Da hast du dir ja ein Lieblingsthema von mir herausgepickt für deine ersten zarten Reim-Schritte, lieber Önder!
Mir gefällt deine Perspektive auf den Vampir, der ein Mensch ist wie du und ich, mit ganz alltäglichen Sorgen und Problemen. Das finde ich sehr gelungen!
Sufnus hat's ja schon angemerkt, dass es vom Rhythmus und Hebungsschema her noch etwas holpert und manches etwas zu erzwungen wirkt.
Da du andeutest, du hättest durchaus Wachstum im Sinn, wage ich es mal, hier ein wenig zu glätten. Ich stell die geglätteten Verse in Farbe unter deine originalen, damit du einen Vergleich hast. Die, die in Ordnung sind, auch - dann lässt es sich leichter im Zusammenhang lesen.
Da du in den ersten Versen stets mit einer betonten Silbe startest, solltest du das auf jeden Fall beibehalten.
in der Nacht, so tief und dunkel
in der Nacht so tief und dunkel
wo der Schatten langsam entweicht
wo der Schatten langsam weicht
und der Mond mit blassem Funkeln
und der Mond bei Sternenfunkeln
über stille Felder streicht
über stille Felder streicht
öffne ich die alte Gruft
öffne ich die alte Gruft
trete hervor im schwachen Schein
trete vor im schwachen Schein
hinter mir die Totenluft
hinter mir die Totenluft
es knackt und quietscht, das alte Gebein
Knacken, Knarren im Gebein
einst war ich Mensch, wie ihr auch seid
war einst Mensch, wie ihr auch seid
gelacht, geliebt und auch geweint
hab gelacht, geliebt, geweint
nun trage ich des Fluches Eid
trage nun des Fluches Leid
mit der Finsternis sind wir vereint
mit der Finsternis vereint
die dunkle Seele, die ich bin
dunkle Seele, die ich bin
in der Unterwelt sich kleidet
meide ich den Sonnenschein
doch selbst ich such’ einen Sinn
doch selbst ich such einen Sinn
auch wenn meine Haut die Sonne meidet
bin hier unten oft allein
vergangen ist das schöne Blut
was ist los mit eurem Blut
noch sehr süß und wirklich satt
ist nicht süß und macht nicht satt
euren Augen fehlt heute Glut
euren Augen fehlt die Glut
Gesichter sind sehr bleich und matt
die Gesichter bleich und matt
der Lebenssaft ist sauer und beißend
saurer Saft beim Kehlen-Beißen
ich finde keine Nahrung mehr
finde keine Nahrung mehr
der Hunger wird mich bald zerreißen
Hunger wird mich bald zerreißen
mein Leben ist jetzt kalt und leer
fühle mich so kalt und leer
Mein Eindruck ist, dass du wirklich Spaß hattest beim Schreiben und dass das Thema dich richtig beflügelt hat. Und die Reimform passt natürlich zu so einem Thema hervorragend. Insofern ist die gut gewählt. Was du beim Reimgedicht "darfst", ist den Satzbau der Alltagssprache zu verlassen und zu ver-dichten, indem du die in der Alltagssprache üblichen Hilfswörter weglässt ("ich" zum Beispiel, oder "der"). Wie du siehst, habe ich ganz viele Verse verkürzt und auf die Silbenzahl deiner Anfangsverse reduziert. Ein paar auch umgestellt in der Reihenfolge und umformuliert, damit das ins Hebungsschema passt.
So. Jetzt hab ich genug geklugschwätzt. Auf jeden Fall hat mir dein Gedicht richtig Spaß gemacht! Danke dafür!
Liebe Grüße,
Claudia