Ein bayerisches Kompliment

Anders Tell

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Bayerisches Kompliment

Etwas habe ich mich gespreizt, diese Geschichte zu erzählen, weil persönlich Erlebtes oft wie ein Döneken daherkommt. Ich könnte mich dann selbst überreden, weil ich finde, dass der Gehalt über die Pointe hinausreicht.

Mit meinem Freund Dietmar radelte ich durch Irland. Meist zelteten wir auf Wiesen oder an Gewässern. Die hohe Luftfeuchte zwang uns aber, alle paar Tage eine feste Behausung zu wählen, um die Anziehsachen zu trocknen und einmal nicht vom tropfenden Kondenswasser geweckt zu werden. Diesmal fanden wir ein Youth Hostel.

Der Übernachtungspreis war günstig und entsprechend schlicht war die Ausstattung. Statt Waschräumen gab es eine Art Viehtränke mit Wasserhähnen vor der Tür. Der Gemeinschaftsraum verfügte über Herde, auf denen sich Besucher Mahlzeiten und Getränke zubereiteten. Die üblichen Etagenbetten mit Selbstbauanleitung kennen wohl die meisten aus ihrer Jugendherbergszeit.

Die Gästeschar war international. Australier und Neuseeländer, die in Europa oft ihre Wurzeln erforschen und auch viele Franzosen, die Irland wegen der schwierigen Pässe zum Radeln lieben.
Am Abend saßen wir alle im Gemeinschaftsraum zusammen. Tranken und erzählten etwas. Besonders mitteilsam waren zwei Jungen aus Bayern. Der eine war stämmig und kernig, fast das Klischee eines Bayern und der andere schlank und mit dunklem Teint.

Den Stämmigen nenne ich Xaver und den Zarten Hannes. Hannes hatte sich ein Fußgelenk geprellt und humpelte etwas. Er berichtete von einer Herberge in sechzig Kilometer Entfernung, in der sechzig Mädchen unterkommen können. Xaver fragte: „Was ist denn mit Deinen Haxen?“
Hannes: „Nee, iss schon wieder gut. Denk’ Mal sechzig Mädchen.”
Xaver: „Ja Mal ganz langsam, da muss du erstmal den Ausschuss abziehen."
Jetzt berichtete Xaver.von einem Erlebnis in einem vorhergehenden Hostel. Er hatte komplett in sein Idiom umgeschaltet und ich verstand kein Wort mehr. Zum Glück war mein Reisegefährte auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen und konnte mir das Niederbayerische übersetzen. Es ging um einen japanischen Jungen, der beim Duschen akrobatische Verrenkungen aufgestellt hatte, um seine Blöße nicht zeigen zu müssen. “Da hatter sei Kruscht umeinand gefieselt.”
Phonetisch unbedingt ein Erlebnis. Eben schwer zu transkribieren.
Als wir uns für die Nacht verabschiedeten, sagte Xaver zu mir: „Du Anders - bista netter Kerl, kanns ja nix dafür, dass nur a Preiss bist.”
Es berührte mich angenehm und ich dachte, ich kann auch nix dafür, dass ich euch Seppeln trotzdem mag.
 



 
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