VeraL
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Maja verließ ihre Wohnung normalerweise nie. In ihrem Zuhause war sie sicher, hier war es ordentlich, keimfrei und alle Dinge waren symmetrisch in geraden Zahlen angeordnet. Die Treppe von ihrer Wohnung ins Erdgeschoss hatte 15 Stufen. Wenn sie einmal in der Woche hinunterging, um in den Postkasten zu schauen, bereitete ihr diese ungerade Zahl fast körperliche Schmerzen. Sie war froh, in der heutigen Zeit zu leben, in der es Lieferdienste für alles gab und man nicht ins Büro gehen musste, um Geld zu verdienen.
Der Dienstag im Mai begann wie jeder andere Tag. Maja kochte sich nach dem Aufstehen zwei Tassen Tee und machte sich vier Scheiben Brot. Den Käse dafür schnitt sie genau auf die Größe des Brotes. Vor und nach dem Essen wusch sie sich jeweils vier Minuten die Hände. Dann spülte sie das Geschirr und saugte die Krümel auf. Sie putze eine Stunde lang die Wohnung und ging ins Bad, um sich selbst zu waschen, was weitere 1,5 Stunden in Anspruch nahm. Erst danach war sie bereit, ihren Laptop hochzufahren und ihre Mails zu lesen. Sie war Programmiererin für Spiele und liebte es, dass sie sicher in ihrem Zuhause fremde Welten entstehen lassen konnte. Es dauerte nicht lange und sie verlor sich völlig in ihrer Arbeit. Es klingelte an der Tür. Sie schreckte auf. Niemand läutete an ihrer Tür. Die Paketboten sämtlicher Firmen wussten, dass sie die Pakete vor die Tür stellen sollten. Ihrer Mutter kam nur Sonntags zu Besuch. Was sollte sie tun? Es klingelte erneut. Vielleicht war es ein Notfall? Ein Wasserrohbruch? Langsam ging sie zur Tür. Dann ging sie zurück, weil sie 19 Schritte gebraucht hatte und den Türrahmen gestreift hatte. Sie machte kleinere Schritte und kam auf 20. Das war in Ordnung. Zögerlich drehte sie den Schlüssel, zog die Tür einen Spalt weit auf und zuckte zurück.
Vor ihr stand eine unbekannte Frau in einem Kleid mit Blütenmuster und streckte ihr einen Teller mit einem kleinen Törtchen entgegen. „Guten Morgen, ich bin Sophia Kleinmann, die neue Nachbarin von gegenüber. Ich habe Ihnen ein kleine Aufmerksamkeit mitgebracht. Auf gute Nachbarschaft.“ Sie streckte den Teller mit dem Kuchen noch ein Stück weiter vor.
Maja starrte die Nachbarin an. Was sollte sie sagen? Sie hatte seit drei Wochen mit niemandem gesprochen. Sie durchforstete ihr Gehirn nach passenden Antworten. „Danke. Das ist sehr nett von Ihnen.“ Sie wollte jetzt sehr gerne die Tür wieder schließen.
„Sie mögen doch Erdbeeren?“
Maja schaute das Törtchen an. Darauf waren sechs Erdbeeren. „Ja.“
Das Lächeln der Frau wurde steifer. Sie streckte den Teller noch weiter in Majas Richtung, die einen Schritt zurück machte. Maja wollte den Teller nicht anfassen. Nicht ohne Handschuhe. Aber wenn sie ihn nicht nahm, würde die Frau nicht gehen. Sie griff nach dem Teller und bemühte sich, nicht zusammenzuzucken.
„Arbeiten Sie von zu Hause aus? Frau Schröder von unten meinte, sie wären den ganzen Tag hier. Ich fange erst nächste Woche bei meiner neuen Stelle an, wenn Sie wollen können Sie gerne mal auf einen Kaffee vorbeikommen. Ich kenne in dieser Stadt noch keinen.“
Das wollte Maja auf keinen Fall. „Ja, ich arbeite hier. Ich muss auch dringend weiter machen.“
Frau Kleinmann sah enttäuscht aus. „Schade, aber da kann man nichts machen. Bringen Sie mir den Teller einfach die Tage vorbei.“
Erleichtert schloss Maja die Tür.
Was sollte sie jetzt mit dem Törtchen machen? Wer weiß, welche Keime die Nachbarin in ihrer Küche hatte? Hatte sie sich gründlich die Hände gewaschen? Maja kaufte nur steril in Plastik verpackte Lebensmittel. Und damit war ihr schon nicht ganz wohl. Sie stellte den Teller auf die Arbeitsplatte, so dass er nichts anderes berühren konnte, wusch sich achtmal die Hände und versuchte sich dann wieder auf die Arbeit zu konzentrieren. Sie ging in die Küche. 25 Schritte. Schnell lief sie zurück. Sechs Minuten später versuchte sie es erneut. 28 Schritte. Der Kuchen roch fruchtig. Maja würde ihn wegwerfen, den Teller gründlich spülen und ihn dann der Nachbarin vor die Tür stellen. Auf einer Karte konnte sie sich bedanken und darum bitten, nicht mehr gestört zu werden. Das war ein guter Plan.
12 Minuten später stand sie wieder in der Küche. Die Erdbeeren waren verlockend rot und in den Zwischenräumen konnte sie Vanillepudding sehen. Den hatte ihr ihre Oma früher immer gemacht. Eine wohlige Wärme durchströmte sie, als Bilder vor ihren Augen auftauchten. Ihre Oma im Garten, die mit ihr Erdbeeren pflückte. Das abendliche Vorlesen. Kuchen backen. Sie griff nach einer Gabel, stach sie in das Törtchen und schob sie in ihren Mund. Es schmeckte herrlich süß. Diese Erdbeeren waren garantiert nie steril in Plastik verpackt gewesen und der Teig war perfekt fluffig. Ohne Nachzudenken verschlang sie das ganze Erdbeertörtchen.
Erstaunt über sich selbst schaute sie auf die Krümel auf dem Teller. Was sollte sie jetzt tun? Sie steuerte das Sofa an. Normalerweise würde sie sich jetzt hinlegen und auf die ersten Anzeichen einer Lebensmittelvergiftung warten. Doch sie fühlte sich nicht krank, sondern ungewohnt lebendig. Sie drehte sich um und spülte in der Küche den Teller ab. 34 Schritte bis zur Wohnungstür. Sechs Schritte bis zur Tür von Frau Kleinmann. Zur Sicherheit klingelte sie zweimal. Als die Tür geöffnet wurde, wurde ihr Mund trocken.
„Ah, wie schön. Wollen Sie einen Moment reinkommen?“.
Maja machte einen vorsichtigen Schritt über die Schwelle.
Der Dienstag im Mai begann wie jeder andere Tag. Maja kochte sich nach dem Aufstehen zwei Tassen Tee und machte sich vier Scheiben Brot. Den Käse dafür schnitt sie genau auf die Größe des Brotes. Vor und nach dem Essen wusch sie sich jeweils vier Minuten die Hände. Dann spülte sie das Geschirr und saugte die Krümel auf. Sie putze eine Stunde lang die Wohnung und ging ins Bad, um sich selbst zu waschen, was weitere 1,5 Stunden in Anspruch nahm. Erst danach war sie bereit, ihren Laptop hochzufahren und ihre Mails zu lesen. Sie war Programmiererin für Spiele und liebte es, dass sie sicher in ihrem Zuhause fremde Welten entstehen lassen konnte. Es dauerte nicht lange und sie verlor sich völlig in ihrer Arbeit. Es klingelte an der Tür. Sie schreckte auf. Niemand läutete an ihrer Tür. Die Paketboten sämtlicher Firmen wussten, dass sie die Pakete vor die Tür stellen sollten. Ihrer Mutter kam nur Sonntags zu Besuch. Was sollte sie tun? Es klingelte erneut. Vielleicht war es ein Notfall? Ein Wasserrohbruch? Langsam ging sie zur Tür. Dann ging sie zurück, weil sie 19 Schritte gebraucht hatte und den Türrahmen gestreift hatte. Sie machte kleinere Schritte und kam auf 20. Das war in Ordnung. Zögerlich drehte sie den Schlüssel, zog die Tür einen Spalt weit auf und zuckte zurück.
Vor ihr stand eine unbekannte Frau in einem Kleid mit Blütenmuster und streckte ihr einen Teller mit einem kleinen Törtchen entgegen. „Guten Morgen, ich bin Sophia Kleinmann, die neue Nachbarin von gegenüber. Ich habe Ihnen ein kleine Aufmerksamkeit mitgebracht. Auf gute Nachbarschaft.“ Sie streckte den Teller mit dem Kuchen noch ein Stück weiter vor.
Maja starrte die Nachbarin an. Was sollte sie sagen? Sie hatte seit drei Wochen mit niemandem gesprochen. Sie durchforstete ihr Gehirn nach passenden Antworten. „Danke. Das ist sehr nett von Ihnen.“ Sie wollte jetzt sehr gerne die Tür wieder schließen.
„Sie mögen doch Erdbeeren?“
Maja schaute das Törtchen an. Darauf waren sechs Erdbeeren. „Ja.“
Das Lächeln der Frau wurde steifer. Sie streckte den Teller noch weiter in Majas Richtung, die einen Schritt zurück machte. Maja wollte den Teller nicht anfassen. Nicht ohne Handschuhe. Aber wenn sie ihn nicht nahm, würde die Frau nicht gehen. Sie griff nach dem Teller und bemühte sich, nicht zusammenzuzucken.
„Arbeiten Sie von zu Hause aus? Frau Schröder von unten meinte, sie wären den ganzen Tag hier. Ich fange erst nächste Woche bei meiner neuen Stelle an, wenn Sie wollen können Sie gerne mal auf einen Kaffee vorbeikommen. Ich kenne in dieser Stadt noch keinen.“
Das wollte Maja auf keinen Fall. „Ja, ich arbeite hier. Ich muss auch dringend weiter machen.“
Frau Kleinmann sah enttäuscht aus. „Schade, aber da kann man nichts machen. Bringen Sie mir den Teller einfach die Tage vorbei.“
Erleichtert schloss Maja die Tür.
Was sollte sie jetzt mit dem Törtchen machen? Wer weiß, welche Keime die Nachbarin in ihrer Küche hatte? Hatte sie sich gründlich die Hände gewaschen? Maja kaufte nur steril in Plastik verpackte Lebensmittel. Und damit war ihr schon nicht ganz wohl. Sie stellte den Teller auf die Arbeitsplatte, so dass er nichts anderes berühren konnte, wusch sich achtmal die Hände und versuchte sich dann wieder auf die Arbeit zu konzentrieren. Sie ging in die Küche. 25 Schritte. Schnell lief sie zurück. Sechs Minuten später versuchte sie es erneut. 28 Schritte. Der Kuchen roch fruchtig. Maja würde ihn wegwerfen, den Teller gründlich spülen und ihn dann der Nachbarin vor die Tür stellen. Auf einer Karte konnte sie sich bedanken und darum bitten, nicht mehr gestört zu werden. Das war ein guter Plan.
12 Minuten später stand sie wieder in der Küche. Die Erdbeeren waren verlockend rot und in den Zwischenräumen konnte sie Vanillepudding sehen. Den hatte ihr ihre Oma früher immer gemacht. Eine wohlige Wärme durchströmte sie, als Bilder vor ihren Augen auftauchten. Ihre Oma im Garten, die mit ihr Erdbeeren pflückte. Das abendliche Vorlesen. Kuchen backen. Sie griff nach einer Gabel, stach sie in das Törtchen und schob sie in ihren Mund. Es schmeckte herrlich süß. Diese Erdbeeren waren garantiert nie steril in Plastik verpackt gewesen und der Teig war perfekt fluffig. Ohne Nachzudenken verschlang sie das ganze Erdbeertörtchen.
Erstaunt über sich selbst schaute sie auf die Krümel auf dem Teller. Was sollte sie jetzt tun? Sie steuerte das Sofa an. Normalerweise würde sie sich jetzt hinlegen und auf die ersten Anzeichen einer Lebensmittelvergiftung warten. Doch sie fühlte sich nicht krank, sondern ungewohnt lebendig. Sie drehte sich um und spülte in der Küche den Teller ab. 34 Schritte bis zur Wohnungstür. Sechs Schritte bis zur Tür von Frau Kleinmann. Zur Sicherheit klingelte sie zweimal. Als die Tür geöffnet wurde, wurde ihr Mund trocken.
„Ah, wie schön. Wollen Sie einen Moment reinkommen?“.
Maja machte einen vorsichtigen Schritt über die Schwelle.