Dies ist eine Warnung

Rebecca

Mitglied
Sie richtet sich an die zukünftigen Bewohner dieses Hauses. Bleiben sie nicht hier!
Es ist das Haus. Es ist böse. Am Anfang war noch alles in Ordnung, mein Mann und ich hatten dieses wunderschöne, kleine Anwesen hier gekauft. Es war perfekt, lag in einer ruhigen, einsamen Umgebung und war nicht teuer gewesen. Wir freuten uns so. Endlich unser eigenes kleines Domizil. Wir hatten lange darauf gewartet. Mein Mann arbeitete in der Stadt als Autoverkäufer, ich blieb zu Hause und kümmerte mich um den Haushalt. Erst waren es nur Kleinigkeiten. Sachen verschwanden, Türen schlugen zu und die Dielen knarrten. Nichts Beunruhigendes. Doch mit der Zeit passierten andere Dinge. Meine gutbehüteten Zimmerpflanzen gingen ein, der Kanarienvogel starb plötzlich. Und dann war da noch dieser seltsame Geruch, der aus jedem Winkel des Hauses zu kommen schien. Es roch faulig und vermodert. Mein Mann meinte, es läge am extremen Alter des Hauses. Aber was, wir auch dagegen taten, der Gestank blieb. In der zweiten Woche bekamen wir Besuch von meinen Schwiegereltern. Sie wollten über Nacht bleiben, deswegen machte ich im ersten Stock das Gästezimmer zurecht. Als ich dort die Betten machte, hörte ich ein seltsames Stöhnen und Knurren. Es war unheimlich, denn ich war völlig allein im Zimmer, die anderen waren unten.
Es hörte sich an, als würde das Haus vor Schmerzen stöhnen. Es waren nur wenige Sekunden, dann war es vorbei. Ich verließ das Zimmer und ging wieder hinunter, sagte jedoch nichts zu den anderen. Vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet. Wir verbrachten einen netten Abend zusammen und gingen dann recht spät zu Bett. Ich war im Badezimmer und putze mir die Zähne, als ich wieder dies Knurren hörte. "Hast Du das gehört?" fragte ich meinen Mann ängstlich. "Nein, was denn, Schatz?
"Na, dieses Knurren." Er lachte nur und meinte, das sei wohl meine Phantasie. Mir war unwohl bei der Sache. Das Haus machte seit einigen Tagen diese seltsamen Geräusche und es schien schlimmer zu werden. Mitten in der Nacht hörten wir diesen schrecklichen Schrei. Er kam aus dem Gästezimmer. Wir rannten sofort dorthin. Meine Schwiegermutter stand wimmernd vor dem Bett, wo mein Schwiegervater regungslos mit erstarrter Mine lag. Mein Mann überprüfte sofort die Lebenszeichen. Doch sein Vater war tot. Der Arzt kam und stellte einen Herzanfall fest. Das Zimmer roch faulig und nach Tod. Man konnte es spüren. Ich hatte die Augen des Toten gesehen, sie waren so starr und voller Entsetzen. Als hätte ihn etwas zu Tode gefürchtet. Ich hatte das Gefühl, in diesem Haus würde es bald nichts Lebendes mehr geben. Als würde es das Leben aussaugen. Ich hatte seit diesem Tag Alpträume, immer wieder sah ich diese Augen, die mich anstarrten und mich zu warnen schienen. Einige Tage passierte nichts. Es war still geworden, als würde es auf etwas warten. Ich mochte nicht mehr alleine im Haus sein. Es machte mir Angst. Diese Stille erdrückte mich. Eines Abends kam mein Mann mit einer kleinen Katze nach Hause. Sie sollte mir Gesellschaft leisten, und das tat auch sehr gut. Ich begann mich wieder zu entspannen, als es dann schließlich so weit war. Es geschah vor ein paar Stunden. Ich kam vom Einkaufen zurück und rief meine Katze. Sie kam nicht wie gewöhnlich angelaufen. Ich fing an sie zu suchen. Auf dem Dachboden schließlich fand ich sie. Eine seltsame gelbe Flüssigkeit war auf dem Boden verteilt. Es roch widerlich säuerlich. Und meine kleine Katze steckte mit dem Hinterteil in der Wand, doch dort war keine Öffnung zu sehen. Es war vielmehr so, als hätte das Haus sie verschluckt. Sie jammerte und schrie. Ich lief voller Schrecken aus dem Haus. Vom Garten aus hörte ich es schmatzen. Am Abend fand mich mein Mann dort zusammengekauert zwischen den Sträuchern sitzend. Ich zitterte immer noch am ganzen Körper und wollte nie wieder einen Fuß über die Schwelle setzen. Aber mein Mann beruhigte mich und ging mit mir hinein. Wir betraten den Dachboden. Sie war weg, verschwunden. Mein Mann hielt es für eine Einbildung. Doch ich wußte, was ich gesehen hatte und das war real. Ich konnte nicht länger in diesem Haus bleiben, der Geruch war stärker als je zuvor, und ich konnte meinen Mann davon überzeugen, daß es besser sei, ins Hotel zu fahren. Ich war im Schlafzimmer und packte das Nötigste zusammen, mein Mann war bei mir, als wir beide dieses Schmatzen hörten. Es fing wieder an. Und dieses Mal wollte es uns. Wir liefen die Treppe hinunter, wollten raus. Die Haustür jedoch war nicht zu öffnen. Unsere Schreie würde hier niemand hören. Aus den Wänden quoll diese stinkende, gelbe Flüssigkeit, die alles wegätzte. Es war Säure. Sie kam bereits die Treppe hinunter. Wir saßen in der Falle. Mein Mann zerrte mich in den Keller. Hier war es noch trocken, aber von dort aus, gab es keinen Weg nach draußen. Wir standen in der hintersten Ecke. Ich hielt mich an meinen Mann fest, als sich plötzlich die Wand hinter uns auftat. Mein Mann wurde von ihr hineingezogen. Ich griff nach ihm, wollte hin herausziehen, aber es ging nicht. Ich konnte nichts tun. Nicht das Geringste. Er schrie und wurde dann von der Wand verschluckt. Ich konnte nur zusehen, wie seine Hand als Letztes in der Wand verschwand und seine Schreie verstummten. Dann war es wieder still und ich war allein. Das ist jetzt fast drei Stunden her, seitdem sitze ich hier und warte. In dieser Kiste fand ich etwas zum Schreiben. Ich höre das Schmatzen. Das Haus verdaut. Es ernährt sich von uns. Das hat es immer getan. Kein Bewohner hat es überlebt, ich auch nicht, denn es wird mich bald holen. Ich weiß es, denn das Haus ist noch nicht satt. Die Säure ist bereits auch hier im Keller. Es ist eine Art Verdauungssaft. Ich habe nur noch wenige Minuten. Und ich schreibe es auf, um jeden zu warnen, der dieses Haus betritt:
VERLASST ES SOFORT! Oder das Haus frißt euch!
 

Frank Zimmermann

Junior Mitglied
GRUSEL

Ich habe die Geschichte mit besonderem Vergnügen gelesen. Zum einen, weil sie sich so deutlich von den anderen Beiträgen zur Schreibaufgabe absetzt und doch auch wieder gut zu den anderen Texten paßt, denn immerhin gibt es noch einen weiteren Text, in dem das Haus personalisiert wird und in einem anderen Text wird den Lesern eröffnet, daß sie gleich am Fuße des schiefen Turms zu Pisa in die Luft fliegen werden.
Dann fühlte ich mich - natürlich - an King erinnert, von dem ich einiges gerne gelesen habe.
Die Story wird zu ihrem Ende hin richtig schön spannend und beklemmend und mit angenehmem Grusel habe ich meinen Blick vom Monitor weg über die Wände des Raums gleiten lassen, in dem ich gerade sitze und ahhh...
 

Rebecca

Mitglied
Danke für die Antwort

Hallo Frank,
vielen Dank erst einmal für Deine Antwort. Endlich mal jemand der geanntwortet hat, man ist ja immer dankbar über ein Feedback sei es nun so positiv wie bei Dir oder negativ.
Man kann schließlich aus beiden eine Menge lernen.
Stephen ging ist unübersehbar mein absoluter Lieblingsschriftsteller. Es gibt kaum jemanden, der einem so gut das Fürchten lehrt.
R
 
W

willow

Gast
Hallo,

Das war ja mal eine Geschichte...
Ich wollte ihr die ganze Zeit zurufen, doch einen Stuhl zu nehmen und ein Fenster einzuschlagen, oder die Werkzeugkiste mit dem Bohrer oder einen Hammer oder so was.
Dafür, dass sie kurz davor ist, eine Malzeit zu werden, ist sie noch erstaunlich ruhig und hat ihre Gedanken beim Schreiben dieser Warnung richtig gut beisammen.
Ich fand deine Geschichte klasse und so lebendig (und damit meine ich jetzt nicht nur das Haus :)). Gut, dass ich sie jetzt, bei Tage, gelesen habe und nicht erst heute Nacht, allein in meinem Haus...

LG,

willow
 



 
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