit (Machenschaften)
einiger Kommunen gewonnen -
da ist mir das Blut geronnen.

So, genug jetzt!
Dir noch vielen Dank für Deine Rezension, Deine Anregungen, Dein Lob und Deine Sterne.

Liebe Grüße
vom Yeti


*******************


Hallo Dirk!


die in Gremien und Räten sitzen
Meintest Du diese Sitzungen?


**************************


Hallo Lé!

Schwarz/weiß - hm, da ist schon was dran.
Ich sehe es ja eher wie ein Foto in schwarz+weiß: stärkere Kontraste, schärfere Konturen = Betonung des Wesentlichen.

Gruß, Yeti


**************************


Hallo Ahorn!

Meine Antwort an Richard könnte hilfreich für Dich sein.

Gruß, Yeti
 
G

Gelöschtes Mitglied 22727

Gast
Guten Morgen Yeti,

eine klare politische Intention, die Dein Werk auszeichnet - gut so! Eine gewisse Straffung wäre nicht schlecht gewesen.

Wenn Wahrheiten klischeehaft wirken, liegt es nicht an den Wahrheiten, sondern an uns - wen sonst! Und Verfassung ließe sich ebenso mit Verfasstheit (der BRD) interpretieren.

Alles Gute
dmity
 

L'étranger

Mitglied
Wenn Wahrheiten klischeehaft wirken, liegt es nicht an den Wahrheiten, sondern an uns - wen sonst!
Wenn Wahrheiten klischeehaft klingen, sind es Klischees, an die viele glauben.

Wahrheiten gibt es eigentlich nicht, aber Klischees sehr viele.

Ich rede nicht über die Sache, sondern über "Wahrheit" und "Klischee".

Gruß von Lé.
 

Yeti

Mitglied
Hallo dmity!

Schön, daß Dir mein Werk gefällt und Dank für die Sterne.
Zum Thema Straffung hat es Oscarchen schon auf den Punkt gebracht, und das mit dem Titel hast Du ja auch entschlüsselt.
Da wir keine Verfassung haben konnte ja auch nicht das GG gemeint sein, sondern: der Zustand der BRD. Vielleicht, wenn mich die Muse nicht vergisst, wird das ja mal ein Zyklus. Deswegen auch der Untertitel 'Mandatsträger'.

Klischees, oder klischeehaftes sehe ich hier höchsten in S1V3.

Gruß,
Yeti
 

Tula

Mitglied
Hallo Yeti
Ich sehe hier auch Klischee, d.h. die leider übliche Verallgemeinerung. ALLE taugen nichts, ALLE sind faule Säcke, die auf unsere Kosten leben usw. Für Satire ist es allgemein wenig dienlich, in alle Richtungen gleichzeitig zu schießen. Besser wäre eine markierte Zielscheibe. Wenn keine bestimmte Person, dann ein typisches Beispiel, ein erfundenes sogar wie der Mandatsträger Dr. Dr. Vollkorn-Schnorrenbommer oder wie auch immer.

Natürlich haben wir alle mal Frust auf 'die Politiker'. In politischer Hinsicht jedoch ist Verallgemeinerung die ideologische Waffe der Populisten, jeder Art und Ecke. Denn wer besonders viel Frust hat, hinterfragt nichts mehr. Eine alte Masche.

LG
Tula
 

Walther

Mitglied
Hallo Yeti
Ich sehe hier auch Klischee, d.h. die leider übliche Verallgemeinerung. ALLE taugen nichts, ALLE sind faule Säcke, die auf unsere Kosten leben usw. Für Satire ist es allgemein wenig dienlich, in alle Richtungen gleichzeitig zu schießen. Besser wäre eine markierte Zielscheibe. Wenn keine bestimmte Person, dann ein typisches Beispiel, ein erfundenes sogar wie der Mandatsträger Dr. Dr. Vollkorn-Schnorrenbommer oder wie auch immer.

Natürlich haben wir alle mal Frust auf 'die Politiker'. In politischer Hinsicht jedoch ist Verallgemeinerung die ideologische Waffe der Populisten, jeder Art und Ecke. Denn wer besonders viel Frust hat, hinterfragt nichts mehr. Eine alte Masche.

LG
Tula
Hi Yeti,
deine dichtkunst schätze ich. das formale ist auch diesmal der kritik enthoben.
aber: der inhalt ist sowas von flach, abgedroschen und platt, dass es im gehörgang schmerzt und sich die fußnägel aufrollen, die härchen aufstellen und die zornesadern zu pochen beginnen, wie man an so unirdisch gestrickten inhalt soviel fast überirdische kunstfertigkeit verschwenden kann.
nö, das war und wird nix. und ist darüberhinaus überwiegend falsch. denn mehr als 90% der parlamentarier machen das wirklich, weil sie den bürgerinnen und bürgern dienen und gutes bewirken wollen.
lg W.
 

Yeti

Mitglied
Hallo Tula, hallo Walther!

Herzlichen Dank für Eure offene und direkte Meinung, die ja letztendlich nichts anderes ist, als eine sehr konstruktive Kritik.

Ganz offensichtlich scheine ich, im Fortschreiten der Strophen, immer weiter in den Sog der Form geraten zu sein und dabei Intention und Inhalt aus den Augen verloren zu haben. Zum Schluß dann, selbstzufrieden auf mein Werk blickend, habe ich den Wald vor lauter bunten Bäumen auch nicht mehr gesehen.
Natürlich unverzeihlich, wenn der Autor, über die Freude an der gelungenen Form, den Inhalt vergisst!

Und Tula, Du hast wohl völlig recht, daß der Ansatz schon ein falscher war.
Dein Vorschlag, mit so etwas wie einer Zielscheibe, wird mir für die Zukunft eine Hilfe sein.

Gut, an dieser Stelle kann ich nicht mehr tun als Besserung zu geloben und Dir Walther, noch mal speziell zu danken. Du hast, bei aller harscher Kritik, für die Form des Werkes doch mit Lob nicht gespart, und durch Deine heftige Direktheit auch für einen Schauer durch Erkenntnis und damit für klare Sicht bei mir gesorgt.
 
Lang ist es - ein gewisses Maß an Verallgemeinerung läßt sich bei Satire aber wohl nicht vermeiden.
Versuch einer Kurzfassung :))) :
Daß jemand, der uns in Berlin vertrat,
in Aufsichtsräten sitzt, tut auch schon weh -
doch mancher sitzt in einem Aufsichtsrat
Und hat `nen Nebenjob als MdB ...

Viele Grüße
Anne Fröhlich
 

Yeti

Mitglied
Hallo Anne Fröhlich!

Ein gelungener und interessanter Ansatz!
Ca. 30% haben Nebeneinkünfte angegeben. Die Zahl der Ehrenämter ist noch weit höher...!

Tja, Satire ist ein weites und schwieriges Feld. Auf dem Weg dorthin werde ich noch viele Steine aus dem Weg zu räumen haben.

Grüße vom Yeti
 



 
Oben Unten