Ruedipferd
Mitglied
Ein neues Leben beginnt
In den kommenden Wochen brachte Annette vieles für ihre künftige Stiftung auf die Reihe und war froh, auf Johannes’ Unterstützung und Erfahrung zurückgreifen zu können. Die ersten Hilfesuchenden kamen ins Schwulen-und Lesbenzentrum. Ein monatlicher gemeinsamer Stammtisch von Männern und Frauen wurde ins Leben gerufen und erfreute sich schnell großer Beliebtheit. Annette machte sich hinsichtlich der Rechte Homosexueller schlau und konnte dort bereits nach kurzer Zeit als Anwältin rechtliche Auskunft erteilen. Sie sah sich, wie abgesprochen mit Johannes, in einem Erotikfachgeschäft um und kaufte einiges an Spielzeug für Erwachsene. Johannes’ männliches Teil zeigte sich von Annettes weiblichen Reizen tatsächlich unbeeindruckt, so dass zwischen ihnen nur fertige Ersatzteile zum Einsatz kamen. Aber ihr Partner erwies sich als sehr erfinderisch und einfühlsam. Vom Kopf her gefiel es Johannes mit einer Frau. Beide besuchten einen SM-Club, konnten dem Umgang mit Fesseln und Peitschen aber nicht allzu viel abgewinnen. Blümchensex mit Dildo und Zusammenkuscheln inspirierte die zwei und ließen ihrer Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit den benötigten Raum.
Es war Anfang Juli, als Johannes am Abend wieder mit dem Umschnallpenis erschien und Annette liebevoll in den Arm nahm. Sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen und ließ seine Küsse zu. Doch ihr war nicht nach Sex zu Mute. Er merkte es sofort. „Was ist, du bist so abweisend. Heute keine Lust?“ Sie streichelte daraufhin sein Gesicht. „Ich habe einen schweren Fall zu bewältigen und bin in Gedanken. Es ist etwas kompliziert. Da kam ein Junge von dreizehn Jahren vor zwei Tagen zu uns ins Zentrum. Er hatte die Adresse wohl aus dem Internet. Er fühlte sich seit er denken konnte als Mädchen und kam bei mir auch so rüber. Ich musste erst rätseln, ob ich einen Jungen oder ein Mädchen vor mir hatte. Seine Eltern wissen nichts und sein Vater ist zudem sehr konservativ eingestellt. Ein Junge hat sich wie ein Mann zu verhalten, was immer das heißen mag. Aber für Christoff, so der Name des Jungen, war klar, was der Vater meinte. Seine weibliche Art begeisterte ebenso wenig, wie sein Hobby als Modezeichner. Er konnte sich den Eltern nicht weiter anvertrauen und erzählte mir weinend von seinem Problem. Er glaubt Mann zu Frau transidentisch zu sein. Seit frühester Kindheit wünschte er sich, als Mädchen leben zu dürfen. Natürlich ist er jetzt noch zu jung, um auf eigene Faust Schritte zu unternehmen. Das habe ich ihm auch erklärt. Wenn seine Eltern nicht mitziehen und nicht umzustimmen sind, wird ihm mit achtzehn Jahren nichts anderes übrig bleiben, als das Elternhaus zu verlassen. Es ist wichtig, dass er eine fundierte Berufsausbildung macht. Vielleicht lässt sich der Vater zur Ausbildung in einem Beruf als Designer überreden. Es gibt anerkannte Textilfachschulen und so manch einer der großen Modezaren hat klein angefangen. Wir stecken in einem Dilemma. Christoff fühlt sich stark als Mädchen und wird über kurz oder lang in den Stimmbruch kommen. Du weißt, was das heißt?“ Johannes nickte. „Ja, das ist irreversibel und der Bartwuchs müsste nachher sehr schmerzhaft epiliert werden. Aber um die Pubertät zu blocken, müssten die Eltern ihre Zustimmung geben. Sie haben das Sorgerecht und wenn sie den Schritt und Christoffs Weg nicht gutheißen, wird er bis zum achtzehnten Lebensjahr warten müssen.“ Annette wusste, dass Johannes Recht hatte. Der normale juristische Weg war einzuhalten. Aber dazu musste sie den Jungen nach Hause schicken und ihm sagen, dass er erst mit achtzehn Jahren wieder kommen durfte. Ihr eigenes Leben zog an ihr vorüber. Sie schüttelte sich unwillkürlich bei dem Gedanken, einen Jugendlichen die nächsten fünf Jahre sich selbst überlassen zu müssen und womöglich Zeuge einer Verzweiflungstat zu werden, wenn es ihm nicht gelingt, so lange durchzuhalten, bis er erwachsen ist. Machte sie sich nicht mitschuldig? Moralisch auf jeden Fall. Aber musste sie nicht juristisch belangt werden, wenn sie von der seelischen Not eines Kindes in dieser besonderen Situation erfährt und nicht hilft? Johannes hatte ihre Gedanken erraten. „Es gibt eine Möglichkeit, zumindest alles getan zu haben, was möglich ist“, meinte er. „Du musst mit ihm zum Jugendamt gehen und er soll seine Gefühle dort schildern. Nur das Amt kann die Eltern vorladen und mit ihnen entsprechende Gespräche führen. Wenn es gelingt, die Eltern davon zu überzeugen, dass er psychologisch und medizinisch auf seine mögliche Transidentität untersucht wird und bei einem positiven Befund, die Pubertät blockiert werden sollte, so können sich die Eltern dem nicht entgegenstellen. Im Notfall kannst du ihn vor Gericht vertreten, wenn das Jugendamt das Sorgerecht übertragen bekommen soll. Das ist im Augenblick der einzige Weg für Christoff.“ Annette atmete tief aus. Sie fühlte sich ruhiger. Ja, das war es. Genauso musste es ablaufen. So hatte sie es selbst vor Augen gehabt. Und wenn sie Glück hatten, lenkten die Eltern ein. Es ging in erster Linie um das Glück des eigenen Kindes. „Er will morgen wiederkommen. Ich werde alles mit ihm besprechen. So, und jetzt bin ich bereit für Sex mit dir!“, lachte sie. Ihr Freund ließ sich nicht zweimal bitten. Auch wenn Johannes keine Erektion bekommen konnte, liebte er sie zärtlich und einfühlsam. Der Dildo war der Neoscheide angepasst und stimulierte das Zentrum ihres Lustempfindens in Länge und Größe perfekt. Annette konnte sich herrlich entspannen und genoss die traute Zweisamkeit mit ihrem Johannes in vollsten Zügen.
Sie fragte sich manchmal, ob Johannes nicht Sehnsucht nach einem Mann hatte. Aber er machte keinerlei Anstalten, sich in der Schwulen-Szene umzusehen. Am anderen Morgen sprach sie ihn darauf an. „Hier ist die Kaffeesahne und um auf deine Frage zurückzukommen: Nein, im Augenblick habe ich nur Sex mit einer transsexuellen Frau namens Annette von Wichern. Aren ist hier noch überall gegenwärtig, dass mir nicht der Sinn nach einem männlichen Abenteuer steht und eine feste neue Beziehung will ich schon gar nicht. Ich habe ihn sehr geliebt. Da unterscheiden sich Homosexuelle nicht von Heterosexuellen. Ein Mann geht nach dem Tod seiner Frau auch nicht sofort zur Tagesordnung über, jedenfalls nicht in der Regel. Weitere Fragen zu meiner Ausrichtung?“ Annette schmunzelte und nahm ihn in die Arme. „Entschuldige, das war blöd von mir. Du hast ja Recht. Du sollst nur wissen, dass du jederzeit einen Freund haben darfst, ich bin nicht eifersüchtig. Schließlich bin ich eine Frau. Allerdings bitte ich mir da Treue aus. Eine andere Frau würde dir keinen Spaß machen, dann könnte ich unangenehm werden.“ „Gut zu wissen. Ich denke, es besteht nur eine sehr geringe Gefahr für mich in dieser Hinsicht abtrünnig zu werden“, meinte er. „Ich muss dich aber in einer halben Stunde verlassen, denn ich habe ein Gespräch mit meinem Verleger.“ „Kein Problem, ich decke den Tisch ab und mache sauber, wie sich das für eine Frau gehört. Wir benehmen uns bereits wie ein altes Ehepaar.“ Er gab ihr einen Kuss und verschwand in der Garage. Sie hörte, wie er den Motor startete, packte die Lebensmittel in den Kühlschrank und stellte das Geschirr in den Spüler. Fast schon Routine, dachte sie und fuhr zu Magda. Die hatte allein gefrühstückt, schenkte ihrer Tochter aber eine Tasse Kaffee ein. „So, nun erzähl mal. Was hast du heute vor? Martin rief gestern Abend an und fragte, ob ich schon wüsste, wann du in der Firma anfangen willst.“ Uff, das hatte sie in dem ganzen Trubel doch glatt vergessen. „Ich fahre nachher zu ihm. Ich denke, nächste Woche kann es losgehen. Da ist ein schwieriger Fall mit einem Jungen, den ich irgendwie lösen muss. Ach, Mama, warum können nicht alle Eltern so vernünftig sein wie du?“ „Bin ich das? Wäre mir neu. Vater hat immer gemeint, ich wäre viel zu lasch mit euch. Er fehlt mir unendlich und nun bist du noch ständig weg. Ich freue mich ja für dich. Johannes ist sicher das Beste, was dir im Augenblick passieren konnte. Er passt sehr gut zu dir. Nur, die Abende sind allein doch ziemlich einsam.“ Annette sah ihre Mutter liebevoll an. Irgendwas musste ihr einfallen. Magda durfte nicht ohne Gesellschaft bleiben. Ein netter Herr? Nur eine Freundschaft, genau wie sie sie mit Johannes pflegte? Natürlich ohne Sex. „Soll ich mal eine Annonce aufgeben: Suche für meine rüstige Mutter einen netten männlichen Begleiter für Theater, Oper und Konzerte?“, meinte sie schmunzelnd. „Untersteh dich. Das kann ich selbst. Andererseits ist die Idee gar nicht schlecht. Ich muss mal überlegen, wie ich das formuliere. Ich hab da etwas im Sinn. Hast du nichts vor? Ich will gleich ein paar Telefonate führen. Es gibt viele Leute in meinem Alter, die nach dem plötzlichen Tod des Partners in ein tiefes Loch fallen und wenigstens hin und wieder unter Menschen gehören. Da lässt sich sicher etwas organisieren.“ Annette glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Die Frau hatte aber Power. Bewundernd sperrte sie Mund und Augen auf. „Mutter, du bist ja fitter als ich. Alle Achtung.“ Das muss ich auch, dachte Magda von Wichern, sonst liege ich in ein paar Monaten neben Friedrich. Aber das will ich eigentlich noch nicht. Sterben werden wir früh genug. „Danke, mein Kind. Und jetzt entschuldige mich. Ich muss telefonieren und mich anziehen.“
Magda ging ins obere Stockwerk hinauf und ihre Tochter blieb in der Küche allein, die Kaffeetasse vor sich. Sie blickte gedankenverloren auf den großen Garten, in dem sich gerade die ersten Schneeglöckchen und einige Krokusse anschickten, mit der Blüte zu beginnen. Ein neues Jahr lag zum Greifen nah, neue Aufgaben und neue Freunde erwarteten Annettes ganzen Einsatz. „Ach, Lisa, wie schön wäre es jetzt gewesen, wenn wir zwei nun zusammen leben könnten. Johannes an unserer Seite. Du hättest ihn sehr lieb gehabt. Ich werde deine Mama anrufen und sie zur Eröffnungsfeier unseres Beratungszentrums einladen. Du wirst immer in meinem Herzen sein. Ich werde dich nie vergessen.“ Annette hatte wieder laut gesprochen, aber diesmal hörte ihr niemand zu. Sie war nun endlich rechtlich und äußerlich eine Frau geworden und das Leben begann für sie noch einmal neu. Ob es besser sein würde, konnte sie erst im Nachhinein feststellen. Eines spürte sie aber bereits heute: Ihre Welt erschien ihr ein ganzes Stück klarer zu werden.
In den kommenden Wochen brachte Annette vieles für ihre künftige Stiftung auf die Reihe und war froh, auf Johannes’ Unterstützung und Erfahrung zurückgreifen zu können. Die ersten Hilfesuchenden kamen ins Schwulen-und Lesbenzentrum. Ein monatlicher gemeinsamer Stammtisch von Männern und Frauen wurde ins Leben gerufen und erfreute sich schnell großer Beliebtheit. Annette machte sich hinsichtlich der Rechte Homosexueller schlau und konnte dort bereits nach kurzer Zeit als Anwältin rechtliche Auskunft erteilen. Sie sah sich, wie abgesprochen mit Johannes, in einem Erotikfachgeschäft um und kaufte einiges an Spielzeug für Erwachsene. Johannes’ männliches Teil zeigte sich von Annettes weiblichen Reizen tatsächlich unbeeindruckt, so dass zwischen ihnen nur fertige Ersatzteile zum Einsatz kamen. Aber ihr Partner erwies sich als sehr erfinderisch und einfühlsam. Vom Kopf her gefiel es Johannes mit einer Frau. Beide besuchten einen SM-Club, konnten dem Umgang mit Fesseln und Peitschen aber nicht allzu viel abgewinnen. Blümchensex mit Dildo und Zusammenkuscheln inspirierte die zwei und ließen ihrer Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit den benötigten Raum.
Es war Anfang Juli, als Johannes am Abend wieder mit dem Umschnallpenis erschien und Annette liebevoll in den Arm nahm. Sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen und ließ seine Küsse zu. Doch ihr war nicht nach Sex zu Mute. Er merkte es sofort. „Was ist, du bist so abweisend. Heute keine Lust?“ Sie streichelte daraufhin sein Gesicht. „Ich habe einen schweren Fall zu bewältigen und bin in Gedanken. Es ist etwas kompliziert. Da kam ein Junge von dreizehn Jahren vor zwei Tagen zu uns ins Zentrum. Er hatte die Adresse wohl aus dem Internet. Er fühlte sich seit er denken konnte als Mädchen und kam bei mir auch so rüber. Ich musste erst rätseln, ob ich einen Jungen oder ein Mädchen vor mir hatte. Seine Eltern wissen nichts und sein Vater ist zudem sehr konservativ eingestellt. Ein Junge hat sich wie ein Mann zu verhalten, was immer das heißen mag. Aber für Christoff, so der Name des Jungen, war klar, was der Vater meinte. Seine weibliche Art begeisterte ebenso wenig, wie sein Hobby als Modezeichner. Er konnte sich den Eltern nicht weiter anvertrauen und erzählte mir weinend von seinem Problem. Er glaubt Mann zu Frau transidentisch zu sein. Seit frühester Kindheit wünschte er sich, als Mädchen leben zu dürfen. Natürlich ist er jetzt noch zu jung, um auf eigene Faust Schritte zu unternehmen. Das habe ich ihm auch erklärt. Wenn seine Eltern nicht mitziehen und nicht umzustimmen sind, wird ihm mit achtzehn Jahren nichts anderes übrig bleiben, als das Elternhaus zu verlassen. Es ist wichtig, dass er eine fundierte Berufsausbildung macht. Vielleicht lässt sich der Vater zur Ausbildung in einem Beruf als Designer überreden. Es gibt anerkannte Textilfachschulen und so manch einer der großen Modezaren hat klein angefangen. Wir stecken in einem Dilemma. Christoff fühlt sich stark als Mädchen und wird über kurz oder lang in den Stimmbruch kommen. Du weißt, was das heißt?“ Johannes nickte. „Ja, das ist irreversibel und der Bartwuchs müsste nachher sehr schmerzhaft epiliert werden. Aber um die Pubertät zu blocken, müssten die Eltern ihre Zustimmung geben. Sie haben das Sorgerecht und wenn sie den Schritt und Christoffs Weg nicht gutheißen, wird er bis zum achtzehnten Lebensjahr warten müssen.“ Annette wusste, dass Johannes Recht hatte. Der normale juristische Weg war einzuhalten. Aber dazu musste sie den Jungen nach Hause schicken und ihm sagen, dass er erst mit achtzehn Jahren wieder kommen durfte. Ihr eigenes Leben zog an ihr vorüber. Sie schüttelte sich unwillkürlich bei dem Gedanken, einen Jugendlichen die nächsten fünf Jahre sich selbst überlassen zu müssen und womöglich Zeuge einer Verzweiflungstat zu werden, wenn es ihm nicht gelingt, so lange durchzuhalten, bis er erwachsen ist. Machte sie sich nicht mitschuldig? Moralisch auf jeden Fall. Aber musste sie nicht juristisch belangt werden, wenn sie von der seelischen Not eines Kindes in dieser besonderen Situation erfährt und nicht hilft? Johannes hatte ihre Gedanken erraten. „Es gibt eine Möglichkeit, zumindest alles getan zu haben, was möglich ist“, meinte er. „Du musst mit ihm zum Jugendamt gehen und er soll seine Gefühle dort schildern. Nur das Amt kann die Eltern vorladen und mit ihnen entsprechende Gespräche führen. Wenn es gelingt, die Eltern davon zu überzeugen, dass er psychologisch und medizinisch auf seine mögliche Transidentität untersucht wird und bei einem positiven Befund, die Pubertät blockiert werden sollte, so können sich die Eltern dem nicht entgegenstellen. Im Notfall kannst du ihn vor Gericht vertreten, wenn das Jugendamt das Sorgerecht übertragen bekommen soll. Das ist im Augenblick der einzige Weg für Christoff.“ Annette atmete tief aus. Sie fühlte sich ruhiger. Ja, das war es. Genauso musste es ablaufen. So hatte sie es selbst vor Augen gehabt. Und wenn sie Glück hatten, lenkten die Eltern ein. Es ging in erster Linie um das Glück des eigenen Kindes. „Er will morgen wiederkommen. Ich werde alles mit ihm besprechen. So, und jetzt bin ich bereit für Sex mit dir!“, lachte sie. Ihr Freund ließ sich nicht zweimal bitten. Auch wenn Johannes keine Erektion bekommen konnte, liebte er sie zärtlich und einfühlsam. Der Dildo war der Neoscheide angepasst und stimulierte das Zentrum ihres Lustempfindens in Länge und Größe perfekt. Annette konnte sich herrlich entspannen und genoss die traute Zweisamkeit mit ihrem Johannes in vollsten Zügen.
Sie fragte sich manchmal, ob Johannes nicht Sehnsucht nach einem Mann hatte. Aber er machte keinerlei Anstalten, sich in der Schwulen-Szene umzusehen. Am anderen Morgen sprach sie ihn darauf an. „Hier ist die Kaffeesahne und um auf deine Frage zurückzukommen: Nein, im Augenblick habe ich nur Sex mit einer transsexuellen Frau namens Annette von Wichern. Aren ist hier noch überall gegenwärtig, dass mir nicht der Sinn nach einem männlichen Abenteuer steht und eine feste neue Beziehung will ich schon gar nicht. Ich habe ihn sehr geliebt. Da unterscheiden sich Homosexuelle nicht von Heterosexuellen. Ein Mann geht nach dem Tod seiner Frau auch nicht sofort zur Tagesordnung über, jedenfalls nicht in der Regel. Weitere Fragen zu meiner Ausrichtung?“ Annette schmunzelte und nahm ihn in die Arme. „Entschuldige, das war blöd von mir. Du hast ja Recht. Du sollst nur wissen, dass du jederzeit einen Freund haben darfst, ich bin nicht eifersüchtig. Schließlich bin ich eine Frau. Allerdings bitte ich mir da Treue aus. Eine andere Frau würde dir keinen Spaß machen, dann könnte ich unangenehm werden.“ „Gut zu wissen. Ich denke, es besteht nur eine sehr geringe Gefahr für mich in dieser Hinsicht abtrünnig zu werden“, meinte er. „Ich muss dich aber in einer halben Stunde verlassen, denn ich habe ein Gespräch mit meinem Verleger.“ „Kein Problem, ich decke den Tisch ab und mache sauber, wie sich das für eine Frau gehört. Wir benehmen uns bereits wie ein altes Ehepaar.“ Er gab ihr einen Kuss und verschwand in der Garage. Sie hörte, wie er den Motor startete, packte die Lebensmittel in den Kühlschrank und stellte das Geschirr in den Spüler. Fast schon Routine, dachte sie und fuhr zu Magda. Die hatte allein gefrühstückt, schenkte ihrer Tochter aber eine Tasse Kaffee ein. „So, nun erzähl mal. Was hast du heute vor? Martin rief gestern Abend an und fragte, ob ich schon wüsste, wann du in der Firma anfangen willst.“ Uff, das hatte sie in dem ganzen Trubel doch glatt vergessen. „Ich fahre nachher zu ihm. Ich denke, nächste Woche kann es losgehen. Da ist ein schwieriger Fall mit einem Jungen, den ich irgendwie lösen muss. Ach, Mama, warum können nicht alle Eltern so vernünftig sein wie du?“ „Bin ich das? Wäre mir neu. Vater hat immer gemeint, ich wäre viel zu lasch mit euch. Er fehlt mir unendlich und nun bist du noch ständig weg. Ich freue mich ja für dich. Johannes ist sicher das Beste, was dir im Augenblick passieren konnte. Er passt sehr gut zu dir. Nur, die Abende sind allein doch ziemlich einsam.“ Annette sah ihre Mutter liebevoll an. Irgendwas musste ihr einfallen. Magda durfte nicht ohne Gesellschaft bleiben. Ein netter Herr? Nur eine Freundschaft, genau wie sie sie mit Johannes pflegte? Natürlich ohne Sex. „Soll ich mal eine Annonce aufgeben: Suche für meine rüstige Mutter einen netten männlichen Begleiter für Theater, Oper und Konzerte?“, meinte sie schmunzelnd. „Untersteh dich. Das kann ich selbst. Andererseits ist die Idee gar nicht schlecht. Ich muss mal überlegen, wie ich das formuliere. Ich hab da etwas im Sinn. Hast du nichts vor? Ich will gleich ein paar Telefonate führen. Es gibt viele Leute in meinem Alter, die nach dem plötzlichen Tod des Partners in ein tiefes Loch fallen und wenigstens hin und wieder unter Menschen gehören. Da lässt sich sicher etwas organisieren.“ Annette glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Die Frau hatte aber Power. Bewundernd sperrte sie Mund und Augen auf. „Mutter, du bist ja fitter als ich. Alle Achtung.“ Das muss ich auch, dachte Magda von Wichern, sonst liege ich in ein paar Monaten neben Friedrich. Aber das will ich eigentlich noch nicht. Sterben werden wir früh genug. „Danke, mein Kind. Und jetzt entschuldige mich. Ich muss telefonieren und mich anziehen.“
Magda ging ins obere Stockwerk hinauf und ihre Tochter blieb in der Küche allein, die Kaffeetasse vor sich. Sie blickte gedankenverloren auf den großen Garten, in dem sich gerade die ersten Schneeglöckchen und einige Krokusse anschickten, mit der Blüte zu beginnen. Ein neues Jahr lag zum Greifen nah, neue Aufgaben und neue Freunde erwarteten Annettes ganzen Einsatz. „Ach, Lisa, wie schön wäre es jetzt gewesen, wenn wir zwei nun zusammen leben könnten. Johannes an unserer Seite. Du hättest ihn sehr lieb gehabt. Ich werde deine Mama anrufen und sie zur Eröffnungsfeier unseres Beratungszentrums einladen. Du wirst immer in meinem Herzen sein. Ich werde dich nie vergessen.“ Annette hatte wieder laut gesprochen, aber diesmal hörte ihr niemand zu. Sie war nun endlich rechtlich und äußerlich eine Frau geworden und das Leben begann für sie noch einmal neu. Ob es besser sein würde, konnte sie erst im Nachhinein feststellen. Eines spürte sie aber bereits heute: Ihre Welt erschien ihr ein ganzes Stück klarer zu werden.