Endlich meine Herzensdame

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Hagen

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Endlich meine Herzensdame



In Haselünne angekommen mietete ich mich in einem kleinen, familiengeführten Hotel am Ort ein, trank Haselünner Schnaps und wartete darauf, dass mir meine Herzensdame über den Weg laufen würde. Das passierte natürlich nicht und ich fuhr am nächsten Tag mit der Museumseisenbahn. Das war interessant für mich, aber meine Herzensdame ließ wieder auf sich warten. Wenigstens hing ein Zettel am schwarzen Brett in der Lounge der Museumseisenbahn, welcher auf einen Poetry Slam heutigen Abends hinwies.

Ich ging natürlich hin, meldete mich an und trug auf dem Slam eine meiner Darenweder Geschichten vor. Das ging relativ glatt durch, aber ich erhielt unverständlicher Weise nur zwei Stimmen aus dem Publikum.

Naja, man kann nicht alles haben, aber im Publikum saß eine wunderschöne Frau. Diese lud ich anschließend zu einem Ritteressen in dem Hotel, in dem ich mich eingemietet hatte, ein. Natürlich kamen wir ins Gespräch während wir uns über den Wildschweinbraten hermachten.

„Irgendwie“ sprach die schöne Frau, „fühle ich mich verarscht! Zu Ritters Zeiten gab es noch keine Kartoffeln!“

„Stimmt. Ich mag zudem keine Kartoffeln“, meinte ich, „die sollen einem das Hirn verkleistern! ‘Wer viel Kartoffeln isst, dem kommen keine starke Gedanken, dagegen kommen ihm Träume, die ihn schwer machen. Derjenige, der also fortwährend Kartoffeln isst, der wird eigentlich fortwährend müde sein und permanent schlafen und träumen wollen!‘, meint Rudolf Steiner, der Erfinder der Waldorfschule, jedenfalls.“

„Ich verstehe!“, meinte die schöne Frau. „Da sie keine Kartoffeln essen, schreiben sie so brillante Texte. – Sie haben übrigens auf dem Slam meine Stimme gekriegt.“

„Oh, danke schön. – Wissen sie zufällig, von wem ich die andere Stimme bekommen habe?“

„Ja vermutlich. Da war vorhin Ramona, eine etwas seltsame Frau mit einem Goggomobil T400 Coupé hier. Sie hat mir erzählt, dass sie einem gewissen 'Hagen' die Karten gelegt hat und dass die Karten gesagt haben, dass 'Hagen' seine Traumfrau hier in Haselünne treffen würde. Sie könnte ihnen ihre Stimme auch gegeben haben. Sonst wüsste ich nicht wer sonst. Alles ein Klüngel auf diesen Poetry Slams. Wissen sie, ich tanze in einer Volkstanzgruppe. Eine aus dieser Gruppe schreibt auch Geschichten. Aus Solidarität gehen wir natürlich alle hin und geben ihr unsere Stimmen, egal wie gut oder schlecht ihre Beiträge sind.“

„Ich verstehe, dass ist überall so. – Na, egal, Hauptsache ich habe Sie kennengelernt!“

Die schöne Frau lächelte tiefgründig und biss herzhaft in ihr Wildschwein. „Wacholderbeeren, Thymian, Zwiebeln, Lorbeerblätter, Rosmarin und Nelken“, meinte sie, „das kriege ich auch hin. – Fehlt allerdings etwas Knoblauch.“

„Kann es sein, dass sie meine Traumfrau sind?“, fragte ich vorsichtig.

„Die seltsame Frau hat es jedenfalls gesagt. – Ich bin allerdings nicht auf der Suche nach einem Mann!“

„Und ich bin auch nicht verzweifelt auf der Suche nach einer Frau zumal demnächst eine Operation auf mich zukommt, bei der ich nicht weiß ob ich sie überleben werde. – Meinen sie nicht, dass wir es trotzdem versuchen sollten? Zumal sie offensichtlich gut kochen können. Ich schätze nämlich Frauen, die gut kochen können! – Sie können mir sogar Prüfungen auferlegen, aber bitte nicht so was wie dereinst dem Kollegen Herakles von König Eurystheus auferlegt wurde, um zu testen ob er auch würdig ist, sein Reich zu übernehmen. Und bitte nichts mit töten, die 'Hydra von Lerna' zum Beispiel, ich kann nämlich kein Blut sehen!“

„Das trifft sich gut, kochen ist nämlich eins meiner Hobbys, neben Schatzsuche und dem Sammeln der Heiligen Grale. Ungesetzliches wollen wir ja auch nicht tun, wie zum Beispiel die Äpfel der Hesperiden zu stehlen! Wir stehlen nicht!“

„Auf gar keinen Fall!“

„Eben. Wenn Sie die Prüfungen, die ich mir noch ausdenken werde, bestehen, koche ich ein Gericht ihrer Wahl für sie. Oder was halten sie von einem Fischessen mit Fischsuppe à la Marie-Antoine Carême und Karpfen auf Bouillabaisse-Gemüse?“

„Ich bin begeistert! Das allein wäre schon ein Grund, die Prüfungen zu bestehen.“

„Ach ja, um bei den Prüfungen zu bleiben, da bleibt eigentlich nur das Reinigen der Ställe des Augias übrig! Die waren allerdings von Rinderkot völlig versaut. Ich habe leider nur einen Hühnerstall, da waren mal die letzten Dodos drin.“

„Ach, tatsächlich? Ist ja interessant. Ich dachte immer, die Dodos sind ausgestorben. Was wurde aus den Dodos?“

„Da hat mein voriger Freund halbe Hähnchen draus gemacht und auf den Grill geworfen. – Ich habe ihn daraufhin rausgeschmissen und erst mal von Männern den Kanal voll, weil er auch versucht hatte, mir den Nibelungenschatz zu stehlen und auf dem Trödelmarkt zu verkaufen!“

„Wie, ich dachte, das Gold der Nibelungen hat mein Namensvetter Hagen derzeit unwiederbringlich im Rhein versenkt?“

„Wie? Sie heißen Hagen?“

„Ja, ist das so ungewöhnlich?“

„Nein, aber die seltsame Frau mit dem Goggomobil T400 Coupé hat gesagt, dass die Karten gesagt haben, dass ein gewisser Hagen kommen und sich in mich verlieben würde. - Ich heiße übrigens Ulrike.“

„Sicher 'wunderbare Ulrike', oder?“

„Das hat bisher noch keiner zu mir gesagt!“

„Dann sage ich das jetzt. Ich bin nämlich tatsächlich gerade dabei mich in dich zu verlieben, wunderbare Ulrike!“

„Das ist schön!“, sagte die wunderbare Ulrike, unsere Gläser klirrten aneinander, wir sahen uns tief in die Augen, küssten uns und die wunderbare Ulrike machte sich weiter über ihr Wildschwein her. „Sagen wir endlich 'Du' zueinander.“

„Na, klar! Gerne“, fuhr ich fort und schnitt mir auch ein Stück aus der toten Wildsau, „wie war das weiterhin mit dem Schatz der Nibelungen? Das interessiert mich hochgradig.“

„Naja, der Rhein hat ja am einigen Stellen sein Bett geringfügig geändert. An einer solchen Stelle hatte ich mir mal eine Parzelle zum Gemüseanbau gekauft. Für die Ruhepausen wollte ich einen schattenspendenden Baum, die Weltenesche, setzen. Beim Ausheben der Pflanzgrube stieß ich dabei auf den Nibelungenschatz.“

„Ist ja interessant! - Aber kommen wir mal auf die Prüfungen zurück. Denk' dir bitte drei Prüfungen aus; - nur nicht irgendwelche Ställe säubern. Ich müsste dann nämlich die Hase umleiten, was wiederum von den Damen und Herren der Landschaftsschutzbehörde nicht sonderlich gerne gesehen würde. Herakles hatte anno dazumal keine Probleme damit. Für diese entehrende Arbeit hat er nämlich zwei nahegelegene Flüsse, Alpheios und Peneios, durch die versauten Ställe geleitet.“

„Heute gibt’s dafür Hochdruckreiniger!“

„Dann ist das ja kein Problem, geschweige denn eine Prüfung mehr, in der Tat! - Ich dachte an etwas Gediegenes, Anspruchsvolleres. Immerhin muss ich mich beweisen. Zum Beispiel 'the Lost Dutchmans Gold Mine' mit dir suchen und finden!“

„Ach, die Lost Dutchmans Gold Mine habe ich während meines Urlaubs in den Superstiton Mountains östlich der Phoenix metropolitan area längst gefunden! War ein Klacks! Allerdings war nicht mehr viel drin! Es reichte gerade für die Parzelle zum Gemüseanbau. - Apropos Gemüse, ich muss Bölverkr mein Gartenuntier in dem Yggdrasil ja noch mit Giersch füttern.“

„Was? Jetzt komme ich erst dahinter, du hast die Weltenesche in deinem Garten?“

„Ja, die hatte ich, wie gesagt, zunächst um Schatten zu spenden, auf meiner Parzelle am Rhein. Da ist sie nicht so recht gewachsen, daraufhin habe ich die Weltenesche, andere Namen dieses Baums waren wohl Mimameid oder Lärad. dann hier in Haselünne in meinen Garten gepflanzt. Hier gedeiht sie prächtig! Ich muss sie allerdings regelmäßig mit Gemüsebrühe gießen, weil mein Drache namens Nidhöggr permanent an ihren Wurzeln nagt, den habe ich leider mit eingeschleppt. Genau wie Bölverkr das Gartenuntier, das saß mucksmäuschenstill in dem Yggdrasil. - Nidhöggr, der Drache, ist übrigens Vegetarier und isst am liebsten Sahnetörtchen mit Bärlauch oder Lebensmittel nach speziellem Codex der gesammelten Halal-Normen. Ich steige da auch noch nicht so ganz durch, aber egal. - Er bindet sich dann eine Fliege um, isst die Sahnetörtchen mit Messer und Gabel und trinkt ein Rotbier dazu. Damit muss ich ihn füttern, damit er diese Nagerei sein lässt. Im Tierfutterfachhandel gibt’s leider kein Halal-Drachenfutter, oder nur völlig überteuerte Kohlen zum Feuerspeien. Nidhöggr trinkt aber nur Bio-Superbenzin E 10. Diesel, oder sogar ultimate Diesel funktioniert bei ihm nicht.“

„Warum bringst du diesen Nidhöggr nicht einfach ins Tierheim? Oder verkaufst ihn an einen Drachenmastbetrieb? - Da Drachen Eier legen, könntest du dir doch noch ein paar Drachen fangen, sie artgerecht halten und die Eier verkaufen. Sozusagen Eier von freilaufenden oder freifliegenden Drachen.“

„Du bist wohl verrückt! Du solltest wissen, dass Drachen Maulbrüter sind! Ich brauche Nidhöggr doch noch wenn wir mal grillen wollen, oder zum Kamin anzünden. - Leider will Nidhöggr Morgen auf die Walz gehen. Er hat nämlich einen Gesellenbrief als Ofensetzer.“

„Ja, natürlich. Würde ich, bevor er auf die Walz geht, gerne mal kennenlernen, deinen Nidhöggr. - Nimmst du Nidhöggr auch abends mit ins Bett, als 'Kuscheldrachen'?“

„Quatsch! Zum Kuscheln habe ich die Originalmumie von Tutanchamun. Die brauchte ich früher zum Ankuscheln, jetzt bin ich aber aus dem Alter raus und habe die Mumie von Herrn Tut erst mal in den Keller gestellt, gleich neben die originale Himmelsscheibe von Nebra.“

Die wunderbare Ulrike biss wieder von ihrem Wildschwein ab. „Außerdem“, fuhr sie fort, „gibt es einen entscheidenden Fehler in dem Mythos um den Yggdrasil! Es geht um die drei Wurzeln von denen eine angeblich, nach Jötenheim, dem Land der Riesen wächst, eine Wurzel führt angeblich nach Niflheim zur Quelle Hvergelmir, wo, wie gesagt, angeblich der Drache Nidhöggr an ihr nagt. Die dritte Wurzel findet sich in der Nähe von Asgard. - In Wirklichkeit hat die Weltenesche drei Löcher, Jötenheim, Niflheim und Hvergelmir! In einem Loch sitzt Bölverkr das Gartenuntier, man weiß allerdings nie in welchem. Wenn man in das Loch fasst, in dem Bölverkr das Gartenuntier sitzt, beißt es erbarmungslos zu. Der Gebissene verfällt dann zunächst dem Wahnsinn, wie dereinst Herakles, und stirbt dann, im Gegensatz zu Herakles. - Das wird“, die wunderbare Ulrike biss wieder von dem Wildschwein ab, „deine erste Aufgabe sein: In eins der Löcher greifen!“

„Warum nicht?“ Ich schnitt mir auch ein Stück Wildschwein ab. „Sterben müssen wir schließlich alle mal. Ich habe gerade eine so üble Darmgeschichte, was Krebs sein kann, und werde demnächst operiert werden. Vielleicht sterbe ich ja auch dabei.“

„Wenn das so ist, werde ich dir natürlich helfen, so gut ich kann! - Vorausgesetzt, du bestehst die drei Prüfungen.“

„Das ist ein Wort! Lasst uns beginnen, denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne!“

„Gut. Dann lass' uns gehen, ich möchte dir Nidhöggr vorstellen und du wirst als erste Aufgabe in die Weltenesche greifen. Solltest du das überleben, koche ich uns einen Kaffee.“

„Das hört sich doch schon mal gut an. Ich glaube, ich habe meine Herzensdame endlich getroffen.“

Die wunderbare Ulrike warf mir einen dezent skeptischen Blick zu, erlaubte mir aber sie, nach Beendigung der Mahlzeit, nach Hause zu bringen. Dort angekommen, fiel mir als erstes die unpassende Radkappe ihres Wagens links hinten auf. Die wunderbare Ulrike merkte das sofort und meinte lakonisch: „Die Radkappe ist in der Tat ein Wenig unpassend und zudem sehr hässlich. Aber ich hatte mal eine verloren. Da habe ich mal eben einen heiligen Gral aus meinem Keller geholt, den Fuß abgelflext und auf die Felge gesetzt. Er passte wie angegossen! Seitdem habe ich außerdem immer eine gute Fahrt und freie Autobahnen.“

„Was hast du getan? - Der heilige Gral“, sagte ich gewichtig“, wird seit den Tagen von König Artus weltweit gesucht. Aber du holst den mal eben aus deinem Keller und verwendest ihn, den Kelch des letzten Abendmahls, als Radkappe. Man, man man, ich fasse es nicht! Als Sektkühler oder Konfektschale wäre es für mich noch nachvollziehbar gewesen. Aber als Radkappe? Man, man man.“

„Was soll ich denn machen, wenn nichts anderes zur Verfügung steht? Ohne Radkappen zu fahren ist verboten, weil man sich an den Radmuttern verletzen kann. Ich habe bereits erwähnt, dass ich niemals Verbotenes tue! Außerdem fühle ich mich damit ganz besonders beschützt.- Aber nun greif' endlich in eins der Löcher vom Yggdrasil, damit wir endlich zu Potte kommen! Ich habe einen Mordskaffeedurst!“

Ich tat wie geheißen, griff in das Loch 'Jötenheim' und wurde nicht gebissen.

„Gut“, meinte die wunderbare Ulrike, „erste Prüfung bestanden! Dann können wir ja Kaffee trinken. - Komm' bitte ins Haus!“

Sie warf noch einige Hände voll Giersch in die Löcher Niflheim sowie Hvergelmir und wandte sich zum Gehen. Ich folgte ihr ins Haus und wurde dort zunächst von einem Drachen, der mich um mehr als zwei Haupteslängen überragte, beschnüffelt.

„Nidhöggr!“, sagte die wunderbare Ulrike mit Nachdruck, „das ist mein Besuch! Geh' wieder in dein Körbchen!“

Der Drache flüsterte ihr etwas ins Ohr.

„Das glaube ich nicht!“, meinte Ulrike, „du musst nicht immer alles glauben, was das Eichhörnchen Ratatöskr dir erzählt! Ratatöskr klettert immer zwischen der Baumkrone und Wurzeln hin und her und verbreitet dabei üble Nachrede. Das ist Hagen! Er hat kein Billard mitgebracht! - Du weißt, dass du wieder Magen-Darm-Probleme hast. Das kriegen wir schon wieder hin! Du kriegst gleich Halal-Futter mit Lachsöl und Omega-3-Fettsäuren. “

„Äh, was das Billard betrifft“, meinte ich vorsichtig, während sich die wunderbare Ulrike mit der Kaffeemasche beschäftigte „wenn dein Nidhöggr gerne Billard spielt, könnte ich damit dienen. Ich habe nämlich einen schönen Billardtisch zuhause. Wenn du mich mit Nidhöggr mal besuchst, könnten wir Billard spielen. Ich habe allerdings noch nie mit einem Drachen Billard gespielt.“

„Machen wir! Aber erst musst du die beiden anderen Prüfungen bestehen!“

Die wunderbare Ulrike stellte eine reich verzierte Holzschale sowie eine etwa 7 Zentimeter hohe und 10 Zentimeter breite Achatschale mit Erdnüssen auf dem Tisch.

„Entschuldige“, meinte sie dabei, „es ist noch etwas eng hier. Ich habe nämlich begonnen eine Bar zu bauen, weil mir in meinem Keller der Nanteos Cup in die Hände gefallen ist ...“

„Wie, du meinst doch nicht etwa den original Nanteos Cup, den die Gralssucher seit Jahrhunderten suchen?“

„Doch, in der National Liberary of Wales steht nur eine Fälschung! Diese Fälschung wurde im Rahmen der Feierlichkeiten zur Eröffnung des Korn,- und Hansemarktes hier in Haselünne, der Stadt der Engel, und danach in 'Aberystwyth' zum 700. Jahrestag der Verleihung der Stadtcharta durch Edward I.ausgestellt. Aber ich habe das Original! Seit mindestens dem späten 19. Jahrhundert wird dem Nanteos Cup die übernatürliche Fähigkeit zugeschrieben, diejenigen zu heilen, die davon trinken und daran glauben dass der Nanteos Cup, aus einem Stück des Kreuzes geschnitzt wurde, an dem Jesus gekreuzigt wurde. - Wir werden den Kaffee, im Hinblick auf deine bevorstehende Operation, daraus trinken. Sicher ist sicher!“

„Unbedingt! - Die Lampe an deiner Bar ist übrigens auch sehr schön“, ich nahm einen Schluck Kaffee, „sie spendet ein zauberhaftes Licht.“

„Das ist doch keine Lampe im klassischen Sinn! Ich benutze es nur als Beleuchtung für die Bar. Das ist der 'Sacro Catino', ein hexagonaler Teller aus grünem Glas. Mit dem sechseckigen gläsernen 'Sacro Catino', der angeblich in Genua aufbewahrt wird, gilt wie der Santo Cáliz aus Valencia auch als der authentische Gral.“

„Sammelst du etwa Heilige Grale? - Vielleicht ist der Gral aber auch ein Smaragd, der aus der Krone von Luzifer fiel, als dieser in die Hölle fuhr?“

Mich traf ein derart bohrender Blick der wunderbaren Ulrike, dass ich mich am liebsten in den Boden gebohrt hätte.

„Entschuldige“, sagte ich. „Du sammelst also heilige Grale die auch in den apokryphen Schriften, also religiösen Texten, die nicht in die Bibel aufgenommen sind, erwähnt wurden.“

„Ja, aber nicht nur die! Ich sammel' Heilige Grale wie andere Leute Briefmarken oder Radkappen. - Sammelst du auch irgendwas?“

Die wunderbare Ulrike nahm auch einen Schluck Kaffee aus dem Nanteos Cup und reichte ihn mir. „Sammler sollen nämlich liebenswerte Menschen sein.“

„Im Moment sammel' ich Verschwörungstheorien, Mythen, und tiefe Eindrücke.“ Ich trank auch einen Schluck Kaffee aus dem Nanteos Cup. „Aber erzähl bitte weiter, das ist interessant!“

„Nun ja“, fuhr die wunderbare Ulrike fort, „der Legende nach wurde der Sacro Catino von Guglielmo Embriaco im Jahre 1101 auf der Rückkehr vom Ersten Kreuzzug und der Eroberung von Caesarea angeblich nach Genua gebracht. Die Tradition besagt, dass er aus Smaragd gefertigt ist und dass Jesus Christus beim Abendmahl das Osterlamm darauf aß. Deshalb ist es ein Objekt großer Verehrung, eine der wichtigsten und wertvollsten Reliquien in der Stadt, auch bekannt als der 'Heilige Gral der Genuesen'“.

„Und dann gibt es, meines Wissens nach, noch den Heiligen Kelch zu Valencia. Hast du den etwa auch?“

„Natürlich! Ohne den Santo Cáliz zu Valencia wäre meine Sammlung der originalen Heiligen Grale ja unvollständig! - Etwas ärgerlich für die Valencier, denn der Santo Cáliz zu Valencia wird angeblich extra zur Verehrung durch die Gläubigen in einer eigenen Kapelle in der Kathedrale von Valencia verwahrt, wo er sich, wie die Valencier glauben, seit 1437 befindet. Die Überlieferung nimmt an, dass Jesu Christi mit seinen Jüngern beim Letzten Abendmahl aus diesem Kelch getrunken hat. Ich bewahre meine Erdnüsse darin auf. Seltsamerweise bleiben die darin immer frisch und knackig. Du kannst dir gern ein paar nehmen.“

Die wunderbare Ulrike trank noch einen Schluck Kaffee aus dem Nanteos Cup, während ich mich an den Erdnüssen bediente.

„Die Replik des Santo Cáliz zu Valencia wird am Gründonnerstag und am Fest des Heiligen Kelches, dem 25. Oktober, zur Heiligen Messe verwendet“, fuhr sie fort und griff auch in den Kelch mit Erdnüssen.

„Irgendwas“, meinte ich die Erdnüsse kauend, „soll doch noch mit dem im Chiemsee gefundenen Goldkessel sein, der auch als Heiliger Gral gilt. - Die Erdnüsse sind wirklich frisch und knackig.“

„Wenn man bedenkt, dass die schon ein halbes Jahr drin liegen“, sagte die wunderbare Ulrike und trank noch einen Schluck Kaffee aus dem Nanteos Cup. „Den Goldkessel habe ich auch. Er steht auf der Terrasse mit meinen Stiefmütterchen drin. Die Stiefmütterchen halten sich schon fast drei Jahre mit wunderbarer Blüte, auch im Winter, in dem Kessel.“

„Na, wenn das kein Beweis ist.“ Ich trank auch noch einen Schluck Kaffee. „Dann soll es noch die 'Manna-Maschine' geben, die auch als Heiliger Gral bezeichnet wird ...“

„Ich weiß! Die habe ich auch! - Die Manna-Maschine, hat vor ihrer Nutzung als Gral den Kindern Israels in den vierzig Jahren der Wüstenwanderung Nahrung gespendet.“

„Ah ja. Da zogen Schwärme von Foo-Fightern oder so was Ähnliches heran und ließen feine Körner zurück, die aussahen wie Reif ...“

„Quatsch! Das waren Wachteln! Wachteln kommen auch zu mir! Ich habe von dem weißen Zeug mal was aufgesammelt. Später, als es heiß wurde, schmolz der Rest allerdings am Boden und verschwand. Ich hab Honigkuchen draus gebacken, das funktioniert! Aber etwas anderes, zum Beispiel eine Hefezopf in der Manna-Maschine zu backen, geht gar nicht. Das Scheißding kann nur Honigkuchen, der zudem am nächsten Tag voller Mehlwürmer ist. Ich habe die Manna-Maschine mit einem Einweckglas voll Manna in den Keller gestellt, gleich neben die Bundeslade, wie es in der Bibel steht.“

„Das hast du gut gemacht! Meiner Ansicht nach hätte sich der Schöpfer der Manna-Maschine etwas mehr Mühe geben können. Wer will schon vierzig Jahre lang Honigkuchen essen? Als Küchenmaschine wäre das Ding jedenfalls nicht marktfähig!“

Ich trank noch einen Schluck Kaffee aus dem Nanteos Cup. „Liegt der Heilige Gral nicht eigentlich unter der Quelle 'Chalice Well' im englischen Glastonbury, einer Kleinstadt im Distrikt Mendip?“

„Stimmt!“ Die wunderbare Ulrike schüttete etwas Kaffee in den Nanteos Cup nach. „Einer Legende nach verbarg der Heilige Josef von Atimathäa den Kelch, alle Überlieferungen beschreiben den Heiligen Gral als ein wundertätiges Gefäß in Form einer Schale, eines Kelchs oder eines Steines, mit dem Blut Christi an dieser Stelle, woraufhin die Quelle entsprang. Generationen von Gralssuchern haben diese Gegend daraufhin umgewühlt, aber ich habe diesen Heiligen Gral schließlich gefunden, als ich ein paar Primeln für meinen Garten ausgegraben habe ...“

„Das wundert mich gar nicht“, meinte ich. „Meines Wissens findet den Heiligen Gral nur derjenige, der guten Willens, von reiner Seele, niemals Lügt oder billige Geschenke macht und nicht zuletzt des Heiligen Grals würdig ist! - Das ist bei dir zweifellos der Fall.“ Ich trank noch einen Schluck Kaffee aus dem Nanteos Cup, „wo hast du diesen Heiligen Gral denn deponiert?“

„Da der Legende nach der Heilige Josef von Atimathäa den Gral mit dem Blut Jesu in der Quelle wusch, färbte sich das Wasser der Quelle rot. Dem Wasser wird zudem eine Heilwirkung nachgesagt. Das habe ich überprüft, es stimmt, als ich mal Zahnschmerzen hatte, waren diese ruckartig weg, nachdem ich ein schälchenvoll rotem Wasser aus diesem Heiligen Gral getrunken hatte. Man muss nur Leitungswasser in den Gral laufen lassen. Das Wasser wird rot und schmeckt wie Granatapfelsaft, etwas zu süß für meinen Geschmack. Ich habe diesen Heiligen Gral daraufhin an der Bar deponiert.“

„Prima! Dann mixen wir doch einen Cocktail mit dem roten Wasser aus diesem Heiligen Gral. Ich würde vorschlagen wir nehmen 2 Centiliter Gin, 1 Centiliter 'Alte Liebe', 1 Centiliter Cointreau 3 Centiliter 'Rotes Gralswasser', einen Eiswürfel und dekorieren das Ganze mit einer Cocktailkirsche“, murmelte ich gedankenverloren.

„Ich wäre mehr für eine Olive“, sagte die wunderbare Ulrike, „aber ansonsten sollten wir das mal probieren. Die Ingredienzien habe ich da.“

Sie holte Cocktailgläser und mixte uns den Drink. „Allerdings“, meinte sie weiterhin nach dem ersten Probeschluck, „sollten wir den Anteil der 'Alten Liebe' um einen weiteren Centiliter erhöhen, den Gingehalt um einen Centiliter senken und einen Spritzer Limettensaft hinzufügen. Oder was meinst du?“

„Ich bin ganz deiner Meinung. Dann ist der Cocktail perfekt, der Ginanteil war doch etwas zu dominant! - Wie nennen wir diesen Cocktail?

„Holy Gral of Glastonbury! Das ist doch ein schöner Name, oder?“

„Holy Gral of Atimathäa hört sich auch gut an, oder einfach nur 'Atimathäa'? - Egal, wir denken nochmal darüber nach. Diesen Cocktail nehmen wir als finalen Abschlussdrink. Ich muss nämlich langsam ins Hotel zurück, weil mein Darm meistens um diese Zeit seinem Inhalt unangekündigt freien Lauf lässt.“

Ich verabschiedete mich also von der wunderbaren Ulrike und eilte zum Hotel. Es geschah absolut nichts, außer dass ich, angesichts der wunderbaren Ulrike, den Punkt 'Mit Lara Croft alias Angelina Jolie schlafen' aus der To-do-Liste meines Lebens strich.



Die letzten beiden Prüfungen



Am nächsten Morgen checkte ich aus und fuhr wieder zu der wunderbaren Ulrike,

selbstverständlich mit einem Blumenstrauß, nicht von der Tanke sondern einer namhaften Blumenhandlung. Ich war total gespannt auf die beiden anderen Prüfungen, die meiner harrten.

Die wunderbare Ulrike hatte offensichtlich schon was vorbereitet, jedenfalls lag ein Revolver auf dem Tisch, ein gravierter Colt, Model 1851 Navy mit Elfenbeingriffen.

„Das“, sprach die wunderbare Ulrike mit gewichtiger Stimme, nachdem wir uns begrüßt und ich ihr den Strauß überreicht hatte, „ist einer der originalen Colts von James Butler genannt 'Wild Bill' Hickok! 'Wild Bill' Hickok trug zwei dieser Colts! Allerdings zog er seine Waffen nicht im 'Cross Draw', sondern im 'Twist', das heißt, die Schusshand wird mit der Außenfläche nach innen gedreht, die Hand sehr nah an den Körper zur Waffe auf der gleichen Körperseite geführt – also zwischen der Körperseite und dem Griff der Waffe, wobei der Ellenbogen sehr weit absteht – und durch eine Bewegung nach vorn, in der die Waffe gedreht wird, nach vorne gebracht, wobei gleichzeitig der Daumen auf den Hahn gelegt und die Waffe so auch zugleich gespannt wird.“

„Interessant“, meinte ich. „Woher weißt du denn so was?“

„Aus einem vorigen Leben, da war ich nämlich 'Calamity Jane' und mit 'Wild Bill' Hickok verheiratet.

„Was warst du?“

„Mit 'Wild Bill' Hickok verheiratet! Wild Bill hatte erst nur einen Colt und konnte damit seinen Ruf als Revolverheld nicht so recht festigen. Da habe ich ihm einen zweiten Revolver geschenkt, der allerdings mit einem Fluch belegt war und immer noch ist.“

„Ich fürchte, ich verstehe nicht.“

„Naja, der übliche Fluch, 'Nur derjenige kann mit dieser Waffe feuern, der guten Willens, von reiner Seele, niemals Lügt oder billige Geschenke macht und nicht zuletzt meiner würdig ist', lastete auf dieser Waffe! Weder Billy the Kid, Wyatt Earp, Sundance Kid, Butch Cassidy oder sogar Doc Holliday konnten auch nur einen Schuss aus dieser Waffe abgeben, nur Wild Bill Hickok! - Daraufhin habe ich ihn geheiratet.“

„Was hat das mit der Prüfung zu tun?“

„Tja. Aus nur einer dieser Colts löst sich ein Schuss! Aus diesem hier kann man nicht schießen! Ich habe diese Waffe mal in einem Antiquitätenladen gesehen. Weil sie mir bekannt vorkam, habe ich sie gekauft. Der Mann hat sie mir nur verkauft, weil man aus diesem Revolver nicht schießen kann. Ich habe Trommel und Trigger nebst Hammer einschließlich Firing Pin daraufhin überprüft und auch von einem Waffenexperten begutachten lassen. Ihm ist es auch nicht gelungen aus diesem Colt einen Schuss abzufeuern, obwohl alles wunderbar in Ordnung ist. Der Fluch lastet also immer noch auf diesem Colt! - Und nun versuch' du's mal!“

„Moment mal, das bedeutet, dass nur derjenige aus dieser Waffe feuern kann, der guten Willens, von reiner Seele, niemals Lügt oder billige Geschenke macht und nicht zuletzt deiner würdig ist!“

„Endlich hast du es begriffen!“

„Ah, ja. - Interessant“, meinte ich. „Man muss ja so aufpassen bei diesen Flüchen, die können nämlich leicht ins Gegenteil umschlagen!“

„Du sagst es! Aber nun sei ein Mann und schieß endlich!“

„Natürlich! Ich werde einen Scheißdreck tun und nicht auf dich hören, wunderbare Ulrike! Ein Mann muss immer von schneller Entschlusskraft und Durchsetzungsvermögen sein. Zusätzlich sollte er in sich ruhen, um immer den Überblick zu behalten und alles im Griff zu haben.“

Ich öffnetet die Gartentür als die wunderbare Ulrike die Augen gen Himmel drehte, zielte und feuerte in den Garten.

„Getroffen! Die bist du los!“, sagte ich.

Die wunderbare Ulrike war erstaunt. Dann sah sie noch einmal genau hin. Nicht nur, dass ich es geschafft hatte einen Schuss abzugeben, damit hatte ich auch die zweite Prüfung bestanden und bei der Gelegenheit gleich eine elende Ratte getroffen, die begonnen hatte, es sich im Garten gemütlich zu machen.

„Phantastisch“, die wunderbare Ulrike war begeistert. „Wenn du die dritte Prüfung auch bestehst, werde ich ewig zu dir halten!“

„Aber wieso hat der Colt nur bei mir und 'Wild Bill Hickok' funktioniert? Das habe ich noch nicht verstanden.“

„Weil ich in einem vorigen Leben, wie ich bereits erwähnte, 'Martha Jane Cannary Burke', alias 'Calamity Jane' war!“

„Was?“

„Ja, ich war mit dem Revolverschützen Wild Bill Hickok verheiratet und hatte sogar mit ihm eine Tochter. Leider wurde 'Wild Bill Hickok' im Jahre 1876 bei einem Pokerspiel im 'Saloon Number 10' in Deadwood von Jack McCall hinterrücks erschossen und ich musste mich als Scout für General Custers Truppen durchschlagen. - General George Armstrong Custer war vielleicht ein Arsch! So befahl Custer zum Beispiel auf Deserteure zu schießen und versagte den Überlebenden die medizinische Behandlung.“

„Na, das spricht nicht gerade für General George Armstrong Custer!“

„Eben. Als es am Little Bighorn gegen Sitting Bull, Spottet Elk alias Big Food und Konsorten losgehen sollte, sagte ich noch zu Custer: 'George Armstrong' sagte ich, 'warte auf die Verstärkung und gehe dann geschlossen gegen die indianischen Krieger vor! Bedenke, dass am Little Bighorn ungefähr zweitausend Krieger versammelt sind! Die US-Soldaten sind, erstmals in der Geschichte, zahlenmäßig und auch waffentechnisch stark unterlegen!' - Aber nein, was macht dieser Arsch? - Er spaltet seine Truppen auf und geht ohne auf die Verstärkung zu warten auf die Indianer los! Tja, das war's dann für ihn. George Armstrong Custer und seine Männer wurden auf einem Hügel ausnahmslos niedergemetzelt. - Tja, wer nicht auf mich hört, hat immer Pech!“

„Das habe ich schon gemerkt. Ich werde mich dran halten. - Was hast du im Wilden Westen sonst noch so gemacht?“

„Naja, als Calamity Jane wusste ich mir unter den Männern des Wilden Westens Respekt zu verschaffen: Ich rauchte, spielte Poker, trank, kaute Tabak und fluchte. Bald wurde ich dadurch zur Legende und habe als Postkutschenfahrerin und Goldgräberin gearbeitet. - Dabei bin ich übrigens auf das legendäre 'Lost Ship of the Desert' gestoßen.“

„Was für ein Schiff?“

„Das bekannte 'Lost Ship of the Desert'!“, meinte die wunderbare Ulrike. „Die Mojave-Wüste in Südkalifornien soll etwas wahrhaft Erstaunliches beherbergen: Das Wrack einer Spanischen Galeone samt Gold, Perlen und anderen Kostbarkeiten!“

„Wie soll eine Galeone denn mitten in die Wüste gelangt sein?“

„Das ist mir auch ein Rätsel, aber ich werde es lösen! Jedenfalls begab sich der Kriegsveteran und Goldgräber Charley Clusker im Jahr 1870 vier mal auf die gefährliche Suche nach der Spanischen Galeone. Die Geschichte, die ihm die Indianer vom Stamm der Cahuilla erzählt haben, führte ihn auf die Spur zu dem legendären, verschollenen Schiff. Von der vierten Expedition kehrte er allerdings nicht zurück, aber ich hab's gefunden; - im vorigen Leben. Es muss Heute noch dort liegen!“

„Dann fahren wir im nächsten Urlaub doch mal hin ...“

„Ja, können wir machen! Eigentlich wollte ich ja in die Lüneburger Heide, oder nach Tuvalu, um in der Funafuti Conservation Area mal ein Wenig Ruhe zu tanken nach diesem ganzen Stress. Aber erst musst du die dritte Prüfung bestehen. - Zunächst möchte ich jedoch meine Kenntnisse als Saloondame aus dem Leben als Calamity Jane auffrischen und uns einen 'Holy Gral of Atimathäa' mixen!“

„Da habe ich nichts gegen und werde immer auf dich hören, damit ich kein Pech haben werde. Das habe ich schon von dir gelernt.“

„Gut!“

Die wunderbare Ulrike mixte uns einen 'Holy Gral of Atimathäa' mit etwas erhöhtem Anteil des roten Wassers aus dem Heiligen Gral. Der Cocktail war vortrefflich und wir genossen ihn, bis die wunderbare Ulrike mich in den Keller schickte um 'Mjolnir', Thors Hammer zu holen.

„Wie, Thors Hammer“, fragte ich. „den kann doch noch nicht mal Ant Man, der Hulk oder Captain America heben. - Bei Popeye dem Seemann bin ich mir allerdings nicht ganz sicher; - nachdem er mindestens ein Kilo Blattspinat verdrückt hat, versteht sich!“

„Schon ausprobiert“, meinte die wunderbare Ulrike und nahm den letzten Schluck 'Holy Gral of Atimathäa', „Popeye schafft es nicht mal mit Butterblatt-Spinat oder Baumspinat Thors Hammer zu heben! - Und nun hol mir endlich Mjolnir, Thors Hammer aus dem Keller!“

„Du hast wirklich Thors Hammer im Keller?“

„Ja, natürlich! Aber, wie bei jedem ernstzunehmenden Fluch, kann ihn nur heben wer guten Willens, von reiner Seele, niemals Lügt oder billige Geschenke macht und nicht zuletzt meiner würdig ist! - Mjolnir wiegt netto etwa so viel wie ein zwei Kilo Beryllium Copper Vorschlaghammer mit Fiberglas Griff; - wenn man ihn heben kann! Manchmal brauche ich Mjolnir um Nägel in die Wand zu schlagen um dann Bilder aufzuhängen. Man darf allerdings nur leicht klopfen, sonst donnert es im ganzen Haus. Aber das reicht ja auch schon.“

„Ist der, wie sagtest du noch gleich? 'Mjolnir'?, - eigentlich gemäß der strengen Kontrolle von ISO 9001-200 hergestellt und durch den TÜV-Rheinland zertifiziert?“

„Ach, quatsch nicht rum! Seit wann sind die Hämmer der Götter denn nach ISO 9001-200 zertifiziert?“

„Ich meinte ja nur. - Weil Thor mit seinem Hammer den Donner erzeugt, ist Mjolnir offensichtlich absolut funkenfrei! Der funkenfreie Mjolnir ist also optimal für die Verwendung in explosionsgefährdeten Umgebungen, zum Beispiel bei Meeresarbeiten und bei der Brandbekämpfung, geeignet. Soll ich mit Mjolnir etwa auch noch einen Brand bekämpfen?“

Als daraufhin die Augen der wunderbaren Ulrike ganz schmal wurden, hob ich beschwichtigend die Hände und fragte: „Okay, sollte ein Witz werden. - Da dein Keller sehr groß ist, stellt sich mir die Frage nach dem genauen Standort von Thors Hammer.“

„Mjolnir, Thors Hammer, hängt gleich neben Aladins Wunderlampe an der Wand. Und nun beeil dich und bring' mir den Hammer! Frau vom Schrobber-Steel, verarmter Adel und deshalb meine Haushälterin, hat Mjolnir jedenfalls nicht heben können. Außerdem muss ich ihr jedes mal eintrichtern, dass sie die Wunderlampe nicht abstauben soll. Wenn sie daran reibt, kommt 'Elvis' der Dschinn, hervor, und darüber würde sie sich sehr erschrecken.“

„Wie, du hast auch Aladins Wunderlampe im Keller?“

„Natürlich habe ich auch Aladins Wunderlampe im Keller! - Elvis, der Dschinn in der Wunderlampe, kann dir übrigens grade keine Wünsche erfüllen, weil er bis Ende des Monats wegen einer Birkenpollenallergie krankgeschrieben ist.“

„Ja, ja, die Dschinns sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. - Hauptsache Elvis, der Dschinn, ist nicht allergisch gegen Sauerstoff.“

Da ich es anstrebe, mich so zu benehmen, das die Augen der wunderbaren Ulrike wohlgesonnen auf mir ruhen, ging ich in den Keller, nahm den Mjolnir vom Haken, brachte ihn zur wunderbaren Ulrike und legte ihn vor ihr auf den Tisch.

„Großartig“, sagte sie, „wenn du Mjolnir auch noch heben kannst, hast du die dritte Prüfung auch bestanden und bist meiner würdig!“

Ich hob Mjolnir, legte ihn auf meine Schulter und fragte: „Soll ich dir nun einen Nagel zum Bilderaufhängen in die Wand schlagen, wo ich Mjolnir gerade gehoben habe?“

„Nein, das donnert zu stark. Du bist meiner würdig.“

„Und wenn den Hammer jeder heben kann, sogar Typen wie Oliver Pocher?“

„Der schon gar nicht!“

„Beweise! Ich will Beweise!“

„Ich würde zum Beweis ja meinen Nachbarn holen. Der kann den auch nicht heben. Aber ich gelte hier als ganz normale Frau. Und dann würde ich ein Teil meiner besonderen Individualität preisgeben.“

„Ich habe da eine Idee! Heute ist doch Müllentsorgungstag und wir haben den Mülleimer noch nicht raus gestellt. Das werden wir gleich tun und Thors Hammer daneben legen, als wäre er aus der Mülltonne raus gefallen. Wir werden sehen, ob die Müllwerker Thors Hammer heben können, denn die Müllwerker sind neutral!“

„Na, gut. Du wirst schon sehen, was du davon hast, wenn du mir nicht glaubst!“, lächelte die wunderbare Ulrike, „in diesem Fall habe ich noch eine außerordentliche Prüfung für dich! Ich koche und du wirst mit mir Kartoffeln essen!“

„Das ist ja schlimmer als in eine Tonne die Niagarafälle runter zu sausen. - Aber da ich für dich alles tue, wunderbare Ulrike, werde ich das Kartoffelgericht auch auf mich nehmen, obwohl ich normalerweise nichts esse, was unter der Erde gewachsen ist! Vegetarier essen ja auch kein Fleisch – ich esse nichts, was unterirdisch gewachsen ist.“

„Leuchtet ein. - Aber nun müssen wir uns sputen, denn der Müllwagen kommt bereits um die Ecke!“

Ich brachte den Mülleimer raus, die wunderbare Ulrike legte Thors Hammer daneben und wir uns auf die Lauer. Die Müllwerker leerten zunächst den Mülleimer und schickten sich zum Gehen. Aber dann fiel einem der Hammer auf, der wie aus dem Eimer gefallen auf der Straße lag.

„Theo“, rief er, „halt mal an! Da liegt noch ein Hammer, den wir mitnehmen sollten! - Eigentlich ein sehr schönes Stück, dass die Leute weggeworfen haben.“

Er bemühte sich, den Hammer aufzuheben, was ihm nicht gelang. Als der zweite Müllwerker den Versuch unternahm, den Hammer zu heben, scheiterte er ebenfalls. Selbst mit vereinten Kräften war es den Herren unmöglich Thors Hammer zu heben und in das Abfallsammelfahrzeug zu werfen. Der Versuch, Mjolnir mit dem Ladearm zu greifen und in das Abfallsammelfahrzeug zu werfen, funktionierte nur soweit, dass der Ladearm den Hammer zwar packte, das Fahrzeug aber drohte umzukippen, als die Schüttvorrichtung betätigt wurde.

Nun war guter Rat teuer da die Müllabfuhr in diesem Fall an ihre Grenzen stieß und einer der Müllwerker klingelte bei uns.

„Der Hammer, der auf der Straße neben der Mülltonne liegt, ist zu schwer!“ meinte er. „Ich weise sie darauf hin, dass das zulässige Höchstgewicht einer Hundertzwanziglitertonne sechzig Kilogramm nicht überschreiten darf! Bitte entfernen sie den Hammer umgehend! Ich muss sie sonst mit einer hohen Strafe wegen illegaler Müllentsorgung belegen! Sie müssen in diesem Fall mit Strafen von bis zu zweitausendfünfhundert Euro rechnen!“

„Das wären ja rund dreihundertneunundziebzig Pizza Tonno Cipolle von einem namhaften Nudeldienst“, sagte ich, „das ist entschieden zu viel!“

„Eben. Zudem wirkt sich Illegale Müllentsorgung negativ auf mein Karma aus!“, meinte die wunderbare Ulrike, „sei' doch so nett und bring den Hammer wieder in den Keller. Wir wollen doch auch im nächsten Leben wieder liebevoll zusammen sein!“

„Unbedingt!“, sagte ich, hob den Hammer auf, schulterte ihn und brachte ihn wieder in den Keller.

Während die wunderbare Ulrike begann Berliner Hoppelpoppel, ein Kartoffelgericht mit Bratenresten, kleingeschnittenen Gewürzgurken, Würstchenstücken, gekochtem Gemüse, kurz das, was der Kühlschrank noch hergab, zuzubereiten, berichtete sie, dass die Müllwerker in etwa so bedrabbelt drein geschaut hatten, wie die Engländer dereinst, als sie einiger Reichsflugscheiben vom Typ 'Haunebu' über Neuschwabenland ansichtig wurden.

„Was?“, fragte ich, „du kennst dich auch mit den Reichsflugscheiben aus?“

„Natürlich!“, nickte die wunderbare Ulrike, „ich habe sogar eine 'Vril-7 Flugscheibe' im Keller!“

„Was hast du?“

„Ja, nach dem Zusammenbruch im Jahre 1944 hatte die Vril-Gesellschaft Pläne zur Evakuation der Vril-7, doch ihre Pläne waren etwas kompliziert! Sie hatten ihre beste Flugscheibe, die interplanetare Vril-7, bereitgehalten, um sie an einen sehr unwahrscheinlichen Ort zu bringen – in meinen Keller!“

„Jetzt bin ich aber sprachlos.“

„Wieso? - Allerdings hat der Maurer beim Bau dieses Hauses die Kellertür zu klein bestellt und die Wand darum gemauert, sodass man die Vril-7 nun nicht mehr rauskriegt.“

„Aber du könntest, was die Verschwörungstheorien und Legenden um die Reichsflugscheiben betrifft, diese damit doch vollkommen revolutionieren ...“

„Damit die Typen von der Area 51 oder gar dieser Axel Stoll hier rumlaufen. - Nix da! - So, und jetzt bin ich gespannt, wie dir mein Hoppelpoppel schmeckt. Du musst allerdings die Wahrheit sagen!“

„Weiss' doch jeder, dass ich niemals lüge, denn wenn ich lügen würde, hätte ich ja die Prüfungen nicht bestanden!“

„Eben.“

Die wunderbare Ulrike tat uns auf und stellte noch ein gutes Bier dazu. Wir aßen andächtig.

„Was mich noch bewegt“, sagte ich kauend, „ist die Größe deines Kellers. Es ist unwahrscheinlich, was da alles drin ist, von der interplanetaren Vril-7 bis zu dem runden Tisch, an dem König Artus dereinst seine legendäre Tafelrunde in der Großen Halle von Winchester Castle abgehalten hat, wie ich gerade gesehen hab'.“

„In der Tat. Aber du vergisst das originale Necronomicon und den Codex Gias!“

„Den Was? - Ist dieser Codex Dingsbums die vollwertige Sammlung der Pixi-Bücher?“

„Quatsch! - Der Codex Gias ist eines der größten Bücher aller Zeiten und wird von einigen für das Werk des Teufels selbst gehalten! Die 'Teufelsbibel' ist dreiundzwanzig Zentimeter dick und wiegt fünfundsiebzig Kilogramm. Das farbige Bild des Teufels ist wohl das unheimlichste Buchbild in der Geschichte. Aus diesem Grund ist es nicht gut, wenn es in die Welt gelangt. Ich verwahre es deshalb sorgsam in meinem Keller, damit es nicht in die falschen Hände gelangt!“

„Das ist sehr lobenswert! Wenn dein Tisch mal wackeln sollte, können wir ja ein paar Seiten rausreißen und diese unters Tischbein legen. - Aber Spaß beiseite wie kriegst du das alles in deinem Keller unter? Hast du ein Schwarzes Loch in deinem Keller?“

„Von wegen Schwarzes Loch! Dann wäre ja alles weg! Nein, nein, diese Gegenstände sind nur für Leute sichtbar, die meiner würdig sind! Und“, die wunderbare Ulrike nahm einen Schluck Bier, „wenn ich es wünsche!“

„Klar, sonst hätten die Müllwerken Thors Hammer ja nicht sehen können.“

„Eben. Einmal hätte ich es fast vergessen, als der Stromableser kam. Man man man, ich hab's gerade noch geschafft, die Sachen verschwinden zu lassen und eine Kartoffelkiste in den Keller zu stellen. - Apropos Kartoffeln, wie schmeckt dir mein Hoppelpoppel?“

„Wunderbar, ganz ausgezeichnet.“ Ich trank auch einen Schluck Bier. „Ich werde mein Vorurteil, Kartoffeln gegenüber, wohl revidieren müssen.“

„Gut“, meinte die wunderbare Ulrike, „wo wollen wir nach diesem Stress denn im Urlaub hin?“

„Du, ich habe zunächst eine Darmspiegelung und dann eine Operation vor mir. - Können wir dann über den Urlaub sprechen?“

„Gut. - Was die Operation betrifft, sollten wir den Rest des Bieres aus dem Nanteos Cup trinken und anschließend noch einen Cocktail mit dem Gralswasser aus der Quelle zu Atimathäa. Sicher ist Sicher, ich will nämlich bis zum Ende meines Lebens was von dir haben!“
 
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Hallo Hagen,

dieses historisch-mythologische Name-Dropping hat ja durchaus ihre Reize, und ich habe den Text auch mit einigem Vergnügen gelesen. Wegen seiner Methode kamen mir Assoziationen wie beispielsweise zu Jonas Jonassons "Hundertjährigem ..." oder Wolfgang Hildesheimers köstlichem und geistvollem "Marbot".

Aber findest Du nicht, dass hier eventuell letztlich ein wenig zu viel des Guten aufgetischt wird, dass u.U. weniger mehr wäre? Man ist - bzw. ich war - irgendwann nicht mehr darauf gespannt, welcher Gegenstand / Mythos / historischer Bezug als nächstes aus dem Hut gezaubert wird, es wirkt wie eine mächtig überladene Tafel, die schnell zur Übersättigung führt. Dann lieber gut gemachte Hausmannskost, die gerne einige wohlplatzierte Überraschungen bereit halten darf.

Freundliche Grüße,
Binsenbrecher
 

Hagen

Mitglied
Hallo lieber Binsenbrecher,
vielen Dank für die Beschäftigung mit meinem Text sowie den Vergleichen mit den Granden der Literatur.
Aber war soll ich machen, wenn die Fantasie mal wieder mit mir durchgeht und ich nicht weiß wohin mit meinem unnützen Wissen?
Da aber jeder weiß, dass ich niemals lüge, werde ich das Ding mit der Vril-Flugscheibe lieber rausnehmen, denn das war in der Tat etwas geflunkert.
Meine Herzensdame, die Heilige Grale sammelt, ist übrigens genau deiner Meinung. So werde ich das Ding als 'Zettelsammlung der Recherche' betrachten, wie William Seward Burroughs es mit der 'Cut-up Technik' gemacht hat.
So, danke nochmal für's Lob.
Herzliche Grüße von meiner Herzensdame
und wir lesen uns weiterhin!

Besonders freundliche Grüße,
yours Hagen
 



 
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