Elvis ist tot

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Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es war der August 1977 und wir saßen auf dem Breitscheidplatz, hörten Sex Pistols aus einem alten Kassettenrekorder und ließen die Weinflasche kreisen. Damals hörte man noch den schweren Atem der Stadt und am Morgen lehnte sich Kreuzberg müde und erschöpft an die Mauer.
„Hier geht bald alles vor die Hunde“, sagte mein Kumpel und warf einen verächtlichen Blick auf die Krautrock-Band, die auf einer kleinen Bühne vergeblich versuchte unserem Punkrock mit Ernsthaftigkeit und zehnminütigen Gitarrensoli entgegen zu treten.
Langsam holte ich den schmalen Silberring aus der Hosentasche, den ich für meine Freundin gekauft hatte, betrachtete ihn eine Weile und schob ihn dann langsam auf den kleinen Finger meiner linken Hand. Ich hatte gerade beschlossen, dass sie ihn nicht bekommen wird.

Der Sänger der Band trat ans Mikrofon: „Elvis ist tot.“

Eine Frau in unserer Nähe brach spontan in Tränen aus und wir legten zusammen für die nächste Flasche Wein.
 
Hallo Franke,

gefällt mir von der Idee her - eine Momentaufnahme, in der verschiedene Geschehnisse zusammen treffen, die alle eine Auswirkung auf das Leben haben.

Die Ausführung hat kleine Macken (z. B. muss es heißen: "Ich hatte gerade beschlossen, dass sie ihn nicht bekommen würde" - nicht "dass sie ihn nicht bekommen wird."

Damals hörte man noch den schweren Atem der Stadt und am Morgen lehnte sich Kreuzberg müde und erschöpft an die Mauer.
Mit dem Satz kann ich leider überhaupt nichts anfangen....wirkt auf mich wie eine überfrachtete Metapher.

LG SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:

Franke

Foren-Redakteur
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Hallo Silberne Delfine,

danke für deinen Hinweis mit "würde".

Ja, der schwere Atem der Stadt. Da ist mir der Lyriker etwas durchgegangen, aber ich wollte den morbiden Charme von Berlin in den Siebzigern einfangen. Und wieso sollte in einer Kurzprosa nicht auch mal eine Metapher auftauchen, dachte ich mir.

Liebe Grüße
Manfred
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo Franke,

Wieder eine nette Anekdote.

Setz doch einfach n´Punkt.
Schreib: Damals hörte man noch den schweren Atem der Stadt. Am Morgen lehnte sich Kreuzberg müde und erschöpft an die Mauer.

Gruss, Ji
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Franke,

eine nette Miniatur, an der man stilistisch aber noch ein wenig feilen und kürzen könnte.

Ich bin immer eine Gegnerin von Wortwiederholungen in einem so kurzen Text, so finde ich z. B. zweimal „langsam“ in einem Satz nicht so gut, "hören" in zwei aufeinanderfolgenden Sätze auch nicht. Auch die vielen „und“ blähen den Text unschön auf.

Zur Demonstration mein Vorschlag für den ersten Absatz:

August 1977. Wir saßen auf dem Breitscheidplatz, hörten Sex Pistols aus einem alten Kassettenrekorder und ließen die Weinflasche kreisen. Der schwere Atem der Stadt war damals noch gut zu spüren. Kreuzberg lehnte sich am Morgen müde und erschöpft an die Mauer.

wobei ich mir nicht sicher bin, ob in dieser Szene wirklich Morgen war. Wenn ja, könntest Du den Text beginnen mit "Ein Morgen im August 1977".

"Entgegenzutreten" solltest Du zusammenschreiben.

Gruß, Ciconia
 

Franke

Foren-Redakteur
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Hallo Ji Rina, Anbas und Ciconia,

es sollte ursprünglich ein Gedicht werden.
Bei meinen Notizen dazu kam die Idee einer Kurzprosa auf.

Eure Kommentare und Anmerkungen sind sehr wertvoll für mich und ich danke euch herzlich dafür.

Liebe Grüße
Manfred
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Hallo Manfred,

ich glaube, in den vorherigen Kommentaren hast du schon den einen oder anderen guten Tipp erhalten, den du vielleicht oder eben auch nicht annehmen wirst.

All diese Tipps (wie eigentlich alle ernstgemeinten Tipps) sind überdenkenswert. Aber über Stil und Ausführung lässt sich streiten, da hat jeder seine eigene Vorstellung. Lass dich nicht zu sehr abbringen von dem, was du geschrieben hast. Lyrischer Einfluss tut auch dem Kurzprosatext gut. Und ich empfand

Damals hörte man noch den schweren Atem der Stadt und am Morgen lehnte sich Kreuzberg müde und erschöpft an die Mauer.
besonders gut und herausstechend bei diesem Prosatext. Na ja, meine lyrischen Wurzeln vielleicht ...

Fachlich ist hier viel gesagt und auf jeden Fall lässt sich am Text noch feilen. Auf weitere Vorschläge verzichte ich hier gern. ;) Etwas kurz gekommen ist meines Erachtens bei all der guten Diskussion der Inhalt und die Stimmung des Textes. Dazu möchte ich sagen, dass ich beim Lesen mit dabei saß. mir die Szene sehr gut vorstellen konnte. Und ein paar Pfennige hätte ich damals auch gegeben für unsere nächste Flasche Wein.

Schön, dass du deine Lyrik auch in Prosa verarbeitest. Und sehr interessant.

LG
Cellist
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Cellist,

ich werde jeden Tipp beherzigen und in meine weiteren Texte einfließen lassen.
Ich merke, dass ich zunehmend Lust auf Kurzprosa und Kurzgeschichten bekomme. Aber als Lyriker kann ich da noch einiges lernen und bin dankbar für jeden Kommentar.

Vielen Dank dir für die inhaltliche Beschäftigung und deine Beteiligung an der nächsten Flasche Wein.

Liebe Grüße
Manfred
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Ji,

dieser Satz ist mir auch sehr wichtig.
Es war eine ganz besondere Zeit.

Danke und liebe Grüße
Manfred
 
Hallo Franke,

wenn es eigentlich ein Gedicht werden sollte, erklärt das den metapherreichen Satz natürlich.

Ich finde den Vorschlag von Ciconia stilistisch sehr gut:

August 1977. Wir saßen auf dem Breitscheidplatz, hörten Sex Pistols aus einem alten Kassettenrekorder und ließen die Weinflasche kreisen. Der schwere Atem der Stadt war damals noch gut zu spüren. Kreuzberg lehnte sich am Morgen müde und erschöpft an die Mauer.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Silberne Delfine,

ja, der Vorschlag von Ciconia wird in meine Überarbeitung einfließen.

Liebe Grüße
Manfred
 

Franke

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August 1977. Wir saßen auf dem Breitscheidplatz, hörten Sex Pistols aus einem alten Kassettenrekorder und ließen die Weinflasche kreisen. Damals hörte man noch den schweren Atem der Stadt. Am Morgen lehnte sich Kreuzberg müde und erschöpft an die Mauer.

„Hier geht bald alles vor die Hunde“, sagte mein Kumpel und warf einen verächtlichen Blick auf die Krautrock-Band, die auf einer kleinen Bühne vergeblich versuchte unserem Punkrock mit Ernsthaftigkeit und zehnminütigen Gitarrensoli entgegenzutreten.
Langsam holte ich den schmalen Silberring aus der Hosentasche, den ich für meine Freundin gekauft hatte, betrachtete ihn eine Weile und schob ihn dann langsam auf den kleinen Finger meiner linken Hand. Ich hatte gerade beschlossen, dass sie ihn nicht bekommen würde.

Der Sänger der Band trat ans Mikrofon: „Elvis ist tot.“

Eine Frau in unserer Nähe brach spontan in Tränen aus und wir legten zusammen für die nächste Flasche Wein.
 



 
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