Die Wette

Inga

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Am späten Vormittag erwachte Dania durch den Lichteinfall der nicht vollständig geschlossenen Rollläden.
Sie hatte gestern mit ihrer Freundin Carla ihre Kündigung gefeiert. Es war ein lustiger Abend mit viel Sekt gewesen.

Mühsam quälte sie sich aus ihrem Bett und schlich ins Bad, auf dem Weg dorthin wäre sie benahe auf einen Flaschenhals getreten, eine der Flaschen musste umgefallen sein.
Was hatten sie gestern für einen Spaß, so viel hatte sie schon lange nicht mehr gelacht.
Wie war das doch gleich mit der Wette?
Ja, jetzt fiel es ihr wieder ein, sie hatte die wahnwitzige Idee mit dem Schlauchboot von Passau nach Wien zu fahren. Carla wollte die 350 Kilometer zu Fuß nach Wien zurücklegen.
Sie wollte gleich am Morgen aufbrechen und Dania gegen Abend. Sie dachte, dass nachts weniger Schiffsverkehr auf der Donau zu erwarten war.
Zuerst duschte sie, um einen klaren Kopf zu bekommen.
Danach wandte sie sich der Kaffeemaschine zu, jetzt brauchte sie erst einmal einen starken Kaffee und dazu ein Honigbrot.

Sie versuchte Carla anzurufen, die aber nicht ans Telefon ging. So war es besprochen: Wir sehen uns in Wien, vorher keinen Kontakt!
Nachdem sich Dania angezogen hatte, holte sie das Schlauchboot und ein Paddel aus dem Keller und entstaubte es.
Sie pumpte es auf und wartete, ob es die Luft behielt.
Im Anschluss packte sie ihren tannengrünen, wasserdichten Rucksack.

Am späten Abend ging sie mit dem Schlauchboot zur Donau, der Mond stand bereits sichelförmig am Himmel.
In den letzten Wochen hatte es wenig geregnet, so dass der Wasserspiegel gesunken war und der Fluss eine fast glatte Oberfläche zeigte.
Die Strömung sollte sie Richtung Wien treiben, so ihr Plan.
Was für ein Abenteuer!
Kurz vor einer Schleuse wollte sie das Schlauchboot aus dem Wasser ziehen und sie dann zu Fuß umgehen. Ob das überhaupt möglich war, wusste sie nicht.
Da wurde sie durch einen Musikdampfer aus ihren Gedanken gerissen: Du meine Güte, das hört sich ja an wie Katzenmusik, dachte sie.

Sie ließ das Boot an einer geeigneten Stelle zu Wasser und kletterte hinein.
Zuerst drehte sie sich im Kreis, mit Hilfe ihres Paddels schaffte sie es das Boot in die richtige Richtung zu bringen und los ging die Fahrt.
Für den Fall, dass sie müde werden sollte, hatte sie ihre Isomatte und einen Schlafsack mitgenommen, sie dachte am Ufer der Donau zu kampieren.
Dania kam erstaunlich gut voran.
Sie fand es einfach nur fantastisch sich dahintreiben zu lassen, über ihr der Sternenhimmel und rechts und links die Lichter der Ortschaften.
Doch was war das? Ihr kam ein riesiges Flusskreuzfahrtschiff entgegen. Verdammt!
Sie versuchte Richtung Ufer zu kommen, doch die Stömung war gerade an dieser Stelle so stark, dass sie immer wieder abgetrieben wurde.
Verzweifelt versuchte sie dem Schiff auszuweichen, da wurde sie auch schon von einer Bugwelle erfasst und wild hin-und hergeschaukelt.
Das Boot kippte, sie fiel ins Wasser, krampfhaft versuchte sie sich an der dünnen Schnur festzuhalten, die an der Seite befestigt war.
Aus eigener Kraft schaffte sie es nicht das Boot umzudrehen und die Strömumg war viel zu stark, um ans Ufer zu schwimmen.
Sie schrie: ,,Hilfe, zu Hilfe!"
Doch wer sollte sie um diese Uhrzeit hören?
Die Verzweiflung wuchs in ihr, immer hysterischer wurden ihre Hilfeschreie.
Das Klackern des Dieselmotors eines Frachtschiffes nahm sie gar nicht wahr. Erst als die Scheinwerfer auf sie gerichtet wurden und über Lautsprecher ihr eine Stimme
zurief: ,,Verhalten Sie sich ruhig, wir holen Sie raus," dachte sie an ein Wunder.
Das Rettungsboot kam auf sie zu und Dania ergriff die ausgestreckte, kräftige Hand, die sie aus dem Wasser zog.
Der Kapitän half ihr dabei die Strickleiter hochzuklettern.
Er schaute sie entsetzt an und fragte: ,,Hatten Sie vor sich umzubringen? Sind Sie wahnsinnig nachts auf der Donau herum zu paddeln?"

Dania war zu erschöpft um zu antworten, sie murmelte nur irgendetwas von einer Wette, das niemand verstand.
Dann bekam sie eine Kajüte zugewiesen und legte sich auf eine Pritsche, das monotone Schnarren des Motors und das Plätschern des Wassers ließen sie in einen tiefen Schlaf fallen.
 



 
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