Ein Grabstein mit Riss (Formgedicht)

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied

mit den Drohnen kommen
Herzen aus Feuer daher
und brennen Formen neu
diese Erneuerung macht
Trümmer aus Blumensaat
und streut sie in Wind
Flammen starren zu Eis
die Blüte wird Denkmal
ein Junikäfer krabbelt
zu Beton härten Krümel
eine rauschende Stille
Frieden auf Friedhöfen
heute fehlt Anna Blume
und unser Kaspar fehlt
Sonnenblumenöl kriecht
Anjuschka weint stille
was man halt nur denkt

ein Grabstein mit Riss
 

sufnus

Mitglied
Hey Bernd,
diese Stelen-artige Darbietung eines Textes im schmalen Blocksatz war vor einigen Jahren ein Erkennungszeichen der Gedichte von Özlem Özgül Dündar - ich weiß nicht, ob sie das immer noch so praktiziert, aber in älteren Jahrbüchern konnte man ihre Gedichte immer schon an der äußeren Form erkennen. :)
(natürlich will ich damit Dündar nicht zur Erfinderin des Blocksatzes küren, das wäre ein etwas kühner Beitrag meinerseits zur Geschichte der Typographie)
Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass mir komischerweise außer ihr kaum jemand untergekommen ist, der moderne Gedichte in einer solchen Form präsentiert hat. Und jetzt kommst Du. :)
Was aber, wenn ich mal beim Formalen bleibe, noch viel wichtiger ist: Dein Einfall mit dem Riss quer durch den Grabstein, der nach der vorletzten Zeile gesetzt wurde (oder ist dieser Querriss die vorletzte Zeile?). Der statische Effekt dieses optischen Effekts ist ziemlich unvermeidlich: Der Grabstein wird umfallen, die Erinnerung wird ausgelöscht. Oder ist vielleicht gar niemand mehr da, der sich erinnern kann?
LG!
S.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Tatsächlich ist es stelenhaft. In Englisch auch, aber in Russisch habe ich es anders gestaltet, (vor Allem, weil ich dort nicht genügend Kenntnisse habe, um alle Probleme zu lösen, aber so kommt ein zusätzlicher Riss hinein. Ich stelle das mal in Fremdsprachliches.

PS: In den 1980ern brachte ich Gedichte in quadratische Form (Lyrik im Quadrat), um die Verhärtung auszudrücken.
 
Zuletzt bearbeitet:

Tula

Mitglied
Moin
Zur Form: Ich selbst habe nur recht selten etwas von der zitierten Autorin gelesen und den Blocksatz schon des öfteren verwendet, auch in meiner Blume im Exil. Der Spaß dabei sind kleine Deutungsöffnungen und -Wendungen in den Zeilenbrüchen. Der große Nachteil allerdings, dass sich mit Änderung der Schriftart und/oder -größe (z B. in Vorbereitung auf einen Druck) die Länge einer Verszeile ändert und der Blocksatzeffekt optisch schnell verlorengeht bzw. nur schwer aufrechtzuerhalten ist.

So gefällt mir hier rein optisch die Idee des Grabsteins. Imhaltlich hätte ich mir es aber direkter bzw. schlichter gewünscht. Der Ausflug zu Anna Blume und Kaspar zum Beispiel will zumindest bei mir nicht so recht ins Bild passen und beides nicht so recht zusammen. Aber gut, ein Grabstein steht für ein stilles Gedenken und die leider üblichen Tränen.

LG Tula
 



 
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