05.12.2010
Trotz des tiefen Schnees überall war es angenehm mild.
Wir schwiegen, während wir den Weg hoch zum Grab gingen, aber es herrschte keine bedrückende Stille, sondern eine andächtige Ruhe. Die Luft war angenehm klar. Ich musste an meinen ersten Besuch hier denken, von der frostigen Grimmigkeit konnte ich nichts mehr sehen. Der Friedhof Dornbach wirkte mehr wie ein verzaubertes Winterwunderland. Wir erreichten das Grab.
Ich sah Ariane an. "Hier liegt sie." Ariane nickte nur, irgendwie war ich dankbar. Ich schaute auf das Grab und flüsterte: "Hallo Nadine! Das hier ist Ariane, meine Freundin." Ich fühlte mich ein wenig seltsam, aber irgendwie tat es auch gut, diese beiden Welten zueinander zu bringen. Ich begann, Schnee und Eis vom Grabstein und den Pflanzen zu wischen und die kleinen Lichter neben dem Stein vom Frost zu befreien. Ariane half mir. Es war ein schönes Gefühl, dass meine Freundin mir wortlos half, das Grab von Nadine zu säubern.
Schließlich lag nur noch auf dem Grab selber ein Schneehügel. Er wirkte sanft, und der nun völlig saubere Stein sowie die Pflanzen neben dem Grab ließen alles so frühlingshaft aussehen, dass es wirkte als wäre lediglich eine lockere Decke über sie gelegt worden. Ich hielt einen Moment inne und schaute dann zu Ariane, die ich zaghaft fragte, ob sie mich einen Moment alleine lassen könne. Ich wollte sie nicht verärgern, aber ich brauchte ein wenig Zeit für mich, mit Nadine alleine. Zum Glück sagte sie sofort "ja klar!" und spazierte weiter.
Ich sank auf meine Knie und atmete tief ein. Diesmal war mir irgendwie nicht danach, die Worte tatsächlich auszusprechen, aber ich unterhielt mich in meinen Gedanken mit ihr. Ich erzählte, wie es mir ging, wie sehr ich sie manchmal vermisste. Sie erfuhr von Ariane, dass ich sie wirklich sehr gern hatte, sie mir gut tat und versprochen hatte, auf der Erde auf mich aufzupassen. Ich weinte ein wenig, weil so viele Erinnerungen durch mich spülten und mich mit einer unglaublichen Melancholie erfüllten. Einen Moment lang war ich kurz davor Nadine zu sagen, dass ich mir wünschte, bald wieder bei ihr zu sein. Doch dann kam Ariane wieder in Sichtweite, und der Gedanke verflog so schnell wie er gekommen war.
Ich stand auf und sie trat zögerlich zu mir heran. Ich drückte meine Hände einen Moment in den unberührten Schnee auf dem Grab, so dass es aussah als läge dort ein kleines Paar Flügel. Dann hauchte ich Nadine einen Kuss zu, nahm Arianes Hand und wir machten uns auf den Rückweg. "Danke, dass du bei mir bist!" sagte ich zu ihr, und sie drückte meine Hand.
Als wir wieder in der Straßenbahn standen musste ich darüber nachdenken, wie seltsam es eigentlich war, mit Ariane in Wien zu sein. Für sie war die Stadt völlig neu und sie fühlte und benahm sich völlig zu Recht wie ein Tourist. Aber ich war schon oft hier gewesen und verband teils sehr emotionale Erinnerungen mit den Orten. Am Abend vorher waren wir sogar in der Millenium-City gewesen. Wir hatten uns eine Staffel Boston Legal gekauft und Essen von KFC geholt. Und während ich mit Ariane durch die Mall gewandert war und ihr alles gezeigt hatte, musste ich daran denken, dass ich hier mal eine Zeit lang quasi mit Claudia gewohnt hatte.
Ich hatte mit ihr in dem Kino vor uns gesessen, ich war in dem Schwimmbad über uns geschwommen und hatte in einer der Wohnungen neben uns Sex gehabt. Ich kannte den Supermarkt, wusste wo man nachts noch Zigaretten (bzw. Tschick, wie der Wiener sagt) bekommt und hatte sogar mein Lieblingswerbebanner vor der Thalia Buchhandlung wiedergefunden. Es enthielt den großen Schriftzug: "Gehen Sie mal wieder mit einem guten Buch ins Bett. Oder wenigstens mit jemandem, der kürzlich eins gelesen hat."
Wir stiegen nach einer eher schweigsamen Fahrt an der Haltestelle Friedensbrücke aus und bummelten die Straße entlang. Unsere Unterkunft für den Ausflug lag in der Porzellangasse, wo die Firma in der ich arbeitete ein kleines Büro unterhielt. Zu unserem Glück gab es dort sowohl eine Dusche als auch ein ausklappbares Sofa, so dass es sich wunderbar dazu eignete, einen Wochenendausflug ohne Übernachtungskosten zu genießen. Außerdem konnte man über den Beamer im Konferenzraum DVDs schauen.
Ariane zog mich in das McCafé im Bahnhof. Sie hoffte, dort endlich einen Kaffee zu bekommen, wie sie mir gereizt mitteilte. Bisher hatte die Kaffeekultur der Österreicher sie schlicht überfordert. Man kann hier Kaffee bestellen und von Espresso über Latte bis hin zu heißem Wasser irgendwie alles bekommen. Sie hatte es schon mit „Kaffee“, „Mokka“, „Espresso“, „Melange“, „kleiner Schwarzer“, „kleiner Brauner“, „ganz normaler Kaffee“ und „Verdammt, ich will doch nur Kaffee!“ versucht, aber nie hatte das angebotene Getränk ihre Erwartungen erfüllt. Ich konnte dabei nicht im Geringsten helfen, da ich weder in Österreich noch in Deutschland irgendwelche Heißgetränke zu mir nehme. Während sie nun also der verzweifelt schauenden Mitarbeiterin von McDonalds erklärte, sie wolle „das, was man in Deutschland unter Kaffee versteht“, woraufhin diese hilflos darauf hin wies, dass sie noch nie in Deutschland war, überkam mich das Mitleid.
Ich zückte mein Handy und sendete per sms einen Hilferuf an Dagi, eine Freundin aus Wien. Das letzte Mal hatte ich sie nach meinem vorhergehenden Besuch an Nadines Grab gesehen, wir waren bei „Kim kocht“ gemeinsam essen gegangen. Sie konnte mir sicher sagen, was ein ahnungsloser Piefke bestellen muss, um glücklich zu werden, immerhin kommt ihr Freund aus Deutschland. Die Antwort kam prompt: „Ihr Deutschen habt von Kaffe keine Ahnung! Bestell nen großen Braunen oder großen Schwarzen, je nachdem ob du mit oder ohne Milch willst.“ Mit dieser Information ausgestattet konnte ich also meinem Schatz den Tag retten.
Während wir mit großem Schwarzen bewaffnet weiter zogen erfuhr ich noch, dass Dagi derzeit in Deutschland unterwegs war. Es war zwar ein wenig schade, dass wir uns verpassten, aber ich würde ja irgendwann nächstes Jahr wieder kommen. Außerdem waren Ariane und ich auch schon ganz gut ausgeplant, eine Verabredung zum Abendessen stand kurz bevor.
Wir würden uns wenig später mit Stefan und Eva treffen. Ich war gespannt, wie die beiden auf Ariane reagierten. Am Anfang des Jahres war ich immerhin noch mit den beiden und Claudia essen gewesen. Und während ich so darüber nachdachte fiel mir auf, dass ich mit der Nachricht „Hey, wir sind in Wien, sollen wir zusammen essen gehen?“ wenig Chancen gelassen hatte darauf zu kommen, dass jemand anderes als Claudia mich begleitete. Der Kontakt zu den beiden zwischen meinen Besuchen in Wien gestaltete sich nicht so intensiv, als dass sie über meinen Beziehungsstatus auf dem Laufenden wären.
Stefan kannte ich noch aus meiner World-of-Warcraft-Zeit, er hatte die Gilde geleitet in der ich zuletzt gespielt hatte. Kurz nachdem ich aufgehört hatte zu spielen war auch er ausgestiegen, wobei mein Anlass gewesen war das Studium auf die Reihe zu kriegen. Er hatte aufgrund der gesundheitlichen Probleme von Eva aufgehört, es stand eine Zeit lang nicht einmal fest ob sie überleben würde.
Auf dem Gildentreffen in Berlin war er zwar nicht dabei gewesen, aber wir hatten auf einer kreativen Ebene miteinander zu tun bekommen. Stefan ist begnadeter Grafiker und Illustrator, und hatte eine Hand voll Gedichte von mir wunderschön in Szene gesetzt. Als ich dann das erste Mal in Wien gewesen war, um Nadine zu besuchen, hatten wir die Gelegenheit genutzt, uns zu treffen.
Ich war gespannt auf den Abend. Zum Einen hoffte ich, dass es sich irgendwie vermeiden ließ, über Claudia und Michaela, die Stefan ja auch aus WoW kannte, zu reden. Ariane neigte gerne zur Eifersucht, und das Thema „Frauen die ich einmal hatte“ musste ja nicht ständig präsent sein. Außerdem hoffte ich, dass es ein durch und durch netter Abend werden würde.
Beim letzten Essen hatten wir viel Spaß zusammen gehabt. Wir hatten irgendwann aus Jux angefangen, immer längere Zigaretten zu drehen, hatten aus Zahnstochern kleine Menschen gebaut und sie in lustigen Posen angeordnet und danach aus allen möglichen Zetteln kleine Wortfetzen ausgeschnitten und dazu gelegt. Die Kinokarten, Werbeflyer und Tierarztquittungen gaben zu den Männchen nette Ergänzungen ab, zum Beispiel „Das 3D Erlebnis für die ganze Familie“, „Wurmkur 45 €“ oder „Nur heute: extra heiß!“.
Zum Abschied allerdings hatte mir eine nette junge Dame vom Nebentisch, die das Privileg hatte genießen dürfen, eine von mir gebaute und etwa 20 Zentimeter lange Zigarette zu rauchen, aus Papier einen kleinen Vogel gebastelt und geschenkt. Claudia, die nicht weniger eifersüchtig war als Ariane, hatte mir den ganzen Abend lang vorgeworfen, mit fremden Frauen zu flirten.
Ich hoffte, dass der Spaßfaktor des vor uns liegenden Essens mit dem vorherigen mithalten könne, ohne sein etwas unglückliches Ende nachzuahmen. Außerdem hoffte ich inständig, genug Geld dabei zu haben, denn ich würde Stefan und Eva zum Essen einladen. Ich hatte von den beiden einen Entwurf für mein noch zu stechendes Tattoo bekommen und wollte mich für die Mühe erkenntlich zeigen.
Ich nahm Ariane an der Hand und wir zogen weiter durch Wien, auf dem Weg zu unserer Verabredung. Ich war wirklich von Herzen froh, dass ich sie hatte. Immer wenn mich die Erinnerungen in eine melancholische Stimmung stürzten, war sie da, damit ich mich nicht so alleine fühlen musste.
Trotz des tiefen Schnees überall war es angenehm mild.
Wir schwiegen, während wir den Weg hoch zum Grab gingen, aber es herrschte keine bedrückende Stille, sondern eine andächtige Ruhe. Die Luft war angenehm klar. Ich musste an meinen ersten Besuch hier denken, von der frostigen Grimmigkeit konnte ich nichts mehr sehen. Der Friedhof Dornbach wirkte mehr wie ein verzaubertes Winterwunderland. Wir erreichten das Grab.
Ich sah Ariane an. "Hier liegt sie." Ariane nickte nur, irgendwie war ich dankbar. Ich schaute auf das Grab und flüsterte: "Hallo Nadine! Das hier ist Ariane, meine Freundin." Ich fühlte mich ein wenig seltsam, aber irgendwie tat es auch gut, diese beiden Welten zueinander zu bringen. Ich begann, Schnee und Eis vom Grabstein und den Pflanzen zu wischen und die kleinen Lichter neben dem Stein vom Frost zu befreien. Ariane half mir. Es war ein schönes Gefühl, dass meine Freundin mir wortlos half, das Grab von Nadine zu säubern.
Schließlich lag nur noch auf dem Grab selber ein Schneehügel. Er wirkte sanft, und der nun völlig saubere Stein sowie die Pflanzen neben dem Grab ließen alles so frühlingshaft aussehen, dass es wirkte als wäre lediglich eine lockere Decke über sie gelegt worden. Ich hielt einen Moment inne und schaute dann zu Ariane, die ich zaghaft fragte, ob sie mich einen Moment alleine lassen könne. Ich wollte sie nicht verärgern, aber ich brauchte ein wenig Zeit für mich, mit Nadine alleine. Zum Glück sagte sie sofort "ja klar!" und spazierte weiter.
Ich sank auf meine Knie und atmete tief ein. Diesmal war mir irgendwie nicht danach, die Worte tatsächlich auszusprechen, aber ich unterhielt mich in meinen Gedanken mit ihr. Ich erzählte, wie es mir ging, wie sehr ich sie manchmal vermisste. Sie erfuhr von Ariane, dass ich sie wirklich sehr gern hatte, sie mir gut tat und versprochen hatte, auf der Erde auf mich aufzupassen. Ich weinte ein wenig, weil so viele Erinnerungen durch mich spülten und mich mit einer unglaublichen Melancholie erfüllten. Einen Moment lang war ich kurz davor Nadine zu sagen, dass ich mir wünschte, bald wieder bei ihr zu sein. Doch dann kam Ariane wieder in Sichtweite, und der Gedanke verflog so schnell wie er gekommen war.
Ich stand auf und sie trat zögerlich zu mir heran. Ich drückte meine Hände einen Moment in den unberührten Schnee auf dem Grab, so dass es aussah als läge dort ein kleines Paar Flügel. Dann hauchte ich Nadine einen Kuss zu, nahm Arianes Hand und wir machten uns auf den Rückweg. "Danke, dass du bei mir bist!" sagte ich zu ihr, und sie drückte meine Hand.
Als wir wieder in der Straßenbahn standen musste ich darüber nachdenken, wie seltsam es eigentlich war, mit Ariane in Wien zu sein. Für sie war die Stadt völlig neu und sie fühlte und benahm sich völlig zu Recht wie ein Tourist. Aber ich war schon oft hier gewesen und verband teils sehr emotionale Erinnerungen mit den Orten. Am Abend vorher waren wir sogar in der Millenium-City gewesen. Wir hatten uns eine Staffel Boston Legal gekauft und Essen von KFC geholt. Und während ich mit Ariane durch die Mall gewandert war und ihr alles gezeigt hatte, musste ich daran denken, dass ich hier mal eine Zeit lang quasi mit Claudia gewohnt hatte.
Ich hatte mit ihr in dem Kino vor uns gesessen, ich war in dem Schwimmbad über uns geschwommen und hatte in einer der Wohnungen neben uns Sex gehabt. Ich kannte den Supermarkt, wusste wo man nachts noch Zigaretten (bzw. Tschick, wie der Wiener sagt) bekommt und hatte sogar mein Lieblingswerbebanner vor der Thalia Buchhandlung wiedergefunden. Es enthielt den großen Schriftzug: "Gehen Sie mal wieder mit einem guten Buch ins Bett. Oder wenigstens mit jemandem, der kürzlich eins gelesen hat."
Wir stiegen nach einer eher schweigsamen Fahrt an der Haltestelle Friedensbrücke aus und bummelten die Straße entlang. Unsere Unterkunft für den Ausflug lag in der Porzellangasse, wo die Firma in der ich arbeitete ein kleines Büro unterhielt. Zu unserem Glück gab es dort sowohl eine Dusche als auch ein ausklappbares Sofa, so dass es sich wunderbar dazu eignete, einen Wochenendausflug ohne Übernachtungskosten zu genießen. Außerdem konnte man über den Beamer im Konferenzraum DVDs schauen.
Ariane zog mich in das McCafé im Bahnhof. Sie hoffte, dort endlich einen Kaffee zu bekommen, wie sie mir gereizt mitteilte. Bisher hatte die Kaffeekultur der Österreicher sie schlicht überfordert. Man kann hier Kaffee bestellen und von Espresso über Latte bis hin zu heißem Wasser irgendwie alles bekommen. Sie hatte es schon mit „Kaffee“, „Mokka“, „Espresso“, „Melange“, „kleiner Schwarzer“, „kleiner Brauner“, „ganz normaler Kaffee“ und „Verdammt, ich will doch nur Kaffee!“ versucht, aber nie hatte das angebotene Getränk ihre Erwartungen erfüllt. Ich konnte dabei nicht im Geringsten helfen, da ich weder in Österreich noch in Deutschland irgendwelche Heißgetränke zu mir nehme. Während sie nun also der verzweifelt schauenden Mitarbeiterin von McDonalds erklärte, sie wolle „das, was man in Deutschland unter Kaffee versteht“, woraufhin diese hilflos darauf hin wies, dass sie noch nie in Deutschland war, überkam mich das Mitleid.
Ich zückte mein Handy und sendete per sms einen Hilferuf an Dagi, eine Freundin aus Wien. Das letzte Mal hatte ich sie nach meinem vorhergehenden Besuch an Nadines Grab gesehen, wir waren bei „Kim kocht“ gemeinsam essen gegangen. Sie konnte mir sicher sagen, was ein ahnungsloser Piefke bestellen muss, um glücklich zu werden, immerhin kommt ihr Freund aus Deutschland. Die Antwort kam prompt: „Ihr Deutschen habt von Kaffe keine Ahnung! Bestell nen großen Braunen oder großen Schwarzen, je nachdem ob du mit oder ohne Milch willst.“ Mit dieser Information ausgestattet konnte ich also meinem Schatz den Tag retten.
Während wir mit großem Schwarzen bewaffnet weiter zogen erfuhr ich noch, dass Dagi derzeit in Deutschland unterwegs war. Es war zwar ein wenig schade, dass wir uns verpassten, aber ich würde ja irgendwann nächstes Jahr wieder kommen. Außerdem waren Ariane und ich auch schon ganz gut ausgeplant, eine Verabredung zum Abendessen stand kurz bevor.
Wir würden uns wenig später mit Stefan und Eva treffen. Ich war gespannt, wie die beiden auf Ariane reagierten. Am Anfang des Jahres war ich immerhin noch mit den beiden und Claudia essen gewesen. Und während ich so darüber nachdachte fiel mir auf, dass ich mit der Nachricht „Hey, wir sind in Wien, sollen wir zusammen essen gehen?“ wenig Chancen gelassen hatte darauf zu kommen, dass jemand anderes als Claudia mich begleitete. Der Kontakt zu den beiden zwischen meinen Besuchen in Wien gestaltete sich nicht so intensiv, als dass sie über meinen Beziehungsstatus auf dem Laufenden wären.
Stefan kannte ich noch aus meiner World-of-Warcraft-Zeit, er hatte die Gilde geleitet in der ich zuletzt gespielt hatte. Kurz nachdem ich aufgehört hatte zu spielen war auch er ausgestiegen, wobei mein Anlass gewesen war das Studium auf die Reihe zu kriegen. Er hatte aufgrund der gesundheitlichen Probleme von Eva aufgehört, es stand eine Zeit lang nicht einmal fest ob sie überleben würde.
Auf dem Gildentreffen in Berlin war er zwar nicht dabei gewesen, aber wir hatten auf einer kreativen Ebene miteinander zu tun bekommen. Stefan ist begnadeter Grafiker und Illustrator, und hatte eine Hand voll Gedichte von mir wunderschön in Szene gesetzt. Als ich dann das erste Mal in Wien gewesen war, um Nadine zu besuchen, hatten wir die Gelegenheit genutzt, uns zu treffen.
Ich war gespannt auf den Abend. Zum Einen hoffte ich, dass es sich irgendwie vermeiden ließ, über Claudia und Michaela, die Stefan ja auch aus WoW kannte, zu reden. Ariane neigte gerne zur Eifersucht, und das Thema „Frauen die ich einmal hatte“ musste ja nicht ständig präsent sein. Außerdem hoffte ich, dass es ein durch und durch netter Abend werden würde.
Beim letzten Essen hatten wir viel Spaß zusammen gehabt. Wir hatten irgendwann aus Jux angefangen, immer längere Zigaretten zu drehen, hatten aus Zahnstochern kleine Menschen gebaut und sie in lustigen Posen angeordnet und danach aus allen möglichen Zetteln kleine Wortfetzen ausgeschnitten und dazu gelegt. Die Kinokarten, Werbeflyer und Tierarztquittungen gaben zu den Männchen nette Ergänzungen ab, zum Beispiel „Das 3D Erlebnis für die ganze Familie“, „Wurmkur 45 €“ oder „Nur heute: extra heiß!“.
Zum Abschied allerdings hatte mir eine nette junge Dame vom Nebentisch, die das Privileg hatte genießen dürfen, eine von mir gebaute und etwa 20 Zentimeter lange Zigarette zu rauchen, aus Papier einen kleinen Vogel gebastelt und geschenkt. Claudia, die nicht weniger eifersüchtig war als Ariane, hatte mir den ganzen Abend lang vorgeworfen, mit fremden Frauen zu flirten.
Ich hoffte, dass der Spaßfaktor des vor uns liegenden Essens mit dem vorherigen mithalten könne, ohne sein etwas unglückliches Ende nachzuahmen. Außerdem hoffte ich inständig, genug Geld dabei zu haben, denn ich würde Stefan und Eva zum Essen einladen. Ich hatte von den beiden einen Entwurf für mein noch zu stechendes Tattoo bekommen und wollte mich für die Mühe erkenntlich zeigen.
Ich nahm Ariane an der Hand und wir zogen weiter durch Wien, auf dem Weg zu unserer Verabredung. Ich war wirklich von Herzen froh, dass ich sie hatte. Immer wenn mich die Erinnerungen in eine melancholische Stimmung stürzten, war sie da, damit ich mich nicht so alleine fühlen musste.