Ein innovatives Begräbnis

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yza

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Ein innovatives Begräbnis
"Glück währt nicht ewig"


Der Tod ist kein Freund von mir. Ich mag ihn nicht.

Mein Leben war einst ungetrübt und glücklich. Ich kam ohne Sorgen auf die Welt. Mein Vater war reich und es mangelte unserer Familie an nichts. Wenn ich mich so recht zurück erinnere, gab es nur glückliche Erlebnisse in meinem Leben. Meine Familie hatte es verstanden, mich gut von den Problemen dieser Welt abzuschirmen.

In meinen frühen Kindertagen lebte ich in unserer Villa am Chichicuahuaca See. Mit 13 kam ich nach Florida ins Internat, welches nicht minder luxuriös als mein Zuhause war. Ich war strebsam und brav, insofern gab es auch keine schulischen Probleme. Der Erfolg schien mir vorherbestimmt. Selbst in der Liebe hatte ich Glück, denn als ich mit 17 Jahren Eloise kennenlernte, wurde ich nicht selten, ihrer Schönheit und Anmut wegen, von meinen Freunden und den Bekannten unseres Hauses beneidet. Aber nicht nur ihre exotische Schönheit war ein Glück, sondern Eloise liebte mich vom ersten Tag an, wie ich sie. Wir waren das Paradebeispiel einer jungen amerikanischen Ehe, so wie wir uns liebten, miteinander lebten und eine neue Familie gründeten, aus der insgesamt 6 Kinder hervorgingen.

Trotz all meiner ungetrübten Glückseligkeit war ich nicht völlig weltfremd. Ich las Zeitung, glotzte TV und war auch beruflich der Realität ausgesetzt, so dass es kein Leid gab, welches ich nicht, zumindest als Betrachter, miterleben konnte. Mich befiel Trauer, wenn ich die Kriege sah, mir kamen die Tränen bei den Opfern von Katastrophen, aber alles war weit, weit weg von mir.

Der Tod begegnete mir das erste Mal als Junge mit 11 Jahren. Ich weiß noch, wie ich draußen vor unserem Haus über die riesige Wiese zu Opa rannte, der in seinem Rollstuhl am Ufer saß und über den See blickte. Ich liebte meinen Großvater und ich wunderte mich, als er sich nicht regte, wo ich doch schon lebhaft rief: "Opa, Opa!"

Wie gewohnt, nahm ich ihn sofort stürmisch in den Arm. Er fiel jedoch nach vorne und purzelte leblos aus seinem Rollstuhl. Ich stand da und sah auf ihn herab, ohne zu verstehen, was dies zu bedeuten hatte. Ich glaube, es vergingen Minuten, bis ich mich zu ihm kniete und ihn wach zu rütteln versuchte. Ich konnte keine Regung an ihm erkennen. Er war tot. Dies war gleichzeitig der erste Moment in meinem Leben, in dem ich mich mit dem Tod auseinandersetzen musste.

Noch am gleichen Abend lernte ich zu begreifen, was Opas Tod für mich bedeuten würde. Opa fehlte am Tisch. Gerade in den Augenblicken der alltäglichen familiären Zusammenkünfte fehlte Opa nun wirklich. Der, der kaum noch etwas verstand, aber um so lauter mitredete, blieb nun stumm. Er versuchte immer witzig zu sein, aber auch weise. Der Tod hatte ihn abgeholt und schon am gleichen Abend redete die Familie darüber, wie er zu beerdigen wäre.

Mutter weinte um ihren Vater. Mein Vater und alle anderen Familienangehörige hatten sofort Ideen, wie man sein Grab gestalten sollte und zählten schon im Geiste, wie oft sie dieses auch pflegen müssten. Vordergründig schienen sie einig darüber, dass es an den Glanz seines Lebens erinnern muss und nie verwelkte Blumen auf ihm stehen dürften. Opa wurde von allen geliebt.

Nur wenige Tage später redete man auch darüber, wie man sein Erbe am besten aufteilen könnte und die Gespräche um das Grab wurden seltener. Nur Mutter schien es sehr wichtig, ihm die bestmögliche Ruhe zu gewähren. Ihre Geschwister hingegen, die mit uns zusammen im Haus wohnten, hatte der erste Enthusiasmus in Sachen Beerdigung ihres Vaters verlassen. Ich selbst fühlte mich in diesem Alter von beiden Gesprächsthemen überfordert, zumal diese Gespräche des Öfteren recht laut wurden und die Erwachsenen sich von einer unangenehmen Seite zeigten. Während ich darüber nachdachte, wo Opa sich jetzt noch befinden könnte, beschimpften sie sich gegenseitig aufs Heftigste.

Ich hatte auch nicht verstanden, warum ein Stück der Wiese für ein steinernes Grab geopfert werden sollte, nur um Opas toten Körper darin aufzubewahren? Noch nie hatte ich mir Gedanken um den Tod gemacht, doch wenn ich auch Nichts wusste, so wusste ich, dass man danach nicht mehr da ist. Einfach weg, aufgelöst.

Mir fehlte Opa wirklich, aber der Gedanke daran, dass ich nun alltäglich durch einen Hügel im Garten jeden Tag aufs Neue an Opa erinnert werden sollte, machte mir Angst. Warum reichte es nicht aus, ihn in Gedanken zu behalten?

Opas Leben war zu Ende, aber ich würde mich immer lebhaft an ihn erinnern. Ich war bis zu diesem Zeitpunkt noch nie auf einem Friedhof gewesen und nun sollte unsere Spielwiese zu einem gemacht werden.

Die Streitigkeiten über das Erbe, wie mir alsbald bewusst wurde, waren noch heftiger als ich zuerst dachte. Irgendwann vermischten sich die Themen, da hieß es: "Wenn du so ein pompöses Grab bauen lassen willst, dann bitte von deinem Erbanteil." Oder: "Er wollte nie, dass du allein das Haus bekommst und wir möchten kein Grab auf unserem Grundstück...."

Ich wunderte mich auch über Tante Lena, die Schwester meiner Mutter, und fragte mich, da ich selbst Geschwister hatte, ob irgendwann einmal meine Geschwister und ich, ähnliche Streitereien austragen werden? Bei diesen Streitereien erschienen mir alle hässlich und böse. Wenn Opa sie so sehen könnte, würde er sie nicht wiedererkennen.

Schon als Kind wurde mir somit deutlich vor Augen geführt, dass ein Begräbnis eine unsägliche Angelegenheit ist, denn obwohl es auch immer wieder um das Erbe ging, so schien doch auch das Grab vordergründig Dreh- und Angelpunkt der fiesesten gegenseitigen Beschuldigungen.

"Du wirst es doch niemals pflegen!", schrie Vater seinem Schwager zu, der gab dann zurück: "Du bist doch nicht einmal ein echter Teil unserer Familie und willst meinen Vater unter die Erde bringen?" Man hörte Worte wie: "Grabschändung; Königsgrab; Größenwahn; Teuer; Kosten; Bezahlen." Und als letztes dann auch noch einen Satz wie: "Er war es doch gar nicht wert, dass man ihm so ein Grab baut!"

Alles in allem wurde mir verdeutlicht, dass es mit dem Sterben so eine Sache ist, es ist nicht nur die Begegnung mit dem Tod, der einen alten Menschen vielleicht auch von seinen Sorgen befreit. Vielleicht ist es so, aber dann nur für den Toten, jedoch nicht für die Lebenden, für sie fangen die Probleme erst richtig an. Auch Jahre später war das Grab Opas hin und wieder Gesprächs- und auch Streitthema in der Familie. Es wurde nicht auf der Wiese errichtet, sondern hinter dem Haus, im Wald des Grundstücks. Es war nicht so groß, wie Mutter es gewollt hatte, aber es musste gepflegt werden. Schließlich war es Mutter, die dies ständig unternahm, was jedoch Vater ärgerte und er deshalb ständig gegen Mutters Geschwister stichelte. Ich hatte Opas Grab nur einmal besucht und dann nie wieder.

Opa war längst nicht mehr da und der Tod war mir fern.



Die Jahre vergehen in einer glücklichen Ehe nur so im Flug. Die Kinder werden selbst zu Erwachsenen und beginnen ihre eigenen Familien zu gründen. Immer noch war mir das Lebensglück hold. Beruflich sehr erfolgreich, saß ich im Aufsichtsrat der "Slim Byte AG", deren Umsätze ich noch in meinen letzten Berufsjahren vervierfachen konnte. Bis zum Tod von Eloise war mir sämtlicher Kummer, der die Menschen normalerweise durchs Leben geleitet, erspart geblieben. Menschen starben tagtäglich auf ungerechte Art und Weise, während unser Familienleben und unser Reichtum blühte. Es war ein gutes Leben. Als Eloise von mir ging, war ich das erste Mal unglücklich. Das erste Mal in meinem Leben fühlte ich seelische Schmerzen, die die Trauer verursachte. Es überfiel mich Einsamkeit, obwohl meine Kinder und Enkel an meiner Seite standen. Es entstand dennoch große Leere in meinem Leben.

Irgendwann stellte sich die Frage auch nach dem Begräbnis von Eloise. Sofort kam mir Opas Tod in den Sinn. Ich will nicht verschweigen, dass es mehrere Todesfälle im Bekanntenkreis gab, doch wenn ich auch nur eine einzige annähernd plausible Ausrede finden konnte, dann benutzte ich diese, um jedem Begräbnis fern zu bleiben. Ich erinnerte mich oft an die Streitigkeiten. Ich beschloss Eloise nur nach meinen eigenen Wünschen zu beerdigen. Niemand sollte ihr etwas schuldig bleiben, am wenigsten meine Kinder. Ich ließ sie auf einem Friedhof in Kanada beerdigen, weitab von uns, aber auch von der Zivilisation. Meine Kinder brauchten ihr Grab nicht zu pflegen, sie allein sollte ihre letzte Ruhestätte genießen können.

5 Jahre konnte ich meinen Kindern verheimlichen, wo es war, bis sie es aus mir heraus quetschten. Sie besuchten das Grab ihrer Mutter einmal. Es wurde mitten im kanadischen Wald von Ansässigen gepflegt. Ein einfacher Grabstein mit der Aufschrift "Bis wir uns wiedersehen" stand inmitten eines kleinen kreisrunden Beetes. Blumen säumten den Rand und um den Grabstein verteilten sich wild wachsende Pflanzen. Es machte einen bescheidenen, aber keinen ungepflegten Eindruck.

Meine Kinder haben nie wieder über das Grab geredet, gaben mir aber zu verstehen, dass ich das Richtige getan hatte.

Man kann so glücklich leben wie man will, man kann reich sein und alle Freuden des Lebens genießen, doch wenn das Alter kommt, dann stellen sich Probleme ganz anderer Art ein. Die Jahre waren vergangen und ich musste unweigerlich über den Tod nachdenken. Was bedeutete er für mich?

Die körperliche Schwäche war nicht mehr wegzudenken und somit schwand auch die Lust, aktiv zu sein. Ich zog mich zurück in unser Haus, die Kinder besuchten mich hin und wieder und ich ließ mein Leben des Öfteren Revue passieren. Der Blick zurück bestätigte mir nur, was ich bis in diese Jahre gefühlt hatte, ich war ein Glückskind und konnte auf ein erfülltes Leben zurück blicken. Erst die letzten Jahre verursachten Schmerzen. Tot zu sein, schien mir bald nicht schlechter, als so dämmerig dahin zu leben.

Natürlich gab es viele Dinge, die ich noch nachzuholen hätte, wirkliche besondere Erlebnisse habe ich mir nie gegönnt. Ich war ein Familienmensch. Schon als Kind und auch später als Erwachsener. Vorbildlicher Vater, erfolgreicher Unternehmer und aufrichtig liebender Ehemann. Ich spielte nicht Golf und konnte kein Handicap vorweisen; ich war nie mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug gesprungen oder hatte Segeltörns rund um die Welt unternommen. Ich bin insgesamt fünf Mal Achterbahn gefahren und einmal von einem 10 Meterturm ins Wasser gesprungen. Das Aufregendste in meinem Leben war der Geschlechtsverkehr mit meiner Frau und auch da blieben wir recht konventionell.

Jetzt war es zu spät. Aber ich hatte auch nicht wirklich das Bedürfnis, dem Leben jetzt noch einen Kick versetzen zu müssen. Vielmehr drehten sich meine Gedanken darum, wie ich es meinen Kindern so einfach wie möglich machen könnte, meinen Tod zu überleben.

Glücklicherweise hatte ich sie noch nie im Streit miteinander erleben müssen, was bis zu meinem Tod auch so bleiben sollte. Mein Testament musste wasserdicht sein und keine Fragen offen lassen. Jeder würde seinen gerechten Anteil bekommen. Und die Beerdigung? Ich war nicht sicher, bis mich ein Gedanke nicht mehr loslassen wollte.

Zwei Dinge vereinigten sich in diesem spontanen Gedanken. Der Eine bedeutete, dass ich meinem Leben doch noch einen Kick versetzen könnte. Der Zweite würde die Frage der Begräbnisstätte und der dazugehörigen vermeintlichen Grabpflege lösen, ebenso würden sich die moralischen Verpflichtungen, es aufzusuchen und an Vergangenes denken zu müssen, ein für allemal erledigen.

Ist man reich, dann steht einem das Tor zur Welt offen und es können sehr spezielle Träume verwirklicht werden. Sicher nicht alle. Einige Träume werden immer Träume bleiben und Glück allein hat nichts mit Reichtum zutun. Ich lebte sehr wohl im Luxus, jedoch ohne dabei an meinen besonderen Komfort zu denken, gerade an diesen Dingen hatte ich in diesem Leben gespart. Ich arbeitete hart für den hohen Lebensstandard, doch vollständig ausgekostet habe ich ihn nie. Eloise konnte reisen wohin sie wollte, und auch die Kinder. Ich selbst reiste oft mit ihnen, war aber anspruchslos bei der Auswahl der Ziele. "Sparsamkeit, ohne geizig zu sein", war mein Motto. Warum einen teuren Ferrari fahren, wenn ein Dodge so viel mehr Platz bot? Wahrscheinlich war dies auch der gentechnische Segen meiner Familie, der mir in die Wiege gelegt wurde, denn nur so konnte unsere Familie zu diesem Reichtum gelangen.

Jetzt wollte ich das erste Mal eine fixe Idee ausleben.

Es würde Geld kosten, doch nicht so viel, dass es den Kindern wehtun müsste. Sicher, 16 Millionen Dollar sind sehr viel Geld, doch relativ gering zu insgesamt 1,6 Milliarden, wie mein Vermögen geschätzt wurde. Ich marschierte auf das Neunzigste Lebensjahr zu und wusste noch genau, wenn man die richtige Idee hat und selbst 16 Millionen Dollar investiert, dann lassen sich schnell auch Sponsoren finden, die den zehnfachen Betrag auftreiben werden, um zu investieren. Eigenkapital lies sich immer gewinnversprechend vermarkten und Geld war noch nie ein Problem.

Das Verkaufen Können einer besonderen Idee, einer Innovation oder das Auffinden einer Marktlücke, war die Basis des Reichwerdens. "Investiere dein eigenes Geld nur bedingt, aber veranlasse andere Menschen zur Investition in deine Idee." Alles andere war Gewinnabschöpfung. Das eigene Konto wuchs ohne großen Risiken ausgesetzt zu sein.

Ich hatte irgendwann ein naturwissenschaftliches Magazin in die Hand bekommen und las über die derzeitigen Möglichkeiten, sich einfrieren zu lassen und dabei kam mir ein verrückter Gedanke.

Ich benötigte 12 Anrufe, um beim 13. gesagt zu bekommen: "Wir können es machen, der Präsident hat schon zugestimmt!"

Eine der amerikanischsten Organisationen der USA ist neben dem CIA und der NSA die NASA. In der NASA vereinigt sich der amerikanische Patriotismus mit dem amerikanischen Pioniergeist. Dies ergibt eine sehr ehrgeizige Mischung aus Übereifer und dem aufrichtigen Wunsch "...es der ganzen Welt zeigen zu wollen..."

NASA bedeutet bei den Amerikanern immer noch, die Ersten und Besten zu sein. Es gibt viele Bereiche, in denen Amerikaner besiegt wurden. Das höchste Haus, die längste Brücke, die größte Atombombe, aber sie waren die Ersten und die Einzigen auf dem Mond. Amerika hatte angeblich kein Geld mehr für sowas, sonst wären sie auch die Ersten auf dem Mars, soviel steht für mich fest.

Jetzt hatte mich auch dieser Pioniergeist gepackt. Einige, der im Magazin aufgezeigten Szenarien beschrieben, wie Gestorbene sich auf verschiedene Weisen haltbar machen ließen. Eine der Möglichkeiten war das Einfrieren in flüssigem Stickstoff. Die Menschen waren in der Hoffnung, in späteren Jahrhunderten von einer besseren Medizin aufs Neue erweckt werden zu können. Sehr gute Aussichten hatte man dabei nicht.

Ich dachte eher daran, mich schon vor meinem Tode einfrieren oder auf irgendeine Art konservieren, bzw. deaktivieren zu lassen und nicht, um wieder hier auf diesem Planeten erweckt zu werden. Mein Plan war es, dass man mich mit einer Kapsel in den Weltraum schießen sollte. Unter Umständen, würden mich dann in ferner Zukunft außerirdische Lebensformen entdecken. Sollte es sich dabei um intelligentes Leben handeln, so könnte ich mit deren Hilfe vielleicht noch einmal auferstehen.

Für die NASA war es ein gefundenes Fressen, dass ein nicht unbekannter Milliardär aus Wisconsin, seinen Leichnam auf eine lange Reise in den Weltraum schicken wollte.

Nach einer kurzen Debatte, vor allem wegen moralischer Fragen, die es noch zu klären galt, hatten die Verantwortlichen für sich die Chance erkannt, die NASA wieder positiv ins Licht der Öffentlichkeit rücken zu können. Man fragte sich zuerst, ob es nicht ein geschmackloses Thema wäre und es entbrannte eine öffentliche Diskussion darüber, ob dies nicht öffentliche Euthanasie wäre, die in den USA als verboten gilt. Schließlich wollte ich mich zu Lebzeiten, mehr oder minder in aller Öffentlichkeit töten lassen, denn die Technik konnte nicht garantieren, dass meine noch funktionierenden Lebensgeister, tatsächlich nur deaktiviert werden, oder ob sich durch die Prozedur nur der Tod einstellen wird.

Es ging durch alle Medien, auch international, bis sich die Mehrheit in der USA davon überzeugt hatte, dass ich dies aus freiem Willen entscheide, was wiederum eine urtypische, amerikanischen Geist entsprechende Verhaltensweise war. Unter der Flagge der individuellen Freiheit erlaubte die amerikanische Öffentlichkeit mein Unternehmen.

Ein gestorbener Mensch sollte nun gefriergetrocknet eine Reise durchs All antreten, von der niemand wusste, wo er jemals landen wird. Ich selbst hatte der NASA damals zu verstehen gegeben, dass die Menschheit auf diesem Weg einen wirklichen Beweis ihrer Existenz erbringen könnte, wenn mein Leichnam irgendwann einmal Außerirdische erreichen würde. Wie für uns selbst, wäre es wahrscheinlich auch für sie ein Wunder, wenn diese Wesen einen echten, leibhaftigen, wenn auch nicht mehr lebhaften Menschen erhalten.

Es wäre eine Sensation, sollten sie intelligent genug sein, würde es ihr Streben, die Erde zu besuchen, deutlich verstärken und bald könnte ein Kontakt hergestellt werden. Ich war Feuer und Flamme für diese Idee, da sie gleichzeitig dafür sorgen konnte, dass sich niemand meiner Familie um den Verbleib meiner verstorbenen Überreste Gedanken machen bräuchte. Dieses Problem würde nicht mehr entstehen.

Meine Kinder erfuhren zuerst nichts von meinen Plänen, da ich trotz dessen, alles in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, inkognito geblieben war. Mit der NASA war besprochen worden, dass die offizielle Vermarktung erst kurz vor meiner Abreise beginnen soll. Die Rechte an dieser Sensationsgeschichte sollten sich hervorragend verkaufen lassen und meinen Kindern einen zusätzlichen Ertrag liefern. Es entsprach insgesamt, obwohl es viel zu spinnert für meine recht normale Persönlichkeit war, meinem Gespür für gewinnbringende Geschäfte und Innovation. Der Präsident der USA ließ mir schriftlich mitteilen, dass meine Idee, einen Amerikaner auf die erste unendliche Reise zu schicken, seine volle Unterstützung trifft.

Einige Wissenschaftler bezweifelten den wissenschaftlichen Wert meiner aufwendigen Abgangszeremonie. Ihre Kritik wurde schnell erstickt, da sich das Projekt von selbst finanzierte und in der Öffentlichkeit eine gewisse Euphorie auslöste. Die NASA konnte allein durch die anonyme Ankündigung eines solchen Vorhabens Unsummen an Foto- und Exklusivrechten einnehmen.

Das Wichtigste schien mir jedoch, jetzt nicht vorzeitig zu versterben. Die Vorbereitungen brauchten knapp ein Jahr und mein gesundheitlicher Zustand war zwar gebrechlich aber nicht hoffnungslos. Ich gab mir Mühe mich körperlich fit zu halten und ernährte mich makrobiotisch.

Nach einem weiteren Jahr Forschungsarbeit auf dem Gebiet der künstlichen Lebenserhaltung wurde die NASA ungeduldiger. Von ihrer Seite war alles vorbereitet, die Presse war stillschweigend weiter informiert worden und der Präsident erkundigte sich auffällig häufig nach meinem Wohlbefinden. Meinen Kindern habe ich es bis kurz vor dem Starttermin verschwiegen. Sie nahmen es ruhig, wenn auch nicht ohne Widerspruch auf.

Ich bin in diesem Land groß und reich geworden, ich traue diesem Land, muss aber auch eingestehen, dass hier schon Dinge geschahen, die nicht hätten passieren dürfen. Wir Amerikaner stehen für Gerechtigkeit, für einen demokratischen ehrlichen Staat, für die Rechte jedes Einzelnen. Sollten diese aber einmal mit finanziellen Interessen kollidieren, konnte es zu Unregelmäßigkeiten in der Auslegung der persönlichen Freiheit kommen. Ich bin kein misstrauischer Mensch, wurde aber auf einmal den Gedanken nicht los, dass man von der NASA und anderen Interessensgruppen mein Ableben beschleunigen wollte.

Ich hatte gute Wissenschaftler gefunden, die ein wirkliches Interesse daran hatten, meine Körperfunktionen wirklich nur zu deaktivieren und mich nicht einfach nur umbringen wollten. Das Einfrieren alleine, hätte nur meinen Tod nach sich gezogen, deshalb entwickelten sie eine Kombination aus mehreren Methoden mich zu konservieren, doch das kostete Zeit.

Die NASA hatte jedoch schon den Start als ein Großereignis geplant und sie hätten mich lieber heute als morgen auf den Weg geschickt, zumal die Meisten weniger Interesse an meinen Überleben hatten, als an dem Abschuss der Kapsel, die natürlich mit allem an moderner Sensorik ausgestattet war, was ein Satellit auf solch einer 'unendlichen' Reise braucht.

An Verzögerungen war man nicht interessiert und dennoch, ein weiteres Jahr verging, und das Spaceshuttle war inzwischen schon 14-mal im Weltraum gewesen. Mein Freitod sollte nicht mehr allzu sehr auf sich warten lassen. Nachdem man die Öffentlichkeit über meine Identität aufgeklärt hatte, erhielt ich aus aller Welt Post und man beriet mich in allen Punkten des Lebens, sie schrieben mir unter anderem, "Ich solle nicht lebensmüde sein und hier auf den Tod warten. Keinesfalls sollte ich mich für diese Idee dem Suizid aussetzen."

Mein Leben beschränkte sich im Wesentlichen auf mein Haus und das Labor der Wissenschaftler. Zuhause hatte ich alles, was ich brauchte. Den See und den Wald. Komfort und Abwechslung, wenn man mich besuchte.

Am 16.8.2009 war es soweit, ich hatte gut geschlafen und war gut gelaunt. Es war vielmehr ein Tag zum Spazierengehen, als zu sterben.



Ich rede vom Sterben, wobei es mir und den Wissenschaftlern immer darum ging, mich für eine sehr lange Zeit am Leben zu erhalten, obwohl ich klinisch tot sein musste. Es war mir jedoch klar, dass es trotz der Entwicklung einer Ersatzflüssigkeit für mein Blut, keine Garantie für einen gesicherten Tiefschlaf geben wird und somit musste ich subjektiv von einem freiwillig herbeigeführten Tod ausgehen.

Meine Reise sollte nun beginnen, egal ob die Gründe meines Todes natürlich waren, oder ob ich selbst dem Schicksal nachgeholfen hatte.

Wenn einer denkt, er ist tot, wenn er tot ist, dann irrt er!

Zwei Monate nach meinem 90zigsten Geburtstag war es soweit und ich lag auf einer Liege, durch Schläuche und Kabel an Maschinen angeschlossen und langsam flößte man mir intravenös eine betäubende Flüssigkeit ein. Ich dachte, der Tod würde abrupt eintreten, aber ich sah ihn sehr langsam kommen, wie es sich herausstellen sollte.



Die Prozedur unterteilte sich in mehrere Abläufe und alles musste schnell gehen. Mehrere Personen betraten den Raum. Jeder von ihnen trug Gerätschaften an meine Liege. Die letzten beiden zogen einen metallenen Wagen hinter sich her. Sie bewegten sich zielstrebig auf meinen Körper zu. Schnell wurden mir Katheder und Kanülen gelegt, die letzte Kleidung entfernt und man wusch, drehte und wendete mich. Man injizierte mir drei Spritzen.

Zuletzt wurde mein Blut durch eine neuentwickelte elektrolytische Flüssigkeit, die in der Lage war, Elektrizität im Körper zu verteilen, so dass meine Muskeln ständigen Reizen ausgesetzt sein werden, ausgetauscht. Mein Blut wurde abgespeichert, es sollte jedoch später beim Erwachen angewärmt in meinen Körper zurückgeführt werden können.

Mein Gehirn wurde durch kleine Implantate mit elektrischen Strömen versorgt. Das Betäubungsmittel wirkte sanft und ich brauchte Minuten, um zu begreifen, dass ich auf einmal träumte. Mir wurde schlagartig bewusst, in welcher Situation ich mich befand. Nachdem ich eingeschlafen war, hatte man mich in eine gläserne hermetisch abgeschlossene Halbschale geschoben, die mit einem kalten Gas gefüllt worden war. Dann wurde das gläserne Modul am Kopfende auf die eigentliche Lebenserhaltungsmaschinerie gesteckt. Darüber kam eine isolierende Kunststoffschicht, die später mit dem Transportsatelliten abgesprengt werden sollte. Nach meiner Ankunft im All, an Bord eines Shuttles, sollte zuerst ein angetriebener Satellit meine Fahrt in die unendliche Zukunft beschleunigen.

Die Organisation meines gewollten Todes war hervorragend. Nur zwei Minuten nach meinem letzten Atemzug, fuhr ein Wagen vor und weitere 166 Sekunden später steckte ich in einer gläsernen Halbschale und war bei –276° Celsius schockgefroren. Jedoch zirkulierten in meinem Kreislauf elektrische Ströme die das Zellmaterial vor dem Zerfall retten sollten.

Technisch gesehen lief alles nach Plan, wie es mit den Verantwortlichen der NASA abgesprochen war. Mein Abflug war erfolgreich und noch Monate danach wurde in der internationalen Presse über den Sinn und Zweck der Unternehmung diskutiert.



Ich habe nichts vom Start gespürt. Ich war weggeschlafen ins Nichts, sozusagen tot und dann war da doch wieder etwas. Ich war mir bewusst, gestorben zu sein. Ich träumte. Es musste ein letzter Hauch Gehirntätigkeit sein, den ich jetzt erlebte. "Gleich ist alles vorbei", dachte ich.

Der Tod ist nicht weniger ein Wunder als das Leben, wahrscheinlich müssen wir ihn als ein Teil eines viel größeren Lebens anerkennen. Ich wartete nun darauf in Bewusstlosigkeit zu versinken, aber anstatt nun das Licht endgültig ausgeknipst wurde, spürte ich eine Sphäre um meinen Körper. Ich träumte bewusst, ohne jedoch erwachen zu dürfen. Ein mysteriöses Gefühl, zu begreifen, dass der Geist beeinflussbar ist, jedoch keine Körperfunktionen zur Verfügung stehen. Es gab auch eine Art visueller Wahrnehmung, anders als das Sehen mit den Augen, schien ich nur einen dunklen Raum wahrzunehmen. Mich durchströmte ein besonderes Glücksgefühl, auch wenn Angst in mir aufstieg, da mir bewusst geworden war, dass ich nie zurückkehren würde. Mein Denken war aktiv wie eh und je. Zeit spielte keine Rolle mehr, soviel stand fest. Zwischen dem Augenblick des Sterbens und dem Realisieren des Todes lagen vielleicht nur wenige Sekunden, vielleicht jedoch auch Jahre oder mehr. Ich wusste, dass ich auf der Liege schon in tiefe Bewusstlosigkeit gefallen war und an alles konnte ich mich bis dahin erinnern.

Ich bekam Angst, nun auf immer im Zustand des Todes, aber seelisch wach, hier in dieser Röhre eingesperrt bleiben zu müssen. Alleingelassen mit meinen eigenen Gedanken, auf Ewigkeit.

Ich durfte nicht verzweifeln, auch wenn ich im Augenblicke ein Gefangener war. In diesem Zustand konnte ich nicht schlafen.

Ich war wach und mir meiner Pioniertat bewusst. In dieser Zeitlosigkeit war ich bereit, die Gefangenschaft zu akzeptieren. Ich spürte weder den Flug, noch wusste ich genau, was mit mir geschehen war, aber ich konnte denken und fühlen. Niemand hatte voraus sehen können, ob der Tod wirklich den Tod bedeutete, oder ob eine Seele schockgefriert werden könnte.



Ungefähr zu einem Zeitpunkt, als auf der Erde 250 Milliarden Menschen lebten und Kriege tatsächlich von ihrem Antlitz verschwunden waren, denn in diesen Zeiten bekriegte man sich ausschließlich auf dem Mars, der Venus oder wo es sonst noch lohnende Bodenschätze und Wasser gab, bewegte sich meine Kapsel durch eine sehr entfernte Region der Galaxie X-03. Ich war nun ca. 4.000 Jahre unterwegs und man sollte mir glauben, wenn ich jetzt sage, dass ich dieser Idee niemals nachgegangen wäre, hätte ich um die Konsequenzen gewusst. Ein körperliches Leben zu leben, kann unter Umständen schon eine Art der Gefangenschaft bedeuten, jedoch widerfuhr mir eine unvorstellbar größere Folter der Seele. Ich war verdammt im Tod zu leben!

Das Universum ist wundervoll und tatsächlich lernte meine Seele in dieser langen Zeit die Umgebung wahrzunehmen. Planeten, Sonnen, Monde und Asteroiden begegneten meinem Lauf. Ich sah die Dinge nicht, wie wir es im Leben erfahren haben, aber mein Geist hatte eine Art Rundumblick, durch den ich mir die Jahre der Einsamkeit erleichtern konnte, doch nirgendwo gab es Leben.



Sternschnuppen waren mir am liebsten, allein weil sie ein Stück Freiheit verkörperten. Sie schienen die Einzigen im Universum, die sich dorthin bewegten, wo sie hin wollten. Alles andere schien wie befestigt, allenfalls langsam durch das kosmische Meer treibend. Die Kometen tauchten hier auf und verschwanden nach irgendwo. Sie überholten mich oder schrammten an mir vorüber. Ich beobachtete sie gerne. So auch am Tag X.

Ein heller Feuerschein kam aus der nächstgelegenen Sonne vor mir, direkt auf mich zu. Ich nannte sie Monika, denn ich gab allen Sternschnuppen Mädchennamen und stellte sie mir als menschliche Wesen vor. Je nachdem, die eine hatte große oder auch kleine Brüste, eine schlanke oder etwas mollige Figur. Ihre Augenfarbe war mir sehr wichtig und die Helligkeit ihres Lichtes, verleitete mich dazu, die Haarfarbe festzulegen. Monika war nicht eine der Größten, allerdings zeigte sie ein sehr schönes rotes Leuchten. Die letzten 200 Jahre war ich ihr nähergekommen und in meiner Phantasie war sie ca. 165cm groß, mit einer wohl gerundeten, weiblichen, aber sportlichen Figur. Ihre Augen waren grün und sie trug rotes, welliges, langes Haar. Sie war noch jung, vielleicht 23. Sie hatte ein kumpelhaftes Wesen. Ich hatte mich in sie verliebt und je näher ich ihr kam, umso aufgeregter wurde ich, sie kennen zu lernen.

Ich wünschte mir oft, dass die Anziehungskraft einer dieser Damen groß genug wäre, um mich mit einer Kollision endlich von diesem Zustand zu befreien. Doch meine Kapsel war auf solche Dinge programmiert und steuerte mich immer wieder um die Gestirne herum.

Es war wie ein kleiner freundlicher Funken, der mir entgegen schleuderte, um zu sagen: "Willkommen, ich warte schon auf dich". Vielleicht konnte es sich um eine Protuberanz handeln, vielleicht um einen Kometen, der dicht an mir vorbeirasen will?

Das kleine Licht kam näher und endlich löste es sich vor meinen Augen zu einem metallenen Flugkörper auf. Konnte es möglich sein, war dies ein Raumschiff?

Lichter blinkten und auch ein Triebwerk war zu erkennen, erst als es vor meiner Kapsel zum Stillstand kam, erkannte ich seine Ausmaße.

Mein Geist war wach, sollte dies der langersehnte Moment der ersten Kontaktaufnahme zu Außerirdischen sein?

War mein Ziel erreicht?

Ein weiterer kleiner Flugkörper löste sich vom Mutterschiff, kam näher und man verfrachtete meine Kapsel automatisch in einen Laderaum an Bord.

Kein Wesen tauchte auf. Noch nicht.

Meine Röhre wurde wiederum in einen dunklen Behälter verpackt, bis dann ein Licht erschien. Der Behälter wurde geöffnet und ich befand mich in einem hell erleuchteten Raum, der an einen Operationssaal erinnerte. Um mich herum befanden sich in Schutzanzüge gehüllte Wesen, die mit verschiedenen Gerätschaften herum hantierten. Nicht anders als wir Menschen, standen sie auf zwei Beinen und hatten zwei Arme. Ein Kopf schien auf den Schultern zu sitzen, doch man konnte sie nicht erkennen. Sie sprachen miteinander, es war, als würde ich ihre Gedanken verstehen.

Stellt euch den Tod nicht so vor, als wäre man ins Nichts verschluckt, vielmehr offenbaren sich neue Sinne. Was hatten diese Wesen vor? Es war ein Wunder, dass ich der erste Mensch sein sollte, der diesen Kontakt erleben darf. Ich lauschte ihren Gedanken und Gesprächen:

"Ich bin nicht überzeugt davon, dass es notwendig gewesen wäre, den Behälter zu bergen."

"Wir wissen doch jetzt, dass es sich nicht um eine Waffe handelt, was soll also passieren? Dieses Ding kommt doch irgendwoher, wer weiß was in ihm steckt."

Ein anderer sagte: "Nach meinen ersten Tests, handelt es sich um natürliches Material. Vielleicht eine Lebensform."

Man schien erstaunt und ein jeder wurde aufgeregter. "Du meinst, da drin steckt ein fremdes Lebewesen?"

"Ich bin nicht so sicher, ob es noch lebt..." Sie kicherten plötzlich, was sich wie ein Zischen anhörte, wie ein Grillenzirpen und Schlangenzüngeln.

Ich bekam das erste Mal Angst.

Es dauerte noch und sie diskutierten, wie man den Behälter gefahrlos, ohne eine Kontaminierung zu riskieren, öffnen sollte. Anscheinend befand sich die Technologie der Außerirdischen auf einem guten Stand.

Einer sagte: "Sollten die Sensoren beim Öffnen irgendetwas unvorhergesehenes feststellen, dann räuchern wir es aus."

Ein Zischen durchflutete den Raum als meine Kapsel geöffnet wurde und mich überkam ein Gefühl der Befreiung. Ja, so muss es gewesen sein, als Sindbad den Flaschengeist befreite, nachdem er Jahrhunderte dort verbracht hatte. Frei, Freiheit, ich schrie, obwohl mich niemand hören konnte.

Eines der Wesen sagte sofort erstaunt: "Seht euch dieses hässliche Ding an, was ist das?" Sie beugten sich über meinen alten Körper, doch meine Seele hatte sich jetzt wirklich abgesetzt und ich blickte von oben herab auf meinen Leichnam, der wie am letzten Tag noch rosig aussah. Ich schien unter der Decke des Raumes zu schweben.

Ein anderer blickte regelrecht angewidert weg und sagte: "Mir wird schlecht!" Nur einer von ihnen konnte sich mit meinem Anblick anfreunden, er bemerkte: "Ihr Banausen, wir stehen hier vor der größten wissenschaftlichen Erkenntnis der letzten Äonen. Nun haben wir den Beweis, wir sind nicht allein! Seht ihn euch doch Mal genau an. Erkennt ihr nicht, was dies für uns bedeuten könnte? Er ist aus Fleisch und Blut. Sein exotisches Aussehen spricht wahrscheinlich für die Nährstoffe, die in ihm enthalten sind."

Er setzte noch hinzu: "Von ihm geht keine Gefahr aus, ihr könnt die Helme abnehmen."

Die beiden anderen schienen noch nicht überzeugt und warteten bis der Rädelsführer seinen Helm abgesetzt hatte.

Wenn man tot ist, kann man im Normalfall nicht noch "mehr" sterben, denkt man zumindest, doch in diesem Augenblick wäre es mir recht gewesen. Unter dem Helm kam ein grauenhafter, an ein Insekt erinnernder Kopf, zu Tage. Man erkannte weiße Zahnketten und zwei Greifzangen, die wie Lippen das Maul säumten. Ihre Augen waren klein, aber durchdringend. Ihr Kopf kahl. Eine Nase fehlte. Zwei kleine Antennen wedelten über der Stirn hin und her. Ich erschrak aufgrund dieser Hässlichkeit und wäre geflohen, wenn ich gekonnt hätte. Doch meine Seele wollte diesen Raum noch nicht verlassen.

Während der eine kurz entschlossen mit einer Nadel in meinen Körper bohrte und wohl eine Probe entnahm, verhielten sich die anderen beiden noch immer verschreckt und näherten sich nur zögerlich.

Einer sagte angewidert: "Wie kann die Natur nur solche Absurditäten hervorbringen?"

Einer der beiden Ängstlichen gab zu bedenken: "Was wollen wir mit diesem Wesen? Wir sollten es schnellstens vernichten. Wir werden Angst und Schrecken verbreiten, wenn die Öffentlichkeit davon erfährt."

Der Probennehmer erwiderte energisch: "Hör auf! Wir sind keine Rasse die Angst hat. Seht her, was ich festgestellt habe. Dieses Wesen enthält sehr viel Wasser und Ballaststoffe. Eisen und Vitamine sind in ihm enthalten, und dies, obwohl er nicht mehr lebt. Er kommt wie von Himmel geschickt und könnte die Lösung unserer Probleme werden."

Die Anderen blickten sich verständnislos an und der Energische sagte im Befehlston: "Durchsucht die Kapsel nach anderen Informationen!"

Tatsächlich hatte die NASA zusätzlich zu meinem Leichnam jede Menge digitale Informationen über die Erde mitgesendet. Sollte ich auf intelligentes Leben stoßen, dann sollten diese auch in der Lage sein, die mitgelieferten Informationen zu verarbeiten.

Diese Spezies war intelligent genug, diese Daten zu lesen. Der Eine begann zu lachen und sagte erfreut: "Ha, sie haben wirklich an alles gedacht. Wir wissen alles über sie."

"Was hast du vor?"

"Wenn mich meine Sinne nicht täuschen, dann haben wir hier die Lösung, der Welt größten Problems. Dem Ernährungsproblem!"

"Aber wir essen doch nichts Totes?"

"Ihr werdet sehen, wie einfach es sein wird, ihn wieder zum Leben zu erwecken."

Gesagt getan, er hantierte noch kurz an einigen Armaturen herum und schon im nächsten Augenblick verspürte meine Seele einen heftigen Sog, der mich hinunter von der Decke, zu meinem Körper zog. Ein weiterer Augenblick und ich schlug die Augen auf und spürte meinen Körper wieder.



Jetzt konnte ich sie nicht mehr verstehen, ich hörte nur ein Zischen und Knacken, doch es war zu erkennen, dass sie angeregt miteinander kommunizierten. Die Angst im Tod war nun der Angst, erneut zu leben, gewichen. Sie blickten mir ins Gesicht und ich sprach sie an: "Hallo, ich bin von der Erde." Etwas Banaleres konnte mir nicht einfallen. Verwundert der Töne, die ich von mir gab, zischelten sie auf mich ein. Einer der Drei holte ein kleines Gerät und hielt es in meine Richtung. Ich sagte erneut: "Hallo, ich freue mich im Namen der Menschheit ihre Bekanntschaft zu machen."

Jetzt konnte ich sie wieder verstehen, sie lachten und einer sagte: "Es ist uns auch eine besondere Freude."

Glück ist ähnlich relativ wie die Zeit. Ich hatte Glück, in meinem Leben alles erreicht zu haben. Ich bin aber nicht glücklich gestorben und ich müsste jetzt sehr glücklich sein, nun noch ein zweites Leben geschenkt bekommen zu haben. Dem war jedoch nicht so. Obwohl diese Wesen bei näherer und längerer Betrachtung ein Stück ihrer Abscheulichkeit verloren hatten und auch so ganz umgänglich erschienen, wurde mir in den nächsten Tagen klar, was sie in mir sahen.

Man betrachtete mich allein als Fresspaket. Als ein Wunder jeglicher Ernährungswissenschaften. Anscheinend waren alle Stoffe meines Körpers lebenswichtige Elemente, die diese Spezies brauchte, um sich zu ernähren.

Man verbrachte mich an verschiedene Orte und ich wurde Tausenden anderen dieser Wesen vorgestellt. Ich musste mit anhören, wie man sich über die Menschheit belustigte. Mit welcher Naivität sie sich preisgegeben hatte. Man erkundigte sich in meinem Beisein, über die geschmacklichen Vorteile und sprach ganz offen darüber, wie man diese Wesen als lebendige Nahrung fangen könnte.



Der normale Umgang mit mir war freundlich und man hörte mir gespannt zu, wenn ich bereitwillig über das Leben eines Menschen berichtete. Nicht so komisch war, als man mir ein Stückchen meines Fleisches herausschneiden wollte, um endlich dahinter zu kommen, ob ich nur nahrhaft war oder auch geschmacklich etwas zu bieten hatte. Erst nach langem hin und her bemühten sie sich, mich vorher lokal zu betäuben. Man versicherte mir, dass man nicht mehr als 100 Gramm entnehmen würde.



Was kann ich euch sagen?
#OnlyOneLife ???? ≧◉◡◉≦

Es gibt tatsächlich andere Lebensformen!

Im weiteren Verlauf wurde mir bewusst, was ich mit meinem innovativen Begräbnis ausgelöst hatte. Die Wesen waren befähigt, die Erde zu erreichen. Ab da betrachteten sie unsere Planeten, die wir nun bevölkerten, fortan als eine unerschöpfliche Nahrungsquelle, einen Selbstbedienungsladen.

Man arrangierte Jagdgesellschaften und in der Werbung sprach man vom "warmen Buffet". Einige exotische Geschmacksrichtungen wurden angepriesen. Die Menschheit war trotz aller wissenschaftlichen Errungenschaften völlig überfordert, sich zur Wehr zu setzen.

Ich für meinen Teil wurde verschont und unter Naturschutz gestellt. Da ich der Erste war. Wenn ich auch alt war, so wollte man mich für die Züchtung einsetzen und brachte mich ständig mit neuen, netten, jungen Menschenfrauen in Kontakt.

Ein Gutes hatte die Sache dann doch noch. Die Menschheit stand nicht selten in ihrer Geschichte davor, sich gegenseitig selbst zu vernichten, doch nun würde eine andere Spezies darüber wachen, dass dies nie ganz und gar geschehen wird, denn sie aßen nur lebendiges Futter.
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo yza,

ein wirklich innovatives Begräbnis!

Die Idee finde ich richtg gut! ich denke nur, dass der einleitende Text zu lang ist - und so viele Doppelungen von dem reichen und glücklichen Leben beinhaltet, dass man da getrost straffen könnte. Da könnte man noch einmal drüber gehen und kritisch hinterfragen, welche Sätze wirklich für den Fortgang der Geschichte nützlich sind. Fabulierkunst ist das eine, aber kürzen können muss man auch.
Ich finde , dass die Darstellung des Motivs - dieser traumatische Vorgang beim Tod des Großvaters - sehr gelungen ist und die Geschichte glaubwürdig macht. Um so bedauerlicher, dass dem Leser bis zum Höhepunkt schon die Puste ausgegangen sein kann, weil man eben so viele Nichtigkeiten erfährt, die den Eifer bremsen können. Und der Protagonist bleibt schon noch ein bisschen flach und verrät seine Existenz als Projektionsfläche für eine Geschichte. Zwischen Motiv und Umsetzung bleibt er trotz seiner 90 Jahre seltsam konturlos, als wäre es nicht sein Leben, das die Geschichte voran bringt.

Vielleicht geht da ja noch etwas?

Liebe Grüße
Petra
 

yza

Mitglied
Hi Petra, vielen Dank für die Mühe deines Kommentars.... :cool: Freut mich immer, wenn jemand sinnvolle Kritik anbringt. Trotzdem, es handelt sich hier um ne Kurzgeschichte, da ürde ich nicht so viel reininterpretieren, anscheinend hat sie dir gefallen. Das reicht mir. Hier werden so viele Werke zerpflückt und der eine will das so, die andere wieder andersrum... Nothing is perfect.... ;-) Aber vielen Dank...!!!! #WriteOn
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo yza,

kann ich gut nachvollziehen - und in Teilen gebe ich Dir natürlich Recht.
Aber man kann das feed back der anderen auch dazu nutzen, zu lernen und besser zu werden.
So oder so ist es Deine Entscheidung.

Liebe Grüße
Petra
 

yza

Mitglied
Hallo yza,

kann ich gut nachvollziehen - und in Teilen gebe ich Dir natürlich Recht.
Aber man kann das feed back der anderen auch dazu nutzen, zu lernen und besser zu werden.
So oder so ist es Deine Entscheidung.

Liebe Grüße
Petra
Hi Petra, hey, na klar... ich bin grundsätzlich ja nicht beratungsresistent ;-) aber troztdem, mit dieser Bewertung, "um besser zu werden..." da habe ich so meine Probleme..... :mad: viel zu oft werden Texte zerrissen und bewertet und zerpflückt und am Ende geht es übrhaupt nicht mehr um das was der Autor vermitteln wollte, was er eigentlich erzählen wollte....?!
Ich weiß nicht....?
Literatur ist auch Kunst und Kunst ist meines Erachtens nach, nicht wirklich zu bewerten. Das ist jeweils subjektiv, dem einen gefgällts, der anderen nicht....!
KLar, da macht einer einen roten Punkt, auf weißem papier und bekommt dafür ne Million... süüüper... aber ahndwerklich doch eher eine glatte 6 gegeüber einem Rembrandt oder Dürer, hahaha ;-)
Schreiben ist nicht einfach, nicht jeder kann schreiben wie Goethe oder Isabell Allende, doch viele Menschen können in ihrer Art Geschiten erzählen und diese 'Kritiker' sollten auch die Sprache dieser Schreiberlinge akzeptieren, wie sie ist und nicht alles 'besserwisserisch' beurteilen.....
Ich will erzählen und unterhalten und keine Literaturrekorde brechen ;-)
Trotzdem Danke, denn ich freue mich, dass duc dich mit meinem Text auseinander gesetzt hast... LG Gert
 

petrasmiles

Mitglied
"um besser zu werden..." da habe ich so meine Probleme..... :mad: viel zu oft werden Texte zerrissen und bewertet und zerpflückt und am Ende geht es übrhaupt nicht mehr um das was der Autor vermitteln wollte, was er eigentlich erzählen wollte....?!
Lieber Gert,

auch das kann ich gut nachvollziehen, aber ich meinte mitnichten, besser im Auge der anderen zu werden, sondern nach den eigenen Maßstäben - bzw. diese erst einmal zu entwickeln.
Als ich eines der ersten Male eine Geschichte hier eingestellt hatte, die durchaus auch lobende Kritik bekam, wurden mir Verbesserungsvorschläge gemacht, mit denen ich nichts anfangen konnte.
Weil: 1. ich noch unter Geburtswehen stand und es mir vorkam, als sollte ich meinem Baby die Zehen amputieren, und 2. weil ich zu sehr in meiner Vorstellung von der 'Umgebung' des Textes verhaftet war.
Es ist ein Prozess von der Entstehung bis zur 'Veröffentlichung' im Sinne von Loslassen. Manche Autoren lassen ihre Texte lange Zeit in der Schublade liegen, um dann mit mehr Distanz noch einmal drüber zu schauen und selbst zu bemerken, was sie besser machen können; man rückt mehr in die Perspektive des Lesers. Und außerdem bleibt man manchmal verhaftet in dem Glauben der Wahrhaftigkeit von wegen 'so ist es aber (in meiner Vorstellung) gewesen'. Mit mehr Distanz sieht man dann auch, wo ein Passus, ein Wort oder eine Bemerkung mehr den eigenen Wahrhaftigkeitswahn bedient als wirklich für die Geschichte wichtig zu sein. Erst mit der Distanz kommt man dahinter, dass ein Text ein Eigenleben bekommt und nicht immer das will, was der Autor sich so schön gedacht hat.
Man lernt das für sich, nicht für die anderen. Wenn die Texte dann besser werden und Lob bekommen, um so besser, aber das Ziel ist das nicht.
Ich fänd es schade, wenn man aus falsch verstandenem Eigensinn die Möglichkeit, an sich selbst zu arbeiten, ausschlägt, weil der Verlust nur bei einem selbst liegt - den anderen ist das 'grad egal'.
Und natürlich gibt es auch Beispiele, wo ein Kritiker die Geschichte gar nicht verstanden hat und daraus 'seine' machen möchte, aber um so besser man ist - bzw. seine Maßstäbe kennt - desto freundlicher kann man das an sich abperlen lassen und sich auf die Rückmeldungen konzentrieren, die einem wirklich weiterhelfen.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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