ein Vampir packt aus

Arcos

Mitglied
in der Nacht so tief und dunkel
wo der Schatten langsam weicht
und der Mond bei Sternenfunkeln
über stille Felder streicht
öffne ich die alte Gruft
trete vor im schwachen Schein
hinter mir die Totenluft
Knacken, Knarren im Gebein

war einst Mensch, wie ihr auch seid
hab gelacht, geliebt, geweint
trage nun des Fluches Leid
mit der Finsternis vereint
dunkle Seele, die ich bin
meide ich den Sonnenschein
doch selbst ich such einen Sinn
bin hier unten oft allein


was ist los mit eurem Blut
ist nicht süß und macht nicht satt
euren Augen fehlt die Glut
die Gesichter bleich und matt
saurer Saft beim Kehlen-Beißen
finde keine Nahrung mehr
Hunger wird mich bald zerreißen
fühle mich so kalt und leer
 
Zuletzt bearbeitet:

Johnson

Mitglied
Arcos, du im Genre des Gereimten…… Vampire habe ich seit „Interview mit einem Vampire“ mit J. Phoenix aus einem anderen Blickwinkel betratet……………………
 

sufnus

Mitglied
Hey Arcos,
das Sujet ist grundsätzlich ergiebig, finde ich und in Strophe 3 ist eine gewisse Infragestellung der Üblichkeiten zu verzeichnen, denn es klingt fast so, als sei der Vampir deshalb so ein grauslig-kalter Gesell, weil die "normalen" Menschen nur so einen toxischen Lebenssaft bieten. Das hätte, finde ich, noch deutlicher herausgearbeitet werden können (wenn das die Intention war).
Insgesamt klingt aber zu viel nach Reim-dich-oder-ich-fress-dich. Teilweise wurde für Reimwörter die Faktizität geopfer (der Mond funkelt im Gegensatz zu den Sternen nicht und tut dies hier nur, um ein Reimwort liefern zu können). Teilweise geht über dem Reim auch die Grammatik über Bord ("ich war Mensch ... geweint") oder auch die Logik ("vergangen ist das schöne Blut noch sehr süß und wirklich satt").
Unterm Strich "funktioniert" dieser Reimversuch daher für mich noch nicht. Aber der Plot hätte allemal das Potenzial dazu, ein spannendes Gedicht zu ergeben. :)
LG!
S.
 

Arcos

Mitglied
Herzlichen Dank lieber sufnus für deinen Kommentar und die ehrliche Einschätzung.

Für mich hat das Werk eine eigene Schönheit. Und, ehrlich gesagt, hatte ich Freude daran, es zu schreiben. Es war nicht erzwungen.
Freude am kreativen Tun…

Vielleicht geht es im Leben nicht gerade um Perfektion, sondern um Freude über die einfachsten Dinge.
Vielleicht geht es darum, wieder Kind zu sein…

Liebe Grüße
Önder
 

sufnus

Mitglied
Hey Önder,
danke für die Erkärung - mit diesem Hinweis in petto hätte ich Obiges so nicht formuliert, irgendwie hatte Deine Formulierung, dass Du "erste Schritte wagst" in mir die Vorstellung hervorgerufen, Du wärst gerade auf eine gewisse "Perfektionierung" aus (wobei ich persönlich ein "perfektes Gedicht" für langweilig und ein "imperfektes Gedicht" für weitaus "perfekter"). Was ich nicht richtig mitbedacht hab, war der Hinweis auf "zarte Schritte". Da hab ich mich dann vermutlich obig in der Ebene vertan. Ich hoffe, Du bist wegen meiner "Schulmeisterei" (die gar nicht so gemeint war) nicht sauer....
.... was ich ja oben schon beanmerkt habe, und jetzt gerne nochmal unterstreiche, ist dass mir das differenzierte Bild des Vampirs samt kritischem Blick auf die "normalen Menschen" sehr gefällt, er ist kein eindimensionaler Pappkameradbösewicht, aber auch nicht das arme Hascherl-Opfer. :)
Würdest Du diesem Untonten als eine Art van Helsing gegenübertreten, hättest Du keinen Holzpflock dabei sondern eine Bluttransfusion, Sonnenschutzcreme mit LSF 10000 und einen Ikea-Gutschein für eine gemütlichere Bettstatt. :)
LG!
S.
 

Arcos

Mitglied
Bluttransfusion, Sonnenschutzcreme, Ikea-Gutschein….das hat mich wirklich sehr amüsiert, ehrlich :)
Ja, ein Vampir ist auch nur ein armer Mensch mit gewissen Bedürfnissen, mit Schwächen und Stärken. Nur ist seine Geburtsurkunde der Totenschein.
Schön, dass das von mir beabsichtigte Bild bei dir gut angekommen ist. Vielleicht hat unsere Gesellschaft einen gewissen Status erreicht, der nicht mal mehr die Untoten zufrieden machen kann….

Natürlich bin ich nicht böse, um Gottes Willen…
Ich bin über jeden Kommentar dankbar.
Ein Reimgedicht zu schreiben ist eben völlig was anderes als den ungereimten Bruder oder Schwester (wen man eben gerne haben möchte).
Ja es ist ein zaghafter Schritt von mir, das ist völlig richtig. Aber einer, der Freude gemacht hat. Kein erzwungener, sondern einfach eine Idee, die mir wie eine Fledermaus zugeflogen ist.
Wie würde es sich anhören, wenn ein Verstorbener sich über die Lebenden beschwert…
Und, du weißt ja, keine Kritik ist um Welten schlechter, als eine schlechte Kritik, die zu wirklichem Wachstum führen könnte…

Liebe Grüße
Önder
 

fee_reloaded

Mitglied
Da hast du dir ja ein Lieblingsthema von mir herausgepickt für deine ersten zarten Reim-Schritte, lieber Önder!

Mir gefällt deine Perspektive auf den Vampir, der ein Mensch ist wie du und ich, mit ganz alltäglichen Sorgen und Problemen. Das finde ich sehr gelungen!
Sufnus hat's ja schon angemerkt, dass es vom Rhythmus und Hebungsschema her noch etwas holpert und manches etwas zu erzwungen wirkt.
Da du andeutest, du hättest durchaus Wachstum im Sinn, wage ich es mal, hier ein wenig zu glätten. Ich stell die geglätteten Verse in Farbe unter deine originalen, damit du einen Vergleich hast. Die, die in Ordnung sind, auch - dann lässt es sich leichter im Zusammenhang lesen.

Da du in den ersten Versen stets mit einer betonten Silbe startest, solltest du das auf jeden Fall beibehalten.


in der Nacht, so tief und dunkel
in der Nacht so tief und dunkel
wo der Schatten langsam entweicht
wo der Schatten langsam weicht
und der Mond mit blassem Funkeln
und der Mond bei Sternenfunkeln
über stille Felder streicht
über stille Felder streicht
öffne ich die alte Gruft
öffne ich die alte Gruft
trete hervor im schwachen Schein
trete vor im schwachen Schein
hinter mir die Totenluft
hinter mir die Totenluft
es knackt und quietscht, das alte Gebein
Knacken, Knarren im Gebein

einst war ich Mensch, wie ihr auch seid
war einst Mensch, wie ihr auch seid
gelacht, geliebt und auch geweint
hab gelacht, geliebt, geweint
nun trage ich des Fluches Eid
trage nun des Fluches Leid
mit der Finsternis sind wir vereint
mit der Finsternis vereint
die dunkle Seele, die ich bin
dunkle Seele, die ich bin
in der Unterwelt sich kleidet
meide ich den Sonnenschein
doch selbst ich such’ einen Sinn
doch selbst ich such einen Sinn
auch wenn meine Haut die Sonne meidet
bin hier unten oft allein


vergangen ist das schöne Blut
was ist los mit eurem Blut
noch sehr süß und wirklich satt
ist nicht süß und macht nicht satt
euren Augen fehlt heute Glut
euren Augen fehlt die Glut
Gesichter sind sehr bleich und matt
die Gesichter bleich und matt
der Lebenssaft ist sauer und beißend
saurer Saft beim Kehlen-Beißen
ich finde keine Nahrung mehr
finde keine Nahrung mehr
der Hunger wird mich bald zerreißen
Hunger wird mich bald zerreißen
mein Leben ist jetzt kalt und leer
fühle mich so kalt und leer


Mein Eindruck ist, dass du wirklich Spaß hattest beim Schreiben und dass das Thema dich richtig beflügelt hat. Und die Reimform passt natürlich zu so einem Thema hervorragend. Insofern ist die gut gewählt. Was du beim Reimgedicht "darfst", ist den Satzbau der Alltagssprache zu verlassen und zu ver-dichten, indem du die in der Alltagssprache üblichen Hilfswörter weglässt ("ich" zum Beispiel, oder "der"). Wie du siehst, habe ich ganz viele Verse verkürzt und auf die Silbenzahl deiner Anfangsverse reduziert. Ein paar auch umgestellt in der Reihenfolge und umformuliert, damit das ins Hebungsschema passt.

So. Jetzt hab ich genug geklugschwätzt. Auf jeden Fall hat mir dein Gedicht richtig Spaß gemacht! Danke dafür!
Liebe Grüße,
Claudia
 

Arcos

Mitglied
Herzlichen Dank liebe Claudia für deine sehr guten Vorschläge!
Ja, jetzt hört sich das klanglich harmonisch und einheitlich an.
Ist echt sehr gut geworden. Macht jetzt noch mehr Freude es zu lesen :)

Liebe Grüße
Önder
 



 
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