Ein Fall für zwei

Shallow

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Es war mein zweiter Einsatz mit Kommissar Hartmann und für ihn einer der letzten vor seinem Ruhestand. Ich sollte sein Nachfolger werden und konnte es damals kaum erwarten. Nicht weil es schwierig mit ihm gewesen wäre, nein, er war umgänglich und nett, wollte seine Erfahrung weitergeben. Ein Vorgesetzter, der es nicht raushängen ließ. Zumindest meistens nicht. Aber ich bin lieber selber Chef.
Ich fuhr mit Hartmann zu der Villa, die uns von der Dienststelle genannt wurde, und parkte den Wagen vor der Einfahrt. Auf unser Klingeln reagierte niemand, wir gingen hinten herum durch den Garten. Eine Buchenhecke begrenzte den größten Teil des Grundstücks, an den Seiten standen Sträucher und kleinere Bäume. Der Rasen war so grün wie ein Frosch im Sommerregen, aber nicht frisch gemäht. Einzelne Halme wagten sich in die Höhe, ein paar Margeriten versuchten ihr Glück. Zwei Strandtücher auf den Wäscheleinen bewegten sich träge im Wind. Fliegen umschwirrten einen Obstkorb auf dem Mosaiktisch neben der Liege, eine Wespe gesellte sich dazu.
Ich bemerkte die heruntergelassenen Rollläden im ersten Stock, der Wohnbereich im Erdgeschoss war durch die großen Fenster sonnendurchflutet. Alarmierend war die Verandatür: Sie stand offen. Merken Sie sich jede Kleinigkeit, das ist wichtig, sagte der Chef immer. Ich registrierte alles.
Vorsichtig betraten wir den Raum. Ich wäre mit gezogener Waffe vorgegangen, aber Hartmann tat nichts dergleichen, also ließ ich es auch. Ein langer Holztisch mit acht Stühlen stand vor einer Küchenzeile, einer von ihnen umgekippt auf dem Boden. Davor lag der Körper eines Mannes, die Augen aufgerissen, der Mund offen. Kein schöner Anblick. Er lag auf der Seite, ein Arm verdreht, neben dem Kopf ein dunkler Fleck, tellergroß, bereits eingetrocknet im Parkett. Fliegen krabbelten auf seinem Gesicht, legten vermutlich ihre Eier ab. An der Wand hingen Gemälde über einem halbhohen Regal mit Büchern und Vasen. Hartmann ging zum Bücherregal, ich starrte auf den leblosen Körper.
„Der ist schon länger tot, oder was denken Sie?“, fragte ich und versuchte die Leiche mit dem Fuß auf den Rücken zu drehen. Eine Packung Zigaretten fiel aus ihrer Hosentasche, Fliegen stiegen in einem Schwarm auf.
Hartmann nickte, zog ein Buch heraus und blätterte durch die Seiten.
„So, so!“
Die Bemerkung stand wie ein Elefant im Raum.
„Haben Sie etwas entdeckt?“, fragte ich.
Hartmann streichelte über das Buch und schob es zurück ins Regal.
„Möglich, dass es da einen Zusammenhang gibt“, sagte er. „Der Tote war vermutlich kein Veganer!“
Ich war neugierig geworden.
„Was für ein Buch haben Sie da gefunden?“
„Ein Bildband über das Currywurstmuseum am Checkpoint, mein Lieber. Ob mit oder ohne Darm wissen wir zwar noch nicht, aber das Essen von Tieren löst bei einigen Subjekten extreme Gefühle hervor, die sind dann zu allem fähig. Meine Frau zum Beispiel ist abgehauen, weil ich ein Schnitzel gegessen habe.“
„Es ist erschreckend, wozu der Mensch fähig ist“, pflichtete ich ihm bei. „Aber das Currywurstmuseum hat zugemacht, schon 2018.“
Hartmann schüttelte entsetzt den Kopf.
„Was ist bloß los in dieser Stadt?“
„Ich habe aber einen anderen Verdacht.“
„Der wäre?“
„Ist Ihnen aufgefallen, dass der Rasen nicht gemäht worden ist?“
Hartmann sah mich erwartungsvoll an.
„Ja, und?“
Ich ließ ihn noch ein bisschen zappeln, bevor ich fortfuhr.
„Alles ist aufgeräumt und ordentlich. Geradezu pingelig, wenn ich das mit meiner Wohnung vergleiche. Der Rasen aber nicht. Das lässt nur einen Schluss zu: Es war der Gärtner!“
Hartmann runzelte die Stirn und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Er wirkte nachdenklich und in sich gekehrt. Er ging auf die Terrasse hinaus. Ich folgte ihm und bot ihm eine Zigarette an. Hartmann nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch in den klaren blauen Himmel. Die Strandtücher hingen wie schlaffe Säcke an den Wäscheleinen, kein Windzug ging mehr. Es war unerträglich heiß.
„Sie lernen schnell“, sagte er.
Ich nickte zufrieden.
„Der Verdacht kam mir gleich, als ich den Garten gesehen hatte. Jemand hätte das Gras mähen müssen, aber er tat es nicht. Aus gutem Grund, wie wir jetzt wissen.“
„Und was ist mit dem Obstkorb und den Fliegen hier?“ Hartmann zeigte auf den Mosaiktisch neben der Liege.
„Ist nicht relevant“, sagte ich und aschte in einen Blumenkübel. Ich war ziemlich stolz auf die Verwendung des Begriffes. Relevant klingt verdammt professionell.
„Es hängen hier zwei Strandtücher auf den Leinen. Haben Sie die bemerkt?“
Ich nickte.
„Selbstverständlich. Das eine wurde vom Opfer benutzt, vor dem Mord natürlich. Nachdem der Gärtner seine abscheuliche Tat vollendet hatte, nahm dieser sich ein frisches Tuch und sprang in den Pool, um das ganze Blut abzuwaschen. Vielleicht wollte er auch nur ein bisschen abkühlen bei dieser Hitze. So ein Mord ist ja auch anstrengend.“
„Ziemlich abgebrühter Typ, der Gärtner“, sagte Hartmann, inhalierte und blickte auf die Zigarette in seiner Hand.
„Was rauchen wir hier eigentlich?“
„Lucky Strike“, sagte ich. „Gehörten dem Toten, waren in seiner Tasche, ich war so frei. Wusste gar nicht, dass es die Marke noch gibt.“
„Ob im oberen Stockwerk noch mehr sind?“ fragte er.
„Zigaretten, meinen Sie?“
Hartmann schüttelte den Kopf.
„Nein, Leichen natürlich.“
Ich drückte die Kippe in den Blumenkübel.
„Gärtner sind keine Serienkiller. Die sind immer allein in der frischen Luft, haben wenig soziale Kontakte außer zu Pflanzen und morden immer nur Einzelne. Das Thema hatten wir auf der Polizeiakademie.“
Hartmann klopfte mir auf die Schulter.
„Sehr gut, ich bin froh, dass Sie mein Nachfolger werden, mein Lieber. Die anfänglichen Zweifel waren völlig unbegründet. Sie sind jung, kompetent und schnell in der Auffassungsgabe. Vielleicht sollten Sie ihre Wohnung öfter mal aufräumen, aber ansonsten wird mein Bericht über Sie positiv ausfallen. Und nun fahren Sie bitte den Wagen vor!“
„Steht doch in der Einfahrt!“
„Richtig“, sagte Hartmann.
Ganz dicht war der Typ nicht, wurde höchste Zeit, dass der in Rente ging.
 
Zuletzt bearbeitet:

jon

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Abgesehen davon, dass die Dialoge leseunfreundlich falsch gestaltet sind (Absatz bei Rednerwechsel, nicht bei jeder neu einsetzenden Rede), war es recht süffig zu lesen. Ich verstehe die Story aber nicht. Okay, der Ich-Erzähler ist deutlich zu flapsig in seinen Urteilen, aber weder erkenne ich, was Hartmann für einer ist, noch, was mit dem Wohnungsaufräumen gemeint ist (bzw. was der Leser daraus schließen soll), noch, wieso der Ich-Erzähler ihn für nicht dicht hält. Oder kurz gesagt: Was willst du eigentlich zeigen/erzählen?
 

Shallow

Mitglied
Hallo @jon,

erstmal danke fürs Lesen! Mit den leseunfreundlichen Absätzen prüfe ich die nächsten Tage, ist mir nicht aufgefallen.

aber weder erkenne ich, was Hartmann für einer ist, noch, was mit dem Wohnungsaufräumen gemeint ist (bzw. was der Leser daraus schließen soll), noch, wieso der Ich-Erzähler ihn für nicht dicht hält.

Das Wohnungsaufräumen bezieht sich auf einen Satz des Ich-Erzählers vorher:

„Alles ist aufgeräumt und ordentlich. Geradezu pingelig, wenn ich das mit meiner Wohnung vergleiche. Der Rasen aber nicht. Das lässt nur einen Schluss zu: Es war der Gärtner!“

Steht im Text, geht aber vielleicht etwas unter, der Zusammenhang müsste vielleicht deutlicher gemacht werden.

Warum der Ich-Erzähler ihn nicht für ganz dicht hält? Weil er den Wagen vorfahren soll, der aber doch vor der Einfahrt steht. Das sollte darüberhinaus eine Andeutung auf eine bekannte Krimi-Serie sein.

Wenn du den Ich-Erzähler als deutlich zu flapsig in seinen Urteilen findest, habe ich möglicherweise nicht das erreicht, was ich wollte. Humor ist sowieso ein
Gebiet auf dünnem Eis, da hat jeder ein anderes Empfinden.

Hartmann wollte ich nicht weiter charaktisieren, er fungiert nur als Schablone des Kommissars, der in Rente geht. Auf dessen Rücken wollte ich ein paar skurrile, im besten Fall ganz witzige Dialoge führen

„Was rauchen wir hier eigentlich?“
„Lucky Strike“, sagte ich. „Gehörten dem Toten, waren in seiner Tasche, ich war so frei. Wusste gar nicht, dass es die Marke noch gibt.“
„Ob im oberen Stockwerk noch mehr sind?“ fragte er.
„Zigaretten, meinen Sie?“
Hartmann schüttelte den Kopf.
„Nein, Leichen natürlich.“

Muss man nicht lustig finden. Dir danke ich für deine Hinweise,

schönen Gruß

Shallow
 

jon

Mitglied
Ah, stimmt. Da steht das mit der Wohnung. Mein Fehler, sorry.

Die Dialoge haben durchaus einen gewissen Witz, es ist halt nur so, dass sie noch lustiger wären, wenn man die Typen dazu "sehen" würde (*). Oder/Und die ganze Situation skurriler wäre.
* … was durch die gewählte Perspektive mit dem Ich-Erzähler allerdings nicht so einfach zu realisieren wäre. Immerhin könnte der Alte mehr Reaktion zeigen, der Ich-Erzähler kennt ihn ja nicht sooo genau, er kann die Reaktionen (Blicke etc.) noch wahrnehmen (mit der Zeit gewöhnt man sich ja, da nimmt man Eigenheiten kaum noch zur Kenntnis).

PS: Falls du nochmal an den Text rangehst: Die Begründung, warum das der Gärtner ist, ist nicht logisch. Ja, das Gras ist nicht mehr "englisch kurz", aber das müsste schon ein, zwei Wochen so stehen (die Blumen sogar deutlich länger) - und so lange liegt der Tote noch nicht dort (Verwesungszustand).
 

Shallow

Mitglied
Hallo @jon,


Falls du nochmal an den Text rangehst: Die Begründung, warum das der Gärtner ist, ist nicht logisch.

Ja, ist komplett unlogisch. War aber so gewollt. Das Buch über das Currywurstmuseum sollte auch in diese Kategorie gehören. Vielleicht kommen die skurrilen Seiten des Textes nicht richtig rüber, ich schau mir das noch einmal an.

Schönen Start in den Tag wünscht

Shallow
 

Tonmaler

Mitglied
Hi, ich hab mich mit deinem Text gut unterhalten gefühlt. Den Chef könnte man noch plastischer gestalten, ansonsten macht es aber Spaß, den beiden ... naja Trotteln beim Versagen zuzusehen.

Auf Rechtschreib- und Formatierungssachen geh ich nicht ein, aber hier ein paar Anmerkungen.

Der Rasen war so grün wie ein Frosch im Sommerregen, aber nicht frisch gemäht. Einzelne Halme wagten sich in die Höhe, ein paar Margeriten versuchten ihr Glück
Das sagt ja die Figur, nicht irgendein Erzähler; die Ausdrucksweise ist schon sehr kreativ, die trau ich einem Polizisten, zumal in der Situation, nicht zu. Sollte das ein Spleen der Figur sein, müsste sie sich auch an anderen Stellen so ... poetisch ausdrücken. Hier klingt es seltsam

„Der ist schon länger tot, oder was denken Sie?“, fragte ich und versuchte die Leiche mit dem Fuß auf den Rücken zu drehen.
Krass, das darf man natürlich auf keinen Fall tun, bevor die Spurensicherung da war. Das ist Trottelhausen, und hier liegen noch weitere Humormöglichkeiten. Die beiden unterhalten sich wie Profis und verhalten sich wie Deppen.

Meine Frau zum Beispiel ist abgehauen, weil ich ein Schnitzel gegessen habe
.
Das ist lustig, schön. Es zeugt von Scharfsinn und differenzierter Betrachtungsweise ... :)

„Alles ist aufgeräumt und ordentlich. Geradezu pingelig, wenn ich das mit meiner Wohnung vergleiche. Der Rasen aber nicht. Das lässt nur einen Schluss zu: Es war der Gärtner!“
Auch das. Noch schöner ist, das der andere ihn dafür lobt:
„Sie lernen schnell“, sagte er.
Vielleicht sollte das sogar schneller kommen im Text.

„Der Verdacht kam mir gleich, als ich den Garten gesehen hatte. Jemand hätte das Gras mähen müssen, aber er tat es nicht. Aus gutem Grund, wie wir jetzt wissen.“
Schön!

„Zigaretten, meinen Sie?“
Hartmann schüttelte den Kopf.
„Nein, Leichen natürlich.“
Das 'natürlich könnte weg, schwächt den Satz.

Ganz dicht war der Typ nicht
Hm, dieses 'gamz dicht' gefällt mir auch nicht. Vlt so was wie 'fit in der Birne ist der auf keinen Fall mehr' ...

Gruß
tm
 

Shallow

Mitglied
Hallo @Tonmaler,


herzlichen Dank für deine Zeit!

ansonsten macht es aber Spaß, den beiden ... naja Trotteln beim Versagen zuzusehen.

Ja, das war die Intention, zwei Trottel beim Versagen, sehr schön ausgedrückt.

Der Rasen war so grün wie ein Frosch im Sommerregen ...

Das sagt ja die Figur, nicht irgendein Erzähler; die Ausdrucksweise ist schon sehr kreativ, die trau ich einem Polizisten, zumal in der Situation, nicht zu. Sollte das ein Spleen der Figur sein, müsste sie sich auch an anderen Stellen so ... poetisch ausdrücken. Hier klingt es seltsam


Du hast völlig recht, es ist aus der Erzählperspekive des Nachfolgers, ob der so poetisch denkt, ist tatsächlich die Frage. Ich werde das ändern, danke für den Hinweis.

Ansonsten hat mich deine positive Einschätzung sehr gefreut, dir einen schönen Sonntag wünscht


Shallow
 

Bo-ehd

Mitglied
Hallo Shallow
So ganz geglückt finde ich den Text nicht. Die Personen sind zu blass: Der Kommissar wird zur Nebenfigur degradiert, obwohl ohne ihn nichts mehr von der Story übrig bleibt. Und wer ist überhaupt ICH? Der Leser lernt die Figuren nicht kennen, und deshalb bleiben die Dialoge auch totenblass. Sie sind nicht zielgerichtet und deshalb nur smallest talk. Und da sind auch noch ein paar Ungereimtheiten wie der Verdacht auf den Gärtner. Von dem erfährt der Leser überhaupt nichts. Könnte ja gekündigt, nach Hause geschickt, an einem Unfall beteiligt, im Urlaub oder sonstwas sein.
Und was ich überhaupt nicht sehe, ist der Humor.
Tut mir leid
Gruß bo-ehd
 



 
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