Ehrlos

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Heinz

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Ehrlos

Rückzug!

„Wo steht mein Banner?“ denkt der Kämpfer.
Noch steht das blaue Banner, flattert frech im Wind inmitten des feindlichen Sturms.
Doch es ist weit abgeschlagen, hinter den Linien des Banners der Einheit, eingeschlossen vom stinkenden Untod.
Der Kämpfer erkennt Kaela, die nordische Anführerin des blauen Banners, umgeben von ein paar letzten Getreuen. Welle um Welle brandet Untod an die Schilde – und wird niedergemäht.
Ein derber Fluch presst sich durch die Lippen des Kämpfers.
Er hätte dabei sein sollen.
Er hätte sich nicht abdrängen lassen sollen.
Er hätte unter seinem Banner stehen sollen.
Jetzt.

Aber ein Meer von Untod trennt ihn vom Banner. Er kann nicht helfen.
Dann sieht er Kaela zu Boden gehen.
Ist dies das Ende des blauen Banners?

„Mit dir will ich kämpfen“, krächst eine hohle, untote Stimme dem Kämpfer eine Herausforderung entgegen.
Das blaue Banner versinkt in den untoten Fluten. Ob es je wieder aufstehen wird?

Der Kämpfer wendet den Blick, hin zur Quelle der Herausforderung.
Eine untote, weibliche Fratze tritt aus einer Gruppe von Untoten hervor und blickt ihm höhnisch entgegen. Kleiner als er, schwächer, aber mit einem irren Blick in den glühenden Augen. Das zerfetzte Lumpengewand lässt zahlreiche offene und faulige Stellen in ihrem Fleisch unverhüllt. In der kochigen Hand hält sie ein kurzes Schwert.
„Wenn du meinst“, erwidert der Kämpfer. Er ist nicht hier, um sich vor einem Kampf zu drücken.

Der Kämpfer mustert die untote Gestalt. Ein junge Frau muss sie gewesen sein, bevor der Untod sie wandelte. Hinter den fauligen Hautfetzen und den offen Wunden steckte sicher mal ein hübsches Gesicht. Aber davon war nicht mehr viel übrig.
Er würde sie von ihrem untoten Schicksal erlösen.

Der Kämpfer hebt sein Schwert und tritt ihr entgegen. Lässt ihr den ersten Schlag.
Mit einem gellenden Aufschrei springt sie vor, hebt ihr rostiges Schwert und schwingt es mit unerwarteter Kraft und Schnelligkeit zu seiner Seite.
Der Hartholzstab in der linken Hand des Kämpfers fängt den Schlag der stumpfen Klinge. Zur gleichen Zeit fährt sein Schwert in der Rechten herab und trifft den Schwertarm der Untoten.
Mit einem zornigen Schrei springt sie zurück und hält sich die klaffende Wunde. Aber es ist nur ein weiterer, schwarz und ölig nässender Riss in ihrem untoten Fleisch. Kein reinigendes Blut fließt in diesen Gliedern.
Wütend schwingt sie ihren Stahl erneut. Der Kämpfer weicht aus und lächelt leise. Wieder und wieder hebt sie die Waffe, aber die schmutzige Klinge findet keine Lücke. Diese Kreatur wird ihn nicht besiegen.
Schlag um Schlag lässt der Kämpfer kommen, pariert oder weicht aus. Kein Hieb kommt durch. Aber ihr Arm wird langsamer, schwächer.
Nun geht der Kämpfer einen Schritt vor und hebt seinen Stahl für einen Schlag zum Hals. Der untote Arm hebt sich und führt die Waffe zur Abwehr hoch.
Aber das Schwert des Kämpfers zieht nach unten daran vorbei und beißt sich tief in den untoten Oberschenkel.
Ein Schmerzensschrei fährt aus den fauligen Lippen. Humpelnd zieht sich die Angreiferin einen Schritt zurück. Unsicherheit flackert in den wütend funkelnden Augen.

Schmerz!
Als gleißendes Brennen schlägt Stahl in seinen Rücken. Schneidet durch Haut und Fleisch, und zersplittert Knochen.
Von der Wucht des Schlages sinkt der Kämpfer mit einem lauten Aufschrei nach vorn in die Knie.
Ein weiterer Schlag. Eine Axt trifft seinen Waffenarm und prellt sein Schwert aus der Hand.

Er hat nicht auf seinen Rücken geachtet. Wie dumm.

Kniend dreht sich der Kämpfer um, gerade noch rechtzeitig um die genagelte Keule eines dritten Angreifers abzuwehren.
„Wir haben einen Zweikampf ausgemacht“, schreit er die hinterhältigen Angreifer an. Drei untote Lumpengestalten umkreisen ihn.
„Na und?“, blökt ihm einer entgegen. „Nicht mit uns.“
Alle drei heben ihre Waffen und schlagen gleichzeitig zu. Nur einen Hieb kann der Kämpfer abwehren, denn auf Knien ist er fast wehrlos. Keule und Stahl schlagen auf ihn ein, beißen sich in sein Fleisch und brechen seine Knochen. Mit einem Schmerzensschrei geht der Kämpfer zu Boden.
Sein rechter Arm ist taub, die Muskeln zerfetzt. Gebrochene Rippen stechen in seine Lungen und lassen jeden seiner hastigen Atemzüge in einer Woge aus Schmerz erstarren.
Auf dem Rücken liegend, hebt der Kämpfer seinen treuen Stab, zum letzten Widerstand.
„Habt ihr denn keine Ehre im Leib?“, spuckt er den untoten Angreifern ungläubig entgegen.
Grinsend stehen die drei um den am Boden liegenden Kämpfer.
„Nicht in diesem Land.“ sagt einer und hebt seine Axt. „Das hier ist unsere Heimat. Und ihr seid hier eingedrungen.“
Die Axt fährt nieder, aber der gute Stab fängt sie am Stiel. Ein letztes Mal.
Dann fahren Keule und Schwert der anderen Untoten auf den Kämpfer herab und reißen den letzten Widerstand nieder. Der Stab fällt zu Boden.
Eine untote Fratze kniet sich herab und schaut den Kämpfer an.
„Du hättest daheimbleiben bleiben sollen!“ höhnt er mit verächtlicher Stimme - und zieh die Schneide seiner Axt über die Kehle des Kämpfers...

Dunkelheit.

„Hhhhhhhhhhhhhh“.
Atem füllt die brennenden Lungen und mischt sich leise mit dem Gurgeln des Blutes darin.

„Chchchchchchchchchch“.
Und in blutigen Blasen verlässt er die halb geöffneten Lippen.
Mühsam öffnet er die verklebten Augen.
Schemen und Gestalten huschen an ihm vorbei, beachten nicht den am Boden Liegenden. Der Untod flutet das Schlachtfeld und spült die Lebenden hinweg.

„Bummmmmm, Buuummmmm“, pocht das erschrockene Herz, pumpt panisch den Lebenssaft durch die Adern – und aus den Wunden in den Sand des Feldes.

So soll es also enden, denkt der Kämpfer.
Vielleicht hätte er doch auf seinen jüngeren Bruder hören sollen, Birk, den Baumfäller.

„Was willst du in der Spiegelwelt?“, hatte der gefragt. „Lass sie den Verfemten und siedle auf Mythodea. Ehre Terra, indem du dort den Boden bestellst.“
Aber er hatte nicht hören wollen. Terras Avatar hatte ihn in die Spiegelwelt gerufen. Er war dem Ruf gefolgt. Und dort würde sein Leib nun mit dem Sand des Schlachtfeldes verschmelzen.

„Hhhhhhhhhhhhh, Chchchchchchchchch“.

Sein Atem wird flacher. Die Lungen füllen sich mit Blut. Er würde die Seinen nicht wiedersehen.
Josephus, sein Gefährte im Kampf gegen die Verfehmten, würde ihn suchen – aber nicht finden. Seine Schlafstelle im Freien Lagerbund bleibt nun leer. Die Gedanken des Kämpfers weilen eine Weile bei den Lagergefährten. Jedes einzelne Gesicht erscheint vor seinen Augen. Gute Gefährten, treu im Kampf für Terra.

„Bummmmmm, Buuummmmm“, dröhnt sein Herzschlag in den Ohren, während ein warmes Rinnsal daraus nach draußen kriecht.
Sein Geist schwebt weiter zurück, in seine alte Heimat. Zu seinen alten Feldern, zu Haus und Hof. Zu seinen Kindern, die nun dort seine Felder als die ihren bestellen, und mit Terras Segen fruchtbar sein würden. Auch sie wird er nicht wiedersehen.
Aber er hatte ihnen alles gegeben was nötig war, einen eigenen Weg zu finden. Sie brauchten ihn nicht mehr. Nur deshalb hatte er von dort fortgehen können.

„Hhhhhhhhhhh, Chchchchchchch“.
Das Gesicht ihrer Mutter erscheint vor seinem geistigen Auge. Vor Jahren schon war sie in Terras Schoß zurückgekehrt. Nun würde er ihr folgen.

„Bummmmmm, Buuummmmm“.
Vielleicht hätte er noch einige Jahre gehabt, wenn er auf Birk's Rat gehört hätte. Aber was hätte ihn dann erwartet?
Noch war Kraft in seinen Armen gewesen. Und auch wenn sie alt waren, die Verfemten hatten in diesem Feldzug einen hohen Preis dafür gezahlt, bis sie sie letztlich beiseite schieben konnten.

„Hhhhhhhhh, Chchchchchch“.
Nein, es war gut so. Er hatte so viele Dinge gesehen. So viele Freunde und Gefährten gefunden.
Es hätte nicht anders sein sollen. Er würde gehen, bevor seine Arme zu schwach waren um den Respekt seiner Gegner zu erzwingen. Und das war gut so.

„Bummmmmm, Buuummmmm“.
Hoch am Himmel steht die Sonne und brennt in seine offenen Augen, während die Schemen und Gestalten um ihn herum langsam verblassen.
Der Schmerz lässt nun nach, in seinem Rücken, seiner Schulter, in seinem Bauch und in seiner Lunge. Und an seinem Hals.
Ehrloser Untod.
Immer noch fließt ein warmer Strom daraus hervor. Stoßweise, mit jedem Herzschlag. Bis eine große Lache den Sand unter ihm bedeckt. Warm und klebrig.

„Bumm, Bumm, Bumm“, schreckt sein Herz auf. Hektisch versucht es, den fehlenden Lebenssaft
weiter durch die Adern zu treiben. Vergebens.

„Bumm, Bumm, Bumm“.
Alles Schlagen hilft nun nicht mehr.
Die Unruhe greift vom panisch schlagenden Herzen auf den Geist des Kämpfer über.

Angst erfüllt ihn.
„Hhhhhhh, Chchchch“.

Was würde nun kommen?
Was hatte er falsch gemacht?
Würde Terra ihn erwarten?
Seine Vorfahren?
Seine Gefährtin und Mutter seiner Kinder?

„Bumm, Bumm, Bumm“.
Die Lungen füllen sich weiter mit seinem Blut. Und mit jedem Atemzug quillt der klebrige Schaum aus dem Mundwinkel. Aus dem immer kürzer werdenden Atmen wird ein stoßartiges Röcheln.

„Hhh, Chch. Hhh, Chch“.
„Bumm, Bumm, Bumm“.

Ja, er hatte Fehler gemacht. Sicher.
Aber er hatte auch daraus gelernt.
Und versucht, es besser zu machen.
Nein, er musste nicht viel bereuen.

„Hh....“
Seine Lungen versagen. Ersticken im eigenen Blut.

Er hatte ein gutes Leben gehabt.
Er hatte alle seine Kinder aufwachsen sehen.
Und so viele Dinge in der Welt.
Nein, es war alles gut gewesen.

„Bummmmmm, Buuummmmm“.
Eine tiefe Ruhe ergreift den Kämpfer.
Die Schemen um ihn herum versinken in einem schwarzen Nebel. Nur die Sonne in der Mitte seines Blicks bleibt hell. Warum wird sie kleiner? Ist das - die Sonne - dieses Licht?

„Bummmmmm, Buuummmmm“.
Seine Kinder waren so klein gewesen.
Er sieht sie wieder in der Wiege liegen.
Es sieht das Gesicht seiner Eltern.
Seine kleine Hand in der seines Vaters.
Das Gesicht seiner Mutter, die sich lächelnd über ihn beugt.
Und dann dieses Licht. Ist das - die Sonne?

„Bummm, Buuum“.
Es war Zeit, zu gehen. Platz zu machen in dieser Welt. Platz, der seinen Kindern und der Kinder Kinder zustand. So wie jede Generation Platz machen musste, damit sich das Leben erneuern kann.

„Bu...........“.

Viva Terra.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

LeseWurm

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Meine Eindrücke:

Hoch emotional.

Von Beginn an ist man mittendrin.

Am Anfang erwartet man eine Kampfbeschreibung und die Spannung richtet sich auf das Was und Wie und Wer und vielleicht auch das Warum. Dabei bleibe ich immer etwas unorientiert - aber auch neugierig, was noch kommt und wie sich meine Fragen auflösen.

Dann kommt der Schlagabtausch mit der Vorfreude auf den zu erwartenden Sieg aufgrund der Überlegenheit des namenlosen Kämpfers.

Dann der "Hinterhalt", der vermutlich für den Titel ursächlich ist. Das löst bei mir Erschrecken und Wut aus. Und erhöhte Aufmerksamkeit. Der Optimismus ist noch da.

Aber die gute Erwartung verliert sich in den furchtbaren Schlägen, die den Kämpfer treffen. Sie treffen schaurig auch meine Erwartung. Mich schüttelt es.
Ganz schön blutig und die Bilder gehen im Kopf auf. Huch. Die Wehrlosigkeit und das zu befürchtende und nicht abzuwendende böse Ende wirbelt meine Gefühle auf.

Erschreckend bildhaft werden die körperlichen Verletzungen dargestellt. Sie bringen mich zum schaudern, stoßen ab und vertiefen andererseits meine Anteilnahme.

Danach kommt die Sterbeszene. Sie macht mich traurig.

Schließlich wendet sich der Blickwinkel dem Inneren des sterbenden Kämpfers zu. Sein Leben läuft nochmal in seinen Gedanken ab und er kann den Tod irgendwie tröstlich annehmen - und so get es mir dann auch.

Fazit:
Das hat mich richtig erfasst und mitgenommen (in doppelter Bedeutung). Danke für den berührenden Text.
 

LeseWurm

Mitglied
Ganz schön heftig. Aber eindrucksvolle Bilder
Ich habe ein paar Vorschläge:


„Mit dir will ich kämpfen“, krächst eine hohle[strike], untote[/strike] Stimme dem Kämpfer eine Herausforderung entgegen.
Das blaue Banner versinkt in den untoten Fluten. Ob es je wieder aufstehen wird?

Der Kämpfer wendet den Blick, hin zur Quelle der Herausforderung.
Eine [strike]untote[/strike][blue]graue[/blue], weibliche Fratze tritt aus einer Gruppe von Untoten hervor und blickt ihm höhnisch entgegen. Kleiner als er, schwächer, aber mit einem irren Blick in den glühenden Augen. Das zerfetzte Lumpengewand lässt zahlreiche offene und faulige Stellen in ihrem Fleisch unverhüllt. In der kochigen Hand hält sie ein kurzes Schwert.
„Wenn du meinst“, erwidert der Kämpfer. Er ist nicht hier, um sich vor einem Kampf zu drücken.

Der Kämpfer mustert die untote Gestalt. Ein junge Frau muss sie gewesen sein, bevor der Untod sie wandelte. Hinter den fauligen Hautfetzen [strike]und den offen Wunden [/strike]steckte sicher mal ein hübsches Gesicht. Aber davon war nicht mehr viel übrig.
Er würde sie von ihrem untoten Schicksal erlösen.

... ... ...

Schmerz!
Als gleißendes Brennen [strike]schlägt Stahl [/strike]in seinen Rücken. S[blue]tahl s[/blue]chneidet durch Haut und Fleisch, und zersplittert Knochen.
Von der Wucht des Schlages sinkt der Kämpfer mit einem lauten Aufschrei nach vorn in die Knie.
Ein weiterer Schlag. Eine Axt trifft seinen Waffenarm und prellt sein Schwert aus der Hand.

Er hat nicht auf seinen Rücken geachtet. Wie dumm.

Kniend dreht sich der Kämpfer um, gerade noch rechtzeitig um die genagelte Keule eines dritten Angreifers abzuwehren.
„Wir haben einen Zweikampf ausgemacht[blue] - ein heiliges Duell[/blue]“, schreit er die hinterhältigen Angreifer an. Drei untote Lumpengestalten umkreisen ihn.
... ... ...
Eine untote Fratze kniet sich herab und schaut den Kämpfer an.
„Du hättest da­heim­blei­ben bleiben sollen!“ höhnt er mit verächtlicher Stimme - und [blue]zieht[/blue] die Schneide seiner Axt über die Kehle des Kämpfers...

Dunkelheit. [blue] Warum wird es dunkel? Sogar später blicken die offenen Augen noch in die Sonne.[/blue]

„Hhhhhhhhhhhhhh“.
Atem füllt die brennenden Lungen und mischt sich leise mit dem Gurgeln des Blutes darin.

„Chchchchchchchchchch“.
Und in blutigen Blasen verlässt er die halb geöffneten Lippen.
Mühsam öffnet er die verklebten Augen.
Schemen und Gestalten huschen an ihm vorbei, beachten nicht den am Boden Liegenden. Der Untod flutet das Schlachtfeld und spült die Lebenden hinweg.

„Bummmmmm, Buuummmmm“, pocht das erschrockene Herz, pumpt panisch den Lebenssaft durch die Adern – und aus den Wunden in den Sand des Feldes.

So soll es also enden, denkt der Kämpfer.
Vielleicht hätte er doch auf seinen jüngeren Bruder hören sollen, Birk, den Baumfäller.

„Was willst du in der Spiegelwelt?“, hatte der gefragt. „Lass sie den Verfemten und siedle auf Mythodea. Ehre Terra, indem du dort den Boden bestellst.“
Aber er hatte nicht hören wollen. Terras Avatar hatte ihn in die Spiegelwelt gerufen. Er war dem Ruf gefolgt. Und dort würde sein [strike]Leib[/strike][blue]Blut[/blue] nun mit dem Sand des Schlachtfeldes verschmelzen.

„Hhhhhhhhhhhhh, Chchchchchchchchch“.

Sein Atem wird flacher.

... ... ...

Ja, er hatte Fehler gemacht. Sicher.
Aber er hatte auch daraus gelernt.
Und versucht, es besser zu machen.
Nein, er musste nicht viel bereuen.

„Hh....“
Seine Lungen versagen. Ersticken im eigenen Blut.
[blue]Vielleicht in einem Satz? Seine Lungen ersticken im eigenen Blut.[/blue]

Er hat[strike]te[/strike] ein gutes Leben gehabt.
Er hat[strike]te[/strike] alle seine Kinder aufwachsen sehen.
Und so viele Dinge in der Welt.
Nein, es [strike]war[/strike][blue]ist[/blue] alles gut gewesen.
[blue]Noch lebt er ja und denkt.[/blue]

„Bummmmmm, Buuummmmm“.
Eine tiefe Ruhe ergreift den Kämpfer.

... ... ...
 

Heinz

Mitglied
Ehrlos

Rückzug!

„Wo steht mein Banner?“ denkt der Kämpfer.
Noch steht das blaue Banner, flattert frech im Wind inmitten des feindlichen Sturms.
Doch es ist weit abgeschlagen, hinter den Linien des Banners der Einheit, eingeschlossen vom stinkenden Untod.
Der Kämpfer erkennt Kaela, die nordische Anführerin des blauen Banners, umgeben von ein paar letzten Getreuen. Welle um Welle brandet Untod an die Schilde – und wird niedergemäht.
Ein derber Fluch presst sich durch die Lippen des Kämpfers.
Er hätte dabei sein sollen.
Er hätte sich nicht abdrängen lassen sollen.
Er hätte unter seinem Banner stehen sollen.
Jetzt.

Aber ein Meer von Untod trennt ihn vom Banner. Er kann nicht helfen.
Dann sieht er Kaela zu Boden gehen.
Ist dies das Ende des blauen Banners?

„Mit dir will ich kämpfen“, zischt eine hohle Stimme dem Kämpfer eine Herausforderung entgegen.
Das blaue Banner versinkt in den untoten Fluten. Ob es je wieder aufstehen wird?

Der Kämpfer wendet den Blick, hin zur Quelle der Herausforderung.
Eine fahle, weibliche Fratze tritt aus einer Gruppe von Untoten hervor und blickt ihm höhnisch entgegen. Kleiner als er, schwächer, aber mit einem irren Blick in den glühenden Augen. Das zerfetzte Lumpengewand lässt zahlreiche offene und faulige Stellen in ihrem Fleisch unverhüllt. In der kochigen Hand hält sie ein kurzes Schwert.
„Wenn du meinst“, erwidert der Kämpfer. Er ist nicht hier, um sich vor einem Kampf zu drücken.

Der Kämpfer mustert die untote Gestalt. Ein junge Frau muss sie gewesen sein, bevor der Untod sie wandelte. Hinter den fauligen Hautfetzen steckte sicher mal ein hübsches Gesicht. Aber davon war nicht mehr viel übrig.
Er würde sie von ihrem untoten Schicksal erlösen.

Der Kämpfer hebt sein Schwert und tritt ihr entgegen. Lässt ihr den ersten Schlag.
Mit einem gellenden Aufschrei springt sie vor, hebt ihr rostiges Schwert und schwingt es mit unerwarteter Kraft und Schnelligkeit zu seiner Seite.
Der Hartholzstab in der linken Hand des Kämpfers fängt den Schlag der stumpfen Klinge. Zur gleichen Zeit fährt sein Schwert in der Rechten herab und trifft den Schwertarm der Untoten.
Mit einem zornigen Schrei springt sie zurück und hält sich die klaffende Wunde. Aber es ist nur ein weiterer, schwarz und ölig nässender Riss in ihrem untoten Fleisch. Kein reinigendes Blut fließt in diesen Gliedern.
Wütend schwingt sie ihren Stahl erneut. Der Kämpfer weicht aus und lächelt leise. Wieder und wieder hebt sie die Waffe, aber die schmutzige Klinge findet keine Lücke. Diese Kreatur wird ihn nicht besiegen.
Schlag um Schlag lässt der Kämpfer kommen, pariert oder weicht aus. Kein Hieb kommt durch. Aber ihr Arm wird langsamer, schwächer.
Nun geht der Kämpfer einen Schritt vor und hebt seinen Stahl für einen Schlag zum Hals. Der untote Arm hebt sich und führt die Waffe zur Abwehr hoch.
Aber das Schwert des Kämpfers zieht nach unten daran vorbei und beißt sich tief in den untoten Oberschenkel.
Ein Schmerzensschrei fährt aus den fauligen Lippen. Humpelnd zieht sich die Angreiferin einen Schritt zurück. Unsicherheit flackert in den wütend funkelnden Augen.

Schmerz!
Gleißendes Brennen schlägt in seinen Rücken. Stahl schneidet durch Haut und Fleisch, und zersplittert Knochen.
Von der Wucht des Schlages sinkt der Kämpfer mit einem lauten Aufschrei nach vorn in die Knie.
Ein weiterer Schlag. Eine Axt trifft seinen Waffenarm und prellt sein Schwert aus der Hand.

Er hat nicht auf seinen Rücken geachtet. Wie dumm.

Kniend dreht sich der Kämpfer um, gerade noch rechtzeitig um die genagelte Keule eines dritten Angreifers abzuwehren.
„Wir haben einen Zweikampf ausgemacht“, schreit er die hinterhältigen Angreifer an. Drei untote Lumpengestalten umkreisen ihn.
„Na und?“, blökt ihm einer entgegen. „Nicht mit uns.“
Alle drei heben ihre Waffen und schlagen gleichzeitig zu. Nur einen Hieb kann der Kämpfer abwehren, denn auf Knien ist er fast wehrlos. Keule und Stahl schlagen auf ihn ein, beißen sich in sein Fleisch und brechen seine Knochen. Mit einem Schmerzensschrei geht der Kämpfer zu Boden.
Sein rechter Arm ist taub, die Muskeln zerfetzt. Gebrochene Rippen stechen in seine Lungen und lassen jeden seiner hastigen Atemzüge in einer Woge aus Schmerz erstarren.
Auf dem Rücken liegend, hebt der Kämpfer seinen treuen Stab, zum letzten Widerstand.
„Habt ihr denn keine Ehre im Leib?“, spuckt er den untoten Angreifern ungläubig entgegen.
Grinsend stehen die drei um den am Boden liegenden Kämpfer.
„Nicht in diesem Land.“ sagt einer und hebt seine Axt. „Das hier ist unsere Heimat. Und ihr seid hier eingedrungen.“
Die Axt fährt nieder, aber der gute Stab fängt sie am Stiel. Ein letztes Mal.
Dann fahren Keule und Schwert der anderen Untoten auf den Kämpfer herab und reißen den letzten Widerstand nieder. Der Stab fällt zu Boden.
Eine untote Fratze kniet sich herab und schaut den Kämpfer an.
„Du hättest da­heim­blei­ben bleiben sollen!“ höhnt er mit verächtlicher Stimme - und zieht die Schneide seiner Axt über die Kehle des Kämpfers...

Dunkelheit erhellt sich.

„Hhhhhhhhhhhhhh“.
Atem füllt die brennenden Lungen und mischt sich leise mit dem Gurgeln des Blutes darin.

„Chchchchchchchchchch“.
Und in blutigen Blasen verlässt er die halb geöffneten Lippen.
Mühsam öffnet er die verklebten Augen.
Schemen und Gestalten huschen an ihm vorbei, beachten nicht den am Boden Liegenden. Der Untod flutet das Schlachtfeld und spült die Lebenden hinweg.

„Bummmmmm, Buuummmmm“, pocht das erschrockene Herz, pumpt panisch den Lebenssaft durch die Adern – und aus den Wunden in den Sand des Feldes.

So soll es also enden, denkt der Kämpfer.
Vielleicht hätte er doch auf seinen jüngeren Bruder hören sollen, Birk, den Baumfäller.

„Was willst du in der Spiegelwelt?“, hatte der gefragt. „Lass sie den Verfemten und siedle auf Mythodea. Ehre Terra, indem du dort den Boden bestellst.“
Aber er hatte nicht hören wollen. Terras Avatar hatte ihn in die Spiegelwelt gerufen. Er war dem Ruf gefolgt. Und dort würde sein Leib nun mit dem Sand des Schlachtfeldes verschmelzen.

„Hhhhhhhhhhhhh, Chchchchchchchchch“.

Sein Atem wird flacher. Die Lungen füllen sich mit Blut. Er würde die Seinen nicht wiedersehen.
Josephus, sein Gefährte im Kampf gegen die Verfehmten, würde ihn suchen – aber nicht finden. Seine Schlafstelle im Freien Lagerbund bleibt nun leer. Die Gedanken des Kämpfers weilen eine Weile bei den Lagergefährten. Jedes einzelne Gesicht erscheint vor seinen Augen. Gute Gefährten, treu im Kampf für Terra.

„Bummmmmm, Buuummmmm“, dröhnt sein Herzschlag in den Ohren, während ein warmes Rinnsal daraus nach draußen kriecht.
Sein Geist schwebt weiter zurück, in seine alte Heimat. Zu seinen alten Feldern, zu Haus und Hof. Zu seinen Kindern, die nun dort seine Felder als die ihren bestellen, und mit Terras Segen fruchtbar sein würden. Auch sie wird er nicht wiedersehen.
Aber er hatte ihnen alles gegeben was nötig war, einen eigenen Weg zu finden. Sie brauchten ihn nicht mehr. Nur deshalb hatte er von dort fortgehen können.

„Hhhhhhhhhhh, Chchchchchchch“.
Das Gesicht ihrer Mutter erscheint vor seinem geistigen Auge. Vor Jahren schon war sie in Terras Schoß zurückgekehrt. Nun würde er ihr folgen.

„Bummmmmm, Buuummmmm“.
Vielleicht hätte er noch einige Jahre gehabt, wenn er auf Birk's Rat gehört hätte. Aber was hätte ihn dann erwartet?
Noch war Kraft in seinen Armen gewesen. Und auch wenn sie alt waren, die Verfemten hatten in diesem Feldzug einen hohen Preis dafür gezahlt, bis sie sie letztlich beiseite schieben konnten.

„Hhhhhhhhh, Chchchchchch“.
Nein, es war gut so. Er hatte so viele Dinge gesehen. So viele Freunde und Gefährten gefunden.
Es hätte nicht anders sein sollen. Er würde gehen, bevor seine Arme zu schwach waren um den Respekt seiner Gegner zu erzwingen. Und das war gut so.

„Bummmmmm, Buuummmmm“.
Hoch am Himmel steht die Sonne und brennt in seine offenen Augen, während die Schemen und Gestalten um ihn herum langsam verblassen.
Der Schmerz lässt nun nach, in seinem Rücken, seiner Schulter, in seinem Bauch und in seiner Lunge. Und an seinem Hals.
Ehrloser Untod.
Immer noch fließt ein warmer Strom daraus hervor. Stoßweise, mit jedem Herzschlag. Bis eine große Lache den Sand unter ihm bedeckt. Warm und klebrig.

„Bumm, Bumm, Bumm“, schreckt sein Herz auf. Hektisch versucht es, den fehlenden Lebenssaft
weiter durch die Adern zu treiben. Vergebens.

„Bumm, Bumm, Bumm“.
Alles Schlagen hilft nun nicht mehr.
Die Unruhe greift vom panisch schlagenden Herzen auf den Geist des Kämpfer über.

Angst erfüllt ihn.
„Hhhhhhh, Chchchch“.

Was würde nun kommen?
Was hatte er falsch gemacht?
Würde Terra ihn erwarten?
Seine Vorfahren?
Seine Gefährtin und Mutter seiner Kinder?

„Bumm, Bumm, Bumm“.
Die Lungen füllen sich weiter mit seinem Blut. Und mit jedem Atemzug quillt der klebrige Schaum aus dem Mundwinkel. Aus dem immer kürzer werdenden Atmen wird ein stoßartiges Röcheln.

„Hhh, Chch. Hhh, Chch“.
„Bumm, Bumm, Bumm“.

Ja, er hatte Fehler gemacht. Sicher.
Aber er hatte auch daraus gelernt.
Und versucht, es besser zu machen.
Nein, er musste nicht viel bereuen.

„Hh....“
Seine Lungen versagen. Ersticken im eigenen Blut.

Er hatte ein gutes Leben gehabt.
Er hatte alle seine Kinder aufwachsen sehen.
Und so viele Dinge in der Welt.
Nein, es ist alles gut gewesen.

„Bummmmmm, Buuummmmm“.
Eine tiefe Ruhe ergreift den Kämpfer.
Die Schemen um ihn herum versinken in einem schwarzen Nebel. Nur die Sonne in der Mitte seines Blicks bleibt hell. Warum wird sie kleiner? Ist das - die Sonne - dieses Licht?

„Bummmmmm, Buuummmmm“.
Seine Kinder waren so klein gewesen.
Er sieht sie wieder in der Wiege liegen.
Es sieht das Gesicht seiner Eltern.
Seine kleine Hand in der seines Vaters.
Das Gesicht seiner Mutter, die sich lächelnd über ihn beugt.
Und dann dieses Licht. Ist das - die Sonne?

„Bummm, Buuum“.
Es war Zeit, zu gehen. Platz zu machen in dieser Welt. Platz, der seinen Kindern und der Kinder Kinder zustand. So wie jede Generation Platz machen musste, damit sich das Leben erneuern kann.

„Bu...........“.

Viva Terra.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
endlich

bin ich dazu gekommen, diesen starken text zu lesen. ganz große klasse! ein roman, in dem das vorgegebene tempo durchgehalten wird, würde ein bestseller werden.
lg
 



 
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