S
Stoffel
Gast
Kommissar Schuppkes größter Fall
"Schmitt!" rief Kommissar Schuppke aus seinem Büro und sein Tonfall ließ keine Zeitverschwendung zu. Der Assistent trennte sich nur ungern von seiner Brotdose, in der noch ein weiteres Salamibrötchen, so eins mit Ei und Gewürzgurkenscheiben drauf, auf Verzehr wartete.
"Jetzt kuck dir das mal an hier. Da is doch was nich ganz koscher, Mensch!" Schmitt wischte sich die fettigen Finger an seiner Hose ab und griff nach dem Computerausdruck.
"Na, und, fällt dir was uff?" Schmitt las und zuckte mit den Achseln. "Nö." Schuppke war ungehalten und haute mit der Hand auf den Schreibtisch.
"Ick hab jetzt hier ne Stunde rumjefummelt an dieser Scheißkiste, dieser verfluchten Computerkacke und mal recherchiert. Jetzt sag ma nich, du siehst da keinen Zusammenhang, Mensch!"
"Hm, keene Ahnung Chef, ehrlich" antwortete der rundliche Gehilfe.
"Erst München, Freiburg, Dortmund, Burbach, Gersthofen, Landsberg, vorgestern Saalbach und nu Berlin . Immer gab es nur einen einzigen männlichen Zeugen und der Täter entwischte, bis auf dieset Mal. Der einzige Unterschied is, die anderen liegen alle sechs Monate auseinander. Muss ich dazu noch weiter was sagen?" Schmitt war nicht der Hellste, aber nun fiel ihm auch was auf.
"He Chef, bei den Fällen jeht et immer um nen abjebissnen Finger, der verschwand". Schuppke seufzte tief und riss seinem Assistenten das Blatt aus der Hand.
"Genau, Mensch! Los, anziehn, wir gehn."
Bodo Schmal öffnete und bat die beiden in sein Haus. Er wirkte ruhig, strahlte Gelassenheit aus. Und er war so verdammt freundlich. Kommissar Schuppke beäugelte den Fingerabbeisser misstrauisch. Immerhin hatte der vor gerade mal drei Stunden, am Morgen, einem anderen den Finger abgebissen. Wer, in Gottes Namen tut so etwas, fragte er sich. Bis gerade eben hatte er noch an einen Unfall gedacht. Eine Tat im Affekt. Bodo Schmal schenkte sich einen Whisky ein.
"Ich erlaube mir, Ihnen keinen Alkohol anzubieten, weiß ich doch, dass sie im Dienste sind." Schuppke hob die Augenbrauen. Der Typ stank vor Geld, das er mit seiner Restaurantkette einnahm und dem sein Getue machte ihn ganz kirre. Dann sah er sich ganz genau um, und das angebotene Glas Limonade schlug er lieber aus. Wer weiß, was so ein Kerl noch alles tun würde, ausser Fingerabbeissen? Schmitt verzichtete schweren Herzens auf das kühle Getränk, als er den mahnenden Blick seines Chefs sah.
"So" fing Kommissar Schuppke an und sah Schmal fest an. "Nun nochmal bitte den Tathergang." Bodo Schmal warf seinen seidenen Schal um den Hals und setzte sich.
"Nun, meine Herren, wie ich ja schon aussagte. Es kam zu einem heftigen Streit zwischen diesem Mann und mir. Ich fühlte mich beleidigt, angegriffen." Kommissar Schuppke trommelte mit den Fingern auf die Lehne des Sessels, in dem er zuvor versank.
"Moment mal, gestern noch hammse doch gesagt, sie wüssten auch nicht, wie das dazu kam. Ein Blackout oder so. Watt denn nu?"
Bodo Schmal trank einen grossen Schluck Wisky und räusperte.
"Ja und dann würde es uns interessieren, wo der Finger abgeblieben is" meldete sich Schmitt zu Wort. Wohlwollend sah Schuppke seinen Assistenten an.
"Ja, genau, das wars, was ich nochmal fragen wollte. Der is ja nun mal weg, ne? Unauffindbar könnt ma sagen."
Bodo Schmal erhob sich und machte eine auffordernde Geste Richtung Tür.
"Meine Herren, ich bin mir meiner Tat bewusst und erwarte die Anklage, aber bitte gehen sie jetzt. Mir ist unwohl. Mein Anwalt steht ihnen jederzeit zur Verfügung."
Schuppke und Schmitt verliessen das Haus und setzten sich in den Dienstvolvo.
"Na, wie unwohl mir erstma is. Da is watt nich janz koscher, Schmitt. Und wieso zum Teufel trägt der Kerl zu seinem Morgenmantel Handschuhe?"
Gerade, als sie losfahren wollten, kam ihnen ein nicht unbekannter Mann entgegen. Schuppke hielt inne. "Na, das ist doch der, der, Dingsda, Mensch!" Dann kramte er das Fernglas aus dem Handschuhfach heraus. "Ja Chef, das is dieser Doktor Mandel. Unser Zeuge." Schuppke ärgerte sich leicht über seinen gefrässigen Mitarbeiter, der gerade genüsslich in sein Salamibrötchen biß.
"Meine Augen sind noch voll da Schmitt, wollt nur ganz sicher gehen. Pass du lieber ma auf, dass dir nich noch n Finger abbeisst!" frozzelte Schuppke und fühlte sich etwas wohler. Sein Assistent stockte. Irgendwie war ihm plötzlich übel. "Was, verdammt, sucht der hier? Die taten doch so, als würden sie sich nicht kennen." Schuppke spähte durchs Fernglas und kniff die Augen zusammen.
"Was trägt denn unser werter Doktor da mit sich rum? Sieht aus wie ein Kästchen, oder so." Schmitt leckte sich die Fettfinger und gähnte. "Sieht aus wie ne Frischhaltebox. Vielleicht ist da ja der Finger drin, Chef?" Kommissar Schuppke haute sich aufs Knie.
"Genau das wollte ich auch grad sagen. Das isses! Die stecken doch zusammen unter einer Decke. Los Schmitt, Brötchen weg und mitkommen."
Mandel war inzwischen im Haus verschwunden und beide pirschten sich ans Haus heran. Eines der unteren Fenster stand offen und sie lauschten. Schmal schien aufgebracht. Die Zeit würde drängen, Mandel solle tun, was zu tun ist. Dann verschwanden die beiden.
"Was in aller Welt tun die beiden Vögel jetzt?" grübelte Schuppke laut.
"Chef, ich hab ne Idee" sagte Schmitt vorsichtig. Kommissar Schuppke verdrehte die Augen. "Gott, Schmitt, die letzte Idee war ne Katastrophe!" Schmitt schmollte. "Aber Chef, das is doch schon vier Jahre her".
Schuppke gab sich geschlagen.
"Ok, raus damit." Schmitt schleppte einen der schweren Gartenstühle ran, stellte ihn unters Fenster und hiefte seinen fülligen Körper durch das Fenster. "So, das ist meine Idee. Wir gehn da rinn und kuckn ma."
Schuppke war sich bewusst, dass er gegen das Gesetzt verstiess, aber die Idee war gut.
Langsam schlichen sie sich vor und kamen an eine Kellertür, aus der sie die Stimmen Schmals und Mandels vernehmen konnten. Vorsichtig gingen beide die schmale Treppe nach unten. Durch die halbgeöffnete Tür beobachteten sie die beiden Männer, in einer Art Operationsraum.
Mandel hatte einen weißen Kittel an und öffnete die Box, während Schmal auf dem Op-Tisch lag und höchst ungeduldig schien. Dann holte Mandel etwas aus dem Kästchen und betrachtete es sorgsam.
"Det is der Finger, Chef!" flüsterte Schmitt und konnte sich einer Ohnmacht nahe, noch rechtzeitig am Türrahmen festhalten.
"Aus die Maus!" rief Kommissar Schuppke und stürmte in den Raum. "Sie sind verhaftet!". Mandel liess vor Schreck den Finger fallen und hob die Hände. Schmitt angewidert, fast benommen, kramte unterdessen in seiner Trenchtasche nach den Handschellen.
"Ich habe nur getan, was er wollte," versuchte Mandel sich rauszureden und Schmal schrie ihn an. "Geld, viel Geld hast du bekommen. Für jeden einzelnen Finger, den Du mir annähst und noch mehr für jeden, den mein Körper nicht abstieß!" Schmal richtete sich auf und jammerte qualvoll. Hob seine Hand und man konnte deutlich die starken Verformungen erkennen.
"Hier Chef, mein Handy für Verstärkung" Widerwillig griff Schuppke nach dem, ihm verhassten, technischen Kram und rief das Präsidium an. Schmitt freute sich. "Siehste Chef, is doch jut, son Ding".
"Gib mir mal eine von deinen Gurken", sagte Schuppke und Schmitt reichte ihm die Brotdose rüber. "Mann, das is doch n Ding oder?" grummelte der Hauptkommissar vor sich hin und schüttelte den Kopf.
"Ick hab da ooch son körperliches Problem, aber beiss ich da gleich nem andren den Schwanz ab und näh ihn mir ran?!"