Edward der Schreckliche
Ich habe nie viel von Katzen gehalten. Einige meiner Freunde sind mit Vertretern dieser Spezies aufgewachsen, oder leben heute noch mit ihnen zusammen und erzählen von Zeit zu Zeit von den freundschaftlichen Beziehungen, die sie zu Katzen pflegen. Ich weiß, dass die Samtpfoten es nur gut meinen, wenn sie um einen herum schnurren, und dass sie es weniger gut meinen, wenn sie anfangen, mit dem Schwanz zu schlagen. Trotzdem hielt ich es für eine Schnapsidee, eine Katze anzuschaffen, und das Katzentier, welches eines Nachmittags unsicher durch unsere Wohnung tappte war mir von Anfang an suspekt.
„Nun reg dich mal wieder ab“, beschwichtigte mein Mensch und strich mir über den Rücken. „Das ist ein ganz liebes kleines Kätzchen, schau nur!“
Ich hielt den neuen Mitbewohner eher für einen arroganten Schleimer. Der Neuankömmling tat so, als sei ich gar nicht da, strich aber immer wieder meinem Menschen um die Beine und schnurrte auffallend laut. In den Ohren entdeckte ich eine verräterische Tätowierung. Das heißt, er hat gesessen, folgerte ich. Das muss nichts bedeuten. Alle Tiere, die je in ein Tierheim geraten würden schwören, dass sie unschuldig hinter Gittern sitzen, und auf einige mag das zutreffen.
Unwillkürlich stäubte sich mein Nackenfell. „Na, na, Alter, meinst du nicht dass du jetzt übertreibst?“ Jovial tätschelte mir mein Mensch die Kruppe, aber dass er mich ‚Alter’ nannte, trug nicht gerade zur Aufhellung meiner Stimmung bei. Schließlich war er der Beamte im Vorruhestandsprogramm, nicht ich. Um des lieben Friedens willen gab ich aber klein bei und verzog mich in meinen Korb.
Von dort aus beobachte ich die Katze genauer. Mit ihrem auffällig gezeichneten grauweißen Fell verfügte sie über ein gefälliges Äußeres, welches den Menschen sicher besonders gut gefiel. Für mein Empfinden bewegte sie allerdings ein bisschen zu forsch und zu lässig in der fremden Wohnung. Da sprang sie doch tatsächlich auf das Sofa und ließ ihren glattgeleckten Wollpopo in die Lieblingssitzkuhle meines Menschen plumpsen!
Ich sprang auf. „Tiere gehören nicht auf die Polstergarnitur“, knurrte ich direkt vor ihrer Nase, „also sieh schleunigst zu, dass du da runter kommst.“
Die Katze gähnte demonstrativ und fixierte mich mit ihren halb geöffneten grünen Augen. „Am besten sage ich gleich wie die Dinge für dich stehen und da ich wenig Lust habe mich zu wiederholen höre lieber gut zu,“ sprach sie herablassend. „Dies ist bis auf weiteres mein Zuhause, und ich lege wenig Wert darauf, es mit einem Hund zu teilen. Sollte deine Anwesenheit in diesen Räumlichkeiten unabdingbar sein empfehle ich dir meine Gegenwart zu meiden.“ Daraufhin kehrte sie mir den Rücken zu und rollte sich zusammen.
Gerade wollte ich sie mit einem Nasenstüber daran erinnern, dass ich meine eigene Meinung zu ihrem Einzug hatte, da spürte ich die Hand meines Menschen an meinem Halsband. „Jetzt reicht es aber“, schimpfte er. „Den armen Edward lässt du jetzt in Ruhe damit er sich eingewöhnen kann. Am besten gehen wir für eine Weile nach draußen.“
Er zerrte mich in den Flur, schnappte sich die Leine und ehe ich mich versah hatten wir das Haus verlassen. Ich wunderte mich nicht nur über die körperlichen Kräfte, die wütende Menschen entwickeln können, sondern auch über den plötzlichen Drang meines Menschen nach draußen. Normalerweise muss ich mich dreimal täglich etwa eine halbe Stunde vor der Zeit zur Garderobe begeben, erwartungsfroh den Haken an dem die Leine hängt anschauen und mit dem Schwanz wedeln. Wenn sich mein Mensch am anderen Ende der Leine festhält zerre ich ihn nach draußen und schleife quer durch den Park bis zur Hundewiese. Das ist vor allem an heißen Sommertagen eine unselige Plackerei, aber ich muss sie aus Verantwortungsbewusstsein auf mich nehmen, denn wenn ich ihn in Ruhe lasse wird er sich irgendwann überhaupt nicht mehr bewegen. Vielleicht wächst er dann vor dem Fernseher fest.
Aus reinem Pflichtgefühl trabe ich auch den angefaulten Holzstücken hinterher, die er quer über die Hundewiese schmeißt, und bringe sie zu ihm zurück. Diese unbedarfte Welpenspiel ist sehr wichtig für Menschen, es hält sie fit und beweglich.
Als ich an jenem Nachmittag auf der Hundewiese ankam gehörte die Gymnastizierung meines Menschen nicht zu meinen Prioritäten. Zuerst erzählte ich den anderen Hunden von dem Schicksal, welches mir diesen fragwürdigen Hausgenossen beschert hatte.
„Nun übertreib mal nicht“, wiegelte Einstein, der Golden Retriever ab. „so ein kleines Tier kann keine ernsten Schwierigkeiten machen.“
„Nur an der Vorderpfoten sind scharfe Krallen“, berichtete Rauhaardackel Wastl. „Der Rest ist ungefährlich, wenn nicht sogar ausgesprochen weich und freundlich.“
„Das Katzenvieh ist rotzfrech“, hechelte ich entnervt. „Es macht sich gleich auf dem Sofa breit und meint, ich hätte zu kuschen.“
„Katzen sind sehr eigen,“ näselte Rocco, der Dobermann aus der Eden Bar herablassend. „Wenn du dich erst an ihre Art gewöhnt hast wirst du besser mit der Katze klar kommen.“
„Bestimmt machst du dir nur unnötig Sorgen“, sprach Sir Henry, ein Jack Russelterrier aus der Oberstadt. „Die meisten Stubentiger sind ganz in Ordnung. Wenn bei schlechtem Wetter mein Mensch nicht so lange Spaziergänge machen will wüsste ich nicht, was ich den ganzen Tag zuhause ohne meine Katze täte.“
„Oh, ein Kätzchen!“ meinte Pudeldame Lissy verzückt. „Ich hätte auch so gerne ein Kätzchen, welches meinen Schlafplatz warm hält wenn ich nicht da bin.“
Ein Hund nach dem anderen erklärte mir, wie unproblematisch Hunde und Katzen neben- und miteinander leben können. „Hält denn niemand etwas von der Idee, Katzen einfach den nächstbesten Baum heraufzujagen?“ jaulte ich schließlich mitten auf der Hundewiese.
Entgeistert starrten mich die übrigen Hunde an. „Ich darf doch bitten,“ ergriff Dodo, der Afghanische Windhund das Wort. „Wir sind alle kluge, zivilisierte Hunde und keine ungehobelten Bauerntölen. Über solche primitiven Aktionen sollten wir nicht einmal nachdenken.“
Resigniert zog ich meinen Menschen nach Hause. Zu meinem Entsetzen hatte sich die Katze inzwischen über meinen alten Tennisball hergemacht und ihn mit ihren Krallen stark aus der Form gebracht. Ich suchte mein Spielzeug zusammen, legte es in meinen Korb und mich darauf. Wenn ein Zwei- oder Vierbeiner nun meinem Korb zu nahe kam knurrte ich rein präventiv.
Dass Drohungen nicht viel nützen würden hatte ich mir schon am Nachmittag gedacht, als ich entdeckte, dass sogar mein Korb bereits nach Katze roch. Tatsächlich fehlte mein frisch angenagter Kauknochen als ich spätabends vom letzten Rundgang mit meinem Menschen zurückkam, und nach dem Morgenspaziergang am folgenden Tag entdeckte ich, dass jemand versucht hatte, seine Krallen an meiner altersschwachen Beißwurst zu schärfen. Natürlich tat das Katzentier so, als habe es überhaupt nichts zu tun mit meinen Sorgen. Gleichgültig blickten die grünen Augen durch mich hindurch, dann ging die Katze in die Küche und begann lustlos ihr Futter zu fressen. Dabei bekam die Katze viel besseres Futter als ich, das wusste ich, seit ich zum ersten Mal die Katzenschüssel blanklecken durfte, und überhaupt hieß es ständig Edward hier, Edward da!
„Das ist meisten so, dass Katzen besseres Futter als Hunde bekommen,“ erklärte Sir Henry, der Jack-Russelterrier, als ich ihm am Nachmittag von meinen Sorgen erzählte. „Wenn sich Dein Mensch erst mal an die Katze gewöhnt hat lässt auch die Tüddelei nach. Die Sache mit dem Tennisball macht mir allerdings Sorgen. Katzenkrallen können normalerweise keinem Tennisball etwas anhaben.“
„Dies war ein ganz besonderer Tennisball,“ bestätigte ich, „alt und mit einer schönen Patina, ein unersetzliches Unikat. Meine Beißwurst zieht auch schon Fäden vom Krallenwetzen. So etwas bekomme ich bestimmt nicht wieder weil mein Mensch nicht mehr auf den Hundeplatz will. Ich glaube, er wird zu alt für solche Späße.“
„Einen Kratzbaum habt ihr nicht?“ unterbrach mich Sir Henry,
„Einen kleinen in der Küche und einen großen im Wohnzimmer, alles nigelnagelneu,“ bestätigte ich. Mein Mensch hatte einen halben Tag gebraucht um das sperrige Gerümpel zusammen zu schrauben.
„Merkwürdig“, meinte Sir Henry.
Als mein Mensch abends zuhause die Blumen gießen wollte zog er die aufgelösten Reste meines Kauknochens aus der Gießkanne. Die Katze war verschwunden. Mein Mensch hatte eine Katzenklappe in die Haustüre gebaut. Natürlich wusste ich, dass Katzen in einem Haus fast jederzeit kommen und gehen dürfen, und dass Menschen von ihnen nicht erwarten, dass sie irgendwelche Verantwortung übernehmen, aber es wurmte mich doch, dass die Katze erst im Morgengrauen wieder zurückkam. Sie rollte sich auf dem Sofa zusammen und schlief bis kurz vor Mittag.
„Stimmt es was von dir erzählt wird“, sprach die Katze mit scheinheiliger Freundlichkeit nachdem sie sich zum Aufstehen entschlossen hatte. „Hundeschule ohne Abschluss?“
„Ich weiß nicht was dich das angeht“, brummte ich.
„Nun ja, es ist auch nicht wirklich wichtig,“ säuselte die Katze. „Ich werde mir ohnehin mein eigenes Bild von den geistigen Fähigkeiten der Kreaturen meiner Umgebung machen. Es muss wirklich schlimm sein, keine Katze zu sein. Ich fürchte, du kämst nicht einmal auf die Idee, das Klo zu benutzen wenn dein Mensch mal zu lange weg bleibt.“
„In dieser Hinsicht kann ich dich beruhigen“, knurrte ich, trottete zum Katzenklo und hob mein Bein. Als ich das zufriedene Grinsen in dem Katzengesicht sah, ahnte ich schon, dass ich diesem verschlagenen Widerling irgendwie auf den Leim gegangen war.
Edward stolzierte zum Katzenklo, schnupperte und rümpfte die Nase. „Entsetzlich!“ jammerte er. „Ob der Gestank je wieder aus dem Plastik herausgeht? Die Einstreu muss auf jeden Fall komplett gewechselt werden. Bis dahin kann ich dieses Ding auf keinen Fall mehr benutzen.“
Eine Stunde später stand eine beachtliche, streng nach Katze riechende Pfütze auf dem Küchenfußboden, Als mein Mensch zurückkam bekam ich einen Klaps mit einer zusammengerollten Zeitung, und er schimpfte mit mir wie mit einem Welpen. Der Gipfel der Ignoranz war jedoch die ernsthafte Empfehlung, mir eine Scheibe an dem lieben Edward zu abzuschneiden, der so toll sein Klo benutzt!
„Gib mir ein Messer und ich schnitze eine ganze Packung Frolics aus dem Schätzchen“, knurrte ich genauso ernst zurück, aber mein Mensch verstand mich nicht. Er blickte mich nur kummervoll an.
„Ich glaube, ich brauche professionelle Hilfe für dich“, sagte er.
Die hoffte er vom Tierarzt zu erhalten, mit dem er umgehend einen Termin vereinbarte. Ein Tierarzt, das konnte keine angenehme Begegnung werden, dachte ich sorgenvoll. Für einen kranken Hund, der sich nicht wehren kann mag ein Tierarzt akzeptabel sein, aber seit einer kleinen Ohrenentzündung vor ein paar Jahren wollte ich mit Tierärzten nichts zu tun haben.
„Sie schnippeln dir was weg in der Hoffnung dass du artiger wirst,“ bemerkte Edward schadenfroh.
Nachmittags auf der Hundewiese mied ich die Gesellschaft der anderen Hunde, alleine schon weil ich mich wegen der Schlappe mit dem Katzenklo unsäglich schämte.
„Pst, Kumpel“, wisperte jemand hinter mir. Ich erschrak, obwohl mich nur Sir Henry der Jack Russelterrier angrinste. „Ich habe mich bei meiner Katze nach deinem neuen Mitbewohner erkundigt,“ berichtete er. „Edward alias Schnurri, alias Amadeus, alias weiß-der-Kuckuck sonstnochwas, und es ist immer der selbe schäbige grauweiß gescheckte Kater. Offensichtlich hast du wirklich ein Problem mit dieser Katze.“
„Er hat gesessen, dieser Schurke“, sagte ich.
„Mehrmals,“ bestätigte Sir Henry, „und wo immer er auftaucht scheint es Ärger zu geben. In seiner Umgebung verschwinden immer wieder andere Haustiere unter seltsamen Umständen. Dieser Kater ist ein Psychopath...“
„Ich bringe ihn um, dann ist er aus dieser Welt verschwunden,“ knurrte ich.
„Sachte, sachte,“ erwiderte Sir Henry. „Wenn dir der Katzenpelz zufällig zwischen die Zähne rutscht haben die Menschen gleich ein Tatmotiv und dich am Schawittchen. Die ganze Härte der Gesetze und der kommunalen Gefahrenabwehrverordnungen wird mit Wesenstest und allem Pipapo über dich hereinbrechen. Ehe du dich versiehst wirst du als gefährlicher Hund eingestuft und wanderst für den Rest deines Lebens hinter Gitter. Nein, lasse deine Pfoten tunlichst aus dem Spiel.“
Ich schluckte. Mein kleiner Terrierfreund musste es wissen. Er hatte einen Staatsanwalt als Mensch. „Vielleicht ist es im Tierheim gar nicht so schlimm. Ich habe jedenfalls wenig Lust, mich weiter von diesem Katzenvieh beuteln zu lassen,“ sagte ich.
„Lass dich nicht zu Kurzschlusshandlungen hinreißen“, entgegnete Sir Henry. „Kannst Du zahlen?“
„Was?“
„Du brauchst einen Spezialisten,“ entschied Sir Henry, „jemand, der dein Problem routiniert und unauffällig aus der Welt schafft. Der Service kostet allerdings ein paar größere Kauknochen.“
„Kein Problem,“ hechelte ich, „ich lege noch einen neuwertigen Quitscheigel aus Gummi drauf, aber es muss schnell gehen. Ich habe einen Tierarzttermin am Freitag – sehe ich etwa krank aus?“
„Du siehst aus wie ein Hund, der mit den Nerven ziemlich herunter ist. Ich will sehen, was ich tun kann,“ versprach Sir Henry schwanzwedelnd und verabschiedete sich.
Die nächste harte Probe für mein Nervenkostüm wartete schon in Gestalt der beiden Neffen meines Menschen an der Haustür. Sie wollten das Kätzchen sehen, den lieben Edward streicheln, und mit ihm spielen. Dass sie dazu an mein Spielzeug wollten sah ich absolut nicht ein. Ich knurrte, fletschte die Zähne und schnappte einmal zur Warnung ins Leere als die beiden halbstarken Ignoranten meinem Korb zu nahe kamen. Dafür griff mir mein Mensch ganz gemein ins Genick und schalt mich mit Worten, die ich lieber nicht wiederholen möchte.
Immerhin stellte sich der von Sir Henry versprochene Spezialist bereits beim Spätabendspaziergang vor. Aus dem pechschwarzen Nichts des Gesträuchs am Parkrand materialisierte sich ein Deutsch-Drahthaarrüde, den ich noch nie zuvor gesehen hatte.
„Sir Henry schickt mich. Wo ist das Problem?“ begann er ohne Umschweife. Ich beschrieb ihm die Katze und beobachtete ihn. Ein netter, unauffälliger Kerl, dachte ich zunächst, aber seine kalten, ungewöhnlich ruhigen Augen verrieten einen echten Profi.
„Vier Kauknochen und den Quitscheigel, und alles wird nach einem Jagdunfall aussehen wenn das Kätzchen unten im Stadtwald gefunden wird,“ sprach er ungerührt. „Zwei Kauknochen bei Auftragsannahme, der Rest ist fällig nach der Ausführung.“
„Kann ich keinen Kredit bekommen?“ antwortete ich. „Es ist nämlich dringend.“
„Fünf Kauknochen für einen Eilauftrag“, forderte er. „Die Anzahlung bleibt. Gib mir Bescheid wenn du zahlen kannst.“ Daraufhin verschwand er im Gebüsch ohne sich noch einmal umzuschauen.
„Gib dir keine Mühe,“ sagte mein Mensch als ich wieder zuhause vor dem Schrank mit den Kauknochen stand und betont freundlich mit dem Schwanz wedelte. „Du erwartest doch keine Belohnung für die Heldentat gegenüber den armen Kindern heute, oder?“
Am nächsten Tag setzte mein Mensch den anbiedernd schnurrenden Edward in einen neu gekauften Katzentransportkäfig, und trug ihn übervorsichtig ins Auto auf den Beifahrersitz. Mich schnallte er in bewährter Manier mit dem Hundesicherheitsgut auf der Rückbank fest, dann setzte er sich wild entschlossen hinter das Steuer und fuhr los.
„Ach, je, ist mir schlecht! Warum muss es hier so nach Hund stinken?“ begann Edward zu jammern noch ehe wir das Viertel verlassen hatten. Gerade als mein Mensch auf die Schnellstraße bog, begann Edward zu würgen. Mein Mensch schaute einen Augenblick zu lange auf den Katzenkäfig, dann gelang es ihm gerade noch rechtzeitig auf die Bremse zu steigen ehe das Auto einem langsamen LKW ungesund nahe kam. Die alten Gurte drückten schmerzhaft aber hielten noch. Der Katzenkäfig kullerte in den Fußraum, öffnete sich und heftig fluchend sprang Edward auf den Beifahrersitz. „Hallo, kann mal jemand aufmachen und den Hund rausschmeißen?“ rief er.
Mein Mensch reagierte zunächst nicht, er war zu beschäftigt, das Auto auf der Fahrspur zu halten. Als er dann nach Edward griff, sprang der zuerst vorne vor die Windschutzscheibe. „Ich bin nicht das richtige Tier zum Einfangen“, entschied er als mein Mensch ihn dort zu fassen versuchte, und sprang wieselflink neben mich auf die Rückbank. Eingeengt von dem Gurtzeug kam ich nicht an ihn heran egal wie ich mich wand, aber meine Chance sollte ich bekommen. „Ihr Menschen seit nicht sonderlich originell. Wetten, dass ich hier nur auf ‚Rot’ zu drücken brauche?“ sagte Edward. Schon lagen seine Pfoten auf dem roten Verschluss meines Gurtzeuges, und einen Augenblick war ich frei. Selbstverständlich versuchte ich, diesen widerwärtigen Kater zu fassen. Ich sprang nach vorne, das Auto geriet ins Schlingern, und ein furchterregender Knall markierte das unerwartet frühe Ende der Reise.
Mein Menschen, Edward und ich waren heil bei diesem Unfall, nur das Auto war so gründlich kaputt dass mein Mensch ein neues brauchte. Die Polizisten schimpften arg mit meinem Menschen, sie sagten dass es grob fahrlässig sei, einen so großen Hund wie mich frei im Auto zu transportieren. Einer hielt derweil den verschlagen blinzelnden Edward auf dem Arm und kraulte ausgiebig sein Kinn.
Zwei Tage später brachte mich mein Mensch ins Tierheim. „Ich komme nicht mehr mit ihm zurecht“, sagte der Verräter, und erzählte von den Ereignissen der vergangenen Tage ohne auf die Rolle einer gewissen grauweißen Katze angemessen einzugehen.
„Ein Rottweilerrüde, nicht mehr ganz jung und vor allem nicht verträglich mit Kindern oder wenigstens mit anderen Haustieren, das wird schwierig,“ sinnierte die Frau, die mich in meinen Zwinger führte.
Seither sitze ich also hinter Gittern. Das Leben hier ist nicht angenehm, es ist in erster Linie so eintönig wie das Futter, aber ganz schlimm ist es auch nicht. Wenn ich Glück habe kommen Leute, die mich ein bisschen länger als gewöhnlich ausführen, aber das Wichtigste ist: Es gibt keine Katzen im Hundehaus.
Ich habe nie viel von Katzen gehalten. Einige meiner Freunde sind mit Vertretern dieser Spezies aufgewachsen, oder leben heute noch mit ihnen zusammen und erzählen von Zeit zu Zeit von den freundschaftlichen Beziehungen, die sie zu Katzen pflegen. Ich weiß, dass die Samtpfoten es nur gut meinen, wenn sie um einen herum schnurren, und dass sie es weniger gut meinen, wenn sie anfangen, mit dem Schwanz zu schlagen. Trotzdem hielt ich es für eine Schnapsidee, eine Katze anzuschaffen, und das Katzentier, welches eines Nachmittags unsicher durch unsere Wohnung tappte war mir von Anfang an suspekt.
„Nun reg dich mal wieder ab“, beschwichtigte mein Mensch und strich mir über den Rücken. „Das ist ein ganz liebes kleines Kätzchen, schau nur!“
Ich hielt den neuen Mitbewohner eher für einen arroganten Schleimer. Der Neuankömmling tat so, als sei ich gar nicht da, strich aber immer wieder meinem Menschen um die Beine und schnurrte auffallend laut. In den Ohren entdeckte ich eine verräterische Tätowierung. Das heißt, er hat gesessen, folgerte ich. Das muss nichts bedeuten. Alle Tiere, die je in ein Tierheim geraten würden schwören, dass sie unschuldig hinter Gittern sitzen, und auf einige mag das zutreffen.
Unwillkürlich stäubte sich mein Nackenfell. „Na, na, Alter, meinst du nicht dass du jetzt übertreibst?“ Jovial tätschelte mir mein Mensch die Kruppe, aber dass er mich ‚Alter’ nannte, trug nicht gerade zur Aufhellung meiner Stimmung bei. Schließlich war er der Beamte im Vorruhestandsprogramm, nicht ich. Um des lieben Friedens willen gab ich aber klein bei und verzog mich in meinen Korb.
Von dort aus beobachte ich die Katze genauer. Mit ihrem auffällig gezeichneten grauweißen Fell verfügte sie über ein gefälliges Äußeres, welches den Menschen sicher besonders gut gefiel. Für mein Empfinden bewegte sie allerdings ein bisschen zu forsch und zu lässig in der fremden Wohnung. Da sprang sie doch tatsächlich auf das Sofa und ließ ihren glattgeleckten Wollpopo in die Lieblingssitzkuhle meines Menschen plumpsen!
Ich sprang auf. „Tiere gehören nicht auf die Polstergarnitur“, knurrte ich direkt vor ihrer Nase, „also sieh schleunigst zu, dass du da runter kommst.“
Die Katze gähnte demonstrativ und fixierte mich mit ihren halb geöffneten grünen Augen. „Am besten sage ich gleich wie die Dinge für dich stehen und da ich wenig Lust habe mich zu wiederholen höre lieber gut zu,“ sprach sie herablassend. „Dies ist bis auf weiteres mein Zuhause, und ich lege wenig Wert darauf, es mit einem Hund zu teilen. Sollte deine Anwesenheit in diesen Räumlichkeiten unabdingbar sein empfehle ich dir meine Gegenwart zu meiden.“ Daraufhin kehrte sie mir den Rücken zu und rollte sich zusammen.
Gerade wollte ich sie mit einem Nasenstüber daran erinnern, dass ich meine eigene Meinung zu ihrem Einzug hatte, da spürte ich die Hand meines Menschen an meinem Halsband. „Jetzt reicht es aber“, schimpfte er. „Den armen Edward lässt du jetzt in Ruhe damit er sich eingewöhnen kann. Am besten gehen wir für eine Weile nach draußen.“
Er zerrte mich in den Flur, schnappte sich die Leine und ehe ich mich versah hatten wir das Haus verlassen. Ich wunderte mich nicht nur über die körperlichen Kräfte, die wütende Menschen entwickeln können, sondern auch über den plötzlichen Drang meines Menschen nach draußen. Normalerweise muss ich mich dreimal täglich etwa eine halbe Stunde vor der Zeit zur Garderobe begeben, erwartungsfroh den Haken an dem die Leine hängt anschauen und mit dem Schwanz wedeln. Wenn sich mein Mensch am anderen Ende der Leine festhält zerre ich ihn nach draußen und schleife quer durch den Park bis zur Hundewiese. Das ist vor allem an heißen Sommertagen eine unselige Plackerei, aber ich muss sie aus Verantwortungsbewusstsein auf mich nehmen, denn wenn ich ihn in Ruhe lasse wird er sich irgendwann überhaupt nicht mehr bewegen. Vielleicht wächst er dann vor dem Fernseher fest.
Aus reinem Pflichtgefühl trabe ich auch den angefaulten Holzstücken hinterher, die er quer über die Hundewiese schmeißt, und bringe sie zu ihm zurück. Diese unbedarfte Welpenspiel ist sehr wichtig für Menschen, es hält sie fit und beweglich.
Als ich an jenem Nachmittag auf der Hundewiese ankam gehörte die Gymnastizierung meines Menschen nicht zu meinen Prioritäten. Zuerst erzählte ich den anderen Hunden von dem Schicksal, welches mir diesen fragwürdigen Hausgenossen beschert hatte.
„Nun übertreib mal nicht“, wiegelte Einstein, der Golden Retriever ab. „so ein kleines Tier kann keine ernsten Schwierigkeiten machen.“
„Nur an der Vorderpfoten sind scharfe Krallen“, berichtete Rauhaardackel Wastl. „Der Rest ist ungefährlich, wenn nicht sogar ausgesprochen weich und freundlich.“
„Das Katzenvieh ist rotzfrech“, hechelte ich entnervt. „Es macht sich gleich auf dem Sofa breit und meint, ich hätte zu kuschen.“
„Katzen sind sehr eigen,“ näselte Rocco, der Dobermann aus der Eden Bar herablassend. „Wenn du dich erst an ihre Art gewöhnt hast wirst du besser mit der Katze klar kommen.“
„Bestimmt machst du dir nur unnötig Sorgen“, sprach Sir Henry, ein Jack Russelterrier aus der Oberstadt. „Die meisten Stubentiger sind ganz in Ordnung. Wenn bei schlechtem Wetter mein Mensch nicht so lange Spaziergänge machen will wüsste ich nicht, was ich den ganzen Tag zuhause ohne meine Katze täte.“
„Oh, ein Kätzchen!“ meinte Pudeldame Lissy verzückt. „Ich hätte auch so gerne ein Kätzchen, welches meinen Schlafplatz warm hält wenn ich nicht da bin.“
Ein Hund nach dem anderen erklärte mir, wie unproblematisch Hunde und Katzen neben- und miteinander leben können. „Hält denn niemand etwas von der Idee, Katzen einfach den nächstbesten Baum heraufzujagen?“ jaulte ich schließlich mitten auf der Hundewiese.
Entgeistert starrten mich die übrigen Hunde an. „Ich darf doch bitten,“ ergriff Dodo, der Afghanische Windhund das Wort. „Wir sind alle kluge, zivilisierte Hunde und keine ungehobelten Bauerntölen. Über solche primitiven Aktionen sollten wir nicht einmal nachdenken.“
Resigniert zog ich meinen Menschen nach Hause. Zu meinem Entsetzen hatte sich die Katze inzwischen über meinen alten Tennisball hergemacht und ihn mit ihren Krallen stark aus der Form gebracht. Ich suchte mein Spielzeug zusammen, legte es in meinen Korb und mich darauf. Wenn ein Zwei- oder Vierbeiner nun meinem Korb zu nahe kam knurrte ich rein präventiv.
Dass Drohungen nicht viel nützen würden hatte ich mir schon am Nachmittag gedacht, als ich entdeckte, dass sogar mein Korb bereits nach Katze roch. Tatsächlich fehlte mein frisch angenagter Kauknochen als ich spätabends vom letzten Rundgang mit meinem Menschen zurückkam, und nach dem Morgenspaziergang am folgenden Tag entdeckte ich, dass jemand versucht hatte, seine Krallen an meiner altersschwachen Beißwurst zu schärfen. Natürlich tat das Katzentier so, als habe es überhaupt nichts zu tun mit meinen Sorgen. Gleichgültig blickten die grünen Augen durch mich hindurch, dann ging die Katze in die Küche und begann lustlos ihr Futter zu fressen. Dabei bekam die Katze viel besseres Futter als ich, das wusste ich, seit ich zum ersten Mal die Katzenschüssel blanklecken durfte, und überhaupt hieß es ständig Edward hier, Edward da!
„Das ist meisten so, dass Katzen besseres Futter als Hunde bekommen,“ erklärte Sir Henry, der Jack-Russelterrier, als ich ihm am Nachmittag von meinen Sorgen erzählte. „Wenn sich Dein Mensch erst mal an die Katze gewöhnt hat lässt auch die Tüddelei nach. Die Sache mit dem Tennisball macht mir allerdings Sorgen. Katzenkrallen können normalerweise keinem Tennisball etwas anhaben.“
„Dies war ein ganz besonderer Tennisball,“ bestätigte ich, „alt und mit einer schönen Patina, ein unersetzliches Unikat. Meine Beißwurst zieht auch schon Fäden vom Krallenwetzen. So etwas bekomme ich bestimmt nicht wieder weil mein Mensch nicht mehr auf den Hundeplatz will. Ich glaube, er wird zu alt für solche Späße.“
„Einen Kratzbaum habt ihr nicht?“ unterbrach mich Sir Henry,
„Einen kleinen in der Küche und einen großen im Wohnzimmer, alles nigelnagelneu,“ bestätigte ich. Mein Mensch hatte einen halben Tag gebraucht um das sperrige Gerümpel zusammen zu schrauben.
„Merkwürdig“, meinte Sir Henry.
Als mein Mensch abends zuhause die Blumen gießen wollte zog er die aufgelösten Reste meines Kauknochens aus der Gießkanne. Die Katze war verschwunden. Mein Mensch hatte eine Katzenklappe in die Haustüre gebaut. Natürlich wusste ich, dass Katzen in einem Haus fast jederzeit kommen und gehen dürfen, und dass Menschen von ihnen nicht erwarten, dass sie irgendwelche Verantwortung übernehmen, aber es wurmte mich doch, dass die Katze erst im Morgengrauen wieder zurückkam. Sie rollte sich auf dem Sofa zusammen und schlief bis kurz vor Mittag.
„Stimmt es was von dir erzählt wird“, sprach die Katze mit scheinheiliger Freundlichkeit nachdem sie sich zum Aufstehen entschlossen hatte. „Hundeschule ohne Abschluss?“
„Ich weiß nicht was dich das angeht“, brummte ich.
„Nun ja, es ist auch nicht wirklich wichtig,“ säuselte die Katze. „Ich werde mir ohnehin mein eigenes Bild von den geistigen Fähigkeiten der Kreaturen meiner Umgebung machen. Es muss wirklich schlimm sein, keine Katze zu sein. Ich fürchte, du kämst nicht einmal auf die Idee, das Klo zu benutzen wenn dein Mensch mal zu lange weg bleibt.“
„In dieser Hinsicht kann ich dich beruhigen“, knurrte ich, trottete zum Katzenklo und hob mein Bein. Als ich das zufriedene Grinsen in dem Katzengesicht sah, ahnte ich schon, dass ich diesem verschlagenen Widerling irgendwie auf den Leim gegangen war.
Edward stolzierte zum Katzenklo, schnupperte und rümpfte die Nase. „Entsetzlich!“ jammerte er. „Ob der Gestank je wieder aus dem Plastik herausgeht? Die Einstreu muss auf jeden Fall komplett gewechselt werden. Bis dahin kann ich dieses Ding auf keinen Fall mehr benutzen.“
Eine Stunde später stand eine beachtliche, streng nach Katze riechende Pfütze auf dem Küchenfußboden, Als mein Mensch zurückkam bekam ich einen Klaps mit einer zusammengerollten Zeitung, und er schimpfte mit mir wie mit einem Welpen. Der Gipfel der Ignoranz war jedoch die ernsthafte Empfehlung, mir eine Scheibe an dem lieben Edward zu abzuschneiden, der so toll sein Klo benutzt!
„Gib mir ein Messer und ich schnitze eine ganze Packung Frolics aus dem Schätzchen“, knurrte ich genauso ernst zurück, aber mein Mensch verstand mich nicht. Er blickte mich nur kummervoll an.
„Ich glaube, ich brauche professionelle Hilfe für dich“, sagte er.
Die hoffte er vom Tierarzt zu erhalten, mit dem er umgehend einen Termin vereinbarte. Ein Tierarzt, das konnte keine angenehme Begegnung werden, dachte ich sorgenvoll. Für einen kranken Hund, der sich nicht wehren kann mag ein Tierarzt akzeptabel sein, aber seit einer kleinen Ohrenentzündung vor ein paar Jahren wollte ich mit Tierärzten nichts zu tun haben.
„Sie schnippeln dir was weg in der Hoffnung dass du artiger wirst,“ bemerkte Edward schadenfroh.
Nachmittags auf der Hundewiese mied ich die Gesellschaft der anderen Hunde, alleine schon weil ich mich wegen der Schlappe mit dem Katzenklo unsäglich schämte.
„Pst, Kumpel“, wisperte jemand hinter mir. Ich erschrak, obwohl mich nur Sir Henry der Jack Russelterrier angrinste. „Ich habe mich bei meiner Katze nach deinem neuen Mitbewohner erkundigt,“ berichtete er. „Edward alias Schnurri, alias Amadeus, alias weiß-der-Kuckuck sonstnochwas, und es ist immer der selbe schäbige grauweiß gescheckte Kater. Offensichtlich hast du wirklich ein Problem mit dieser Katze.“
„Er hat gesessen, dieser Schurke“, sagte ich.
„Mehrmals,“ bestätigte Sir Henry, „und wo immer er auftaucht scheint es Ärger zu geben. In seiner Umgebung verschwinden immer wieder andere Haustiere unter seltsamen Umständen. Dieser Kater ist ein Psychopath...“
„Ich bringe ihn um, dann ist er aus dieser Welt verschwunden,“ knurrte ich.
„Sachte, sachte,“ erwiderte Sir Henry. „Wenn dir der Katzenpelz zufällig zwischen die Zähne rutscht haben die Menschen gleich ein Tatmotiv und dich am Schawittchen. Die ganze Härte der Gesetze und der kommunalen Gefahrenabwehrverordnungen wird mit Wesenstest und allem Pipapo über dich hereinbrechen. Ehe du dich versiehst wirst du als gefährlicher Hund eingestuft und wanderst für den Rest deines Lebens hinter Gitter. Nein, lasse deine Pfoten tunlichst aus dem Spiel.“
Ich schluckte. Mein kleiner Terrierfreund musste es wissen. Er hatte einen Staatsanwalt als Mensch. „Vielleicht ist es im Tierheim gar nicht so schlimm. Ich habe jedenfalls wenig Lust, mich weiter von diesem Katzenvieh beuteln zu lassen,“ sagte ich.
„Lass dich nicht zu Kurzschlusshandlungen hinreißen“, entgegnete Sir Henry. „Kannst Du zahlen?“
„Was?“
„Du brauchst einen Spezialisten,“ entschied Sir Henry, „jemand, der dein Problem routiniert und unauffällig aus der Welt schafft. Der Service kostet allerdings ein paar größere Kauknochen.“
„Kein Problem,“ hechelte ich, „ich lege noch einen neuwertigen Quitscheigel aus Gummi drauf, aber es muss schnell gehen. Ich habe einen Tierarzttermin am Freitag – sehe ich etwa krank aus?“
„Du siehst aus wie ein Hund, der mit den Nerven ziemlich herunter ist. Ich will sehen, was ich tun kann,“ versprach Sir Henry schwanzwedelnd und verabschiedete sich.
Die nächste harte Probe für mein Nervenkostüm wartete schon in Gestalt der beiden Neffen meines Menschen an der Haustür. Sie wollten das Kätzchen sehen, den lieben Edward streicheln, und mit ihm spielen. Dass sie dazu an mein Spielzeug wollten sah ich absolut nicht ein. Ich knurrte, fletschte die Zähne und schnappte einmal zur Warnung ins Leere als die beiden halbstarken Ignoranten meinem Korb zu nahe kamen. Dafür griff mir mein Mensch ganz gemein ins Genick und schalt mich mit Worten, die ich lieber nicht wiederholen möchte.
Immerhin stellte sich der von Sir Henry versprochene Spezialist bereits beim Spätabendspaziergang vor. Aus dem pechschwarzen Nichts des Gesträuchs am Parkrand materialisierte sich ein Deutsch-Drahthaarrüde, den ich noch nie zuvor gesehen hatte.
„Sir Henry schickt mich. Wo ist das Problem?“ begann er ohne Umschweife. Ich beschrieb ihm die Katze und beobachtete ihn. Ein netter, unauffälliger Kerl, dachte ich zunächst, aber seine kalten, ungewöhnlich ruhigen Augen verrieten einen echten Profi.
„Vier Kauknochen und den Quitscheigel, und alles wird nach einem Jagdunfall aussehen wenn das Kätzchen unten im Stadtwald gefunden wird,“ sprach er ungerührt. „Zwei Kauknochen bei Auftragsannahme, der Rest ist fällig nach der Ausführung.“
„Kann ich keinen Kredit bekommen?“ antwortete ich. „Es ist nämlich dringend.“
„Fünf Kauknochen für einen Eilauftrag“, forderte er. „Die Anzahlung bleibt. Gib mir Bescheid wenn du zahlen kannst.“ Daraufhin verschwand er im Gebüsch ohne sich noch einmal umzuschauen.
„Gib dir keine Mühe,“ sagte mein Mensch als ich wieder zuhause vor dem Schrank mit den Kauknochen stand und betont freundlich mit dem Schwanz wedelte. „Du erwartest doch keine Belohnung für die Heldentat gegenüber den armen Kindern heute, oder?“
Am nächsten Tag setzte mein Mensch den anbiedernd schnurrenden Edward in einen neu gekauften Katzentransportkäfig, und trug ihn übervorsichtig ins Auto auf den Beifahrersitz. Mich schnallte er in bewährter Manier mit dem Hundesicherheitsgut auf der Rückbank fest, dann setzte er sich wild entschlossen hinter das Steuer und fuhr los.
„Ach, je, ist mir schlecht! Warum muss es hier so nach Hund stinken?“ begann Edward zu jammern noch ehe wir das Viertel verlassen hatten. Gerade als mein Mensch auf die Schnellstraße bog, begann Edward zu würgen. Mein Mensch schaute einen Augenblick zu lange auf den Katzenkäfig, dann gelang es ihm gerade noch rechtzeitig auf die Bremse zu steigen ehe das Auto einem langsamen LKW ungesund nahe kam. Die alten Gurte drückten schmerzhaft aber hielten noch. Der Katzenkäfig kullerte in den Fußraum, öffnete sich und heftig fluchend sprang Edward auf den Beifahrersitz. „Hallo, kann mal jemand aufmachen und den Hund rausschmeißen?“ rief er.
Mein Mensch reagierte zunächst nicht, er war zu beschäftigt, das Auto auf der Fahrspur zu halten. Als er dann nach Edward griff, sprang der zuerst vorne vor die Windschutzscheibe. „Ich bin nicht das richtige Tier zum Einfangen“, entschied er als mein Mensch ihn dort zu fassen versuchte, und sprang wieselflink neben mich auf die Rückbank. Eingeengt von dem Gurtzeug kam ich nicht an ihn heran egal wie ich mich wand, aber meine Chance sollte ich bekommen. „Ihr Menschen seit nicht sonderlich originell. Wetten, dass ich hier nur auf ‚Rot’ zu drücken brauche?“ sagte Edward. Schon lagen seine Pfoten auf dem roten Verschluss meines Gurtzeuges, und einen Augenblick war ich frei. Selbstverständlich versuchte ich, diesen widerwärtigen Kater zu fassen. Ich sprang nach vorne, das Auto geriet ins Schlingern, und ein furchterregender Knall markierte das unerwartet frühe Ende der Reise.
Mein Menschen, Edward und ich waren heil bei diesem Unfall, nur das Auto war so gründlich kaputt dass mein Mensch ein neues brauchte. Die Polizisten schimpften arg mit meinem Menschen, sie sagten dass es grob fahrlässig sei, einen so großen Hund wie mich frei im Auto zu transportieren. Einer hielt derweil den verschlagen blinzelnden Edward auf dem Arm und kraulte ausgiebig sein Kinn.
Zwei Tage später brachte mich mein Mensch ins Tierheim. „Ich komme nicht mehr mit ihm zurecht“, sagte der Verräter, und erzählte von den Ereignissen der vergangenen Tage ohne auf die Rolle einer gewissen grauweißen Katze angemessen einzugehen.
„Ein Rottweilerrüde, nicht mehr ganz jung und vor allem nicht verträglich mit Kindern oder wenigstens mit anderen Haustieren, das wird schwierig,“ sinnierte die Frau, die mich in meinen Zwinger führte.
Seither sitze ich also hinter Gittern. Das Leben hier ist nicht angenehm, es ist in erster Linie so eintönig wie das Futter, aber ganz schlimm ist es auch nicht. Wenn ich Glück habe kommen Leute, die mich ein bisschen länger als gewöhnlich ausführen, aber das Wichtigste ist: Es gibt keine Katzen im Hundehaus.