Die wilde Hatz

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Walther

Mitglied
Die wilde Hatz


Die wilde Hatz jagt durch das Grau
Des Winterhimmels. Schneegestöber.
Verwehungen. Die Körnung gröber:
Die Stiche auf der Haut, ganz blau

Die Lippen, die erst gestern herzten.
Im Mantel tief vergrabne Hände.
Und wenn da mehr wär, das verbände:
Die Seelen blieben uns, die schmerzten.

Die Schultern angehoben: Kampf
Den Elementen, die laut brausen.
Ein Haus verlassen die mit Flausen.
Den rechten Fuß durchfährt ein Krampf,

Die Stiefel sind zu schwer vom Stapfen.
Kein Hund wird vor die Tür geschickt.
Wer mich von innen sieht, erschrickt:
An Bart und Mütze kleine Zapfen,

Das Stirnband reicht bis an die Brauen.
Ein aus dem Paradies Verbannter,
Ein Einsamer und ein Verkannter:
Wer will da noch nach draußen schauen?

Ich stemme mich dem Schnee entgegen,
Dem Wind, der aus dem Norden stürmt.
Das Weiß steht hüfthoch aufgetürmt:
Wer leben will, muss sich bewegen.
 

Thylda

Mitglied
Lieber Walther

Da spürt man die Kälte richtig in den Knochen. Das ist ein echter Winter, den Du da beschreibst. Besonders gut gefällt mir die letzte Zeile. "Wer leben will, muss sich bewegen." Ein Aufruf zum Durchhalten. Umgekehrt wird fast Trost daraus: Wer sich noch bewegt, lebt auch noch.

Diese Art zu reimen geht Dir leicht von der Feder. Wie schön, daß Du Dich nicht auf die Kürze des Sonetts beschränkt hast, sonst hättest Du uns diese anschauliche Winterlandschaft vorenthalten.

Liebe Grüße
Thylda

P.S.: vergrab[red]'[/red]ne, wär[red]'[/red] ?
 

Walther

Mitglied
hi thylda,

danke, aber das sieht nur leicht aus. es gab stellen, an denen ist einige zeit gefeilt worden.

die sache mit dem "'": kann man machen, habe ich gerade aber über meinen verleger und lektor gesagt bekommen, muß man nicht in der lyrik. was heißt: der erste lyrikband des feierabend-dichters walther erscheint nun wirklich zur leipziger buchmesse. mehr in kürze in der lupe.

in der tat ist das sonett in seiner kürze für so etwas nicht geeignet. die umgreifenden reime haben sich diesmal so ergeben. sie waren nicht geplant, wie auch kein sonett.

lb w.


lb marie-luise,

danke für deinen sehr freundlichen eintrag und die wertung. es ist schön, daß dieses gedicht dem schicksal des vorherigen entging, das ich nach einer woche gelöscht habe, nachdem es niemanden interessierte.

lg w.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

den seelischen Schmerz hast Du in die Winternöte verlegt, die mancher ja auch wirklich in diesem Jahr durchmachen musste in Rumänien, Bulgarien und anderen Ländern, die teilweise gänzlich von der Welt abgeschnitten waren noch nicht einmal Strom hatten.

Da wird sich so mancher dann auch aufgemacht haben, in der Hoffnung, an die Grenze dieses Elends zu gelangen und wieder auf eine lebbare Zivilisation zu treffen.

Der Held Deines Textes aber rechnet nur damit auf den seelischen Schmerz der Mitmenschen zu stoßen. Trotzdem macht er sich auf diesen beschwerlichen Weg, einen Schimmer von Hoffnung irgendwo vergraben aber wegweisend.

Das Doppelte in Deinen Zeilen gefällt mir sehr, auch die Einfachheit des Textes.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
lb. vera-lena,

das spiegelspiel natur vs. seelenzustand ist ein probates mittel, um stimmungen und erleben plastisch auszuleuchten. daher benutze ich dieses stilmittel gerne.

in diesem text habe ich noch ein wenig in der germanensaga gekrustelt. mit solchen bildern kann man dem stummen text sozusagen den ton beigeben und einen 3d effekt erzeugen. reimgedichte dieser art haben den liedhaften charakter, der das klingen der sprache erschließt. daher wird diese form nicht alt, man muß sie nur neu verwenden und mit inhalten auskleiden.

es freut mich sehr, daß dir diese szenenfolge in versform gefällt. denn lyrik soll unterhalten, nicht verschrecken.

lg w.
 



 
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