Entlastungsgesetz

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Mitglied
Als Kind glauben wir
Das Böse ist ein Ort
Das finde ich eine sehr spannende Aussage, liebe Petra!

Darüber denke ich nun schon den ganzen Vormittag immer wieder mal nach und versuche, mich zurück in das Denken bzw. Glauben meiner Kindheit zu versetzen. Wenn, dann ist es die frühe, also die "Kleinkindheit", denn spätestens mit Eintritt in den Kindergarten oder in die Schule wird klar, dass das Böse manche Menschen sind - Kinder sind ja durchaus grausam, wenn ihnen keiner beibringt, was Moral und Mitgefühl sind.

Assoziieren wir als Kinder das Böse mit den Orten, an denen wir ihm begegnet sind? Ich bin mir nicht sicher, schließe das aber definitiv nicht aus. Auf jeden Fall ein spannender Gedanke!

Manche wissen
Das Böse ist die Gemeinheit
Die in allen von uns steckt
Tut sie das? Ich behaupte mal, mir fehlt die Fähigkeit gemein zu sein (und manchmal - das geb ich unumwunden zu - wünsche ich mir durchaus, gemein sein zu können) - das muss jetzt keine Eigenleistung sein, sondern da bin ich wohl das Ergebnis einer guten Erziehung und vorgelebter Werte wie Mitgefühl und Hilfsbereitschaft ("Was du nicht willst, das dir man tu, das füg auch keinem andern zu" ist ein Glaubenssatz meiner Herkunftsfamilie, den ich durchaus als vererbenswert betrachte).
Dass die Anlage zur Gemeinheit in jedem von uns steckt, ist schon heftig - vielleicht auch zynisch - formuliert. Ich sehe die Gemeinheit eher als einen fehlgeleiteten Schutzmechanismus, der helfen soll, an sich selbst erfahrene Gemeinheit oder Gewalt "abzuleiten" und damit die eigene Opfersituation in eine Tätersituation umzuwandeln, damit wir uns weniger hilflos fühlen müssen. Nicht die beste Methode, aber leider die, die am wenigsten seelische Anstrengung kostet.

die Gemeinheit
...
Die das wahre Ausmaß
Von Tragödien bewirkt
Da bin ich voll bei dir. Es gibt immer wieder mal psychologische "Messungen", in welchen Berufssparten die besonders Erfolgreichen schon Anzeichen psychopathischer Züge zeigen...und da sind Manager, Politiker u.ä. immer ganz oben auf der Liste...insofern sind das Böse sicherlich manche Menschen.

Ein spannender Text über die Suche nach dem Ursprung des Bösen. Kain und Abel, Luzifer, der gefallene Engel,die Hölle....die Bibel hat schon versucht, dieser grundlegenden Frage Herr zu werden...und musste etwas erfinden, weil auch sie keine "reale" Antwort kennt. Und wo brächte es uns als Menschheit hin, würden wir mit dem unentrinnbaren Bewusstsein leben, dass in uns allen das Böse steckt, das es zu unterdrücken gilt...

Ach, da könnte man jetzt stundenlang philosophieren... ;)

Auf jeden Fall gerne gelesen und danke fürs brain-food!

LG,
Claudia
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Fee,

da hast Du bei dem Kind angenommen, dass das Böse und das Gemeine identisch seien.
Ich denke eher, das kindliche Böse ist das Monster im Wald oder unter dem Bett. Das Gemeine verstehen sie vielleicht gar nicht, weil sie alles auf sich beziehen, die (gemeine) 'Tat' also irgendwas mit Interaktion zu tun haben könnte.

Meine Auffassung von Gemeinheit ist eine andere. Zum einen halte ich es mit dem juten Jöte, der sich auch für jedes denkbare Verbrechen für fähig hielt. Und dann geht es nicht um eine wie auch immer geartete Absicht, sondern das Resultat. Vielleicht sollten wir zuerst über Gemeinheit philosophieren. Für mich ist nicht unbedingt eine Person 'gemein', sondern eine Tat. Feigheit, Faulheit, Ignoranz, Eitelkeit, Egozentrik, Obrigkeitshörigkeit und ein bisschen Lust an der Grausamkeit, das ist der Stoff, aus dem gemeine Taten resultieren und gerne als Ereigniskette zu Tragödien führen, manchmal für Einzelne, manchmal für viele.

Ich denke da an einen Bundeswehrsoldaten, der sich nicht impfen lassen wollte, entlassen wurde, verurteilt wurde, ins Gefängnis musste und nun vor dem Nichts steht. Angefangen von einer Verteidigungsminsterin, die ihre Macht so einschätzte dass sie meinte, sie könne eine Impfpflicht für Soldaten einführen, über eine endlose Kette an Befehlshabern und -gebern, die meinten, sie würden geltendes Recht anwenden, Ärzte, die glaubten, sie könnten sich über das Selbstbestimmungsrecht von Patienten hinwegsetzen, Kollegen, die lieber wegsahen, als das Mobbing anfing.
Das sind keine gemeinen Menschen, das sind Menschen, die nicht auf der Höhe der Situation waren. Die lieber ein bisschen feige oder ignorant waren, sich selbst überschätzten, zu faul, um zu schauen, wie die Sachlage war, oder die ein bisschen Erleichterung spürten, wenn nicht sie selbst betroffen waren. Macht fehlendes Bewusstsein der Konsequenzen unschuldig?

Manchmal wird aus diesen vielen kleinen Fehlleistungen eine Kette, in der ein einzelnes Schicksal zerbröselt wird, manchmal manifestiert sich eine Haltung, die ganze Bevölkerungsgruppen ins Visier nimmt. Das war schon immer so, das ist so, und das wird so bleiben. Weil das Böse keine Entität ist, sondern eine ganz gewöhnliche Zutat im alltäglichen Miteinander. Der Rest ist Fiktion.

Danke für Deinen Besuch und das Mitdenken :)

Liebe Grüße
Petra
 

sufnus

Mitglied
Hey!

Ich fand auch den ersten Satz (also die ersten zwei Zeilen) richtig spannend. Ich musste dabei an Daniel Kehlmanns Ausführungen zum Phänomen des Spuks denken, der ja typischerweise ganz klar ortsgebunden ist und sich am liebsten in sehr alten Gemäuern herumtreibt, während ein Gespenst in einer Neubauwohnung schon per se ein bisschen deplatziert wirkt. Bei Kehlmann ist das Phänomen des Spuks somit Ausdruck eines Summeneffekts all der (häufig bösen) Taten und Ereignisse, die sich an einem schon länger bewohnten Ort im Laufe der Zeit ereignet haben.

Ich muss sagen, dass mich dann der Fortgang des Gedichts nicht in gleichem Maße interessieren und begeistern konnte. Für mich schlittert der Text nach und nach ein bisschen ins Binsenweisheitshaftige.

Und wenn man es etwas genauer mit der Sprache nimmt, dann ist ja "Das Böse" als abstrakter Begriff nun wirklich etwas ganz anderes als die einzelne, konkrete "böse Tat" oder "böse Gesinnung" und insofern stimmt die Prämisse, dass manche Menschen "das Böse" (als allgemeines Prinzip) mit "bösen Menschen" gleichsetzen einfach nicht. Der einzelne böse Mensch mag noch so böse sein, er ist doch nicht "das Böse" an sich - allenfalls verwirklicht es sich in ihm.

Und die Gleichsetzung von "dem Bösen" mit "der (allgemeinen) Gemeinheit" überzeugt mich auch nicht.

Am Ende bliebe also die Feststellung, dass "das Böse" gleich der Menge (Mengenlehren-mäßig gesprochen) aller bösen Taten ist. Irgend so etwas in der Art. Ich bleibe ein wenig ratlos.

Also insofern konnte ich diesem Gedicht jetzt tatsächlich - ganz wörtlich genommen - fast nichts "abgewinnen" (im Sinne einer gewonnenen Erkenntnis oder einer anregenden Empfindungsschwingung). Text trifft auf Leser und nix passiert. Liegts am Text? Liegts am Leser? Vermutlich in diesem besonderen Fall auch keine sehr ergiebige Frage... :)

LG
S.
 

Arcos

Mitglied
Das Böse ist die Gemeinheit
Die in allen von uns steckt
Vielleicht sind wir ein unbeschriebenes schneeweißes Blatt.
Hier können die häßlichsten Zeichnungen sein, oder die abscheulichsten Beschreibungen.

Aber auch ein Gedicht, das über den Geruch einer Brise berichtet, die von Wellen bis an den Strand getragen wurde.

Liebe Grüße
Önder
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber sufnus,

wir sind doch alle Opfer unserer Gehirnwindungen und was da alles andockt oder nicht andocken kann. Geschenkt!

Mir will nur scheinen, dass dieser Eindruck
schlittert der Text nach und nach ein bisschen ins Binsenweisheitshaftige.
nicht zu diesem
Und wenn man es etwas genauer mit der Sprache nimmt, dann ist ja "Das Böse" als abstrakter Begriff nun wirklich etwas ganz anderes als die einzelne, konkrete "böse Tat" oder "böse Gesinnung" und insofern stimmt die Prämisse, dass manche Menschen "das Böse" (als allgemeines Prinzip) mit "bösen Menschen" gleichsetzen einfach nicht.
zu passen scheint. Entweder Binsenweisheit oder es stimmt nicht. Kann man 'das Böse' nur als historísches Theorem betrachten - also schön weit weg vom Menschen halten? Dann wäre das Böse immer die anderen und als Abstraktum auch noch substanzlos. Ein Theorem, dass nicht mehr viel mit dem Menschen zu tun hat, ist für mich unfruchtbar - l'art pour l'art. Wie sollten wir den Anlässen für die bösen Resultate näher kommen, wenn wir es uns als Abstraktum vom Leibe halten? Und wie sollen wir verstehen, dass jedes Unrecht nicht nur im Ursprung einer Gemeinheit entspringt, sondern viele Stadien des Empathieversagens hat - ohne dass jemand auf die Idee käme, dass er oder sie böse sei?

Der einzelne böse Mensch mag noch so böse sein, er ist doch nicht "das Böse" an sich - allenfalls verwirklicht es sich in ihm.
Das klingt mir eher wie ein Glaubensgrundsatz, aber nicht wie ein besonders tiefer Gedanke.

Ich halte das Böse demgegenüber für eine Erfindung des Menschen; was ist die eigene kleine Gemeinheit gegen die wirklich Bösen?
Entkleiden wir doch dieses Phänomen von seinen bunten Kleidern und vergessen wir die Geschichten mit ihrer Moral.

Natürlich ist unser bewusstes Leben voll von 'Bösen'; das Böse ist nicht mehr wie ein Alleinstellungsmerkmal wie der gute alte Teufel, nein, es hat sich fragmentiert. Nicht nur Putin ist böse, oder Politiker, Journalisten, oder Querdenker oder Rechte. Was für einen Unterschied macht es, wenn wir sie nicht für das personifizierte, als Abstraktum gültige Böse halten, aber es so behandeln? Wenn wir Urteile fällen, ausgrenzen, Karrieren zerstören, Lebensgrundlagen nehmen - einfach auf der Grundlage der kleinen Gemeinheiten, uns berufend auf die Verteidigung des Guten, Gerechten und schlussendlich der Demokratie?

Wenn wir das Böse weiterhin in den Geschichten und Theoremen suchen - oder zu finden glauben - dann geht das den Bach runter, was uns dazu bringen könnte, innezuhalten und uns selbst zu hinterfragen - was uns ausmacht.

Liebe Grüße
Petra
 
Liebe Petra,

inhaltlich keine Bedenken, nur Zustimmung von mir. Formal passt es auch, nur die letzten zwei Zeilen finde ich nicht geglückt. Beim ersten Lesen heute Morgen glaubte ich, der Text wäre irrtümlich vor seinem Ende abgeschnitten worden. Jetzt wieder mein Eindruck: Sprachlich stimmt da am Schluss etwas nicht. Ich denke, es ist die korrekte Verwendung von Plural oder Singular. In Zeile 4 heißt es: "Das Böse sind manche Menschen" - alles in Ordnung. Bei den zwei Schlusszeilen sind dann aber "manche Menschen" mit dem Singular "Das Böse sei ..." verbunden. Und das halte ich für grammatisch falsch und mein Sprachgefühl stört sich daran. Im Ernst, heute Morgen habe ich gedacht: Hinter dem Subjekt "manche Menschen" kommt noch etwas (Prädikat, Objekt). Aus meiner Sicht lässt sich das leicht beheben, indem man in der vorletzten Zeile aus "sei" "seien" macht.

Hoffentlich nicht zu penibel
Arno
 

sufnus

Mitglied
Hey Petra!
Danke fürs Nachhaken - mein Kommentar oben war etwas mit heißer Tastatur getippt (zu viel von zu wenig Zeit) und auch jetzt schreib ich etwas gegen die Stoppuhr - wollte aber zumindest mal eine Antwort abwerfen, weil ich nicht weiß, ob ich die nächsten Tage dazu komme... aber wenn die Gedanken jetzt etwas fragmentiert oder unentwickelt sind, ists dem Zeitmangel geschuldet und kein böser (hah!) Wille. :)

Entweder Binsenweisheit oder es stimmt nicht.
Ich hab aus Deinem Gedicht zwei Aussagen rausgelesen, von denen ich eine für falsch und eine für etwas "binsig" halte:
- Die meisten glauben, dass Böse sei... manche Menschen (das halte ich inhaltlich für falsch)
- Das Böse ist die Gemeinheit, die in uns allen steckt (das halte ich für richtig, aber trivial)

Das klingt mir eher wie ein Glaubensgrundsatz, aber nicht wie ein besonders tiefer Gedanke.
Dass die Verortung des "Bösen" als Abstraktum in der Regel (!) nicht zu besonders tiefen Gedanken führt (und ich obig auch keine solchen tiefen geäußert habe) - da stimme ich Dir uneingeschränkt zu! :)

Ich halte das Böse demgegenüber für eine Erfindung des Menschen
Das ist allerdings ein Gedanke, der Sprengpotential hat (und insofern tief und originell und wichtig ist!), weil er ein bisschen in die Richtung eines ethischen Solipsismus weist, in dem Sinne, dass es also keinen objektivierbaren Maßstab für "Böse" gibt, sondern das nur eine nicht verabsolutierbare Definitionsfrage ist. Das Böse als Erfindung des Menschen - da begegnen sich der alte Protagoras und der nicht ganz so alte (aber doch ein bisschen alte ;) ) Max Stirner, der häufig (höchstwahrscheinlich nicht ganz gerechterweise) als wichtiger Vordenker eines ethischen Egoismus gilt ("mir geht nichts über mich" [Stirner]).

LG!

S.

P.S.:
Was das Sprachliche angeht, stimme ich Arno zu. :)
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Petra,

inhaltlich keine Bedenken, nur Zustimmung von mir. Formal passt es auch, nur die letzten zwei Zeilen finde ich nicht geglückt. Beim ersten Lesen heute Morgen glaubte ich, der Text wäre irrtümlich vor seinem Ende abgeschnitten worden. Jetzt wieder mein Eindruck: Sprachlich stimmt da am Schluss etwas nicht. Ich denke, es ist die korrekte Verwendung von Plural oder Singular. In Zeile 4 heißt es: "Das Böse sind manche Menschen" - alles in Ordnung. Bei den zwei Schlusszeilen sind dann aber "manche Menschen" mit dem Singular "Das Böse sei ..." verbunden. Und das halte ich für grammatisch falsch und mein Sprachgefühl stört sich daran. Im Ernst, heute Morgen habe ich gedacht: Hinter dem Subjekt "manche Menschen" kommt noch etwas (Prädikat, Objekt). Aus meiner Sicht lässt sich das leicht beheben, indem man in der vorletzten Zeile aus "sei" "seien" macht.

Hoffentlich nicht zu penibel
Arno
Lieber Arno,

nein, nicht penibel.
Für mich las es sich flüssig, aber nur, weil ich den Stolperstein nicht spüre, kann er doch schmerzen, also ausge(sch)merzt.
Ich war nur versucht, dann statt des 'und' ein 'oder' in die letzte Zeile zu setzen, aber ich wollte mich jetzt nicht so tief hineinbegeben, ob das etwas Grundsätzliches' ändern würde. Da denke ich noch einmal nach.

Vielen Dank für Deine Zustimung und das aufmerksame Lesen.

Liebe Grüße
Petra
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
und auch jetzt schreib ich etwas gegen die Stoppuhr
Lieber Sufnus,

danke, dass Du nicht an Dich halten konntest, um mir doch schnell einen Antwort-Kommentar zu senden - ich sehe mich jetzt nur in der peinlichen (?) Lage, Dir jetzt nicht adäquat darauf antworten zu können, weil ich nicht abschätzen kann, was jetzt dem denkenden Sufnus, und was dem eiligen zuzuordnen ist. Da sehe ich eher Endlosspiralen auf uns zukommen, wenn wir auseinanderklambüsern, was jetzt gemeint gewesen ist. Das ist dann doch zuviel der Ehre.
Dein Standpunkt ist mir jetzt noch nicht klarer geworden, und meinen empfinde ich wenig ergänzt.
Ich fühle mich auch nicht besser dadurch, dass ich mich einem Denker oder einer Schule zuordnen kann und fühle mich ganz wohl in der 'Schule der denkenden Menschen', von denen ich hier beglückend viele finde.
Auf jeden Fall auch danke für Deine Anregungen - da muss ich doch gleich mal nachforschen.

Liebe Grüße
Petra
 
Ich war nur versucht, dann statt des 'und' ein 'oder' in die letzte Zeile zu setzen, aber ich wollte mich jetzt nicht so tief hineinbegeben, ob das etwas Grundsätzliches' ändern würde. Da denke ich noch einmal nach.
Schwierig zu entscheiden, Petra. Die Vorzüge von "und": 1. Es drückt Reihung aus (von Gleichwertigem) und vemeidet den (falschen) Eindruck einer Alternative. 2. Als einsilbiges Wort hält es die Begriffe "Ort" und "Menschen" besser zusammen als das zweisilbige "oder"; es klingt hier auch besser. - Andererseits passt "oder" inhaltlich besser zum zeitlichen Nacheinander von "Ort" und "Menschen" am Anfang des Gedichts. Ich würde mich hier trotzdem für das aus meiner Sicht formal besser passende "und" entscheiden, d.h. nichts ändern.

Schönen Abendgruß
Arno
 

sufnus

Mitglied
Moin Petra!
Wie zu sehen ist, habe ich seit Gestern wieder ein bisschen mehr Zeit zur Forenverlustierung.
Falls Du also nochmal Nachhakungsinteresse bzgl. allfälliger Unklarigkeiten meiner ganz schön geneigten Ausführlichkeiten verspürst: At your Service! :)
Fühl Dich aber auch nicht gedrängt... die allsommerseitige Hitzigkeit verlangt nach wohlkalkulierter Einteilung der Kräfte. :)
LG!
S.
 

Maria O

Mitglied
Liebe Petra,
das "Böse" ist kein Ding, kein Ort, kein Mensch im Außen, ebenso wenig wie das "Gute", das "Schöne",.... Wir alle entscheiden ständig, wie wir leben, ob wir gut oder böse handeln, denn erst dann, wenn wir Bösem Raum geben, kann es sich entfalten. Das bedeutet auch, dass ich Handlungen anderer, die schaden, begrenze, diesen entgegentrete. Auch wenn die Gemeinheit in uns stecken mag, es kommt darauf an, ob wir diese Gemeinheit leben.
Alles Liebe
Maria
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Maria,

danke für Deine Gedanken.
So ein bisschen gehen meine Gedanken auch in diese Richtung.
Aber ich kann dabei nicht ausblenden, dass dieses 'Gute' und 'Böse' moralische Kriterien sind, die der Mensch exklusiv hat. Das hatte ich in meiner Antwort an Fee (#3) versucht, einzubeziehen. Die Menschen, die moralisch geurteilt 'böse' handeln, meinen mitnichten, 'böse' zu handeln, sondern sie bewegen sich im Strom ihrer individuellen Interessen, bei denen sie die Interessen anderer ausblenden. Dadurch erst entsteht die 'Gemeinheit'. Es ist nicht so, dass sie in uns steckt wie eine Masse an Eigenschaften, der wir in der Lage wären, Einhalt zu gebieten. Sie entsteht oft nur durch die Konsequenz aus unserem Handeln, die wir nicht berücksichtigt haben oder berücksichtigen konnten. Auch ich habe in diesem Sinne schon gemein gehandelt, und dann kommt es darauf an, ob man dann den Schmerz des anderen mitspürt, ob man in der Lage ist, daraus die Konsequenz zu ziehen, einerseits die eigene Gemeinheit anzuerkennen, und andererseits die eigenen Sinne zu schärfen, um zukünftig Gemeinheiten unterlassen zu können - weil wir es nicht wollen. Maximen helfen uns nicht weiter, wenn wir sie theroretisch verinnerlicht haben, aber im praktischen Leben blind dafür sind, wann wir sie verletzen.

Tiere sind nicht in der Lage, moralisch zu handeln; selbstredend nicht unmoralisch. Der Löwe verschont das Antilopenkind nicht deshalb, weil er Einsicht gefunden hat, dass dies gut sei, sondern weil er satt ist.
Der Mensch handelt da interessegeleitet nicht viel anders. Im Unterschied kann er nur wollen, sein Handeln nach moralischen Gesichtspunkten zu hinterfragen. er kann es wollen, er kann es aber auch nicht können. Moralisch zu sein, kann in frühester Jugend ausgetrieben werden, oder trotz höchster Ausbildung in der Bekämpfung des sogenannten Unmoralischen erstarren, oder sich bei den 'Guten' zu wähnen und das 'Böse' zu bekämpfen.
Diese Fahigkeit zur moralischen Hinterfragung ist die eigentliche Zutat, die den Menschen von den Tieren unterscheidet, aber ich habe nicht den Eindruck, als würde diese Adelung hinreichend Menschen, Tieren und der Natur zu Gute kommen.

Liebe Grüße
Petra
 

Maria O

Mitglied
Liebe Petra,
oh, da habe ich aber viel ausgelöst. Danke für Deine umfassende Antwort.
Das "Gute" und das "Böse" sind für mich keine moralischen Kriterien, sondern gut ist, was lebensspendend und lebendig ist. Darauf basiert unsere Existenz. Das kann auch ein berechtigter Zornausbruch mit entsprechender Reaktion sein, wenn ein "Böser" z.B. ein Kind misshandelt oder die Abkehr von jemanden, der liebend gern andere, ganz unterschwellig, heruntermacht. Ich schlage mich nicht mit moralischen Überlegungen herum, sondern lebe einfach das, was liebend sein ausmacht. Ist oft ganz schön anstrengend, aber erfüllend.
Gemein zu sein ist die Antwort auf etwas, das dies verursacht hat. Aber, ein geringer Selbstwert wird schnell etwas als "gemein" einstufen, was vielleicht nur berechtigte Gegenwehr ist. Außerdem, eigentlich glaube ich nicht, dass Du das wirklich kannst, Du reflektierst es ja. Ich lebe nicht so intellektuell wie Du, sondern seit Jahrzehnten ganz einfach: Ich tu anderen das, was ich möchte, dass sie mir auch tun. Mein Spektrum habe ich erweitert auf alles Existierende. Übrigens bin ich überzeugt, dass Tiere zwar nicht gedanklich moralisch handeln können, sehr wohl aber zur Empathie fähig sind, Gefühlsreichtum besitzen und aus diesem heraus handeln. Tiere pflegen ja auch ihresgleichen gesund z.B. Ameisen. Die Lebensgrundlage vernichten sie nicht z.B. wenn Tiermütter weniger Kinder bekommen, weil es nicht genug Nahrung gibt. Die Fähigkeit zur moralischen Hinterfragung fehlt ihnen, aber hinterfragen intellektuell Frauen und Männer genügend oder fehlt es am Einfühlungsvermögen? Du hast völlig Recht mit Deinem Eindruck, dass die Adelung zwar vorhanden ist, aber nicht gelebt wird.

Aber jetzt genug - vielleicht kannst Du mit meinen Worten etwas anfangen.
Schönen Abend noch,
Maria
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Maria,

da will ich Dich nicht mit irgendwelchen Definitionen quälen - das ist eine andere Art des Umgangs.

Als ich in Amerika war, gab es derzeit einen berühmten Fernseh-Psychologen (man erhält ihn gleich, wenn man Dr. Phil googelt, also scheint er noch aktiv zu sein), der sehr beliebt war - und in der typisch amerikanisch optimistischen Weise Seelenpflege betrieb. Ich war damals auch angetan und kaufte mir ein Buch von ihm - allein wegen der Hauptaussage: Living from the Inside out. Das dengelte lange in meinem Kopf herum, grübelnd, ob ich das täte. Das Buch selbst war dann wieder typisch amerikanisch so á la, wenn ich es schaffe, dann schaffst Du das auch. Für solche Botschaften bin ich eher nicht empfänglich, aber ich habe die Hauptaussage als sehr positiv gesehen - und unter dem Aspekt könnte man sein Denken und Verhalten auch einmal hinterfragen.
Und darum erwähne ich dies hier: Ich denke, genau das machst Du: Von innen nach außen leben.
Vielleicht sind das dann eher Gefühle und zu Intuition verdaute Beobachtungen aus der Welt, die einen dazu befähigen, von innen nach außen zu leben.

Ich denke eher in Modellen und Analogien, und darum sehe ich Deine Auslassungen eher so, dass Du Einiges durcheinanderwirfst und Schlüsse ziehst, die für mich nicht schlüssig sind. Wenn man Begriffe verwendet, um darüber zu reden, füllt man sie nicht nur mit den eigenen Erfahrungen, sondern sieht sie auch als Stellvertreter für einen Zustand in einem Denkmodell. Darum scherst Du Dich nicht - und das ist auch vollkommen in Ordnung.
Nur, dann kommen wir bei Gut und Böse und Gemeinheit eher nicht auf einen grünen Zweig.
Das macht aber auch nichts. Ich empfinde jede Art des Denkens als Bereicherung und tausche mich gerne mit Dir aus.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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