Nachdem ich die Namen meiner Nachbarn auf den Klingelschildern für einen Moment studiert hatte, ich wohnte erst seit kurzem in diesem Haus, schloss ich die Haustür auf und schlüpfte hinein. Nach einem langen Arbeitstag freute ich mich darauf, in meiner heimlichen Wohnung den Abend genießen zu können. Dort angekommen verspürte ich den Drang, meine neue Stereoanlage auszuprobieren, sie war ein Weihnachtsgeschenk gewesen. Rammstein, Lautstärkestufe 80 von 100, ich hatte Freiheit in diesem Moment neu erfunden. Ich ging in die Küche, um eine Tiefkühlpizza in den Backofen zu schieben. Als ich gerade wieder auf dem Weg ins Wohnzimmer war, ertönte die Türklingel. Ich hatte nicht in Erinnerung, dass überhaupt jemand bei mir geklingelt hatte, seit ich hier eingezogen war. Durch den Türspion guckend erkannte ich schon, wer zu dieser späten Stunde mit einem Anliegen an mich herantrat. Es war ein Nachbar. Und es war der Nachbar, der, meinen Beobachtungen nach, den größten Teil des Tages damit verbrachte, aus dem Fenster zu schauen. Noch bevor ich den Grund seines Erscheinens erfragen konnte, zitierte er auf rechthaberische Art und Weise Gesetzestext: Von 22 bis 6 Uhr sind Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind. Ich schaute kurz auf meine Armbanduhr, sie zeigte 21:01 Uhr. Energisch hielt ich sie ihm direkt vor das Gesicht. Ein kurzer fragender Blick und er verschwand kleinlaut in seiner Wohnung direkt nebenan. In diesem Moment war ich mir sicher, dass er die Zeitumstellung ganz bestimmt nicht noch einmal vergessen würde. Daraufhin ließ ich es mir nicht nehmen, meine Stereoanlage auf maximale Lautstärke zu drehen. Zumindest für eine Stunde.