30.03.2010
Es war warm.
Sehr angenehm, richtig sommerlich. Die Dame im Blumenladen lachte und grinste die ganze Zeit, selbst als ich sagte dass ich einen Strauß zum Niederlegen am Grab bräuchte konnte sie nicht so richtig gedeckte Stimmung aufkommen lassen. Die ganze Situation wirkte falsch aber angenehm, nichts passte so richtig zu meinen Erinnerungen an den Friedhof, aber ich war froh.
Als ich mit dem bunten Strauß in der Hand den Weg hinauf stapfte musste ich daran denken, wie verdammt kalt es beim letzten Mal gewesen war. Jetzt war mir den ganzen Tag lang schon danach, den Mantel auszuziehen, nur ihn umständlich herum zu tragen war mir immer wieder zu lästig geworden. Also fluchte ich die Hälfte der Zeit über den unhandlichen Mantel in meinen Händen, die andere Hälfte schwitzte ich.
Mir war ein wenig schlecht, schon den ganzen Morgen, und ich war mir unsicher ob mein Körper irgendwie auf meine Unsicherheit und mein zerrissenes Inneres reagierte oder ob ich einfach nur hungrig war. Ich hatte noch nichts gegessen, aber es war auch noch früh und eigentlich war ich daran gewöhnt erst spät meine erste Mahlzeit einzunehmen. Andererseits gab es keinen wirklichen Grund, beunruhigt zu sein.
Den Weg kannte ich. Schon von weitem sah ich ein Auto in der Nähe ihres Grabes stehen und fragte mich kurz, ob jemand anderes am Grab war um sie zu besuchen. Ich malte mir aus wie es wäre, ihre Mutter zu treffen. Würde sie mich fragen wer ich bin, woher ich Nadine kannte, wie nahe wir uns gestanden hatten? Würde sie etwas vom Leben ihrer Tochter erfahren wollen?
Ich setzte meinen Weg fort und mir war klar, dass ein Zusammentreffen mit irgendwelchen Angehörigen sehr unwahrscheinlich war. Immerhin gab es ziemlich viele Gräber hier und das Auto würde vermutlich jemand anderem gehören. Warum eigentlich ein Auto, durfte man überhaupt einfach so auf das Gelände fahren? Als ich die richtige Reihe betrat, verstand ich. Vor dem Stein kniete ein junger Mann, der damit beschäftigt war, Name, Geburts- sowie Todesdatum in den Stein zu ritzen. Es schien sich um die ersten Markierungen zu handeln, bestimmt würde das ganze später ausgemeißelt und dann golden angemalt werden.
Er hatte sich kurz zu mir gedreht, als meine Schritte zu hören waren, sich dann aber wieder seiner Arbeit zugewandt. Ich stand ein wenig unschlüssig und hilflos mit den Blumen in der Hand da. Die Erde wirkte frisch geharkt, die Kränze waren nicht mehr da, dafür stand ein großer Topf mit fliederfarbenen Blumen in der Mitte des Grabes. Ich betrachtete einen Moment lang den Steinmetz bei der Arbeit.
Als mir bewusst wurde, wie seltsam die Situation war räusperte ich mich und fragte ihn höflich, ob es ihm etwas ausmachen würde, einige Minuten Pause zu machen. Glücklicherweise war er Raucher und verlängerte die von mir angeforderten drei Minuten umgehend auf sieben. Nachdem er noch einmal zurück gekommen war, um das auf dem Grabstein liegende Handy zu holen, legte ich den Blumenstrauß auf die Erde und setze mich auf den Steinrand.
Ich erzählte ihr, wie sehr ich sie vermisse, dass ich ständig an sie dachte, fast immer ihre Kette trug. Ich richtete liebe Grüße von Claudia aus und versprach, dieses Jahr noch wiederzukommen und ein paar Blumen zu bringen. Ich berichtete, dass ich angefangen hatte, einen Roman zu schreiben in dem sie vorkommt und wie sehr ich hoffte, dass es ihr gut ging. Es gab viel zu sagen, aber alles schien so unwichtig. Ich wollte einfach einen Moment da sein und bei ihr sitzen, die Beklemmung fiel wie von selbst von mir ab und es tat einfach gut sich nicht mehr so fern von ihr zu fühlen.
Nachdem ich mich verabschiedet und ihr einen Kuss zugehaucht hatte machte ich mich wieder auf den Weg. Ich nickte dem Steinmetz dankend zu und er winkte mir zurück, während er an seinen Wagen gelehnt den Rauch in die Luft blies. Ich stapfte den Weg hinab, warf das Papier des Blumenstraußes in einen Container, zog mir mal wieder meinen Mantel aus und machte mich fröhlich auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle.
Gleich würde ich essen gehen, mit einer gemeinsamen Freundin von Nadine und mir. Ich würde ihr von meinem Friedhofsbesuch erzählen und wir würden ein wenig plaudern. Die Aussicht auf die gute Gesellschaft stimmte mich froh. Ebenso sehr wie der Gedanke, dass meine Kleine doch irgendwie weiterlebte. Unter uns. In unseren Gesprächen und Gedanken. Und in meinem Herzen.
Es war warm.
Sehr angenehm, richtig sommerlich. Die Dame im Blumenladen lachte und grinste die ganze Zeit, selbst als ich sagte dass ich einen Strauß zum Niederlegen am Grab bräuchte konnte sie nicht so richtig gedeckte Stimmung aufkommen lassen. Die ganze Situation wirkte falsch aber angenehm, nichts passte so richtig zu meinen Erinnerungen an den Friedhof, aber ich war froh.
Als ich mit dem bunten Strauß in der Hand den Weg hinauf stapfte musste ich daran denken, wie verdammt kalt es beim letzten Mal gewesen war. Jetzt war mir den ganzen Tag lang schon danach, den Mantel auszuziehen, nur ihn umständlich herum zu tragen war mir immer wieder zu lästig geworden. Also fluchte ich die Hälfte der Zeit über den unhandlichen Mantel in meinen Händen, die andere Hälfte schwitzte ich.
Mir war ein wenig schlecht, schon den ganzen Morgen, und ich war mir unsicher ob mein Körper irgendwie auf meine Unsicherheit und mein zerrissenes Inneres reagierte oder ob ich einfach nur hungrig war. Ich hatte noch nichts gegessen, aber es war auch noch früh und eigentlich war ich daran gewöhnt erst spät meine erste Mahlzeit einzunehmen. Andererseits gab es keinen wirklichen Grund, beunruhigt zu sein.
Den Weg kannte ich. Schon von weitem sah ich ein Auto in der Nähe ihres Grabes stehen und fragte mich kurz, ob jemand anderes am Grab war um sie zu besuchen. Ich malte mir aus wie es wäre, ihre Mutter zu treffen. Würde sie mich fragen wer ich bin, woher ich Nadine kannte, wie nahe wir uns gestanden hatten? Würde sie etwas vom Leben ihrer Tochter erfahren wollen?
Ich setzte meinen Weg fort und mir war klar, dass ein Zusammentreffen mit irgendwelchen Angehörigen sehr unwahrscheinlich war. Immerhin gab es ziemlich viele Gräber hier und das Auto würde vermutlich jemand anderem gehören. Warum eigentlich ein Auto, durfte man überhaupt einfach so auf das Gelände fahren? Als ich die richtige Reihe betrat, verstand ich. Vor dem Stein kniete ein junger Mann, der damit beschäftigt war, Name, Geburts- sowie Todesdatum in den Stein zu ritzen. Es schien sich um die ersten Markierungen zu handeln, bestimmt würde das ganze später ausgemeißelt und dann golden angemalt werden.
Er hatte sich kurz zu mir gedreht, als meine Schritte zu hören waren, sich dann aber wieder seiner Arbeit zugewandt. Ich stand ein wenig unschlüssig und hilflos mit den Blumen in der Hand da. Die Erde wirkte frisch geharkt, die Kränze waren nicht mehr da, dafür stand ein großer Topf mit fliederfarbenen Blumen in der Mitte des Grabes. Ich betrachtete einen Moment lang den Steinmetz bei der Arbeit.
Als mir bewusst wurde, wie seltsam die Situation war räusperte ich mich und fragte ihn höflich, ob es ihm etwas ausmachen würde, einige Minuten Pause zu machen. Glücklicherweise war er Raucher und verlängerte die von mir angeforderten drei Minuten umgehend auf sieben. Nachdem er noch einmal zurück gekommen war, um das auf dem Grabstein liegende Handy zu holen, legte ich den Blumenstrauß auf die Erde und setze mich auf den Steinrand.
Ich erzählte ihr, wie sehr ich sie vermisse, dass ich ständig an sie dachte, fast immer ihre Kette trug. Ich richtete liebe Grüße von Claudia aus und versprach, dieses Jahr noch wiederzukommen und ein paar Blumen zu bringen. Ich berichtete, dass ich angefangen hatte, einen Roman zu schreiben in dem sie vorkommt und wie sehr ich hoffte, dass es ihr gut ging. Es gab viel zu sagen, aber alles schien so unwichtig. Ich wollte einfach einen Moment da sein und bei ihr sitzen, die Beklemmung fiel wie von selbst von mir ab und es tat einfach gut sich nicht mehr so fern von ihr zu fühlen.
Nachdem ich mich verabschiedet und ihr einen Kuss zugehaucht hatte machte ich mich wieder auf den Weg. Ich nickte dem Steinmetz dankend zu und er winkte mir zurück, während er an seinen Wagen gelehnt den Rauch in die Luft blies. Ich stapfte den Weg hinab, warf das Papier des Blumenstraußes in einen Container, zog mir mal wieder meinen Mantel aus und machte mich fröhlich auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle.
Gleich würde ich essen gehen, mit einer gemeinsamen Freundin von Nadine und mir. Ich würde ihr von meinem Friedhofsbesuch erzählen und wir würden ein wenig plaudern. Die Aussicht auf die gute Gesellschaft stimmte mich froh. Ebenso sehr wie der Gedanke, dass meine Kleine doch irgendwie weiterlebte. Unter uns. In unseren Gesprächen und Gedanken. Und in meinem Herzen.