Ein fremder Recke (Sonett)

Javrimir

Mitglied
Ein fremder Recke betrat die Taverne
Trotz vieler Blicke bestellt er ein Bier
Kam er von hier? Vielleicht aus der Ferne?
Was gefällt ihm an diesem Revier?

Ein verängstigter Bauer stürmte die Bar
Man vernahm erstarrend bis in jede Ecke;
"Monster! Lauft ihr Narren, es ist wahr!"
Der Recke verließ galant die Schenke

Mit dem Bier in der Hand, ging er zur Tür
Das Ungeheuer; verwundert, verletzt
"Da bist du, Junge! Mein kleiner Drache."

Er umarmte das aus Angst frierende Tier
Ein Getreuer; verwundet, entsetzt
Fluchend zischte die Zunge nach Rache



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ursprüngliche Version:

Ein fremder Recke betrat die Taverne
Trotz vieler Blicke, bestellt er ein Bier
Kam dieser von hier oder aus der Ferne?
Was gefällt ihm an diesem Revier?

Ein verängstigter Bauer stürmte die Bar
Man höhrte erstarrend bis in jede Ecke;
"Monster! Lauft ihr Narren, es ist wahr!"
Der Recke verließ galant die Schenke

Mit dem Bier in der Hand, ging er zur Tür
Das Ungeheuer; verwundert und verletzt
"Da bist du, Junge! Mein kleiner Drache."

Er umarmte das aus Angst frierende Tier
Ein Getreuer; verwundet und entsetzt
Fluchend zischte die Zunge nach Rache
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

James Blond

Mitglied
Eine Ballade ist für die Sonettform ungeeignet, denn dafür reichen 14 Zeilen kaum aus.

So ist auch hier die Geschichte bereits zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat, es bleibt ein Fragment.

Das holprige Metrum bei nur 4 Hebungen, die vielen Tempusfehler und orthografischen Schwächen unterstreichen noch den äußerst flüchtigen Charakter dieses Textes.

Werde wesentlich standhafter, fremder Recke, bevor du es mit dem lyrischen Sonettdrachen aufzunehmen gedenkst!

Grüße
JB
 

Javrimir

Mitglied
Im Endeffekt lässt sich jede Geschichte weiterspinnen. Ob in die Zukunft oder Vergangenheit.

Meine spontane Intention bestand darin, stereotypische Heldensagen in eine andere Richtung zu lenken.

Wo beginnt des Autoren Story? Inwieweit darf der Leser die Geschichte gedanklich weiter erzählen?

Ist wohl letztenendes Geschmackssache.

Ich danke dir vorallem aufgrund der formellen Kritik, die ich zu beherzigen versuchen werde.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Geschmackssachen sind den Köchen nicht wirklich lieb.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Javrimir,

herzlich willkommen in der Leselupe.
Du hast sicher schon bemerkt, dass es auch ein Diskussionsforum ist.

Ich habe oben Deine überarbeitete Version eingetragen, da man nur beschränkte Zeit selbst etwas ändern kann.
Die ursprüngliche Version habe ich gelassen, weil es schon Antworten dazu gab.
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Das Sonett ist ein etwas ungewöhnliches Sonett. Rhythmisch hat es Eigenheiten, insbesondere die ursprüngliche Version hat hierbei probleme, die in der neuen Version geglättet wurden. Es bleibt aber bei teilweise wechselnder Rhythmik.

Das Sonett stellt eine Handlung dar, es ist narrativ gestaltet, nicht lediglich eine Betrachtung.

Es ist natürlich kein klassisches Sonett.

Mich hat es ein wenig an Welimir Chlebnikow erinnert, den ich Dir sehr empfehle, der gegen fast alles verstieß, insbesondere gegen den sozialistischen Realismus, gegen klassische Wortwahl und gegen einige Traditionen, und dabei seine eigene Kunst schuf.
Vergleiche hinken aber immer.

Das Sonett hat nicht die klassische Versstruktur und nicht die klassische Reimstruktur. Man muss es sehr genau sprechen, damit es "wohlklingend" wird. Das kann auch mit regionalem Akzent geschehen.

Geschwindigkeit und Klang sind vielfältig.


Viele Grüße von Bernd
 

Walther

Mitglied
Hi Bernd,
das mit dem metrum ist ein ticken besser geworden, aber nur ein ganz klein wenig. und sonett ist das nicht, vielleicht nett. oder so lala. aber nicht in feste formen.
lg W.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Walther,

ich habe mich sehr mit Sonetten beschäftigt. Da gibt es die unterschiedlichsten Formen. Eines der wesentlichen Merkmale heute sind 14 Verse, aber selbst das war nicht immer so.

Ich beachte dabei auch Intention und Stand des Dichters.
Dabei weiß ich sehr gut, dass Du die Sonettform sehr streng verwendest, Darin sehe ich kein Problem.

Letztlich müssen die Sonette in sich konsistent sein.

Vom Format her sind Limericks strenger als Sonette, wobei es aber auch sehr strenge Sonettformen gibt, die inhaltlich und formal festgelegt sind, wie Petrarca-Sonette. Das wird aber bereits in Übersetzungen verändert.

Javrimir hat ja das Sonett überarbeitet, sodass direkte Fehler weg sind, wie Typos und Tonbeugung.

Ich freue mich auf weitere Werke von ihm.
Ich bin sicher, es wird eine Weiterentwicklung geben.
 

Walther

Mitglied
Lieber dichterkollege Javrimir,
zuerst mein willkommen. da es nicht ok ist, über dein werk an dir vorbei zu diskutieren, ein bemerkungen von mir.
das sonett ist die königsdisziplin der formlyrik. es ist besser, wenn man vorher dinge wie metrum, sprachfluß etc. eingeübt hat. das kann man lernen. ich gehöre zu den vielen beispielen, bei denen man gewisse fortschritte erkennen kann. dazu sollte man vor allem gute lyrik lesen und sie nachbauen, damit man versteht, die, die es können, es machen.
wie du erkennst, bin ich nicht Bernds meinung, daß man deinen text als sonett durchgehen lassen kann. kann man nicht, und wenn du dich mit im www verfügbaren quellen beschäftigst, wird dir selbst klar warum. zum guten handwerk gehört, daß man, bevor über den standard der form hinaus sich vorwagt, diese erstmal drauf haben muß, da ist der weg aber noch weit.
du schaffst das, wenn du dranbleibst und dich nicht entmutigen läßt. glückauf auf diesem weg.
lg W.
 

Javrimir

Mitglied
Cool, schon mal einiges an Input!
Ich danke euch allen für eure teils sehr konstruktiven Kritiken.
Ich bemühe mich Formalitäten bei festen Formen einzuhalten, so dass es nicht einmal Gesprächsbedarf zwischen Meisterköchen zur Folge hat.
Versuche mich am besten erstmal an Gedichten ohne feste Regeln.
 

Walther

Mitglied
Cool, schon mal einiges an Input!
Ich danke euch allen für eure teils sehr konstruktiven Kritiken.
Ich bemühe mich Formalitäten bei festen Formen einzuhalten, so dass es nicht einmal Gesprächsbedarf zwischen Meisterköchen zur Folge hat.
Versuche mich am besten erstmal an Gedichten ohne feste Regeln.
Hi Javrimir,
aus deinen worten entnehme ich die durchaus irrige ansicht, vers libre poeme seien weniger schwer herzustellen. weit gefehlt. formlyrik ist einfach, weil sie dem schreibenden die arbeit, eine poetische form entlang seines textes zu schaffen, freundlicherweise abnimmt. der, der freie verse schreibt, muß das für seinen text mitliefern. gedichte sind gesprochene lieder. sie bedürfen des versmaßes und des stimmigen klangbildes zum thema.
einfach mal ein gedicht der großen lyrikerin rose ausländer untersuchen. dann weißt du sehr schnell, was ich sagen möchte.
aber laß dich nicht entmutigen, aber dessen gewiß, daß es weder den einfachen noch den geraden weg zum guten gedicht gibt. er ist immer mühevoll. aber er lohnt sich am ende fast immer.
lg W.
 
Zuletzt bearbeitet:

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
. formlyrik ist einfach, weil sie dem schreibenden die arbeit, eine poetische form entlang seines textes zu schaffen, freundlicherweise abnimmt. der, der freie verse schreibt, muß das für seinen text mitliefern. gedichte sind gesprochene lieder. sie bedürfen des versmaßes und des stimmigen klangbildes zum thema.
Ich stimme Walther hier völlig zu.
Auch bei den meisten anderen Teilen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Zunächst einmal ist das gewissermaßen der Paragraph Eins eines Fürallehandbuchs der Lyrik, was Walther hier geschrieben hat. Man kann es gar nicht oft genug wiederholen. Leider schauen die Ungereimten hier nicht rein, denn sie hassen die festen Formen fast noch mehr als die gereimten Verse. Es ist so wie bei den Lyrikwettbewerben: Gereimtes landet im Papierkorb, Sonette werden verspottet (so ging es mir vor sieben Jahren bei dem Geest-Verlag), Ghaselen werden nicht einmal von den Rittern der Festen Formen hier in der Leselupe wahrgenommen oder gar kommentiert (außer gelegentlich von Bernd). Also noch einmal die Gesetzestafel:

aus deinen worten entnehme ich die durchaus irrige ansicht, vers libre poeme seien weniger schwer herzustellen. weit gefehlt. formlyrik ist einfach, weil sie dem schreibenden die arbeit, eine poetische form entlang seines textes zu schaffen, freundlicherweise abnimmt. der, der freie verse schreibt, muß das für seinen text mitliefern. gedichte sind gesprochene lieder. sie bedürfen des versmaßes und des stimmigen klangbildes zum thema.

Aber dann - dem Folgenden wage ich zu widersprechen:

einfach mal ein gedicht der großen lyrikerin rose ausländer untersuchen. dann weißt du sehr schnell, was ich sagen möchte.


Das klingt weise, weil Rose Ausländer eine bedeutende Dichterin war. Und es gehört sich nicht, gegen Denkmäler zu pinkeln.
Bedenklich ist aber, daß vor Kurzem erst so ein Denkmal für die große Dichterin hier im Ungereimten aufgebaut worden ist, nun ja, warum auch nicht, alle legten ihre Blumen dort ab (es war ja nicht im Gereimten versteckt), - nur stammte die Eloge dort von einer Genossin, die vor wenigen Wochen Rilke als Faschisten und Celan als Geisteskranken gewürdigt hatte. Daß dieselbe Genossin meine dekonstruktiven Sprachspiele lakonisch als "Dreck" abgetan hat, tut hierbei nichts zur Sache.


Oder doch: Denn ich widerspreche dem Prinzip, das Walther hier aufstellt: Man müsse gewissermaßen bei den erfahrenen Bessermachern in die Lehre gehen. Ja, klingt weise, ist aber bedenklich.
Ich erinnere kurz daran, daß Picasso und Braque, als sie vor dem Ersten Weltkrieg die Avantgarde neu aufmischten, zum Vorbild vieler erstrangiger Künstler wurden, die sich Kubisten nannten, und was geschah dann? Picasso haute die Jünger in die Tonne und erfand sich neu. Nun ja, in der Lyrik ist das scheinbar anders. Den Grad von Abstraktion, den die Maler schon vor dem Ersten Weltkrieg erreichten, hat vielleicht nur James Joyce im Finnegans Wake berührt.
Natürlich gibt es einen Heiligen, dessen Säule nicht so weit von Rose Ausländers Säule entfernt steht, das ist Paul Celan.
Aber soll man den nachahmen?

Nein, das hielte ich für falsch. Die Wettbewerbsjuroren und die Lektoren der Verlage nehmen ihn zum Maßstab, deshalb landen unsere Festen Formen in der Tonne, sie gelten als anachronistisch.
Die gewaltigen Dichtungswogen, die uns Wasserglaslesern über die Köpfe schwappen, sind die Haufenreime der Rapper und Poetrieschlammer. Vor denen wir nicht bestehen, und die lakonisch-kurz angebundenen Unreimer schon gar nicht.

aber laß dich nicht entmutigen, aber dessen gewiß, daß es weder den einfachen noch den geraden weg zum guten gedicht gibt. er ist immer mühevoll. aber er lohnt sich am ende fast immer.

Das unterschreibe ich nicht. Gedichte machen in meiner Erfahrung immer dann Mühe, wenn etwas in ihnen nicht stimmt. Die besten fließen per Inspiration aus der Feder, mehr oder weniger überarbeitet, aber mit französischer Leichtigkeit, oder mit irisch-englischer Frechheit. Jazz besiegt akademische Komponistenmeisterklassen, der Übergang von der letzten Strophe zum endlosen Refrain in Jey Jude bildet den orgasmischen Umschlag in Bernd Alois Zimmermanns "Requiem für einen jungen Dichter".

Und es lohnt sich am Ende nichts und nimmer. Außer im Selbstverständnis des Dichters mit seiner Muse, was der weise Walther im letzten "zugetextet"-Heft (sit venia verbo) "Onanie" genannt hat. Witzig. Überaus. Fand ich gut.

Nein, ahme niemanden und nichts nach, treibs mit der Sprache.

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 21263

Gast
(Zur Ergänzung: Ich habe am 9.April dem banalen Kitschtext dieser blackout das Gedicht Rose A. gegenübergestellt. Von den Herrschaften hier in der Reimabteilung hat das auch keiner gelesen. In diesem Forum ist aber dieser Hinweis nichts anderes als ebenso banal.)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:



 
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