Durchlaucht gibt nicht auf

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Klaus K.

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Durchlaucht gibt nicht auf

Ja, ich bin es wieder, der alte westfälische Landadel.
Ich schreibe, ich berichte jetzt für das Feuilleton einer großen Frankfurter Zeitung, denn dort will man unseren und damit auch meinen Stand wenigstens noch repräsentiert wissen. Sie hier, Sie müssen also nicht einmal dafür bezahlen, das mögen Sie doch, dieses "es koscht nix!". Ja, ich kenne das. Viel, dazu umsonst, am liebsten zwei Schnitzel, über den Tellerrand hinaus, das ist fein, oder?

Meine letzte Eskapade mit der bildhübschen Chinesin war leider nicht von Erfolg gekrönt, mir, ihrem kerngesunden Verehrer, wurde alles abgeluchst, die reizende Zaubermaus war dann aber sofort weg. "La donna è mobile...", wie wahr!

Mein Schlösschen ist jetzt renoviert. Perfekt. Mein Butler Charles ist zum Glück noch da, ich habe sein Gehalt gesteigert. Kräftig, insgesamt 1,83 Prozent nach der letzten Erhöhung vor zehn Jahren. Er ist zufrieden, ich auch. Geiz hat seinen Reiz, merken Sie sich das einfach mal. Hilft.
Was mich heute wieder umtreibt? Ha, dieses Fernsehprogramm, und zumindest kann ich mir wieder eine eigene Programmzeitschrift leisten, nach meiner erquicklichen Erbschaft. Und ein paar neue Automobile dazu, was man halt so braucht, standesgemäss. Aber das verfluchte Programm. Fussball! Auf allen Kanälen!

"Ihro Durchlaucht, es hat geläutet. Da sind zwei Herren, die Durchlaucht zu sprechen wünschen!"
"Führe Er sie herein!"

Charles ließ zwei ganz in schwarz gekleidete Männer in meinen Audienzsaal vortreten. Beide waren ungefähr fünfzig Jahre alt, schwarze Anzüge, schwarze Hemden, rote Krawatten.
Charles blieb im Hintergrund neben der Tür stehen und nahm jetzt eine der doppelläufigen Pistolen von der Wand, als ob er sie inspizieren wollte. Sie war selbstverständlich geladen, Pulver, Blei, mit Perkussionszündung. Zwei Läufe, also zwei Schuss. Man konnte ja nie wissen. Charles passte auf, die beiden Besucher konnten diese Aktivität nicht sehen, da er ja hinter ihnen stand. Trau, schau wem! Wer schon einmal so wie ich einen völlig durchgeknallten Strolch vom eigenen Dach geschossen hat, der weiß, wie sinnvoll gut erhaltene historische Waffen sein können. Ich wurde damals selbstverständlich freigesprochen. Notwehr, was dachten Sie denn? Was hatte der Kerl auf meinem Dach zu suchen? Mein Schwager in den USA hatte mir das mal erklärt. "Shoot first, ask later!" In meinem Fall ging letzteres nicht mehr, der Klettermaxe hatte sich dann beim Sturz vom Dach das Genick gebrochen.

"Guten Tag, Durchlaucht! Und Dank für diesen unangemeldeten Empfang! Wir sind die Gebrüder Franco und Pietro Zappalotti, Inhaber der Agentur "Una bella Donna per Tutti, UDT".
"Hä? Und was heißt das?"
"Wir sind eine international tätige Partnervermittlung. Diskret, seriös, wir vermitteln bildhübsche unverheiratete Damen an heiratsinteressierte Herren. Kontakte auf höchstem Niveau, Durchlaucht!"
"Sapperlot, und wie kommen Sie gerade auf mich?"
"Sie sind bekannt, Durchlaucht! Ihre Beiträge in der Zeitung, da wird dann der Autor recherchiert, von Lesern nachgefragt, und dabei stellt sich schnell heraus, dass eine Persönlichkeit wie Sie noch unverheiratet ist! Ein Signal für die Damenwelt, dass Durchlaucht noch nicht die Zeit gefunden hat, eine adäquate Partnerin zu finden. Und dann kommen wir auf den Plan, auch wegen unserer international bekannten Seriosität."

Charles hatte alles mitgehört und befestigte die Pistole jetzt wieder an ihrem Wandhaken. Ein Wink von mir, er verstand sofort.

"Ihro Durchlaucht lässt fragen, ob Sie nicht Platz nehmen wollen? Dort am Besuchertisch. Kaffee, die Herren?"
"Sehr gerne, vielen Dank!"

Die beiden Besucher nahmen Platz, ich blieb selbstverständlich auf meinem erhöhten kleinen Thron sitzen. Erstens war dieser direkt nahe vor dem Tischchen, und zweitens musste ich ja nicht nur den Überblick, sondern auch die Kontrolle überhaupt behalten.

"So, dann erzählen Sie mal! Sehen Sie, da kommt schon der Kaffee!" Charles war wie immer gut vorbereitet und servierte.
"Wünschen Ihre Durchlaucht auch eine Tasse?"
"Nein, schon gut, aktuell habe ich keinen Bedarf. Aber bleibe Er im Hintergrund!"
"Sehr wohl, Duchlaucht!" Er verstand natürlich den Kern der Botschaft.

Alles Neuland für Sie, nicht wahr? Ich vermute, Leser wie Sie haben mit absoluter Sicherheit kein Personal, und die eigenen Ehefrauen sind ja heutzutage alles andere als dienstbeflissen, da springt ja eher der Mann mit rotem Kopf und zitternden Händen durch die Wohnung. O tempora, o mores!

"Also, Durchlaucht, wir haben da Kontakt mit zwei sehr charmanten Damen, die absolutes Interesse an einer Verbindung haben. Zwei reizende Italienerinnen, im passenden Alter, beide ledig, gebildet, welterfahren und mit entsprechendem Chic. Sprechen Durchlaucht italienisch?"
"Na ja, so etwas. Für Konversation auf alltäglichem Niveau halt, ich habe früher die Sommerferien als Kind öfters auf Sardinien bei meinem Cousin verbracht, dann in Apulien bei einem entfernten Onkel. Warum fragen Sie? Sprechen die Damen kein Deutsch?"
"Leider nein, nur etwas Englisch. Aber das ist ja hervorragend, wenn Sie des Italienischen mächtig sind! Wir haben das fast erwartet, bei Ihrem Status, wenn man das so sagen darf!"

Wenn ihr wüsstet, ihr Kontaktanbahner! Ich war als Kind auf insgesamt drei Internaten, bin zweimal rausgeflogen, habe 15 lange Jahre bis zum Abitur auf der letzten "Quetsche" - so nannte man die Bezahlinstitute damals - gebraucht. Mein Notendurchschnitt betrug dann Drei Komma Eins. Ich war zufrieden, meine Eltern auch.
Noch Fragen?

"Nun, was ist mit diesen Damen?" fragte ich. Und jetzt antwortete erstmals der andere meiner beiden Besucher.
"Eine von ihnen ist sogar eine Contessa! Sie ist verwitwet, ihre Schwester ledig. Wir dachten, beide passen vom Alter her sehr gut zu Ihnen, Durchlaucht. Hier haben wir Fotos von den beiden Damen, damit Sie sich ein Bild machen können!"
Er zog aus der Innentasche seines Jackets jetzt einen Umschlag hervor und reichte ihn mir. Darin befanden sich zwei Fotos, die beide jeweils ein Porträt einer schwarzhaarigen Dame zeigten.
Recht hübsch beide, recht attraktiv, sehr gepflegt, so mein erster Eindruck.
"Ich bin überrascht. Die beiden Damen sind wirklich ausgesprochen apart. Haben sie Kinder?"
"Nein, beide Damen sind kinderlos. Es sind übrigens Schwestern, keine Zwillinge, der Altersunterschied beträgt nur zwei Jahre. Und, wie gesagt, sie suchen beide den Kontakt mit niveauvollen Herren aus bestem Hause. Vornehmlich zuerst zwecks eines gemeinsamen Interessensabgleichs, eventueller gemeinsamer Unternehmungen, bis hin zu einer gemeinsamen Verbindung. Dies ist dann aber Zukunftsmusik und muss sich sozusagen ergeben, darauf haben wir dann natürlich keinen Zugriff mehr."
"Und wie stellt sich Ihr Zugriff bis dahin dar?" fragte ich.
"Wir sind nur Vermittler. Interessensvermittler, Kontaktvermittler. Seriös und neutral. Ohne uns könnte also keine Verbindung zustande kommen, keine dieser Damen würde von sich aus direkt auf Sie zukommen. Eine Frage des Anstands und der Ehre, Sie wissen das natürlich, Durchlaucht!"
"Und wenn ich jetzt Interesse an einer Kontaktaufnahme zeige, was passiert dann?"
"Dann stellen wir diesen Kontakt für Sie her. Diskret. Schriftlich, telefonisch, auch anonym per Boten, ganz wie Sie es wünschen."
"Arbeiten Sie eigentlich unentgeltlich, oder wie muss man sich Ihre Vermittlertätigkeit vorstellen?"

Nein, Hubertus Moritz von und zu Wackenhorst, die Mafia gibt es doch nicht mehr! Bevor du anfängst auf Wolke sieben zu schweben, atme tief durch, die beiden Herren sind doch sehr nett!

"Wir sind wie gesagt international tätig. Aktuell sind wir direkt aus San Remo zu Ihnen gekommen. Wir berechnen für eine Kontaktanbahnung und unsere Recherchen im Vorfeld bei der exquisiten Auswahl und Abstimmung mit unseren absolut daran interessierten Damen eine Pauschale von 22.000 Euro. Im Falle einer späteren Eheschließung dann noch einmal ein Erfolgshonorar von 10.000 Euro. Wie gesagt, dies nur im Fall einer Heirat."
Na, da ist ja jeder deutsche Mann, der dann doch irgendwann seine Gretel von der Kirmes geehelicht hat, erheblich günstiger dabei weggekommen. Die paar gebrannten Mandeln, dazu einige Gläser Glühwein beim Wiedersehen auf dem Weihnachtsmarkt, schwupp, das war's. Von wegen 22.000 Euro, allein für den Kontakt! Und bei der Hochzeit standen dann zwei unbekannte sonnengebräunte Herren aus Corleone in Sizilien vor der Kirchentür und warteten brav auf den Umschlag. Wenn dieser dann nicht kam, also solche tollen Messerchen wie die aus Pattada in Sardinien hatte man hier noch nie vorher gesehen!

Hubertus Moritz, entscheide dich!

Moment, was war das? Charles hatte den Raum kurz verlassen und kam jetzt zurück. In den Händen hielt er ein kleines Silbertablett, auf dem ein umgedrehtes Blatt DIN A4 lag.
"Ihro Durchlaucht, bitte sehr!"
Der "Corriere della Sera", vor etwa einem Monat. Aus dem Drucker. Todesanzeigen, teilweise mit Bild.
Ich erkannte die beiden Damen sofort wieder. Die zwei Schwestern, das stimmte. Das vermutliche Alter auch.
Von "Contessa" war keine Rede mehr. Aber von einem fürchterlichen Autounfall zwischen Alghero und Sassari.
 

Hagen

Mitglied
Hallo Klaus,
auch Du hast mir mit dieser fulminanten Geschichte wieder mal den Tag gerettet.
Man sagt zwar dass das Leben die besten Geschichten schreibt, aber in diesem Fall kann das Leben noch viel von Dir lernen!
Bitte mehr davon!!

Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' schön fröhlich, gesund und munter, weiterhin negativ getestet und positiv motiviert sowie stets heiteren Gemütes und guten Willens!
Herzlichst
Yours Hagen
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Wenn du das Licht am Ende des Tunnels erkennst und diesem zustrebst,
wirst du, nachdem eine Rückkehr unmöglich ist, erkennen,
dass es sich um das Licht eines sich schnell nährenden D-Zugs handelt!

Merke: In Eisenbahntunnels sind keine Notfallbuchten vorgesehen!
 

Klaus K.

Mitglied
Hagen,

der permanente leichte Anflug von heftigster Dekadenz beim Protagonisten, die dazwischen von ihm eingestreute nicht ganz so "zarte" Provokation .....ich möchte zu gerne den leicht säuerlichen Gesichtsausdruck einiger Leser/innen sehen. Ja, huuh, das piekst manchmal ! Soll es auch! Diese Rubrik ist wohl deshalb nicht ganz so frequentiert wie "Kurzgeschichten", hier treffen sich eher Gleichgesinnte, der Anteil völlig abgedrehter und unverständlicher Reaktionen und Kommentare ist entsprechend geringer.-
So, "Durchlaucht" hier zieht sich jetzt zurück, es ist kurz nach zwei Uhr, mal langsam aus dem Morgenmantel raus....ach so, merci übrigens an dich, mit Gruß natürlich, Klaus
 



 
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