Eine ungewöhnliche Joggingrunde

Jules_30

Mitglied
Tränen liefen ihr über das Gesicht. Mit der flachen Hand zog sie eine nasse Spur über ihr Gesicht, die an ihrer Nase endete. Den Rotz wischte sie an ihrer Strumpfhose ab. „ Ach Schätzchen“, seufzte die Frau, die etwa zwei Meter neben ihr stand und sich daran machte das Loch, in dem sie stand, mit dem Klappspaten weiter auszuheben. Es war vermutlich ihre Mutter. Feiner Nieselregen kam vom Himmel. Ich stöhnte leise auf und zog die Kapuze meiner Jacke über den Kopf. Panisch drehte sich die Frau um und schnell trat ich noch einen Schritt weiter hinter den Baum. Ihre Hände fuhren an ihre Jackentasche. Hatte sie dort eine Waffe? Mein Herz fing an wild zu pochen. Anscheinend hatte sie mich gehört. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache, versuchte mich aber gleich wieder zu beruhigen. Es wäre schon sehr ungewöhnlich, wenn einen Mutter in Anwesenheit ihrer Tochter eine Waffe auspackte. Ich interpretierte zu viel in die Situation hinein. Ich beobachtete hier nur einen Mutter-Tochter-Ausflug in den Wald. Aber anscheinend wollte die Frau nicht beobachtet werden. Nach einigen Sekunden, in denen sie hektisch atmend in den Wald hineinsah, wandte sie sich wieder dem Erdloch zu. Irgendetwas war doch merkwürdig. Ich linste auf meine Uhr, meine Hände hatten angefangen zu zittern. Das könnte aber auch an dem kalten Schweiß liegen, der sich nach meiner Joggingeinheit gebildet hatte. Ich fröstelte. Kurz nach sechs. Langsam sollte ich wohl wieder nach Hause. Ich konnte mich von dieser Situation jedoch nicht losreißen. Aus irgendeinem Grund wagte ich es auch nicht mich zu bewegen. Als ich etwa 15 Minuten zuvor beschloss, meine übliche Joggingrunde etwas abzuändern, hatte ich nach einigen Minuten ein Weinen gehört. Intuitiv hatte ich die Richtung eingeschlagen, aus der es kam. Als ich die beiden sah, wollte ich die Situation zunächst einfach nur nicht stören.

Inzwischen hatte sich das kleine Mädchen beruhigt und beobachtete ihre Mutter mit müden Augen. Erst jetzt viel mir auf, dass sie neben einem kleinen Paket aus Stoff stand. Ihre Arme hatte sie um ihren kleinen Körper geschlungen, als müsste sie sich selbst festhalten. Ich sah genauer hin. Das Bündel bestand aus einem roten Orientteppich. Die beiden beerdigten was. Ich atmete aus. Bestimmt ein Haustier! Das musste es sein. Eingewickelt in einen Teppich? Die Frau hatte jetzt anscheinend beschlossen, dass das Grab nun tief genug war. Sie stieg aus dem knietiefen Loch und ging hinüber zu ihrer Tochter. Sie hockte sich vor sie und griff in ihre andere Jackentasche und holte ein Taschentuch hervor, mit dem sie ihr Gesicht von den übrig gebliebenen Tränen säuberte. „Gleich ist es vorbei, Süße“, sagte sie und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel. „Es war doch nur aus Versehen“, wimmerte das Mädchen. Die Frau stand auf und nahm dabei den eingerollte Teppich mit sich. Es hatte in etwa die selbe Größe wie ihre Tochter. Sie ging hinüber zu dem Loch. Dabei verrutschte das Bündel in ihren Armen etwas und es kam etwas zum Vorschein. Waren es Haare? Ich kniff die Augen zusammen um es besser erkennen zu können. Die Frau stolperte über eine Wurzel und es rutschte einen kleine Hand aus dem Bündel. Eine Kinderhand? Ich hielt mir schnell die Mund zu, sonst hätte die Frau gehört, wie ich scharf Luft einzog. Das Mädchen hatte wieder angefangen zu weinen. Diesmal war es fast ein kreischen. Ich musste hier weg. Ich drehte mich um und rannte so schnell ich konnte.
 



 
Oben Unten