Pablo Charles
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Die Klinge tropfte erst mit Regenwasser, dann mit Blut und schließlich mit meinen eigenen Tränen. Meine Hand, die den Dolch hielt, zitterte unaufhörlich und ein Beben zog sich vom Inneren meiner Brust durch meinen ganzen Körper. Was ist bloß dieses Gefühl der Einsamkeit, das ich verspüre. Die Klinge fiel ganz plötzlich zu Boden. Meine Fingerspitzen sind taub. Waren die Gebäude hier immer schon so groß? So beengend?
Ein Pfeifen ertönte mehrere Blöcke entfernt. In Schattengestalt tanzten Motten im Schein der Straßenlaternen. Mein Herzschlag, eben noch so schnell und stark, wird immer schwächer. Die Gestalt zu meinen Füßen, hat aufgehört zu atmen. Der Mund stand noch vom vorherigen Aufschrei geöffnet und wird sich nie wieder von selbst schließen.
Als ich meine Augen aufreiße, befinde ich mich im Dunkeln und Irritation macht sich in mir breit. Meine innere Uhr sagt mir es sei Tag und dennoch nehmen meine Augen nichts als Dunkelheit wahr. Ich brauche eine weitere Sekunde, um festzustellen, dass ein Gewicht, das verdächtig nach einem Buch riecht auf meinem Gesicht liegt. Ich ziehe es zur Seite und werde erstmal geblendet. Jemand hat die Vorhänge aufgerissen und mir damit einen grausamen Streich gespielt. Das Werk, welches ich nun in der Hand halte, ist eine Erzählung von Gerwyn aus dem 15. Jahrhundert. Gerwyn, wer für den Tod seiner Adoptionseltern verantwortlich war. Seine Adoptionsfamilie waren Hauptelfen, während er von den Dunkelelfen abstammte. Die genauen Umstände wie es zu dieser Adoption kam sind unklar, aber Gerwyn ist der Grund, weshalb Hauptelfenkinder von klein auf bei dem Gedanken von Gefahr an die sekundäre Elfenspezies denken. „Lass ja keinen der Dunklen in dein Haus, die machen dir den Gar aus.“, lautet ein beliebter Reim in den verarmten Industriegebieten. Sie wachsen später zwar daraus heraus, aber die Märchen und Erzählungen, die auf den Verrat und Hass einer anderen Rasse herrühren werden, heute noch, sieben Jahrhunderte später, in die Gehirne kleiner Kinder gebrannt. Ich frage mich bloß warum? Grund, weshalb ich mir dieses Buch ergattert habe.
Ich drehe mich von der Sonne weg in Richtung meiner Bücherregale. Das Zimmer, das ich vor zehn Jahren bezogen habe, ist heute kaum wiederzuerkennen. Stück für Stück habe ich mir meinen Kindheitstraum aufgebaut und eingerichtet. Ich schlafe jetzt in einer „buchstäblichen“ Bibliothek. Viele dieser Bücher sind Fabeln und Märchen, Geschichten und Romane, Gedichte und Lyrik. Ich habe sie alle hart erkämpft. Die einen musste ich in der nähe des Palastes, in den noblen Bücherläden, aufstöbern. Andere habe ich von Privatpersonen nach Verhandlungen abgekauft. Die Buchrücken, die sich nun in meinem Blickfeld befinden, schimmern mit den Staupartikeln, die die Sonne so liebevoll sichtbar macht. Ich habe sie alle nach Farben sortiert. Rote Buchrücken werden von meinen noch von der Sonne geschadeten Augen mit schwarzen Flecken wahrgenommen.
Ein Luftzug lässt mich den Kopf aus meinem Kissen heben. Jemand hat die Tür geöffnet und der Stille nach zu urteilen, mustert sie mich stumm. Die Tür befindet sich hinter einem Regal, dass keinen passenderen Platz gefunden hat und versperrt mir demnach die Sicht.
„Tag 1502, dass ich versuchen werde dich zu überreden aus deinem Gehege rauszukommen und dich der Außenwelt zu stellen.“, die Stimme meine Schwester klingt müde und hoffnungslos.
„Es ist Tag …“, ich werfe einen kurzen Blick auf mein Tagebuch, „963, und wie es aussieht, das 963. Mal, dass ich versuchen werde dir beizubringen, dass du mich in Ruhe lassen sollst.“ Um meiner Präsenz mehr Kraft zu verleihen, stützte ich mich auf Gerwyns Verrat und funkele sie an. Ich verstehe wirklich nicht, was das Problem meiner Familie ist. Wäre es ihnen lieber ich laufe in eine der zahlreichen Gefahren, die die Außenwelt so mit sich bringt? Wie es aussieht schon, aber bei dem Gedanken dreht sich mir der Magen und ich lasse meinen Kopf wieder ins weiche Kissen fallen. Bücher bringen mich an alle Orte dieser Welt! Sofern ich diese besitze. „Es ist ja nicht so, als würde ich mein Zimmer nie verlassen!“
Meine Schwester die wie angewurzelt im Türrahmen steht und allem Anschein nach keinen Schritt in mein Zimmer wagen will, wirkt von meinem Gegenargument herzlich wenig beeindruckt. Wenn ich mir sie so anschaue, wirkt sie sogar angeekelt auf mich.
„Du verlässt das Zimmer und das Haus bloß, um noch mehr deiner Fantasiewelten zu kaufen. Mit dem Geld solltest du eigentlich an der Akademie studieren, damit was aus dir wird du undankbarer Faulpelz!“
Ich lasse die Beleidung und die Ignoranz meiner Blutverwandten über mich ergehen. „Hast du eigentlich, das Buch, um das ich dich gebeten habe. Ich hoffe du hast nicht zu viel dafür bezahlt. Eigentlich wäre ich ja selbst gegangen, aber ich war beschäftigt. Der alte Karlwyn ist gerissen und seine Angebote sind bestenfalls grenzwertig.“ Ich halte nonchalant ihr meine Hand entgegen. Was ich bekam, war ein roter Buchrücken, der mir meines Erachtens fast die Nase gebrochen hat. Zu schockiert von dem plötzlichen Schmerz, der sich meinem Nasenbein entlangzieht, bemerke ich wie gut und schnell meine Schwester Malwyn gezielt hat. Ich werfe ihr einen der bösen Blicke, die ich gestern noch im Spiegel geübt habe. Darauf hin verschränkt sie bloß, die Arme, dreht sich um und verschwindet durch die Tür. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Nebencharaktere in meinen Büchern viel angenehmer sind.
Ich stehe auf und ziehe die Vorhänge zu. Weshalb ist man das Kind einer reichen Familie, wenn man deren Geld nicht an Kerzen ausgeben kann. So viel angenehmer als das zu grelle Sonnenlicht und keine Sonnenbrandgefahr.
Wieder vor dem Bücherregel, vor dem ich letzte Nacht mein „Lager“ aufgeschlagen habe, beuge ich mich runter, hebe das vorhin auf mich geworfene Buch auf, fluche und suche ihm einen passenden Platz. Da die roten Bücher alle im untersten Regal sind fällt mir fast meine Brille vom Kopf. Langes dunkles Haar, das trotz wenig Pflege nichts von seinem Glanz verliert, fällt wie ein Schleier um mein Gesicht. Im Vergleich zu meiner stylischen Schwester in ihrem überwiegend weißen Outfit mit roten Aspekten, kleide ich mich nicht in den neusten Trends.
Bevor ich mein Buch blindlinks in das Regal einordne, will ich doch noch einen Blick hineinwerfen.
„Der verschwundene Kontinent.“, liest sich der Buchtitel. Auf der ersten Seite jedoch stehet: Rezepte wie bei der Oma
Damit wäre das entschieden. Ein weiterer Beweis, dass man alles selber machen muss. Ich werde dieses verdammte Buch finden!
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Ein Pfeifen ertönte mehrere Blöcke entfernt. In Schattengestalt tanzten Motten im Schein der Straßenlaternen. Mein Herzschlag, eben noch so schnell und stark, wird immer schwächer. Die Gestalt zu meinen Füßen, hat aufgehört zu atmen. Der Mund stand noch vom vorherigen Aufschrei geöffnet und wird sich nie wieder von selbst schließen.
Als ich meine Augen aufreiße, befinde ich mich im Dunkeln und Irritation macht sich in mir breit. Meine innere Uhr sagt mir es sei Tag und dennoch nehmen meine Augen nichts als Dunkelheit wahr. Ich brauche eine weitere Sekunde, um festzustellen, dass ein Gewicht, das verdächtig nach einem Buch riecht auf meinem Gesicht liegt. Ich ziehe es zur Seite und werde erstmal geblendet. Jemand hat die Vorhänge aufgerissen und mir damit einen grausamen Streich gespielt. Das Werk, welches ich nun in der Hand halte, ist eine Erzählung von Gerwyn aus dem 15. Jahrhundert. Gerwyn, wer für den Tod seiner Adoptionseltern verantwortlich war. Seine Adoptionsfamilie waren Hauptelfen, während er von den Dunkelelfen abstammte. Die genauen Umstände wie es zu dieser Adoption kam sind unklar, aber Gerwyn ist der Grund, weshalb Hauptelfenkinder von klein auf bei dem Gedanken von Gefahr an die sekundäre Elfenspezies denken. „Lass ja keinen der Dunklen in dein Haus, die machen dir den Gar aus.“, lautet ein beliebter Reim in den verarmten Industriegebieten. Sie wachsen später zwar daraus heraus, aber die Märchen und Erzählungen, die auf den Verrat und Hass einer anderen Rasse herrühren werden, heute noch, sieben Jahrhunderte später, in die Gehirne kleiner Kinder gebrannt. Ich frage mich bloß warum? Grund, weshalb ich mir dieses Buch ergattert habe.
Ich drehe mich von der Sonne weg in Richtung meiner Bücherregale. Das Zimmer, das ich vor zehn Jahren bezogen habe, ist heute kaum wiederzuerkennen. Stück für Stück habe ich mir meinen Kindheitstraum aufgebaut und eingerichtet. Ich schlafe jetzt in einer „buchstäblichen“ Bibliothek. Viele dieser Bücher sind Fabeln und Märchen, Geschichten und Romane, Gedichte und Lyrik. Ich habe sie alle hart erkämpft. Die einen musste ich in der nähe des Palastes, in den noblen Bücherläden, aufstöbern. Andere habe ich von Privatpersonen nach Verhandlungen abgekauft. Die Buchrücken, die sich nun in meinem Blickfeld befinden, schimmern mit den Staupartikeln, die die Sonne so liebevoll sichtbar macht. Ich habe sie alle nach Farben sortiert. Rote Buchrücken werden von meinen noch von der Sonne geschadeten Augen mit schwarzen Flecken wahrgenommen.
Ein Luftzug lässt mich den Kopf aus meinem Kissen heben. Jemand hat die Tür geöffnet und der Stille nach zu urteilen, mustert sie mich stumm. Die Tür befindet sich hinter einem Regal, dass keinen passenderen Platz gefunden hat und versperrt mir demnach die Sicht.
„Tag 1502, dass ich versuchen werde dich zu überreden aus deinem Gehege rauszukommen und dich der Außenwelt zu stellen.“, die Stimme meine Schwester klingt müde und hoffnungslos.
„Es ist Tag …“, ich werfe einen kurzen Blick auf mein Tagebuch, „963, und wie es aussieht, das 963. Mal, dass ich versuchen werde dir beizubringen, dass du mich in Ruhe lassen sollst.“ Um meiner Präsenz mehr Kraft zu verleihen, stützte ich mich auf Gerwyns Verrat und funkele sie an. Ich verstehe wirklich nicht, was das Problem meiner Familie ist. Wäre es ihnen lieber ich laufe in eine der zahlreichen Gefahren, die die Außenwelt so mit sich bringt? Wie es aussieht schon, aber bei dem Gedanken dreht sich mir der Magen und ich lasse meinen Kopf wieder ins weiche Kissen fallen. Bücher bringen mich an alle Orte dieser Welt! Sofern ich diese besitze. „Es ist ja nicht so, als würde ich mein Zimmer nie verlassen!“
Meine Schwester die wie angewurzelt im Türrahmen steht und allem Anschein nach keinen Schritt in mein Zimmer wagen will, wirkt von meinem Gegenargument herzlich wenig beeindruckt. Wenn ich mir sie so anschaue, wirkt sie sogar angeekelt auf mich.
„Du verlässt das Zimmer und das Haus bloß, um noch mehr deiner Fantasiewelten zu kaufen. Mit dem Geld solltest du eigentlich an der Akademie studieren, damit was aus dir wird du undankbarer Faulpelz!“
Ich lasse die Beleidung und die Ignoranz meiner Blutverwandten über mich ergehen. „Hast du eigentlich, das Buch, um das ich dich gebeten habe. Ich hoffe du hast nicht zu viel dafür bezahlt. Eigentlich wäre ich ja selbst gegangen, aber ich war beschäftigt. Der alte Karlwyn ist gerissen und seine Angebote sind bestenfalls grenzwertig.“ Ich halte nonchalant ihr meine Hand entgegen. Was ich bekam, war ein roter Buchrücken, der mir meines Erachtens fast die Nase gebrochen hat. Zu schockiert von dem plötzlichen Schmerz, der sich meinem Nasenbein entlangzieht, bemerke ich wie gut und schnell meine Schwester Malwyn gezielt hat. Ich werfe ihr einen der bösen Blicke, die ich gestern noch im Spiegel geübt habe. Darauf hin verschränkt sie bloß, die Arme, dreht sich um und verschwindet durch die Tür. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Nebencharaktere in meinen Büchern viel angenehmer sind.
Ich stehe auf und ziehe die Vorhänge zu. Weshalb ist man das Kind einer reichen Familie, wenn man deren Geld nicht an Kerzen ausgeben kann. So viel angenehmer als das zu grelle Sonnenlicht und keine Sonnenbrandgefahr.
Wieder vor dem Bücherregel, vor dem ich letzte Nacht mein „Lager“ aufgeschlagen habe, beuge ich mich runter, hebe das vorhin auf mich geworfene Buch auf, fluche und suche ihm einen passenden Platz. Da die roten Bücher alle im untersten Regal sind fällt mir fast meine Brille vom Kopf. Langes dunkles Haar, das trotz wenig Pflege nichts von seinem Glanz verliert, fällt wie ein Schleier um mein Gesicht. Im Vergleich zu meiner stylischen Schwester in ihrem überwiegend weißen Outfit mit roten Aspekten, kleide ich mich nicht in den neusten Trends.
Bevor ich mein Buch blindlinks in das Regal einordne, will ich doch noch einen Blick hineinwerfen.
„Der verschwundene Kontinent.“, liest sich der Buchtitel. Auf der ersten Seite jedoch stehet: Rezepte wie bei der Oma
Damit wäre das entschieden. Ein weiterer Beweis, dass man alles selber machen muss. Ich werde dieses verdammte Buch finden!
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