Die Zwinkerpuppe

Peethulhu

Mitglied
"Die Puppe im Schaufenster zwinkerte mir zu."

Fasziniert zog ich an Mutters Ärmel, um sie auf die Puppe aufmerksam zu machen. Doch als ich sie endlich dazu brachte, hinzusehen, sah sie nichts. Wie immer sagte sie, da sei nichts und ich solle endlich mit meinen Fantastereien aufhören. Ich sei doch schon sieben und langsam aus dem Alter für solche Spinnereien herausgewachsen. Aber ich fand die Puppe, die wie ein kleines Schulmädchen aussah, so schön und wünschte mir schon lange eine kleine Schwester. Deshalb gab ich nicht nach und bearbeitete meine Mutter so lange, bis ich sie schließlich überredet hatte, die Puppe als vorgezogenes Geburtstagsgeschenk zu kaufen.

Ich war so glücklich, dass ich für einen kurzen Moment die Dinge vergaß, die mein Vater meiner Mutter und mir antat. Ich fühlte mich seltsam beschützt, und ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus, als ich in die kleinen Knopfaugen der Puppe blickte. Meine Mutter war schon in Eile, da wir etwas zu lange zum Einkaufen gebraucht hatten und sie befürchtete, dass mein Vater wieder böse sein könnte. Aber ich hatte ja jetzt meine Zwinkerpuppe, und die würde uns beschützen.

Als wir die Treppen unseres Wohnblocks hinaufgingen, schimpfte Mama mit mir, dass ich sie aufgehalten hätte und ich ja sehen würde, was Papa nun machen würde. Ich war das bereits gewohnt, denn es war fast jeden Abend so, wenn Papa nach Hause kam, dass er sich erst einmal darüber beschwerte, wie die Wohnung aussah und warum mein Spielzeug im Wohnzimmer herumlag. War es denn so schlimm, dass ich bei meiner Mama spielen wollte und nicht allein in meinem Zimmer? Manchmal fühlte ich mich sehr einsam und war hin- und hergerissen zwischen meinen Ängsten und dem Drang, einfach davonzulaufen und nicht mehr zurückzublicken. Aber meine Mama wäre dann mit Papa allein, und dann würde er seine Wut über seine Arbeit nur an ihr auslassen. Wenn ich da war, teilten wir uns dieses Leid, und vielleicht hatte Papa ja einen guten Grund für das, was er tat. Vielleicht war seine Arbeit so schwer, dass wir etwas falsch machten und er dann so sauer wurde, dass seine Kraft, die er hatte, nicht mehr aufzuhalten war.

Ich versteckte mich meistens unter meinem Bett, wenn er wieder Dinge durch die Küche warf und böse Worte zu Mama sagte, und spielte mit Gregor, meinem Bären, der mich immer tröstete, wenn seine Wut auch mich manchmal traf. Doch heute konnte mich nichts bekümmern, denn meine Zwinkerpuppe war ja bei mir. Als wir in die Wohnung kamen, legte ich meinen kleinen grünen Rucksack in den dafür vorgesehenen Schrank und wusch mir meine Hände, als ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus dem Wohnzimmer kam. Warum wir so spät kämen, fragte er mit solch einem Zorn in der Stimme, als würde er damit das Haus einreißen wollen. Mama stand zitternd da und deutete auf mich, dass ich sie aufgehalten hätte wegen der Puppe.

Innerlich bereitete ich mich bereits darauf vor, dass Papa mich wieder schlagen würde, und er hatte ja auch recht. Warum hatte ich Mama aufgehalten wegen dieser Puppe? Ich meine, sie ist schön und gefällt mir, aber deswegen sind wir ja zu spät gekommen. Als seine Hand mein Gesicht traf, spürte ich, wie meine Gesichtshälfte sich taub anfühlte und mein Kopf brummte. Er brüllte mich zwar an, aber seine Worte verhallten im Dröhnen seines zuvor ausgeführten Schlages. Ich weiß noch, wie ich mich entschuldigte und er mich auf mein Zimmer schickte.

Als es später wurde, kam Mama weinend in mein Zimmer und brachte mich ins Bett. Sie gab mir einen Kuss auf die Wange, die nicht blau angeschwollen war durch den Schlag von Papa, und ging dann wieder aus meinem Zimmer. Ich bildete mir ein, noch gehört zu haben, dass sie sich flüsternd im Türrahmen bei mir entschuldigte und sagte, was für eine schlechte Mutter sie wäre. Aber ich wusste nicht, ob das nur Einbildung war. Als es immer dunkler wurde in meinem Zimmer und die Schatten meiner Spielzeuge und Kuscheltiere ihre gruseligen Grimassen an die Wand warfen, griff ich nach meiner Zwinkerpuppe und versuchte, trotz meines schmerzenden Gesichts einzuschlafen.

Was dann passierte, weiß ich nicht genau, ob es ein Traum war oder ob meine Zwinkerpuppe wirklich das war, wofür ich sie hielt. Nach dieser Nacht sollte Papa auf einmal ein ganz veränderter Mensch sein, und das passierte. Denn des Nachts, wenn Papa zu viel Alkohol getrunken hatte, kam er manchmal in mein Zimmer und verprügelte mich und machte mich für sein abgestürztes Leben verantwortlich. Er schrie dann immer wieder, wie er so viele Pläne gehabt hätte, die er wegen mir verloren hätte, und ich wusste nicht, wie ich das angestellt haben sollte. Ich war doch einfach nur da. Ich war doch nur die kleine Tina.

Ich weiß nur, wie die Tür sich öffnete, und ob ich geschlafen habe oder nicht, war mir nicht mehr bewusst, aber ich erkannte die Umrisse im Dunkeln von Papa. Der widerliche Geruch des Alkohols zog in mein Zimmer, und ich ekelte mich davor. Was wollte er? Würde er mich wieder verprügeln? Als sein Schatten näher kam, hörte ich ihn flüstern: "Du kleine Ratte, alles nur wegen dir. Jetzt schläfst du noch, und wenn du fertig geschlafen hast..." Plötzlich wurde der Raum noch finsterer, und die Tür zu meinem Zimmer flog zu. Ich spürte, wie mein Herz heftig pochte, und Papa, von dem ich nur die Umrisse im Dunkeln wahrnahm, schaute sich heftig um. Dann spürte ich die Hand meiner Zwinkerpuppe auf meinem Gesicht, und es wirkte beinahe so, als würde sie mich trösten wollen.

Durch die Dunkelheit drang dann eine Stimme, die so grollend und gruselig war, dass sie mich in meinem Bett erstarren ließ. Nicht einmal mein Papa machte mir solche Angst. Doch diese Stimme sollte ihn komplett verändern. Ich weiß nicht, was er sah oder ob er auch die Stimme hörte wie ich, aber er rannte aus meinem Zimmer und danach schlug er mich und Mama niemals mehr. Und das war, was die Stimme sagte: "Bevor du auch nur einen Schritt weiter machst, du verdammte Kreatur! Ich werde dich beobachten! Ich schlafe nicht! Ich werde dich immer beobachten..."
 



 
Oben Unten