Als ich begann, an Engel zu glauben.
Ich hatte nie ganz abgestritten, dass es sie geben könnte. Nur hatte ich eben nicht wirklich an sie geglaubt. Ich sagte jeweils, wenn mich jemand zu fragen wagte, ob ich an Engel glaube, folgendes: „Ich glaube, es gibt sie, wenn man an sie glaubt.“ In dieser Aussage war nicht enthalten, ob ich persönlich an sie glaubte, dass wollte ich nicht. Wenn sich jemand für meinen Glauben an Engel interessierte, musste er mich schon besser kennen, nicht nur so flüchtig. So war es nicht mehr als die Frage ‚wie geht’s?‘ , die meist nur aus Höflichkeit gestellt wird. Selten interessiert sich jemand wirklich dafür, ob es einem gutgeht oder eben nicht, und die meisten antworten darauf mit ‚gut, und dir?‘ was eben so gelogen ist wie das Interesse des anderen.
Wie gesagt, ich hatte nie behauptet, es könne sie nicht geben. Trotzdem erschrak ich, als ich das erste mal einen Engel sah. Es war kein Erschrecken im negativen Sinn, nicht wie wenn man vom Lehrer beim spicken erwischt wird. Und doch war es ein bisschen so. Es war, wie bei etwas verbotenem erwischt zu werden, etwas, dass man nicht tun sollte. Ich hatte nicht ganz an sie geglaubt, war erschrocken, als ich doch einen sah. Schon das Erschrecken allein war eigentlich ein bisschen verboten, waren Engel doch etwas unbeschreiblich schönes.
Ich war ganz einfach nicht darauf gefasst gewesen, jemals einen zu sehen. Mit den meisten Dingen, an die man glauben kann, ist es ohnehin viel zu einfach. Man kann immer sagen dass man an sie glaubt, denn die Chance, Gott oder einen Ausserirdischen jemals zu Gesicht zu bekommen ist verschwindend klein.
Aber mir war tatsächlich passiert, was ich mir nie hätte träumen lassen.
Ich war auf dem Weg zur Schule gewesen und lief gerade dem Ufer eines kleinen Baches entlang, als ich über dem Wasser ein Licht bemerkte. Es war seltsam, nicht einfach ein Licht wie man Licht eben kannte. Nicht wie Sonnenlicht, aber das hatte ich in letzter Zeit ohnehin selten gesehen, es war seit Wochen den ganzen Tag neblig und regnete jeden Tag mindestens einmal. Aber künstliches Licht war es noch viel weniger. Im Gegenteil, so etwas natürliches hatte ich noch nie gesehen. Es war einfach unglaublich. Unglaublich rein und strahlend. Aber was ich nachher noch sah, war noch einmal ein grosses Stück unglaublicher.
Es war einfach ein unfassbares Wesen. Man konnte kein Alter auf seinem Gesicht erkennen, man sah nicht, ob es weiblich oder männlich war. In Geschichten sind Engel meistens, und in der Bibel, soweit ich mich erinnern mag, immer männlich.
Aber es spielte keine Rolle. Ich stand da, wagte kaum zu atmen. Zuerst, als ich nur das Licht gesehen hatte, war ich weitergegangen, weil ich einen Augenblick lang gedacht hatte, es wäre nur die Sonne, die sich im Bach spiegelte. Als ich dann aber die Umrisse des Wesens erkannte, blieb ich stehen.
Ich stand einfach nur da und schaute den Engel – ich war jetzt sicher, dass es ein Engel sein musste – an.
Ungefähr zwei Minuten stand ich so da. Dann rannte ich weg. So schnell ich nur konnte. Das Licht war mir auf eine angenehme Weise unheimlich. Ich konnte es förmlich spüren. Ich hatte das Gefühl, dass es materiell war, nicht einfach Licht. Als ich mindestens zweihundert Meter gerannt war, blieb ich stehen und drehte mich um. Und fuhr zusammen. Der Engel war keinen Meter weiter entfernt als vorher.
Ich war mir nicht sicher ob ich Angst haben sollte. Konnte ja sein, es war gefährlich. Ein verkleideter Teufel oder so. Ich entschloss mich, keine Angst zu haben. Wenn es doch gefährlich war, musste es sehr gut getarnt gewesen sein, denn ich war von seiner Schönheit überwältigt. Ich liess mich auf den Boden gleiten. Ich sah mich schnell um und bemerkte, dass ich genau vor dem Weg zu unserem Schulzimmer sass. Und dass sich dieses Zimmer langsam mit Menschen füllte. Ich würde also schon wieder zu spät kommen. Dann wandte ich mich wieder dem Engel zu, der immer noch dort war. Ich sah ihn mir ganz genau an, denn ich hatte das Gefühl, dass ich nie wieder die Gelegenheit haben würde, einen Engel so lange anzuschauen.
Ich musste schon ziemlich lange so gesessen haben als der Engel mir sagte, ich solle zur Schule gehen. Es war seltsam. Er hatte nicht gesprochen, nicht wirklich etwas „gesagt“. Vielleicht war es Gedankenübertragung. Vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet und es war ich selbst, die nicht zum dritten Mal innert drei Tagen zu spät sein wollte. Auf jeden Fall war das nächste, was ich sah, schon sehr seltsam. Die Leute im Schulzimmer hatten sich, seit ich das erste Mal hinaufgeschaut hatte, nicht bewegt, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Ich ging langsam den Weg hinauf und drehte mich bei jedem zweiten Schritt um. Der Engel war noch dort. Als ich oben angekommen war, rannte ich ins Schulzimmer und schaute sofort aus dem Fenster.
Die Leute bewegten sich wieder aber sie schienen mich nicht bemerkt zu haben.
Was ich dort draussen sah, liess mich wieder zusammenfahren. Ich sah mich unten am Wegrand sitzen, wie wenn ich eine der anderen Personen im Zimmer gewesen wäre. Die hatten mich unterdessen nämlich auch bemerkt, oder besser gesagt hatten sie das Mädchen unten beim Bach entdeckt. Und sie fragten sich, was ich so interessant fand an einem Bündel Sonnenstrahlen, das sich im Bach spiegelte.
Ich hatte nie ganz abgestritten, dass es sie geben könnte. Nur hatte ich eben nicht wirklich an sie geglaubt. Ich sagte jeweils, wenn mich jemand zu fragen wagte, ob ich an Engel glaube, folgendes: „Ich glaube, es gibt sie, wenn man an sie glaubt.“ In dieser Aussage war nicht enthalten, ob ich persönlich an sie glaubte, dass wollte ich nicht. Wenn sich jemand für meinen Glauben an Engel interessierte, musste er mich schon besser kennen, nicht nur so flüchtig. So war es nicht mehr als die Frage ‚wie geht’s?‘ , die meist nur aus Höflichkeit gestellt wird. Selten interessiert sich jemand wirklich dafür, ob es einem gutgeht oder eben nicht, und die meisten antworten darauf mit ‚gut, und dir?‘ was eben so gelogen ist wie das Interesse des anderen.
Wie gesagt, ich hatte nie behauptet, es könne sie nicht geben. Trotzdem erschrak ich, als ich das erste mal einen Engel sah. Es war kein Erschrecken im negativen Sinn, nicht wie wenn man vom Lehrer beim spicken erwischt wird. Und doch war es ein bisschen so. Es war, wie bei etwas verbotenem erwischt zu werden, etwas, dass man nicht tun sollte. Ich hatte nicht ganz an sie geglaubt, war erschrocken, als ich doch einen sah. Schon das Erschrecken allein war eigentlich ein bisschen verboten, waren Engel doch etwas unbeschreiblich schönes.
Ich war ganz einfach nicht darauf gefasst gewesen, jemals einen zu sehen. Mit den meisten Dingen, an die man glauben kann, ist es ohnehin viel zu einfach. Man kann immer sagen dass man an sie glaubt, denn die Chance, Gott oder einen Ausserirdischen jemals zu Gesicht zu bekommen ist verschwindend klein.
Aber mir war tatsächlich passiert, was ich mir nie hätte träumen lassen.
Ich war auf dem Weg zur Schule gewesen und lief gerade dem Ufer eines kleinen Baches entlang, als ich über dem Wasser ein Licht bemerkte. Es war seltsam, nicht einfach ein Licht wie man Licht eben kannte. Nicht wie Sonnenlicht, aber das hatte ich in letzter Zeit ohnehin selten gesehen, es war seit Wochen den ganzen Tag neblig und regnete jeden Tag mindestens einmal. Aber künstliches Licht war es noch viel weniger. Im Gegenteil, so etwas natürliches hatte ich noch nie gesehen. Es war einfach unglaublich. Unglaublich rein und strahlend. Aber was ich nachher noch sah, war noch einmal ein grosses Stück unglaublicher.
Es war einfach ein unfassbares Wesen. Man konnte kein Alter auf seinem Gesicht erkennen, man sah nicht, ob es weiblich oder männlich war. In Geschichten sind Engel meistens, und in der Bibel, soweit ich mich erinnern mag, immer männlich.
Aber es spielte keine Rolle. Ich stand da, wagte kaum zu atmen. Zuerst, als ich nur das Licht gesehen hatte, war ich weitergegangen, weil ich einen Augenblick lang gedacht hatte, es wäre nur die Sonne, die sich im Bach spiegelte. Als ich dann aber die Umrisse des Wesens erkannte, blieb ich stehen.
Ich stand einfach nur da und schaute den Engel – ich war jetzt sicher, dass es ein Engel sein musste – an.
Ungefähr zwei Minuten stand ich so da. Dann rannte ich weg. So schnell ich nur konnte. Das Licht war mir auf eine angenehme Weise unheimlich. Ich konnte es förmlich spüren. Ich hatte das Gefühl, dass es materiell war, nicht einfach Licht. Als ich mindestens zweihundert Meter gerannt war, blieb ich stehen und drehte mich um. Und fuhr zusammen. Der Engel war keinen Meter weiter entfernt als vorher.
Ich war mir nicht sicher ob ich Angst haben sollte. Konnte ja sein, es war gefährlich. Ein verkleideter Teufel oder so. Ich entschloss mich, keine Angst zu haben. Wenn es doch gefährlich war, musste es sehr gut getarnt gewesen sein, denn ich war von seiner Schönheit überwältigt. Ich liess mich auf den Boden gleiten. Ich sah mich schnell um und bemerkte, dass ich genau vor dem Weg zu unserem Schulzimmer sass. Und dass sich dieses Zimmer langsam mit Menschen füllte. Ich würde also schon wieder zu spät kommen. Dann wandte ich mich wieder dem Engel zu, der immer noch dort war. Ich sah ihn mir ganz genau an, denn ich hatte das Gefühl, dass ich nie wieder die Gelegenheit haben würde, einen Engel so lange anzuschauen.
Ich musste schon ziemlich lange so gesessen haben als der Engel mir sagte, ich solle zur Schule gehen. Es war seltsam. Er hatte nicht gesprochen, nicht wirklich etwas „gesagt“. Vielleicht war es Gedankenübertragung. Vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet und es war ich selbst, die nicht zum dritten Mal innert drei Tagen zu spät sein wollte. Auf jeden Fall war das nächste, was ich sah, schon sehr seltsam. Die Leute im Schulzimmer hatten sich, seit ich das erste Mal hinaufgeschaut hatte, nicht bewegt, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Ich ging langsam den Weg hinauf und drehte mich bei jedem zweiten Schritt um. Der Engel war noch dort. Als ich oben angekommen war, rannte ich ins Schulzimmer und schaute sofort aus dem Fenster.
Die Leute bewegten sich wieder aber sie schienen mich nicht bemerkt zu haben.
Was ich dort draussen sah, liess mich wieder zusammenfahren. Ich sah mich unten am Wegrand sitzen, wie wenn ich eine der anderen Personen im Zimmer gewesen wäre. Die hatten mich unterdessen nämlich auch bemerkt, oder besser gesagt hatten sie das Mädchen unten beim Bach entdeckt. Und sie fragten sich, was ich so interessant fand an einem Bündel Sonnenstrahlen, das sich im Bach spiegelte.